Veronika Kolb

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Älter werden in Schleswig-Holstein - das möchte ich und das ist auch ein Prozess, an dem ich zurzeit aktiv teilnehme.
Aber ich möchte nicht nur in Schleswig-Holstein älter werden, ich möchte auch gern alt sein in SchleswigHolstein. Wenn das, was der Kollege Beran beschrieben hat, die Zukunft des Altseins in SchleswigHolstein sein soll, dann muss ich mich ganz flott nach einem neuen Ziel umsehen.
Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Große Anfrage zum Thema „Älter werden in SchleswigHolstein“ enthält eine umfangreiche Datensammlung zur demographischen Entwicklung in SchleswigHolstein. Sie gibt uns damit weitere Informationen über die Altersstruktur, über Lebensumstände, Lebensumfeld und auch Lebensbedingungen. Auch ich bedanke mich für die Erstellung dieses Zahlenwerkes.
Was bedeutet es aber für die Menschen heute, wenn wir vom demographischen Wandel reden? Sind dies nur abstrakte Zahlen? Hat dies mit den Menschen, die bereits heute Senioren sind, und mit uns, die wir in naher Zukunft Senioren sein werden, etwa nichts zu tun?
Die Wucht, mit dem die Alterung der Bevölkerung des Landes jeden Einzelnen in den nächsten 20 bis 40 Jahren treffen wird, deutet sich heute schon an. Sie droht nicht nur, wie man in jeder Zeitung lesen kann, die Sozialsysteme grundlegend zu verändern; sie wird eine grundlegende und unaufhaltsame Revolution in unserer Gesellschaft einleiten, in der alle gewohnten familiären und sozialen Beziehungen auf dem Spiel stehen. Diese Herausforderung müssen wir nicht etwa als Bedrohung sehen, sondern wir sollten sie als Chance sehen.
Die bisher abstrakten Zahlen machen eines deutlich: Wir stehen vor der Aufgabe, neue Modelle zur Integration einer immer größer werdenden Bevölkerungsgruppe in allen Bereichen zu entwickeln. Genau hier befindet sich die Entwicklung aber noch in den Kinderschuhen. Denn mit dem Alter ändern sich auch die Bedürfnisse und Ansprüche an die Gesellschaft. Diesen Ansprüchen sind wir bisher noch nicht gerecht geworden, wir kennen sie teilweise noch nicht einmal. Denn alle Parameter über Alter und Jugend stammen immer noch aus einer Zeit, in der Alte die Ausnahme waren.
Das Land wird alt und die Kultur, die wir geschaffen haben, nimmt den Alternden häufig bedauerlicherweise alles: das Selbstbewusstsein, den Arbeitsplatz, in manchen Fällen sogar die Biographie. - Das ist die Ausgangslage.
Meine Damen und Herren, wir wollen uns von der sich aufbauenden Drohkulisse wie Bevölkerungsrückgang, Arbeitskräftemangel, Kollaps der Sicherungssysteme, Verteilungskampf Jung gegen Alt nicht beeindrucken lassen. Wir dürfen aber auch nicht abwarten, bis uns die Ereignisse überholt haben. Welche Vorstellungen haben wir von der Weiterentwicklung der Gesellschaft und wie wollen wir Politikfelder gewichten, um dieser Drohkulisse begegnen zu können?
Die Antworten der Landesregierung sind vergleichsweise ernüchternd. Deutlich wird aus der Antwort auf die Große Anfrage eines: Wir wissen jetzt dank einer umfangreichen Studie genauer als vorher, wie es um uns steht.
Das Erstellen einer Studie ist eine Seite der Medaille, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und in konkretes politisches Handeln umzusetzen, ist die andere. Gerade hier stehen wir noch am Anfang.
Auf der Basis der jetzt erhobenen Zahlen einen Dialog mit den Bürgern zu starten, ist sinnvoll, ist wichtig. Nur sind wir auch damit in Schleswig-Holstein etwas spät dran. Spätestens seit der Einführung der Pflegeversicherung bestehen erste gesicherte statisti
sche Hochrechnungen, die uns das Ausmaß der Alterung unserer Gesellschaft vor Augen führen. Seitdem ist in Schleswig-Holstein zu wenig geschehen, meine Damen und Herren. Vielmehr wird bis heute immer wieder abgewartet, bis wir unter Handlungszwang stehen. Das ist meines Erachtens jetzt der Fall.
In diesem Zusammenhang ist es kein gutes Signal, wenn die Ministerpräsidentin für eine Denkpause bei weiteren Reformschritten für die sozialen Sicherungssysteme plädiert, wie sie es im ZDF in „Berlin direkt“ am 12. Dezember dieses Jahres getan hat. Denn wir haben weder „noch ein kleines bisschen Zeit“ noch können wir den demographischen Wandel weiter „sorgfältig beobachten“, um erst dann Vorschläge zu machen. Die Vorschläge hierzu müssen jetzt auf den Tisch. Alles andere spricht für kein entwickeltes Problembewusstsein. Denn eine demographieorientierte Politik ist vor allem auch Standortpolitik und damit ist es nicht sonderlich gut bestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der demographische Wandel in Schleswig-Holstein verändert nicht im Wesentlichen die Problematik, die wir im Lande haben. Was sich allerdings immer mehr verändert, ist die Notwendigkeit des Handelns. Es geht um die Reformierung der Sozialsysteme, um die notwendige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um die Notwendigkeit, mehr in Bildung zu investieren, damit wir nicht noch mehr gut ausgebildete junge Menschen in andere Bundesländer verlieren. Wenn wir dies alles nicht bald in Angriff nehmen, werden wir zum Handeln gezwungen werden; aber Zwang ist ein schlechter Ratgeber. Wenn wir hier noch gestalten wollen, müssen wir jetzt die Weichen für unsere Politik stellen.
Meine Damen und Herren, zur Ausgangslage in Schleswig-Holstein! Eine aktuelle Studie des BerlinInstituts hat aufgezeigt, dass das derzeitige schleswigholsteinische Bevölkerungswachstum ausschließlich durch Zuwanderung aus Hamburg, Ostdeutschland und dem Ausland resultiert. Gleichzeitig zeigt diese Studie, dass zum Beispiel Hamburg seine demographischen Probleme zulasten des Landes SchleswigHolsteins löst. Hamburg hat die höchsten Zuzugsquoten unter den 20- bis 25-Jährigen, gleichzeitig wandern überproportional viele Senioren aus Hamburg nach Schleswig-Holstein ab.
- Deshalb sind aber Probleme zu lösen. Im Süden Schleswig-Holsteins wird die Zahl der über 60Jährigen bis 2020 allein durch die Zuwanderung aus Hamburg um mehr als ein Drittel zunehmen.
Diese Zahlen machen deutlich, was für das ganze Land gilt: Schleswig-Holstein ist heute attraktiv für Senioren und daraus müssen wir etwas machen.
Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss: Schleswig-Holstein ist noch zu unattraktiv für junge Menschen und auch dagegen müssen wir etwas tun. Es kann nicht sein, dass junge, gut ausgebildete Menschen abwandern und dieser Faktor gemeinsam mit der demographischen Entwicklung den wirtschaftlichen Niedergang Schleswig-Holsteins weiter beschleunigt. Wir müssen heute Voraussetzungen dafür schaffen, dass junge Menschen in Schleswig-Holstein attraktive Arbeitsplätze finden und Senioren und Seniorinnen hier leben und sich in die Gesellschaft einbringen können.
Das bedeutet - die Ministerin hat es gesagt - nichts anderes, als ein Miteinander der Generationen möglich zu machen.
Die bisherigen Ansätze hierzu sind allerdings noch äußerst zaghaft. Aus unserer Sicht ist es deshalb sinnvoll, die in der Studie „Zukunftsfähiges SchleswigHolstein“ aufgezeigten Handlungsschwerpunkte als Ausgangsbasis dafür zu nehmen, ein Miteinander der Generationen zu schaffen. Dazu gehören für uns erstens: Bessere Startchancen für unsere Kinder durch mehr und bessere Bildung.
Zweitens: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch bedarfsgerechte Kinderbetreuung.
Drittens: Die Vernetzung von Universitäten und Unternehmen, um unsere Fachkräfte bereits während ihrer Ausbildung an das Land zu binden und einen Braindrain zu verhindern.
Viertens: Neben der Entkoppelung der Beiträge zu den Sozialkassen von den Erwerbseinkommen die Beendigung der Subventionierung der Frühverrentung, da wir uns den Verzicht auf Wissen, Können und Lebenserfahrung älterer Arbeitsnehmer nicht länger leisten können.
Fünftens: Der Aufbau einer barrierefreien Infrastruktur und die Förderung barrierefreien Wohnens. Das wurde schon gesagt. Letztlich kommt dies allen Generationen zugute.
Sechstens: Der weitere Aufbau von Ehrenamtagenturen, um die Lebenserfahrung von Senioren für die gesamte Gesellschaft nutzbar zu machen.
Siebtens: Einem der Wachstumsmärkte der Zukunft endlich zum Durchbruch zu verhelfen, nämlich der Gesundheitswirtschaft. Dazu gehören für uns - neben der Verbesserung der geriatrischen und palliativen Angebote - auch die Intensivierung der Forschung sowie der Aus- und Fortbildung von Medizinern in Geriatrie, Gerontologie und Palliativmedizin.
Unsere Strategie muss sein, ein Miteinander der Generationen zu schaffen. Ich hoffe, sie soll es auch sein. Dies ist von allen so geäußert worden, deshalb blicke ich positiv in die Zukunft. Dieser Prozess soll mit der besonderen Berücksichtigung geschehen, dass der Anteil älterer Menschen ansteigt. Wenn wir uns in Schleswig-Holstein zum „Florida des Nordens“ entwickeln wollen, dann stimmt bislang der Altersquotient, aber die Infrastruktur stimmt noch nicht. Daran müssen wir arbeiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zivildienst ist eine Erfolgsgeschichte. Keine Frage. Die anfangs als Drückeberger gescholtenen Zivildienstleistenden sind zu offensichtlich unverzichtbaren Mitarbeitern geworden. Für die jungen Männer ist der Zivildienst faktisch zu einem Wahldienst geworden. Wie hoch die Akzeptanz des Zivildienstes in der Gesellschaft geworden ist, zeigen die Nachfrage und die steigende Zahl der Zivildienstleistenden.
