Protocol of the Session on November 11, 2004

„AL Dr. Lutz, Innenministerium, wirft die Frage auf, inwieweit vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Regelungen ein Friesisch-Gesetz überhaupt notwendig sei. Artikel 10 der Sprachen-Charta regele die Vorlage von Urkunden in Friesisch, die Annahme von Ortsnamen in Friesisch, den Einsatz von Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit Sprachkenntnissen des Friesischen und den Gebrauch oder die Annahme von Familiennamen in Friesisch."

Im Übrigen verweist Herr Dr. Lutz dann auf eine Diskrepanz zwischen dem Gesetzentwurf auf der einen Seite und der Sprachen-Charta auf der anderen Seite, was zum Beispiel die Frage angeht, wer die Kosten von Übersetzungen in die friesische Sprache zu übernehmen hat. Auch das ist also ein Problem, das wir vielleicht bedenken sollten.

Weiter heißt es in dem Protokoll:

„Die Regelungen hinsichtlich der Dienstsiegel und sonstigen Hoheitszeichen seien lediglich bekräftigend."

Es heißt dann weiter:

„Er schließt mit dem Resümee, aus Sicht des Innenministeriums bestünden keine durchgreifenden Bedenken gegen die im Gesetzentwurf aufgeführten Regelungen, da es sich um Kann-Regelungen handele. Alles spitze sich allerdings auf die Frage zu, ob ein solches Gesetz für Schleswig-Holstein überhaupt notwendig sei."

Angesichts dieser Feststellungen wird die Mehrheit des Landesparlaments sehr wahrscheinlich ein Gesetz beschließen, das nur bekräftigt, was ohnehin bereits möglich ist beziehungsweise in der Verfassung oder in rechtsverbindlichen Verträgen an Verpflichtungen eingegangen wurde. Ob ein solches Vorgehen wirklich angemessen und sinnvoll ist, lässt sich bezweifeln. Es handelt sich um einen sicherlich schwer zurückzuweisenden Akt mit Symbolcharakter, der verdeckt, dass in dieser Problematik herzlich wenig passiert ist, gerade auch in den letzten Jahren. Ich darf daran erinnern, dass es teilweise sogar schmerzhafte Rückschritte gegeben hat, etwa die Halbierung der Wissenschaftlerstellen im Bereich Friesisch an den Universitäten des Landes im Laufe der letzten Jahre, nämlich eine Halbierung von vier auf zwei Stellen.

(Dr. Ekkehard Klug)

Meine Damen und Herren, konkrete Schritte zur Förderung des Friesischen vom Kindergarten über den Kulturbereich, im Schulbereich bis hin zur Universitätsebene sind jedenfalls unendlich viel wichtiger als eine bloße symbolische Bekräftigung verschiedener vorhandener Möglichkeiten.

(Beifall bei der FDP)

Schließlich stellt sich auch die Frage, ob der Landtag wirklich gut beraten ist, Gesetze zu beschließen, die in der Sache nichts Neues bringen. Eingedenk dieser Überlegungen hat sich die FDP-Fraktion dazu entschlossen, nicht den einfacheren und zudem natürlich in Wahlkampfzeiten wesentlich bequemeren Weg zu gehen, den wahrscheinlich viele Kollegen in der bevorstehenden Abstimmung gehen werden, dann nämlich ein bis zwei Augen zuzudrücken. Weil wir deutlich machen wollen, dass wir in der Sache nicht gegen das sind, was dieser vorliegende Gesetzentwurf bloß noch bekräftigt, werden wir uns - jedenfalls die deutliche Mehrheit unserer Fraktion - in der Abstimmung der Stimme enthalten.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz und die Bewahrung von Minderheiten ist ein Grundansatz unserer Politik. Unser Gesellschaftsbild geht von der individuellen Entfaltung unterschiedlicher Lebensformen aus. Dies gilt auch für die Menschen in Schleswig-Holstein, die sich einer Minderheit zugehörig fühlen. Dabei verstehen wir Minderheit nicht mehr als einen Schutzbegriff vor Vereinnahmung, sondern wir sehen in den Erfahrungen und Kenntnissen durch die Bewahrung eigener Sprache, eigener Bräuche, eigener Kunst eine wichtige Bereicherung der Mehrheitskultur. Diese Bereicherung wollen wir mit dem Friesisch-Gesetz festigen. Damit sind wir uns mit der Mehrheit dieses Hauses einig.

Trotz der Konkurrenz der knappen Haushaltsmittel genießen heute unsere Minderheiten besondere Privilegien. Eine Stiftung sichert der Volksgruppe der Friesen in Nordfriesland ihre Kulturarbeit. Mit einer Honorarprofessur und der Aufnahme des Friesischen in die Prüfungsordnung für Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe I sorgen wir dafür, dass das Netz zwischen dem Nordfriisk Instituut, den Schulen und

Kindergärten in Nordfriesland und der nordfriesischen Wörterbuchstelle an der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel intakt bleibt. Auch die Fortsetzung dieser Maßnahmen ist für die Bewahrung des Friesischen wichtig.

