Protocol of the Session on September 24, 2004

Wir müssen uns nur die Struktur der Heimbewohner anschauen, um festzustellen, dass sich durch den richtigen Ansatz „ambulant vor stationär“ die Anforderungen an das Pflegepersonal entscheidend geändert haben: Die Heimbewohner sind nicht nur immer älter, sondern auch immer kranker und pflegebedürftiger geworden. Deshalb müssen in einem vernünftigen Anforderungsprofil Elemente verankert werden, wie sie zum Beispiel im Rahmen der Ausbildung zum Krankenpfleger vermittelt werden.

Sinnvoll ist deshalb aus unserer Sicht die Etablierung einer Basisausbildung, die für Altenpfleger und Krankenpfleger zunächst gleich ist und erst nach zwei oder zweieinhalb Jahren eine Spezialisierungsmöglichkeit für einen der beiden Wege ermöglicht.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

Der Erfolg des im Oktober 2001 gestarteten Flensburger Modellprojekts „Integrierte Ausbildung in der Pflege“ bestätigt unsere lange erhobene Forderung nach einer solchen Ausbildung und sie sollte Standard werden.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Andreas Beran [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Darüber hinaus würde der Auf- und Ausbau von verschiedenen Zusatzqualifikationen dazu führen, dass mit dem Berufsabschluss zur Altenpflegerin beziehungsweise zum Altenpfleger weitere Berufsperspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten geschaffen würden, die zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes grundlegend beitragen. Da besteht ein hoher Bedarf.

Ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung wurde durch den Beschluss des Universitätsklinikums gemacht, am Campus Lübeck eine Arbeitsgruppe für Pflegeforschung anzusiedeln.

(Zuruf des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

- Wunderbar, Herr Kollege!

Meine Damen und Herren, neben der unabhängigen Kontrolle durch einen so genannten Pflege-TÜV ist der Abbau von überflüssiger Bürokratie und damit die Entlastung des Pflegepersonals von ausgeweiteten Dokumentationspflichten im Bereich der Pflege notwendig. Da gehen wir einen gemeinsamen Weg, Frau Ministerin.

Wenn wir wollen, dass in der Pflege auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden Einzelnen eingegangen wird, dann dürfen wir die Pflegeleistung nicht auf einen dokumentierten technischen Ablauf reduzieren.

(Beifall bei FDP)

Erst wenn der Mensch im Mittelpunkt der Pflege steht und das Pflegepersonal mehr Zeit für den zu Pflegenden hat, können wir von einer menschenwürdigen Pflege sprechen. Da besteht Einigkeit. Ich sagte es bereits. Dazu gehört dann aber auch, dass verbindliche Pflegestandards entwickelt und etabliert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, statistisch gesehen wird nicht nur jeder von uns älter, sondern es besteht auch die Gefahr, irgendwann einmal selber pflegebedürftig zu werden. Eine konstruktive Debatte über die Verbesserung der Pflegequalität auf Grundlage des Antrages sollten wir deshalb im Ausschuss schon aus purem Eigennutz führen.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Andreas Beran.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, auch den draußen verweilenden Abgeordneten wird dieses Thema eines Tages wichtig sein.

(Beifall)

Frau Kollegin Kolb, es scheint, der Antrag lag schon einen Augenblick in der Warteschleife, denn in Ihren Ausführungen haben Sie hier und da schon darauf hingewiesen, dass das eine oder andere im Land schon vorhanden ist. Ich komme noch dazu. Herzlich willkommen, liebe Frau Kolb! Mit diesem Antrag befinden Sie sich nunmehr an unserer Seite.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Veronika Kolb [FDP]: Das freut mich!)

Dieser Antrag war sicher notwendig, um Ihrem Wählerklientel zu zeigen: Auch wir haben uns zu diesem Thema zu Wort gemeldet, auch wir haben etwas getan, um vom Erfolgskuchen Pflege ein Stückchen zu erhaschen. Doch wie in der Tierfabel war der Igel, die Regierungsfraktionen, schon wieder vor dem Hasen, der FDP, Erster am Ziel.

(Zuruf von der FDP)

- Lass mich doch auch einmal, du machst das doch sonst auch so gut!

(Andreas Beran)

Doch kommen wir nach diesem etwas launigen Beginn konkret zum Antrag.

(Beifall bei SPD und FDP)

„Die Pflege muss wieder in den gesellschaftlichen Mittelpunkt rücken“, schreiben Sie in Ihrem Antrag. Das ist richtig und kann von mir nur unterstützt werden. Dennoch möchte ich hinzufügen: Sie ist oft im gesellschaftlichen Mittelpunkt, jedoch sind es eher die negativen Beispiele. Wichtig ist daher, dass es uns gelingen muss, die Pflege als positives Thema zu besetzen.

Schon 1995 habe ich in diesem Hause die integrierte Ausbildung in der Pflege in Schleswig-Holstein gefordert. Der Landtag hatte dies auch mehrheitlich beschlossen, auch mit den Stimmen der FDP. Nur, Sie wissen genauso gut wie ich, dass es schon als Erfolg zu feiern ist, eine einheitliche Ausbildung in der Pflege bundesweit auch gegen die CDU erreicht zu haben.

Nun haben wir bereits den nächsten Schritt zur integrierten Ausbildung der Pflege getan. Sie haben es eben selber genannt, Frau Kolb: In Flensburg läuft hierzu ein Modellprojekt der Landesregierung.