Trotz dieser Erfolgsstory ist das Ende abzusehen: Zum einen führt die mit der Verkürzung des Wehrdienstes einhergehende Verkürzung des Zivildienstes in den sozialen Einrichtungen zu ernsten Problemen. Pflegebedürftigen ist bei kürzerer Zivildienstzeit ein häufigerer Wechsel der Betreuungspersonen nicht mehr zuzumuten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Diskussion, die wir heute Morgen um das Älterwerden in Schleswig-Holstein geführt haben. Zum anderen benötigen wir aber durch die Überalterung der Gesellschaft in Zukunft besonders in der Pflege mehr soziale Dienstleistungen. Deshalb ist es Aufgabe der Politik und damit unsere
Aufgabe, Konzepte zur Umgestaltung des Zivildienstes hin zu alternativen Diensten zu erarbeiten.
Bedeutet die jetzt von Rot-Grün vorgelegte Bundesratsinitiative den endgültigen Ausstieg aus der Wehrpflicht, wenn Sie die Förderung von Freiwilligendiensten als Alternative zum Zivildienst weiterentwickeln wollen? Es geht doch nicht um Verkürzung allein, meine Damen und Herren. Ein wenig kommt der Verdacht auf, dass dies für Peter Struck ein gesichtswahrender Einstieg in den Ausstieg aus der allgemeinen Wehrpflicht sein soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bereits jetzt ist absehbar, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren einen immer geringeren Bedarf an Wehrpflichtigen hat. Analog dazu werden sich hierzu die Zahlen der einzuberufenden Zivildienstleistenden entwickeln. Wie soll zukünftig die Arbeit, die bisher Zivildienstleistende in vielen Bereichen und Einrichtungen übernommen haben, geleistet werden? Welche Alternativen müssen entwickelt werden?
An Vorschlägen mangelt es nicht. Über Parteigrenzen hinweg werden diese - vom Ein-Euro-Job, das Soziale Pflichtjahr für Frauen und Männer, dem Ausbau von Mini-Jobs bis hin zu einer neuen Anerkennungskultur für freiwillige Dienste - diskutiert. Im vorgelegten Antrag werden deshalb auch einige Aspekte aus dem Kommissionsbericht über die Perspektiven des Freiwilligendienstes aufgegriffen.
Unterschwellig wird bei der Diskussion um Freiwilligendienste immer wieder deutlich, dass es bei den meisten Vorschlägen nicht darum geht, Menschen dazu zu bewegen, für die Gesellschaft etwas zu leisten, sondern darum, die derzeitigen Strukturen mit möglichst geringem Kostenaufwand zu erhalten. Ist der Zivildienst eine so unentbehrliche Größe geworden, dass Zivildienstleistende aus unserem sozialen System allein aus Kostengründen nicht mehr wegzudenken sind?
So wie die Wehrpflicht für die Einbindung der Armee in die Gesellschaft steht, steht der Zivildienst für die Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber Kranken, Alten, Behinderten, sozial Benachteiligten und der Kulturarbeit in Jugendverbänden. Schon deshalb darf sich die Diskussion nicht einseitig auf Kostengesichtspunkte beschränken. Es sind nachhaltige Konzepte gefragt, die das Qualitätsniveau der sozialen Dienste erhalten und den zukünftigen gesellschaftlichen Erfordernissen anpassen. Hier darf es nicht um die billigste, sondern muss es um die für die Gesellschaft beste Alternative gehen.
Die Diskussion über Alternativen zum Zivildienst sollte als Chance genutzt werden, um jetzt grundsätzlich über die Struktur der sozialen Dienste zu debattieren. Dazu gehört für uns auch, dass das freiwillige soziale Engagement durch Anreize und Vorteile für das Berufsleben oder bei der Sozialversicherung belohnt werden sollte.
Dies ist auch in dem Antrag enthalten. Warum soll ein freiwilliger sozialer Dienst in bestimmten Berufszweigen, zum Beispiel in der Pflegeausbildung, nicht auf die Ausbildungszeit angerechnet werden können?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Zukunft darf es nicht allein darum gehen, den Zivildienst zu ersetzen, sondern es muss ein gesellschaftlicher Konsens gefunden werden, wie soziale Dienstleistungen gesichert werden können. Hierzu erwarte ich eine spannende und auch intensive Diskussion im Ausschuss und möchte mit dem Dank meiner Fraktion an alle Zivildienstleistenden, aber auch an all jene, die freiwillig soziale Dienste übernommen haben, schließen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Telefonterror, Sachbeschädigung und körperliche Gewalt: Wenn Liebe zum Wahn wird, schrecken vor allem Männer vor fast nichts zurück. Ich weiß, Herr Kollege Kubicki, Ihre Einschätzung ist eine andere, aber die Fakten sprechen dagegen.
Es gibt prominente Opfer wie zum Beispiel Stefanie Graf oder aus der Musikszene Jeanette Biedermann, die mit diesem Problem behaftet waren, oder erst vor drei Wochen ein Student in Göttingen, der aus enttäuschter Liebe versucht hat, seine Mitbewohnerin zu töten, um sich dann mit einem Sprung aus dem Fenster selbst das Leben zu nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das so genannte Stalking - Frau Schlosser-Keichel hat es eben schon erwähnt - ist ein Begriff aus der englischen Jägersprache für Anschleichen und Anpirschen. Es ist längst kein Problem mehr, das einzig und allein Prominente betrifft. Das Belästigen und Verfolgen aus enttäuschter Liebe ist schon lange zu einem Massenphänomen geworden, bestätigt durch Suchtberater und Sozialarbeiter.
Eine Studie der Technischen Universität Darmstadt kommt zu dem Schluss, dass 85 % der Betroffenen weiblich sind und in jedem zweiten Fall der Stalker ein ehemaliger Partner war. Nach der Studie kam es vielfach schon in der Partnerschaft zu Auffälligkeiten. So zeigen 85 % der Stalker während der Beziehung ein starkes Kontrollverhalten, drei von vier ehemaligen Partnern waren sehr eifersüchtig. In neun von zehn Fällen standen die Leidtragenden in irgendeiner Beziehung zum Stalker, sei es über den Freundes- und Bekanntenkreis oder aber den Arbeitsplatz.
Ich glaube, einig sind wir, Stalking hat für die Opfer schwerwiegende Folgen. Für fast alle Betroffenen hat sich das Leben durch Verfolgung, Bedrohung oder Belästigung massiv verändert. Viele sind ängstlich, nervös, schreckhaft, benehmen sich gegenüber anderen Menschen vorsichtig und äußerst zurückhaltend. Die Konsequenzen sind absehbar: Sozialer Rückzug, Konflikte in einer neuen Partnerschaft oder auch Umzug und Berufswechsel sind oftmals die Folge.
Bisher ist Stalking anders als in England oder den USA kein Straftatbestand. Deshalb ist es für die Strafverfolgungsbehörden schwierig, die sich aufbauende Bedrohungsspirale zu durchbrechen. Viele Handlungen eines Stalkers überschreiten die Schwelle zum Strafbaren gerade nicht. Polizei und Justiz können regelmäßig erst dann eingreifen, wenn es zu Handgreiflichkeiten gekommen ist. Dann ist es aber zu spät.
Mit dem bisherigen Strafrecht ist Stalking nicht ausreichend zu fassen. Zwar sind Nötigung, Bedrohung, Körperverletzung, Beleidigung oder Hausfriedensbruch strafbar, doch werden damit einzelne Verhaltensweisen unter Strafe gestellt, nicht aber eine wochenlange Belästigung oder der Psychoterror. Genau an diesem Punkt aber besteht das Problem für den Gesetzgeber. Die Schwelle zur Strafbarkeit ist nicht konkret genug zu definieren. Die hessische Bundesratsinitiative hat deshalb mit der Definition des unzumutbaren Nachstellens oder des Verfolgens von Personen diese Verhaltensweisen in eine strafrechtliche Form zu gießen versucht. Genau hier aber wird deutlich, dass einerseits eine offene Formulierung notwendig ist, um das Problem nur annähernd lösen zu können, andererseits durch eine unpräzise Formulierung die Gefahr besteht, durch unbestimmte Rechtsbegriffe keine rechtsstaatlich einwandfreie Formulierung zu finden. Hieran scheitert auch der hessische Gesetzentwurf. Die Formulierungen sind zu unbestimmt.
Unser Ziel sollte es deshalb sein, eine konkretere Regelung im Sinne des Opferschutzes zu finden. Möglicherweise könnte hier eine weitere Ausgestaltung des so genanten Gewaltschutzgesetzes einen Ausweg bieten. Zwar gewährt dieses Gesetz erst nach Erwirkung einer zivilrechtlichen Entscheidung einen Schutz vor Stalking, doch sollte geprüft werden, ob nicht auf dieser Grundlage eine weitere Lösung entwickelt werden kann.
Prominente Opfer haben die Mittel und Möglichkeiten, sich aktiv vor Stalkern zu schützen. Die OttoNormal-Opfer haben diese Möglichkeiten in der Re
gel nicht. Eine Bundesratsinitiative, die Stalking in einer rechtsstaatlich einwandfreien Form verbietet und die Opfer von Stalking besser schützt, wird von der FDP-Fraktion deshalb selbstverständlich unterstützt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Beran, zu dem CDU-Antrag: Oft ist weniger mehr.
Meine Damen und Herren, wohnst du noch oder lebst du schon? - Diese provokative Frage der skandinavischen Möbelkette zeigt, dass die individuellen Bedürfnisse jedes Einzelnen, egal welchen Alters, häufig bei der Wohnungsfrage nach hinten gestellt werden. Besonders auffällig wird dies dann, wenn sich die Frage im Seniorenalter stellt, ob man zuhause alt werden und bis zuletzt daheim bleiben kann; denn einen Umzug in ein Alten- und Seniorenheim betrachten die meisten älteren Menschen als wirklich letzte Notlösung.