Die besondere Bedeutung dieses Gesetzes liegt darin, dass der Sprache damit ein zunehmend offizieller Status zukommt. Sie tritt damit heraus aus der Nische der reinen Kulturpflege und findet Eingang in das Verwaltungshandeln. Es darf in der Verwaltung auf friesisch ver- und gehandelt werden, sofern Dritte nicht beeinträchtigt werden. Offizielle Formulare, Hinweisschilder, Ortstafeln können zweisprachig beschriftet werden. Damit geben wir vielen Maßnahmen, die schon seit Jahren stattfinden, auch nachträglich unseren parlamentarischen Segen.

Wir machen mit diesem Gesetz hoffentlich viele Menschen auf den Reichtum unseres Landes aufmerksam. Ich freue mich, dass es auf breite Zustimmung von Parteien und Institutionen stößt. Aber auch das beste Gesetz kann eine Minderheitensprache nicht lebendig halten, wenn die Sprache nicht gesprochen wird. Die Benutzung im öffentlichen Raum kann die Bestrebungen der Sprachgemeinschaft unterstützen. Die Benutzung im öffentlichen Raum - Herr Maurus hat es beispielhaft praktiziert - kann die Bestrebungen der Sprachgemeinschaft unterstützen. Aber das Wichtigste ist, dass die Sprache gesprochen wird. Sülung Frasch snååked wårt, gungt et ai uner - Solange Friesisch gesprochen wird, geht es nicht unter.

Der Name der rot-grünen Wählerinitiative „Klaar Kimming“ greift den Gedanken des schönen und wohl bekanntesten friesischen Spruchs auf: „RÜM HART, KLAAR KIMMING“ - Weites Herz, klare Sicht. In diesem Sinne freue ich mich über unser Gesetz und wünsche ihm viel Erfolg.

Foole tunk, dåt jam me tuhiird heewe. - Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Joachim Behm das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Da ich dem Gesetz zur Förderung des Friesischen zustimmen werde - die FDP-Fraktion wird sich der Stimme enthalten, wie Dr. Klug begründet hat -, ist dieser Wort

(Joachim Behm)

beitrag von mir nötig. Ich habe mich im beteiligten Europaausschuss für die Annahme der Vorlage entschieden. Die Bemühung, meine Fraktion zur Zustimmung zu bewegen, blieb ohne Erfolg. Aber Herr Dr. Klug konnte ja begründen, warum dies der Fall ist. Immerhin wird sie sich nur der Stimme enthalten.

Meine zustimmende Haltung ist ganz entscheidend durch die Anhörung der an der friesischen Sprache und Kultur interessierten Persönlichkeiten im Nordfriesischen Institut in Bredstedt ausgelöst worden. Dabei wurde deutlich, dass die Erhaltung der friesischen Sprache und Kultur durchaus gefährdet ist. Diese Existenzgefährdung kann nachhaltig durch das Gesetz und durch dessen Umsetzung gemindert oder abgewendet werden.

(Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Die große Zahl der angehörten Persönlichkeiten, die sich positiv zur Verabschiedung dieses Gesetzes geäußert haben und Vorschläge dafür einbrachten, den Text zu verbessern, hat mich letztlich überzeugt. Das Gesetz wird der friesischen Sprache und Kultur das Überleben erleichtern. Sprache muss jedoch - das wird der entscheidende Moment sein, wie alle Redner hier betonten - gelebt und gesprochen werden.

Wir schützen mit dem Gesetz ein kulturelles Erbe unseres Landes, das bis in die heutige Zeit überlebt hat. Ich freue mich über jede Stimme, die mein Votum unterstützt.

(Beifall)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich nun dem Herrn Abgeordneten Fischer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich Bezug nehmend auf den Beitrag von Herrn Dr. Klug kurz zwei Dinge ansprechen. So richtig es ist, die beiden Punkte - Kostenübernahme und die Frage, was mit bestehenden Regelungen geschehen solle - anzusprechen, möchte ich doch darauf hinweisen, dass Sie zwar korrekt aus dem Protokoll der Anhörung zitiert haben, diese Fragen jedoch in der Folgezeit in diesem Ausschuss und in den anderen Ausschüssen geklärt worden sind. Das, was Sie als Frage aufwerfen, ist also schon geklärt. Diese Erkenntnis sollte Sie dazu bringen, sich zu überlegen, ob Sie nicht doch zustimmen könnten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zweitens möchte ich folgenden Punkt ansprechen, Herr Dr. Klug: Mir ist nicht ganz einsichtig, dass Sie, da Sie auf der einen Seite beklagen, dass für die Friesen zu wenig getan worden sei, sich dann, wenn etwas für die Friesen getan werden soll, nämlich durch dieses Gesetz, enthalten. Das ist ein Widerspruch, den Sie noch aufklären müssten; die Chance dazu haben Sie.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Durch das Gesetz passiert doch gar nichts!)