(Veronika Kolb [FDP]: Es sollte kein Modell bleiben!)

Auch wir sind natürlich dafür, dass dieses Modell möglichst bald als Normalfall gelten kann. Auch eine Pflegeprofessur soll eingerichtet werden, wie aufmerksame Zeitungsleser erfahren konnten. Sie soll in Lübeck eingerichtet werden.

(Veronika Kolb [FDP]: In Dithmarschen!)

Ich bin überzeugt, da ist sie gut angesiedelt. Herr Baasch, ich dachte, Sie klatschen hier.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und FDP)

Die Forderung nach modularen Angeboten der Weiterbildung, aber auch in der Ausbildung kann ich nur unterstützen und verweise in diesem Zusammenhang auf einen von mir bereits gestellten Antrag. Im Landespflegegesetz haben wir geregelt, dass die Kreise für die Bedarfsplanung zuständig sind. Sie haben vor Ort den Sicherstellungsauftrag. Wenn die meisten konservativ geführten Kommunen damit überfordert sind, sollten wir in der Tat im Sozialausschuss darüber beraten, wie ein solches Netz von ganzheitlicher Pflege und Hilfe in Schleswig-Holstein aussehen könnte.

Gute, kundenorientierte oder - besser - verbraucherorientierte Pflegeeinrichtungen unterziehen sich freiwillig in regelmäßigen Abständen einer Qualitäts

kontrolle. Statt für den Zwang und die Einführung einer weiteren Kontrolle wie einen Pflege-TÜV bin ich für eine bessere Verbraucherinformation, wie zum Beispiel einen „Michelin für Pflegeeinrichtungen“. Der würde Transparenz bieten und so von allein dafür sorgen, dass schlechte Anbieter vom Markt verschwinden. Das ist freie Marktwirtschaft. Lassen Sie sich das von einem Sozialdemokraten sagen!

Die Forderung nach mehr Bürokratieabbau in der Pflege kann ich unterstützen. Doch auch hier handelt die Landesregierung bereits. Im Rahmen von PflegePlus - Sie haben es erwähnt - hat die Landesregierung ein Modellvorhaben zur Vereinfachung der Pflegedokumentation vorgestellt und bietet Unterstützung bei der Umsetzung an.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Igel ist bereits wieder am Ziel. Meine Damen und Herren von der FDP, wollen wir noch eine Strecke wagen?

Für die SPD beantrage ich Überweisung an den Sozialausschuss.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich Frau Abgeordneter Helga Kleiner.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Meine zusammenfassende Bewertung des FDP-Antrags will ich vorwegschicken: Ich stimme den Entwicklungszielen und den Instrumenten zur politischen Umsetzung im Wesentlichen zu.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich im Folgenden einige Einschränkungen vortrage, so beruhen diese lediglich auf praktischen Erwägungen und auf der bedauerlichen finanziellen Situation des Landes.

Wir bewegen uns in der Seniorenpolitik schon seit Jahren in immer schwieriger werdendem Fahrwasser. Sicheres Land in der Pflege werden wir erst dann sehen, wenn der Pflege sowohl im Bewusstsein der Politiker als auch im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger auf der politischen Bedeutungsskala ein höherer Wert beigemessen wird, das heißt konkret, wenn sich eine ausreichende Mehrheit mit weiteren finanziellen Belastungen einverstanden erklärt. Davon sind wir aber noch weit entfernt.

(Helga Kleiner)

Der Umstand, dass die Bundesregierung die dringend notwendige umfassende Reform der Pflegeversicherung nicht mehr in dieser Legislaturperiode in Angriff nehmen will, zeigt dies sehr deutlich. Doch nun zu den fünf Grundforderungen der FDP!

Erstens. Die Integration von Krankenpflege und Altenpflege ist schon seit längerer Zeit eine insbesondere in der Pflegewissenschaft erhobene Forderung. Ich bin davon überzeugt, dass am Ende des Entwicklungsprozesses eine mehr oder weniger vollständige Integration stehen wird. Deswegen habe auch ich das Flensburger Modellprojekt einer gemeinsamen Ausbildung in der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege begrüßt. Schritte, die auf eine Integration von Kranken- und Altenpflege abzielen, sollten also auch zukünftig unternommen werden. Aber hier sollte dann doch berücksichtigt werden, dass wir erst in diesem Jahr ein Landesgesetz zur Ausbildung in der Altenpflege beschlossen haben. Ich halte es daher für geboten, vorab sorgfältig zu erheben, und zwar bei den Pflegedienstleiterinnen der stationären Pflegeeinrichtungen, wie sie jetzt den Ausbildungsstand der Absolventinnen und Absolventen unserer Altenpflegeschulen bewerten. Die Ergebnisse dieser Erhebungen sollten dann mitbestimmend für die einzelnen Schritte der Landesregierung zu mehr Integration in der Kranken- und Altenpflege sein.

Zweitens. Dass die Weiterentwicklung der Pflegeberufe gefördert werden soll, und das heißt konkret nicht nur mehr, sondern auch weitergehende Forderungen und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, findet meine ungeteilte Zustimmung, und zwar gerade im Hinblick auf die große Zahl der Berufsabbrüche in der Pflege. Zu Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten bei den Pflegeberufen liegt eine umfangreiche fachwissenschaftliche Literatur vor. Ich rate der Kollegin Kolb, zur Durchsetzung ihres Antrags konkretisierte Vorschläge dem Landtag vorzulegen.