- Ich habe es vernommen. - Die Entscheidung für eine neue Umgebung wird so lange hinausgezögert, bis viele diese dann nicht mehr selbst treffen können. Die Folge ist, dass zunehmend ältere Menschen und hier insbesondere Frauen in ihren Wohnungen oder Häusern vereinsamen, weil der Lebenspartner gestorben ist, die Kinder eigene Familien gegründet haben und nicht mehr in der Nähe wohnen.
Meine Damen und Herren, gehörte es vor Jahrzehnten noch zum normalen Alltag der Familien, dass Eltern, Kinder und Großeltern unter einem Dach lebten, so hat sich dies aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen und der demografischen Entwicklung entscheidend gerändert. Deshalb stellt sich die Frage, wie eine adäquate Wohnversorgung und Betreuung von Senioren angesichts dieser demographischen Entwicklung so gestaltet werden kann, dass einerseits die Bedürfnisse nach einem individuellen und selbstbestimmten Wohnen erfüllt und andererseits das Leben in der Gemeinschaft mit anderen ermöglicht wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der CDU greift die gerade im Altenparlament diskutierte Frage auf, wie das Angebot seniorengerechter Wohnformen in Schleswig-Holstein künftig aussehen soll. Dabei sollten zunächst die Ausgangsbedingungen näher beleuchtet werden, insbesondere wie das Ziel definiert werden kann, wer in Zukunft wie wohnen wird beziehungsweise wohnen kann, denn eine abnehmende Bevölkerung ist nicht gleichzusetzen mit der Schrumpfung des Wohnbedarfs im selben Maßstab. Vielmehr bedeutet die demografische Entwicklung vor allem qualitative Veränderungen und Herausforderungen.
Neben der Zunahme von Single-Haushalten und der steigenden Mobilität von Senioren - ich schaue nirgendwo gezielt hin - werden die regionalen Ungleichgewichte zwischen Städten und Umland oder einzelnen Stadtgebieten weiter zunehmen. Dieser Trend erfordert die Erarbeitung neuer Grundsätze und Wohnformen, die frühzeitig gefördert werden sollten. Das beginnt bei dem flexiblen Bauen, dem Erarbeiten von neutralen Grundrissen und endet bei der Mischung von Wohnungstypen noch lange nicht; denn die heutigen Wohnungsbedürfnisse sind nicht unbedingt die Wohnungsbedürfnisse von morgen. Es gehört dazu die Schaffung eines attraktiven Umfeldes für alle Generationen; denn Wohnen beginnt und endet nicht an der Haustür. Vielmehr sind Nachbarschaft, Zusammentreffen von Generationen und soziale Dienstleistungen für die Wohnqualität von enormer Bedeutung und finden in den letzten Jahren zu
nehmend bei Wohnungsunternehmen und Architekten Beachtung.
Meine Damen und Herren, wenn wir davon ausgehen, dass diese Bedürfnisse nach Wohnqualität einer älter werdenden Gesellschaft immer stärker in den Vordergrund treten werden, dann dürfen wir uns nicht auf Modellprojekte beschränken, die dann auch noch wissenschaftlich begleitet und dokumentiert werden sollen, wie es die SPD und die Grünen in ihrem Antrag vorsehen. Interessanter und einfacher wäre es, bereits im Vorfeld bei Neubauten generell darauf zu achten, dass den Anforderungen an den Wohnraum auch im Alter entsprochen werden kann.
Dazu gehört für mich, dass junge Familien beispielsweise beim Bau ihres Hauses von Anfang an an die barrierefreie Gestaltung denken und durch eine flexible Grundrissgestaltung die Möglichkeit erhalten, später mit anderen Senioren oder jüngeren Menschen in eine Wohngemeinschaft einzutreten. Warum sollten solche Planungen dann nicht eine ähnliche Förderung erhalten, wie sie bereits jetzt bei besonderen Energiesparmaßnahmen erfolgen?
Davon würden diese sowohl beim Bau als auch später im Seniorenalter profitieren.
Dem CDU-Antrag werden wir zustimmen. Dem Antrag der SPD und der Grünen können wir nicht zustimmen, weil wir - wie gesagt - nicht für Modellprojekte sind. Wir sind für Taten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg schließe ich mich dem Dank, der namentlich durch den Kollegen Lehnert schon ausgesprochen wurde, auch im Namen meiner Fraktion an. Ich möchte auch vorwegnehmen, dass wir diesem Gesetz zustimmen werden. Erlauben Sie mir aber trotzdem einige Anmerkungen.
Der jetzt in der zweiten Lesung zu beschließende Gesetzentwurf ist in einem entscheidenden Punkt nachgebessert worden, und das ist auch gut so. Ich freue mich, dass der Landtag mehrheitlich den von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Landesverbände gemachten Änderungsvorschlag hinsichtlich der Kostenerstattung der kreisangehörigen Gemeinden aufgegriffen hat, denn eines wurde in den Beratungen deutlich: Die Umsetzung von Hartz IV leidet von Anfang an an dem großen Problem, dass einerseits die Entlastung der Kommunen immer wieder verkündet worden ist, andererseits diese genau dann, wenn es um konkrete Entlastungen geht, alleine gelassen werden. Hier zeigt sich das Problem der fehlenden Konnexität. Der Bund schafft an und die Kommunen leben in der Unsicherheit, ob die versprochenen Entlastungen überhaupt bei ihnen ankommen.
Das jetzige Verfahren ist das beste Beispiel. Demnach verlieren die Kreise die bisherige Gemeindebeteili
gung an den Sozialhilfekosten und damit entstehen bei den kreisangehörigen Gemeinden je nach Sozialstruktur vor Ort unterschiedliche Entlastungen. In welcher Größenordnung tatsächlich die jeweiligen Ent- und Belastungen auftreten werden, wenn zum Jahresende das Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz wegfällt, ist aber noch außerordentlich vage.
Die derzeit erwartete Zahl von zu aktivierenden Personen, lieber Kollege Puls, unterliegt nur einer sehr ungenauen Schätzung. Einerseits werden durch die Definition der Bedarfsgemeinschaft neue Personenkreise hinzutreten, die bisher in den amtlichen Statistiken noch gar nicht auftauchen, andererseits werden derzeit registrierte Personen als bei Sozialleistungen nicht mehr bezugsberechtigt eingestuft werden, wenn sie über die Bedarfsgemeinschaft abgesichert sind. Wenn wir dann den Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung glauben dürfen, wird im Saldo die Zahl der zukünftig Anspruchsberechtigten höher ausfallen, als bisher geschätzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ursprünglich vorgesehene Fassung des Gesetzentwurfes sah hier außer der Regelung über eine Kreisumlage keine Entlastungsmöglichkeiten für Kreise und kreisfreie Städte vor. Diese wären durch die Unterkunftskosten und deren Verwaltungskosten sowie mit den Aufwendungen für die Betreuungsleistungen belastet worden. Die Anhebung der Kreisumlage stellt im Gegensatz zur öffentlichen Darstellung des Finanzministers in seinem offenen Brief vom 23. September dieses Jahres aber keine qualitative Verbesserung vor. Vielmehr hätte dieses rot-grüne Schwarzer-PeterSpiel nach der Rasenmähermethode dazu geführt, dass die Sozialstrukturen vor Ort zu wenig berücksichtigt worden wären, ohne dass eine Ausgleichsregelung für die Kreise bestanden hätte. Die jetzt gefundene Regelung ist deshalb geeignet, einen fairen Ausgleich entsprechend den Leistungen einer jeden Kommune zu schaffen. Zwar ist die Delegation der Aufgaben aufgrund des fehlenden Ausführungsgesetzes zum SGB II immer noch nicht pünktlich geregelt, aber die gefundene finanzielle Ausgleichsregelung bringt ein Stück Rechtssicherheit.
Weitere Unsicherheiten sind aber leider immer noch nicht vollständig ausgeräumt, wie die tatsächliche Entlastung der Kommunen nämlich ausfällt. Gerade vor dem Hintergrund, dass für die angenommenen Entlastungen der Kommunen durch Hartz IV gleich durch die Bundesregierung eine Verpflichtung nachgeschoben worden ist, für Kinder unter drei Jahren nach Bedarf Plätze in Tageseinrichtungen und in der Kinderpflege vorzuhalten, ist die Entlastung doch
außerordentlich vage. Wie hoch deshalb die weitere Belastung der Kommunen ausfallen wird und ob diese durch die versprochenen Entlastungen tatsächlich kompensiert werden kann, ist noch nicht geklärt.
Umso wichtiger ist deshalb, dass das Land seine Versprechung wahr macht und seine Nettoentlastung an die Kommunen weiterleitet. Zwar regelt der vorliegende Gesetzentwurf, dass Ausgleichsleistungen des Bundes weitergeleitet werden - eine explizite Regelung, die das Land verpflichtet, seine aus der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe entstandenen Entlastungen an die Kreise und kreisfreien Städte weiterzuleiten, fehlt aber.
Wir werden hier genau überprüfen, ob die Versprechungen dieser Landesregierung eingehalten werden. Nach dem 20. Februar 2005 werden wir sie entlasten - um mit Ihren Worten zu sprechen -, dann machen wir es, Herr Astrup.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage der CDU hat ihren Schwerpunkt überwiegend in den Fragen zur Heim- und Fachaufsicht. Die Fragestellung zu diesen Bereichen mag zwar ihrem Ursprung in den Pflegeskandalfällen in Heimen des DRK haben, doch wurde die Problematik der Heimaufsicht in der Vergangenheit immer wieder von Ihnen zum Thema gemacht.
Die Antworten sind deshalb nicht gerade neu, zumal, wenn man die Antworten der Landesregierung zu diesem Thema in dieser Legislaturperiode betrachtet.
Schön ist aber, dass wir jetzt einen umfassenden Katalog zur Hand nehmen können, der die Zuständigkeiten aufzeigt und voneinander abgrenzt.
Natürlich ist unstreitig, dass eine konkrete Aufgabenzuordnung und -überwachung in der Heimaufsicht wichtig und notwendig ist. Diverse Vorfälle in der Vergangenheit haben dies sehr deutlich werden lassen. Aber hätte man nicht gerade, da die Große Anfrage im Hinblick auf die derzeitige Pflegesituation und -diskussion über Pflegequalität gestellt wor
den ist, den Schwerpunkt nicht im Bereich Pflegepersonalbemessungsverfahren und Personalmangel setzen müssen? Hierzu hätte ich mir weitergehende Fragen gewünscht. Der Fragenkatalog zu PLAISIR und der Abschnitt b) der Großen Anfrage wären eine gute Ausgangsbasis hierfür gewesen.