Zum Schluss sei noch Folgendes gesagt: Ich meine, dass sich die Entscheidung des Europaausschusses, den Minderheitenbericht zur Mitte der Legislaturperiode vorzulegen, um damit die Möglichkeit zu haben, in der verbleibenden Zeit einige wirklich wichtige Initiativen auf den Weg zu bringen, mit dem Friesisch-Gesetz, als sehr gut herausgestellt hat. Wir haben das Gesetz in dieser Legislaturperiode bekommen.

Ich respektiere die Enthaltung - keine Frage -, wenngleich ich die Begründung hierfür etwas zu schwach finde.

Die Aussage, was daran Populismus ist, ob man einer Sache zustimmt oder nicht, möchte ich an dieser Stelle nicht bewerten.

Ansonsten schließe ich mich der Aussage von Herrn Behm an: Jeder hat noch die Chance zuzustimmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Ich erteile jetzt Frau Ministerpräsidentin Simonis für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diejenigen unter uns, die nicht Friesisch sprechen, haben sich wenigstens bei einer Gruppe Sympathien erworben, nämlich bei den Protokollanten. Deren Gesichter hätten Sie sehen sollen! - Ich hoffe, sie werden es uns eines Tages danken, nämlich dann, wenn sie nachher zu übertragen beginnen und überlegen müssen, was eigentlich gesagt worden ist.

(Lachen)

Meine Damen und Herren, als im Januar dieses Jahres in der ersten Lesung der Entwurf des SSW für ein Friesisch-Gesetz diskutiert wurde, hatte ich namens der Landesregierung - ich nehme an, Sie erinnern sich - Bedenken geäußert. Diese richteten sich damals

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

vor allem gegen die Notwendigkeit eines FriesischGesetzes. Vor dem Hintergrund ohnehin übernommener Verpflichtungen aus der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen hielten wir den Gesetzentwurf für nicht notwendig, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir Überregulierung und Bürokratie abbauen und keine neuen gesetzlichen Regelungen schaffen wollten, wenn schon Regelungen existieren, die greifen.

Die Beratungen in den Landtagsausschüssen und insbesondere die Anhörung im Nordfriisk Instituut am 2. Juni in Bredstedt haben jedoch die große symbolische Bedeutung des Gesetzes für die friesische Volksgruppe verdeutlicht. Offensichtlich traut man hier eher einer klar umrissenen landesgesetzlichen Regelung als den vielleicht etwas abstrakteren Verpflichtungen in der Europäischen Charta.

Es ist in der Tat auch mehr als nur eine Frage, ob eine weitere Sprache anerkannt wird - Ja oder Nein. Wenn das Friesisch-Gesetz zur Stärkung des Friesischen in Nordfriesland und auf Helgoland beiträgt, hat es auch aus Sicht der Landesregierung seine Existenzberechtigung, wobei ich mir allerdings bezüglich der praktischen Auswirkungen noch Fragen stelle. Wie soll es beispielsweise in einer Behörde funktionieren, wenn jemand hereinkommt und darauf besteht, friesisch zu sprechen, der andere jedoch kein Wort versteht? Bis man jemanden gefunden hat, der übersetzen kann, kann es schon schwierig werden.

Bislang hatte das Land Schleswig-Holstein - von einzelnen Ausnahmen abgesehen - für seine drei Minderheitensprachen Dänisch, Friesisch und Romani weitgehend identische Verpflichtungen aus Artikel 10 der Sprachen-Charta, der den Gebrauch der Minderheitensprachen vor und von Verwaltungsbehörden umfasst, übernommen. Ich wiederhole gebetsmühlenartig: An der Stelle fällt mir jedes Mal ein, dass wir für die Sinti und Roma noch eine Regelung brauchen, die sich in unserer Verfassung niederschlägt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und FDP)

Ausgehend vom Landesverwaltungsgesetz - die Amtssprache ist Deutsch - war als Chartaverpflichtung diesbezüglich allerdings nur die Bestimmung übernommen worden, dass in den Minderheitensprachen abgefasste Urkunden rechtsgültig vorgelegt werden können. Im Kreis Nordfriesland und auf der Insel Helgoland wird es durch das Friesisch-Gesetz künftig möglich sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger in friesischer Sprache an Behörden wenden und neben Urkunden auch Eingaben, Belege und sonstige