Leider beschränkt sich die Fragestellung lediglich auf die Schwierigkeiten bei der Einführung von PLAISIR. Frau Kleiner; hier hätten Sie weiter fragen sollen. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Sozialministerin die Erfolgsmeldungen zu PLAISIR immer für sich mitgenommen hat und jetzt bei den Verhandlungsschwierigkeiten - auch der Landesverbände, Frau Ministerin - mit dem kanadischen Rechtsinhaber auf die Deutsche Gesellschaft für systematische Erfassung von Pflegebedarf als den eigentlichen Verhandlungspartner verweist, hätte ich hierzu weitergehende Fragen erwartet, beispielsweise: Wie soll eine Pflegepersonalbemessung in Schleswig-Holstein grundsätzlich aussehen? Welche Alternativen können wir im Land entwickeln? Was können wir aus dem Know-how der Pflegewissenschaft bereits heute in Schleswig-Holstein umsetzen?
Ich meine nicht, dass wir uns im Hinblick auf die Personalbemessungsverfahren auf einen Anbieter versteifen sollten, wenn deutlich wird, dass Verhandlungen mit ihm regelmäßig an unzumutbaren Forderungen scheitern.
Seit dem Jahre 2002 warten wir auf die Entscheidung, PLAISIR einführen zu können. Seit September 2004 wissen wir um das Scheitern eben dieser Verhandlungen. Was kann Politik dazu beitragen, dass sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen als auch die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner von einem Personalbemessungsverfahren - gleich welcher Art - profitieren? Wenn wir die Pflege wieder zurück in die Gesellschaft holen wollen - Sie sagten es bereits, Frau Ministerin, Pflege geht uns alle an -, dann müssen wir schnell Antworten darauf finden, wie dies geschehen soll. Einen Beitrag hierzu kann das Pflegepersonalbemessungsverfahren sein.
Unsere ehemalige Sozialministerin, Frau Moser, hat auf einer Fachtagung der FDP zur Pflege im Hinblick auf PLAISIR festgestellt, dass die Ergebnisse aus dem Modellversuch bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung die pflegebedingten Personal- und Sachkosten um rund 27 % erhöhen. Sie hat genau deshalb eine Anpassung an die hiesige Praxis gefordert. Welche Anpassung an schleswig-holsteinische Gegebenheiten ist jedoch notwendig? Ist, wenn wir die so genannte gefährliche Pflege - das wurde bereits ge
sagt, diese Antworten fehlen hier - vermeiden wollen, die Personalbemessung der richtige Ansatz? - Hier fehlen Fragen, hier fehlen Antworten.
Im Hinblick auf den herrschenden Personalmangel in der Altenpflege ist es traurig, dass wir zwar seit Jahren Maßnahmen diskutieren, Projekte aber die der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege und der Beseitigung des Mangels dienen, erst im Rahmen einer Auftaktveranstaltung am 20. Oktober 2004 durch die Landesregierung auf den Weg gebracht worden sind. Die Antworten auf die Große Anfrage zeigen eines: Vieles wurde hier im Landtag zur Qualitätsverbesserung in der Pflege diskutiert und beschlossen. Die praktische Umsetzung hakt aber noch in vielen Details. Darüber kann auch die Neuauflage der Pflegequalitätsoffensive der Landesregierung - wenngleich sie gut ist - nicht hinwegtäuschen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der SPD, selbstverständlich war mir die Teilnahme an der Beratung sehr wichtig, denn es geht um deutlich mehr als 1.800 Arbeitsplätze und um wesentliche Dinge, die bei einer Privatisierung eine Rolle spielen sollten.
Lieber Herr Vorsitzender des Sozialausschusses, Herr Beran, Ihre Frage war eine sehr populistische. Die Resolution des Kreises Ostholstein ist im Ausschuss nie Beratungsgegenstand gewesen. So viel dazu.
Die zweite Lesung des vorgelegten Gesetzentwurfes bereits zum jetzigen Zeitpunkt dokumentiert, dass die rot-grüne Landesregierung es äußerst eilig hat, die Privatisierung der psychiatrischen Einrichtungen und Entziehungsanstalten in trockene Tücher zu bringen. Allerdings ist diese plötzliche Eile doch recht erstaunlich, da außer der Anfang des Jahres getroffenen Ankündigung, dass eine Privatisierung stattfinden sollte, zunächst auf der gesetzgebenden Ebene sehr wenig passiert ist.
Da wurden im Frühling ein Mentor ausgeschrieben, Berater eingekauft und zügig eine sehr detaillierte europaweite Ausschreibung vorgenommen. Die gesetzliche Grundlage, also dieses Umwandlungsgesetz, war bis dahin dem Parlament noch nicht zugeleitet worden. Vor der Sommerpause wurde dann ein mit heißer Nadel genähter Gesetzentwurf zur ersten Lesung eingereicht, um diesen dann - ohne Rücksicht
auf die parlamentarischen Gepflogenheiten - nach der Sommerpause im Schnellverfahren durchzupeitschen.
Innerhalb von zwei Wochen - innerhalb von zwei Wochen! - durfte der Ausschuss eine Anhörung der Betroffenen und anderer Beteiligter durchführen Dass in diesem kurzen Zeitraum manche Institution nicht einmal in der Lage war, eine Stellungnahme zum vorgelegten Gesetzentwurf abzugeben, war dann aus rot-grüner Sicht nicht relevant. Wichtig war nur, die Privatisierung zum 1. Januar 2005 nicht zu gefährden. Dass der Zeitplan der Privatisierung gefährdet sei, wusste der Staatssekretär Fischer nach eigenem Bekunden im Sozialausschuss erst seit dem 18. August 2004.
Es ist sehr bedauerlich, dass die Privatisierung - gerade im Hinblick auf die zuletzt bekannten Probleme und Vorfälle in den psychiatrischen Einrichtungen in Schleswig-Holstein - jetzt so schnell über das Knie gebrochen werden soll.
Wichtiger wäre es gewesen, die derzeitigen Bedingungen in den Einrichtungen sorgfältig zu prüfen, unter denen eine Privatisierung stattfinden soll. Das gilt sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die Patienten.
Offene Fragen, die der Personalrat der Fachklinik Schleswig sowohl hinsichtlich der Übergangsregelungen als auch der künftigen Sicherheit einer privatisierten Forensik - wie schon gesagt - aufgeworfen hatte, wurden dabei eher gestreift als intensiv diskutiert.
Die FDP-Fraktion wird im Sinne der Beschäftigten, die sich jetzt auf die Fristsetzungen im Ausschreibungsverfahren hinsichtlich der Privatisierung eingestellt und hervorragend - das möchte ich betonen - darauf vorbereitet haben, diese Privatisierung nicht ablehnen. Der Privatisierung werden wir aber aus einem bestimmten Grund nicht zustimmen, sondern uns enthalten: Eine originäre hoheitliche Aufgabe wie die des Maßregelvollzugs kann und darf nicht im Schnellverfahren im Wege der Beleihung privatisiert werden.
Mit diesem beschrittenen Weg ist es nämlich kein großer Schritt mehr dahin, die Justizvollzugsanstalten oder gar die Polizei zu privatisieren. Ich frage Sie: Wenn doch alles so einfach und sicher im Wege der Beleihung gehen soll, warum dann auch nicht in
diesen Bereichen? Worin soll hier der Unterschied liegen? Wir bewegen uns an dieser Stelle auf einem sehr schmalen Grat. Dieser Grat wird immer dann überschritten, wenn Rechte des Bürgers durch einen hoheitlichen Akt eingeschränkt oder gar beschnitten werden sollen. Patienten, die den strikten Regelungen des Maßregelvollzugs unterworfen sind, oder Häftlinge in einer Justizvollzugsanstalt werden in ihren Rechten Kraft hoheitlichen Aktes durch Verurteilung oder Einweisung eingeschränkt. Diese Personen dürfen nicht darüber hinaus der Unsicherheit ausgesetzt werden, dass zwar die Aufsicht durch das Land ausgeübt wird, sie aber Personen gegenüberstehen, die nicht originär für das Land agieren. Aus rein fiskalischen Gründen können diese Rechte nicht geopfert werden.
Wenn trotz dieser Bedenken die Privatisierung greift, die wir im Sinne der vielen Mitarbeiter wollen, dann gebe ich noch eines zu bedenken: Es muss für die Kreise Schleswig-Flensburg und Ostholstein in Bezug auf die Heimaufsicht ein fairer finanzieller Ausgleich im Sinne des Konnexitätsprinzips sichergestellt sein. Es darf nicht sein, dass die kommunale Ebene aufgrund der Privatisierung der Fachkliniken belastet wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer wieder haben wir in der Vergangenheit nach Wegen gesucht, wie die Pflegesituation und die Pflegequalität in Schleswig-Holstein verbessert werden können. Deshalb will ich vorweg ganz deutlich sagen - das ist mir sehr wichtig -, worum es geht: Der vorliegende Antrag soll weder als Alternative zur Pflegequalitätsoffensive oder PflegePlus des Sozialministeriums noch zu den trägerunabhängigen Pflegeberatungsstellen missverstanden werden.
Im Gegenteil, die Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, wie notwendig die Vernetzung und das Zusammenspiel der verschiedenen Angebote sein können.
Deshalb ist der Aufbau eines solches Netzwerks, das für die verschiedenen individuellen Bedürfnisse der zu Pflegenden ein Angebot an Hilfs- und Pflegeleistungen bietet, umso wichtiger.
Pflege- und Betreuungsleistungen müssen - unabhängig davon, ob sie in der Familie, von einem ambulanten Pflegedienst oder in einem Pflegeheim erbracht werden - so erbracht werden, dass Beschwerden und Klagen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen in Zukunft ausgeschlossen werden können.
Meine Damen und Herren, der Erfolg eines langfristigen Konzepts hängt in ganz entscheidendem Maß davon ab, wie es gelingt, Pflege als gesamtgesellschaftliches Problem einer älter werdenden Gesellschaft zu begreifen.
Dafür grundlegend ist bei einem solchen Konzept zunächst einmal das Berufsbild der Altenpflegerin beziehungsweise des Altenpflegers. Dabei geht es an dieser Stelle um die Frage: Wie sieht ein künftiges Ausbildungsprofil in der Altenpflege aus?
Ich bin der Meinung, dass das heutige Ausbildungsprofil in keiner Weise ausreicht, um diejenigen, die nachher die Pflegebedürftigen zu versorgen haben, angemessen mit Lehrinhalten zu versorgen.
Wir müssen uns nur die Struktur der Heimbewohner anschauen, um festzustellen, dass sich durch den richtigen Ansatz „ambulant vor stationär“ die Anforderungen an das Pflegepersonal entscheidend geändert haben: Die Heimbewohner sind nicht nur immer älter, sondern auch immer kranker und pflegebedürftiger geworden. Deshalb müssen in einem vernünftigen Anforderungsprofil Elemente verankert werden, wie sie zum Beispiel im Rahmen der Ausbildung zum Krankenpfleger vermittelt werden.
Sinnvoll ist deshalb aus unserer Sicht die Etablierung einer Basisausbildung, die für Altenpfleger und Krankenpfleger zunächst gleich ist und erst nach zwei oder zweieinhalb Jahren eine Spezialisierungsmöglichkeit für einen der beiden Wege ermöglicht.
Der Erfolg des im Oktober 2001 gestarteten Flensburger Modellprojekts „Integrierte Ausbildung in der Pflege“ bestätigt unsere lange erhobene Forderung nach einer solchen Ausbildung und sie sollte Standard werden.
Darüber hinaus würde der Auf- und Ausbau von verschiedenen Zusatzqualifikationen dazu führen, dass mit dem Berufsabschluss zur Altenpflegerin beziehungsweise zum Altenpfleger weitere Berufsperspektiven und Aufstiegsmöglichkeiten geschaffen würden, die zur Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes grundlegend beitragen. Da besteht ein hoher Bedarf.
Ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung wurde durch den Beschluss des Universitätsklinikums gemacht, am Campus Lübeck eine Arbeitsgruppe für Pflegeforschung anzusiedeln.
- Wunderbar, Herr Kollege!
Meine Damen und Herren, neben der unabhängigen Kontrolle durch einen so genannten Pflege-TÜV ist der Abbau von überflüssiger Bürokratie und damit die Entlastung des Pflegepersonals von ausgeweiteten Dokumentationspflichten im Bereich der Pflege notwendig. Da gehen wir einen gemeinsamen Weg, Frau Ministerin.
Wenn wir wollen, dass in der Pflege auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden Einzelnen eingegangen wird, dann dürfen wir die Pflegeleistung nicht auf einen dokumentierten technischen Ablauf reduzieren.
Erst wenn der Mensch im Mittelpunkt der Pflege steht und das Pflegepersonal mehr Zeit für den zu Pflegenden hat, können wir von einer menschenwürdigen Pflege sprechen. Da besteht Einigkeit. Ich sagte es bereits. Dazu gehört dann aber auch, dass verbindliche Pflegestandards entwickelt und etabliert werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, statistisch gesehen wird nicht nur jeder von uns älter, sondern es besteht auch die Gefahr, irgendwann einmal selber pflegebedürftig zu werden. Eine konstruktive Debatte über die Verbesserung der Pflegequalität auf Grundlage des Antrages sollten wir deshalb im Ausschuss schon aus purem Eigennutz führen.
Herr Matthiessen, ich hätte gern von Ihnen gewusst, ob Sie über das Erreichen der 50 %, die Sie hier ansprechen, einmal mit Ihrem Kollegen, dem ehemaligen Kreisvorsitzenden der Grünen, Herrn Mohrfeld, gesprochen haben, der sich jetzt sogar gegen Windenergie an der Westküste ausspricht.
- Er hat sich nicht gegen Windenergie ausgesprochen, sondern wir haben in Dithmarschen eine Situation, die aus alten Zeiten, als die Grünen noch nicht dabei waren, herrührt. Herr Mohrfeld hat sich deshalb dafür ausgesprochen, dass in Dithmarschen, wo wir zum Teil eine sehr dichte Landschaftsüberformung durch Windenergie haben - -
- Ja, wir haben zum Beispiel aus der Zeit von vor 1996 zahlreiche Anlagen, die nur baugenehmigt sind und sich jetzt außerhalb von Windeignungsflächen befinden. Das ist natürlich auch in Dithmarschen der Fall. Ich kann verstehen, dass sich dort bei Teilen der Bevölkerung beim Blick in die Landschaft Unmut regt. Wir werden aber durch unsere Repoweringstrategie die Zahl der Anlagen auch in Dithmarschen stark verringern und gleichzeitig die Stromerzeugung steigern können. Es trifft zwar zu, dass wir aus den Anfängen der Windenergiegewinnung zum Teil noch Wildwuchs haben, wir werden diese Altanlagen jedoch in Repoweringprojekte hineinnehmen können. Das ist unser erklärtes Ziel. Ich hoffe, Ihre Frage ist damit hinlänglich beantwortet, Frau Kollegin.
Die von mir erwähnten Beispiele zeigen, dass sich eine engagierte Landespolitik lohnt, dass es für unser Land Schleswig-Holstein gut ist, dass Klimaschutz-
und Agenda-21-Arbeit in Schleswig-Holstein wirkt, während eine CDU, die sich anschickt, mit ihrem fulminanten Spitzenkandidaten unser schönes Land regieren zu wollen, das Wort Klimaschutz, wie wir gehört haben, nur in einem Zusammenhang kennt: Sobald es um Atomkraft geht, entdeckt die CDU ihr Herz für Klimaschutz - ein Wort, das sie ansonsten kaum buchstabieren kann. Wenn es um Agenda-21Arbeit geht, wenn es um Ökosteuer, Emissionshandel, Energieeinsparverordnung für Gebäude, ErneuerbareEnergien-Gesetz, K-W-K-Gesetz, Verkehrspolitik, KfW-Mittel zur CO2-Minderung, wenn es um den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen geht - überall da hört man von der CDU kein Wort zum Klimaschutz.
Meine Damen und Herren, begeisterten Beifall hat dann die Strategie der CDU, die hier zum Thema Brennstoffzelle vorgeschlagen wurde, ausgelöst. Brennstoffzellentechnologie ist jedoch eine Energieumwandlungstechnologie, Frau Kollegin. Woher wollen Sie denn diese gigantischen Mengen Wasserstoff nehmen, und zwar klimaverträglich, wenn Sie nicht zum Beispiel Öl, Kohle oder Erdgas vorbehandeln?
Die entscheidende Frage lautet: Woher bekomme ich denn diese Mengen Wasserstoff regenerativ, ohne dass dem eine Umwandlungstechnologie entgegensteht? Wofür haben Sie denn eigentlich Beifall gespendet?
Übrigens haben sich VW und Mercedes inzwischen von der Brennstoffzellen-Schiene entfernt. Sie verfolgen die Biomasse-Schiene mit dem von der Firma CHOREN entwickelten Sunfuel-Konzept. Brennstoffzellen in mobiler Anwendung sind jedoch Schnee von gestern.
Ist denn die Berücksichtigung ökologischer Zielsetzungen, meine Damen und Herren, ökonomisch gesehen Spielerei? Ist das Thema etwas für Idealisten - nice to have, but wirtschaftlich in schwieriger Zeit ein Luxusthema? Das könnte man doch meinen, wenn man die Umwelttiraden der CDU und das neoliberale Gewäsch anderer dazu hört. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Erstens sind die Folgekosten - das hat der Minister hier sehr eindrücklich dargestellt - so genannter Naturkatastrophen, aber auch das, was immer so niedlich als Wetterextreme bezeichnet wird, zu betrachten. Die starken Regenfälle haben nicht nur in Dresden die Oper überflutet und weggespült. Nein, wenig beachtet blieb, dass bei uns die Rapsernte dadurch um 20 % schlechter ausfiel. Es ging also um
die Vorbeugung gegen Schäden, was wirtschaftlich zweifellos sinnvoll ist.
Zweitens ist aber zu betrachten, dass Klimaschutzstrategien wirtschaftlich sehr viel bringen. Es handelt sich nämlich überwiegend um Effizienzstrategien, darum, bessere Produkte und Systeme zu entwickeln, um volkswirtschaftliche Ziele zu erreichen. Wirtschaftlicher Nutzen mit weniger Aufwand!
Meine Damen und Herren, Klimaschutz ist Bestandteil einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik für unser Land. Daran werden und wollen wir weiter arbeiten. Um es deutlich zu sagen: Mit Rot-Grün Klimaschutz geit dat fix, mit Gelb-Schwarz ward dat nix.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Baasch hat es gerade gesagt: Nicht jeder kann Sachkenntnis haben. Ich behaupte einmal, ich habe sie nach 30 Jahren im Gesundheitsberuf.
Frau Ministerin, vielen Dank für den Bericht. Sehr interessiert habe ich Ihre Aussagen zur Kassenärztlichen Vereinigung wahrgenommen. Da habe ich bislang anderes gehört. In der Sache stimme ich mit Ihnen überein.
Immer wieder wurde sie gefordert, seit Jahren ist sie Gesetz und trotzdem ist sie noch nicht so recht aus den Startlöchern gekommen, außer dass wir über einen Flickenteppich sprechen: Die Rede ist von der integrierten Versorgung. Warum eigentlich? Liegt es an der Idee? Liegt es an der Umsetzung? Oder liegt es daran - das wurde eben schon gesagt -, dass Ihnen nicht mehr sehr viel einfällt? Das sehen wir daran - der Kollege Kalinka sagte es eben schon, meine Damen Unterzeichnerinnen-: Die Begründung einfach abzuschreiben, ist ein bisschen arg einfach.
Mit integrierter Versorgung ist die Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Patientenversorgung gemeint. Das wissen wir alle. Dafür sollen die Versorgungspartner, Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte Ideen entwickeln, wie sie sich die Behandlungsabläufe aufeinander abstimmen und - das ist der alles entscheidende Faktor - Kosten einsparen.
Im Rahmen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes sollte die engere Verzahnung der ambulanten und der stationären Versorgung beschleunigt werden. Denn für die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ist die Abschottung der Sektoren eine der Gründe für die viel zitierte „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ im Gesundheitswesen. Nach ihrem Willen überwindet die so genannte integrierte Versorgung die „Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen Sektoren, reduziert unnötige Untersuchungen im Behandlungsprozess, schafft mehr Vertrauen in die Therapie und leistet einen erheblichen Beitrag zur finanziellen Entlastung des Gesundheitssystems“. So jedenfalls die Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums auf der zur Gesundheitsreform eingerichteten Internetseite. Das hört sich zunächst sehr viel versprechend an. Aber wir sind leider vom Ziel noch deutlich entfernt.
Grundsätzlich ist der Ansatz - das betone ich - einer integrierten Versorgung und damit den Patienten ein Angebot aus einer Hand anzubieten, ein interessantes Angebot. Aber warum hat es sich bisher nicht ausreichend durchsetzen können, wenn das Gesundheitsmodernisierungsgesetz bis zu 1 % der Gesamtvergütung von den stationären und ambulanten Leistungen als Anschubfinanzierung vorsieht? Für SchleswigHolstein bedeutet dies einen Betrag von immerhin 22 Millionen €.
Liegt es daran, dass Kooperationen durch einen Dschungel von widersprüchlichen Vorschriften und Gesetzen eher verhindert als gefördert werden? Liegt es daran, dass niedergelassene Ärzte - da sehe ich ein Problem - bisher zu wenig eingebunden worden sind, sondern sich mehr der Gefahr ausgesetzt sehen, künftig als Angestellte einer Poliklinik agieren zu müssen? Liegt es vielleicht aber auch daran, dass Krankenhäuser nur dann Vergütungen erhalten, wenn sie mehr Patienten behandeln, als zuvor vereinbart wurde und ihnen gleichzeitig das Geld fehlt, das zur Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung abgezweigt worden ist? Es könnte aber auch daran liegen, dass die Krankenhäuser überhaupt nicht über genügend freie Kapazitäten verfügen, um die von RotGrün politisch gewollte größere Teilnahme an der ambulanten Patientenversorgung zu meistern.
Der Verband der Krankenhausdirektoren Schleswig-Holstein rechnet in den nächsten zwei Jahren mit einem Abbau von 1.200 Stellen im Pflegebereich der Kliniken. Schon in den letzten Jahren sind viele Stellen im Pflegebereich weggefallen. Ein Rekorddefizit von 100 Millionen € bei den 100 Kliniken des Landes wird ebenfalls erwartet. Durch die Deckelung des
Budgets werden die Krankenhäuser bei einer Steigerung von 0,38 % in 2005 die dritte Nullrunde hinnehmen müssen, während die Personalkosten weiter steigen. Je weiter gleichzeitig die Zahl der Fachärzte sinkt, umso schwieriger werden es die Krankenhäuser haben, die Zahl der Behandlungsfälle zu erhöhen.
Eine integrierte Versorgung bietet sicher Vorteile. Diese müssen aber allen Akteuren bekannt sein. Eine integrierte Versorgung darf nicht allein unter dem Aspekt der Einsparung betrachtet werden. Das Gegenteil könnte auch eintreten, wenn gute Konzepte eine Sogwirkung entfalten und damit zu einer höheren Inanspruchnahme von Leistungen führen könnten.
Sie sehen mich auf Ihrer Seite, wenn wir die integrierte Versorgung wollen. Ich bin aber der Meinung, die Diskussion muss eine andere sein. Es müssen - darauf will ich noch einmal hinweisen - alle Akteure eingebunden sein. Die niedergelassenen Ärzte sind bislang nicht ausreichend eingebunden. Auch die Krankenhäuser vermissen es in großer Anzahl, darüber eingebunden zu sein.
Lassen Sie uns den Weg beschreiten, in den Dialog mit allen einzutreten. Dann werden wir vielleicht in einigen Jahren über eine integrierte flächendeckende Versorgung in Schleswig-Holstein berichten können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über ein sehr sensibles Thema und ich möchte davon ausgehen, dass wir das nicht zu einem Gegenstand werden lassen, der in das Getriebe der Fraktionen oder des Wahlkampfes kommt. Uns allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, vereint doch eines: Wir wollen grundsätzlich eine gute Pflege und bessere Pflegebedingungen, Pflegepersonal, das Spaß an seinem Beruf hat, und Bewohner in Pflegeeinrichtungen, die keine Angst davor haben müssen, schlecht gepflegt zu werden. Angesichts der in den vergangenen Monaten festgestellten Missstände in der Pflege hat die Sozialministerin jetzt die Flucht nach vorn angetreten und mit dem Konzept „PflegePlus“ eine neue Offensive für die Pflege gestartet. Diese Initiative soll Solidarität stiften und Lebensqualität im Alter fördern. Das sind Ziele, deren Erreichung wir alle ohne Wenn und Aber unterstreichen werden und unterstreichen können.
Auf dem Weg dorthin bietet das Konzept „PflegePlus“ mit seinen fünf Handlungsfeldern allerdings nicht viel Neues. Die bereits im Jahr 2000 vorgestellte Pflegequalitätsoffensive der Landesregierung beinhaltet die in dieser Woche als neu verkauften Inhalte bereits vollständig. Der kleine Unterschied zu damals ist allerdings, dass die Sozialministerin künftig auf die so genannten 1-€-Jobs des Hartz-IV-Konzeptes baut, um Langzeitarbeitslose und arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger sinnstiftend im sozialen Bereich einsetzen zu können. Wie das praktisch alles umgesetzt werden soll, wird erst einmal nicht verraten.
Meine Damen und Herren, die Problematik um die DRK-Pflegeeinrichtungen haben zuletzt ganz offen gezeigt, dass das gravierendste Problem die Personalausstattung vieler Pflegeeinrichtungen ist und künftig auch bleiben wird.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass für Schwerstpflegebedürftige - und diese Personengruppe ist es, die in diesen Einrichtungen besonders stark vertreten ist - ein anderer Personalschlüssel erforderlich ist, als er derzeit vorgeschrieben ist. Daraus resultieren im Wesentlichen die unzumutbaren Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen und Pfleger und letztendlich auch die mangelnde Pflegequalität in einigen Einrichtungen.
Das Ergebnis des Modellversuchs PLAISIR hat gezeigt, dass in den stationären Einrichtungen ein durchschnittlicher Personalmehrbedarf von etwa 15 % besteht, um den Pflegebedarf abzudecken. Nach PLAISIR kommen auf eine Pflegeperson rund 2,08 Pflegebedürftige. Der derzeitige Pflegeschlüssel in Schleswig-Holstein liegt jedoch bei 1:3,4. Woher dieses professionelle Pflegepersonal dann kommen soll, wenn bereits jetzt zu wenig Pflegekräfte da sind, kann nicht allein durch mehr Freiräume der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beantwortet werden, die künftig weniger bürokratische Anforderungen im Bereich der Pflegedokumentation zu erfüllen haben, wenngleich wir das natürlich begrüßen.
Vor diesem Hintergrund hilft es auch wenig, sich von der Schaffung so genannter 1-€-Jobs, zusätzlicher Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr oder gar durch so genannte Ich-AGs eine große Entlastung zu versprechen. Auch die angekündigten Bezuschussungen von zusätzlich 150 Ausbildungsplätzen sind bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn die Anforderungen von PLAISIR tatsächlich umgesetzt werden sollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es klarzustellen, die FDP-Fraktion fordert seit vielen Jahren, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zu hohen bürokratischen Anforderungen in der Pflege befreit werden. Es muss endlich dem Pflegepersonal die Chance gegeben werden, sich mit den Menschen zu beschäftigen und nicht mit der Verwaltung. Wenn wir aber mehr Menschen und dazu mehr ausgebildetes Personal in der Pflege einsetzen wollen, müssen wir die Ausbildung in dem sehr anspruchsvollen Beruf der Altenpflege in Schleswig-Holstein künftig besser planen.
Ich vermisse eine strukturierte Planung der Landesregierung, wie diese Ausbildungsmöglichkeiten künftig sichergestellt werden sollen. Wurde der Bedarf an künftigen Ausbildungsplätzen und Ausbildungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Einrichtungen in Schleswig-Holstein jemals abgefragt? Ich habe davon nichts hören können. Inwieweit hat darüber hinaus
eine regionale Abstimmung darüber stattgefunden, wo und in welchem Umfang die Altenpflegeausbildung in unserem Land durch die verschiedenen Einrichtungen stattfindet und stattfinden wird. Wie können wir den zusätzlichen Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern decken, wenn in Schleswig-Holstein PLAISIR umgesetzt werden soll? Diese Fragen sind bis heute nicht beantwortet.
Gerade hierzu hätte ich vonseiten des Sozialministeriums bei der Vorstellung der neuen Pflegequalitätsoffensive konkretere Aussagen gewünscht. Anderenfalls sehe ich das Problem, dass ohne eine hinreichende Strukturplanung die künftige Entwicklung der ambulanten und stationären Pflege in SchleswigHolstein nicht genügend gesichert ist.
Das fängt schon mit den bestehenden Strukturen an. Wie ist die Finanzierung der Schulkosten für Auszubildende in den Pflegeberufen in SchleswigHolstein gesichert? Wir haben nicht nur steigende Schülerzahlen in der Pflegeausbildung, sondern auch steigende Ausbildungskosten durch neue gesetzliche Rahmenbedingungen und neue Qualitätsvorgaben. Gleichzeitig werden die derzeit durch die Bundesagentur für Arbeit finanzierten Umschulungszuschüsse eingestellt, da künftig nur noch Erstausbildungen finanziert werden. Wenn jede der 650 Pflegeeinrichtungen im Land nur einen Schüler pro Jahr einstellen würde, wären dies bei einer dreijährigen Ausbildung rund 2.000 Schüler jährlich. Bei den Kosten, die für Pflegeschulen mit 400 € pro Schüler und Monat angesetzt werden, müsste über ein Gesamtvolumen von 9,6 Millionen € pro Jahr gesprochen werden und nicht von den derzeit 2,4 Millionen €, die das Land für die Altenpflegeschulen ausgibt.
Umso wichtiger ist es an dieser Stelle, dass die Frage der Finanzierung endgültig und für die Zukunft geklärt wird, damit die ausbildungswilligen Frauen und Männer oder ausbildende Heime nicht künftig das Schulgeld bezahlen müssen.
Meine Damen und Herren, wenn eine bessere Qualität der Pflege und eine umfassende Qualitätssicherung gewollt ist, dann reicht es künftig nicht aus, ein Netz von unabhängigen Beschwerdetelefonen auszubauen, an die sich jeder Bürger wenden kann.
Wir dürfen uns nicht auf Einzelbeschwerden vor Ort beschränken, sondern müssen uns darauf konzentrieren, wie ein Gesamtkonzept der Pflege und die qualitative Umsetzung der Pflege geschaffen werden kann.
Beschwerdetelefone können nur ein Baustein in einem solchen Gesamtkonzept sein.
Auch der Ansatz, unabhängige Hilfe- und Beratungsstellen einzurichten, kann sinnvoll sein, wenn dadurch eine individuelle Beratung über entsprechende Pflegeangebote erreicht werden kann, die die Lebensqualität der betroffenen alten Menschen verbessert. Doch können die Beratungsstellen nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Pflegekontrolle vor Ort hierdurch nicht ersetzt werden kann. Dabei sind die beiden Bausteine PflegeNotTelefon und Pflegeberatungsstelle keineswegs neu. Sie waren bereits Bestandteil der letzten Qualitätsoffensive. Leider wissen wir auch aus der Vergangenheit, dass sie Qualitätsprobleme in der Pflege nicht haben verhindern können.
Meine Damen und Herren, die Sozialministerin lässt in ihrer neue Offensive für die Pflege jeden konkreten Anstoß zur Qualitätskontrolle vermissen. Dabei ist gerade die Einrichtung eines unabhängigen Kontrollmechanismus dringend erforderlich. Die überzeugendsten Qualitätsstandards nutzen nichts, wenn ihre Einhaltung nicht kontinuierlich und vor allem unabhängig sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich kontrolliert werden. Angesichts des zu erwartenden Anstiegs der Zahl pflegebedürftiger Menschen wird der Zielkonflikt zwischen Pflegequalität und Wirtschaftlichkeit in Zukunft deutlich an Schärfe gewinnen. Umso notweniger wird deshalb eine unabhängige Instanz, die unangemeldet vor Ort kontrolliert.
Die verschiedenen Bausteine zur Verbesserung der Pflege dürfen deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Erfolg langfristiger Konzepte vor allem damit steht und fällt, ob die Pflege künftig ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt und darstellen wird. Ich erwarte deshalb mit Spannung den Bericht, den wir in der 48. Tagung vorgelegt bekommen.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben die Bestattungskultur angesprochen und diesen Gedanken will ich gern unterstützen. War es in der Vergangenheit so, dass der Tod eines Menschen mit seinen Bestattungsritualen und die Form, wie man sich Verstorbener erinnerte, seit Jahrtausenden als selbstverständliches Ereignis zum Leben eines Menschen gehörte, erleben wir heute, wie der Trend immer mehr dahin geht, den Gedanken an den Tod zu verdrängen. So können wir uns auch heute noch über das Leben von Jahrtausenden allein durch die Öffnung alter Grabstätten informieren und darüber sehr viel erfahren.
Ich lasse an dieser Stelle die Frage offen, was die Menschen denken werden, wenn sie in ein paar Jahrhunderten einige der heutigen Grabstellen öffnen werden. Denn der Tod wird in der heutigen Gesellschaft, in der Jugend, Gesundheit und ein langes Leben zu den wichtigsten Statussymbolen gehören, vielfach als ein lästiges Ereignis angesehen. Damit einhergehend wird in unserem Kulturkreis der Gedanke, wie und vor allem wo ein Toter zu bestatten ist, leider immer häufiger zur Nebensache.
Da degenerieren auf der einen Seite Beerdigungen in Einzelfällen sogar zur „Entsorgung" der Toten, wenn die Asche des Verstorbenen aus Kostengründen ins Ausland verbracht und auf parkähnlichen „Streuwiesen" verteilt wird, wie es in den Niederlanden heute schon möglich ist. Auf der anderen Seite ist es Men
schen, die als Gäste in unser Land gekommen sind und hier eine neue Heimat gefunden haben, überwiegend immer noch verwehrt, ihren religiös motivierten Beerdigungsritualen nachzukommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorgelegte Entwurf des Bestattungsgesetzes soll durch die Zusammenfassung verschiedener bestattungsrechtlicher Einzelvorschriften auf die gewandelte Bestattungskultur eingehen. Dies ist äußerst sinnvoll. Denn hierdurch wird mehr Rechtsklarheit und mehr Rechtssicherheit geschaffen. Dazu gehört, dass die Vorschriften zur Leichenschau mit aufgenommen worden sind. Denn bis heute bleiben jährlich schätzungsweise bis zu 2.400 Tötungsdelikte in der Bundesrepublik unentdeckt.
Vielleicht sind diese Umstände nicht ausschließlich auf fehlende gesetzliche Regelungen zurückzuführen, sondern auch darauf, dass rechtsmedizinische Institute aufgrund von Einsparungen oftmals nicht in der Lage sind, den Anforderungen nachzukommen, doch bieten die jetzigen Vorschriften deutlich mehr Klarheit in diesem Bereich.
Besonders wichtig und notwendig finde ich, dass das besonders sensible Thema der so genannten Totgeborenen - es ist hier schon mehrfach angesprochen worden - durch dieses Gesetz aufgegriffen worden ist. Auch wenn es der Entwurf des Bestattungsgesetzes endlich den Eltern ohne aufwendige Formalitäten ermöglicht, Fehl- und Totgeburten unter einem Gewicht von 1.000 g zu bestatten, wie es § 13 Abs. 1 vorsieht, ist natürlich die Frage zu stellen, ob diese Gewichtsgrenze willkürlich gezogen worden ist oder ob die Regelung des § 29 Abs. 2 Personenstandsgesetz hätte berücksichtigt werden müssen, das von einem Gewicht von 500 g ausgeht.
Ungeachtet dessen, dass für Eltern bei der Entscheidung darüber, ob sie ihr totes Kind bestatten wollen oder nicht, sicherlich nicht das Geburtsgewicht maßgeblich ist, muss hier eine intensivere Abwägung zumindest in der Gesetzesbegründung erfolgen, um insbesondere auch den Anforderungen des Artikels 1 Abs. 1 des Grundgesetzes gerecht werden zu können. Ich bin sicher, dass dies in den Ausschussberatungen erfolgen wird.
Auch ist es sinnvoll und notwendig, die Bestattungsrituale von Menschen anderer Glaubensbekenntnisse zu berücksichtigen. Insoweit geht der Gesetzentwurf auch hier den richtigen Weg.
Es stellt sich allerdings die Frage: Gilt dies für alle Weltanschauungen oder muss nicht die Möglichkeit, ohne Sarg bestattet zu werden, klarer definiert wer
den, sodass nur Mitgliedern einer anerkannten Religionsgemeinschaft diese Möglichkeit vorbehalten ist?
Weitere Fragen, inwieweit künftig Friedhöfe in Marschböden für die Erdbestattung zugelassen werden können - es ist vorgesehen, dass dies in Zukunft nicht mehr möglich ist - und wie Ruhezeiten in Familiengräbern zu behandeln sind, wenn beispielsweise eine Totgeburt während der Ruhezeit am Kopf- oder Fußende, wie heute möglich, bestattet worden ist, müssen wir im Ausschuss intensiv diskutieren.
Nach all den Beiträgen der Kollegen aus den anderen Fraktionen und Ihren Ausführungen, Frau Ministerin, bin ich sicher, dass wir dieses Thema im Ausschuss sensibel beraten und zu einem guten Weg finden werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anfang Mai sind der Europäischen Union zehn neue Staaten beigetreten. Wir alle sind froh darüber. In Europa wächst wieder zusammen, was der Totalitarismus getrennt hatte, obwohl es zusammengehörte. Um das Zusammenwachsen zu beschleunigen, wird die Europäische Union den neuen Teil des Europäischen Gartens kräftig düngen - mit Geld aus dem älteren, reicheren Teil Europas. Auf Europäisch heißt das Kohäsion, das Ziel Konvergenz und bezahlt wird es aus dem Strukturfonds. Es wird lange dauern, es wird viel Geld kosten, aber es ist den Preis wert. Genauso wie bei der deutschen Einheit.
Lange dauern heißt Jahrzehnte: Bei einer angenommenen Konvergenzgeschwindigkeit der Pro-KopfEinkommen von 1,5 % pro Jahr dauert es durchschnittlich 46 Jahre, bis die Hälfte des Rückstandes der Beitrittsländer abgebaut ist. Und dann nähern sie sich erst der Grenze von zwei Dritteln des EUDurchschnittes. Selbstverständlich wird es in einigen Regionen und Ländern schneller gehen - umso besser. Und es ist schneller als in Deutschland, denn zwischen Ost- und Westdeutschland gibt es derzeit keine.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein könnte sich freuen. Durch den Beitritt gehören wir in Europa nicht mehr zu den Rückständigen. Bei fast allen Indikatoren, die im Kohäsionsbericht bewertet
werden, liegen wir jetzt am oder über dem EUDurchschnitt. Das ist toll.
Es gibt nur ein kleines Problem: Bei uns ist nichts besser geworden - nur die Maßstäbe wurden verrückt. Das ist der gleiche Effekt, als wenn Bill Gates in eine volle Kneipe geht: Rechnerisch sind dann alle Gäste vielfache Millionäre - ohne dass einer einen Cent mehr hat als vorher.
Aber da wir jetzt überdurchschnittlich sind, bräuchte die EU die Konvergenz Schleswig-Holsteins zum europäischen Durchschnitt nicht mehr zu fördern. Diese absehbare Tendenz wird durch die Bundesregierung verstärkt. Sie will nicht mehr Geld nach Brüssel zahlen. Auch deshalb wird die Europäische Union sich noch stärker darauf konzentrieren,
ihr Geld dort zu investieren, wo es den höchsten Ertrag abwirft. Und das ist sicher nicht in SchleswigHolstein. Hier ist das neue europäische Klassenziel ja schon erreicht.
Da sind sie wieder, die drei Probleme von Rot-Grün in Kiel: kein Geld, kein Konzept und keine Ahnung, wie es weitergeht!
Erstens. Rot-Grün hat kein Geld. Deutschland will nicht mehr an Brüssel zahlen, Brüssel aber mehr an die Beitrittsländer. Das heißt, Schleswig-Holstein bekommt auf jeden Fall weniger, wahrscheinlich kaum noch etwas oder vielleicht sogar gar nichts - unabhängig von allen rot-grünen Beteuerungen.
Zweitens. Rot-Grün hat kein Konzept. Eigene Ideen, um Schleswig-Holstein nach vorn zu bringen, lässt Frau Simonis seit 1988 vermissen. Der Chef von Björn Engholms Denkfabrik, heute Wirtschaftsminister, fantasiert nur noch von Haufen, die Erklärung für seine Cluster. Wenn sich bei uns strukturpolitisch überhaupt etwas bewegt, dann bezahlt entweder Berlin oder Brüssel. Die gesamte strukturpolitische Strategie von Rot-Grün ist auf Ländersozialhilfe der Bundesrepublik oder der EU ausgerichtet.
Nun hat Rot-Grün auch noch den Bund ruiniert. Nicht einmal für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur ist noch Geld da. Wie gesagt, nach Brüssel wollen Schröder, Eichel und Co. nicht mehr als bisher zahlen. Also wird Brüssel auch nur noch sehr wenig Geld nach SchleswigHolstein überweisen können. Außerdem werden die meisten Menschen einsehen, dass es sinnvoller ist,
zunächst einen Großteil der Haushalte in den osteuropäischen Beitrittsländern mit Warmwasser und Toiletten zu versorgen, als bei uns Strandpromenaden zu erneuern. Folge: Der letzte Rest der strukturpolitischen Versuchsreihe bricht zusammen.
Drittens. Rot-Grün hat keine Ahnung, wie es weitergehen soll.
Deshalb ist ja auch in acht Monaten Schluss mit der rot-grünen Regierung. Aber leider werden die Menschen und die Unternehmen in Schleswig-Holstein noch länger unter den Folgen Ihrer ordnungs- und strukturpolitischen Kurzsichtigkeit leiden. Aber das wird nachlassen. Je länger das rot-grüne Chaos zurückliegen wird, desto zügiger wird es mit SchleswigHolstein bergauf gehen - weil Menschen und Unternehmen wieder Mut und Zuversicht gewinnen werden. Wir werden den Norden aufbauen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Wolfgang Baasch, die Pflegequalitätsoffensive war in der Tat ein guter Ansatz. Das bestreiten wir gar nicht. Die derzeitig vorliegenden Erkenntnisse und auch der Skandal zeigen aber, dass es offensichtlich noch einige zu große Maschen in dem Netz gibt und dass es noch einiges zu tun gibt. Insofern hätte ich unter anderem auch die Größe begrüßt, wenn ihr dem Dringlichkeitsantrag der CDU hättet zustimmen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die jetzt bekannt gewordenen Probleme bei insgesamt zehn Pflegeeinrichtungen des Deutschen Roten Kreuzes haben bereits personelle Konsequenzen nach sich gezogen. Jedoch möchte ich an dieser Stelle auch ganz klar sagen, dass es mit dem Rücktritt des DRK-Landesgeschäftsführers allein nicht getan ist, um künftig solche Pflegeskandale zu verhindern. Neben einer lückenlosen Aufklärung, wie es zu den Zuständen in den Pflegeheimen des DRK-Landesverbandes kommen konnte, sind vor allem strukturelle Konsequenzen zu ziehen.
Nicht umsonst fragen sich mittlerweile verunsicherte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Pflegeeinrichtungen sowie auch die zu Pflegenden und deren Angehörige, ob es sich hier um die Spitze eines Eisberges oder um die Überforderung eines Trägers von Pflegeeinrichtungen handelt. In jedem Fall steht eines fest: Die gesamte Situation wurde auf dem Rücken der Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegeeinrichtungen und insbesondere des sehr qualifizierten Pflegepersonals ausgetragen. Denn die bereits vor zwölf Monaten festgestellten Mängel liegen laut den Gutachtern nicht etwa in einer mangelhaften Qualifikation von Pflegekräften vor Ort begründet.
Vielmehr war eine Verbesserung der Pflegesituation aufgrund vieler struktureller Mängel gar nicht möglich. Wenn Pflege so organisiert ist, dass keine Zeit bleibt, einen Bewohner zur Toilette zu begleiten, wenn dieser den Tag im Bett verbringen muss, weil keine Zeit dafür da ist, ihn in den Rollstuhl zu setzen, und wenn selbst ein kurzes Gespräch nicht mehr möglich sein kann, weil es zu wenig Personal gibt, um dies zu erledigen, dann können wir doch nur feststellen, dass etwas grundsätzlich und grundlegend falsch läuft.
Wenn über den Umweg der Personalkosten, also auf dem Rücken zu weniger Pflegekräfte versucht wird, Kosten zu senken und die notwendigen Investitionen nachzuholen, dann brauchen wir uns eigentlich nicht zu wundern, dass es immer weniger Menschen gibt, die diesen verantwortungsvollen und sehr schweren Beruf ausüben wollen, und dass es immer weniger Senioren gibt, die nicht in Pflegeeinrichtungen wollen, dass es also immer mehr Senioren gibt, die den Weg in Altenpflegeheime fürchten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weshalb konnte es so weit kommen? Hat das Zusammenspiel von MDK, Heimaufsicht und Fachaufsicht versagt? Haben die Heimaufsichten die ihnen übertragenen Kontrollmöglichkeiten vernachlässigt? Hat die Fachaufsicht des Landes, die lediglich die rechtmäßige und zweckmäßige Wahrnehmung der Verwaltungsangelegenheiten der Heimaufsicht zu überprüfen hat, von den Versäumnissen Kenntnis erhalten? Wurden Warnsignale übersehen? Was wurde konkret getan, um die Heimbewohner und Mitarbeiter der Einrichtungen zu schützen? Sie sehen, es gibt viele offene Fragen.
Wir diskutieren seit langer Zeit immer wieder darüber, wie mit Menschen umgegangen wird und wie
Menschen gepflegt werden. Dabei bezieht sich die Diskussion über die Pflegequalität nicht nur auf die zunehmenden Einzelbeschwerden, sondern auch darauf, wie ein Gesamtkonzept für Pflege und qualitative Umsetzung der Pflege geschaffen werden kann. Grundlegend dafür ist, dass wir den Betroffenen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit außerordentlich gute Arbeit leisten, entsprechende Konzepte an die Hand geben könnten. Das sind wir ihnen schuldig.
Wenn diese neben ihrer hohen Arbeitsbelastung zusätzlich dem durch einzelne Pflegeskandale in der Öffentlichkeit geschürten Misstrauen ausgesetzt sind, dann trägt dies nicht wirklich zur Qualitätsverbesserung bei. Gerade aber mit dem Personal und der Personallage steht und fällt die Pflegequalität.
Wie können wir gutem Personal wieder die Möglichkeit geben, den Beruf gerne auszuüben und damit zu einer guten Pflege zu kommen? Dass dies nicht eine Frage des Geldes allein ist, zeigen viele Pflegeeinrichtungen in Schleswig-Holstein. Richtig ist auch, dass wir in Pflegequalität nicht dauerhaft von außen sozusagen hineinkontrollieren können. Was wir aber endlich durchsetzen müssen, ist die Etablierung eines wirksamen Kontrollinstruments. Hier hat die Landesregierung als Fachaufsicht versagt,
wenn bereits seit zwölf Monaten bekannte Unregelmäßigkeiten nicht genauer überprüft worden sind. Deshalb wiederhole ich die Forderung der FDP: Wir wollen einen unabhängigen Pflege-TÜV, wenn ich es einmal so bezeichnen darf.
Wir fordern weiterhin die Etablierung wirksamer und unabhängiger Kontrollmechanismen, weil andere Systeme versagt haben.
Ich komme zu meinem letzten Satz, Herr Präsident. Lassen Sie uns diese Aufgabe im Interesse der Heimbewohner und derer, die ihre schwere Arbeit in den Heimen verrichten, gemeinsam anpacken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Baasch, Sie sprechen von einem Erfolgsmodell. Ich beobachte und höre aber, dass dieser Erfolg von Ihrer Seite ausschließlich in Zahlen und nicht sowohl in Zahlen als auch in Qualität gemessen wird.
Meine Damen und Herren, Bund, Land und Kommunen, wir alle sind in der Pflicht, ohne falsche Rücksichtnahme, Missstände in der Pflege nicht nur zu beseitigen, sondern Strukturen zu schaffen, die Fehlentwicklungen in Zukunft vermeiden. Angesichts der festgestellten Missstände, über die wir heute Morgen bereits gesprochen haben, reicht es auf keinen Fall aus, den Willen zu mehr Beratung ausschließlich zu artikulieren. Wenn wir mehr wollen als eine Pflege nach dem Prinzip von „satt und sauber“, dann muss die Frage gestellt werden, was Politik tun kann, um dieses Ziel möglichst schnell zu erreichen? Wie kann ein Konzept aussehen, mit dem den Betroffenen und ihren Angehörigen, den Heimträgern, dem dort beschäftigten Personal sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Heimaufsichtsbehörden, Medizinischem Dienst, Pflegekassen und Sozialhilfeträgern mehr Bewusstsein im Hinblick auf die Qualitätsverbesserung der Pflegesituation vermittelt werden soll?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung hatte im April 2000 ein Maßnahmenkonzept zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der Pflegequalität aufgelegt. Wir haben davon gehört. Im Rahmen dieser Pflegequalitätsoffensive war unter anderem für
vier Jahre die Förderung der Einrichtung regionaler trägerunabhängiger Beratungsstellen vorgesehen. Wir haben gehört, dass dies, was wirklich bedauerlich ist, flächendeckend nicht erfolgen konnte. Durch dieses Projekt sollten Defizite in den bereits vorhandenen und gesetzlich geregelten Beratungsverpflichtungen durch ein neutrales Beratungsangebot ausgeglichen werden und sind zum Teil auch ausgeglichen worden.
Da uns kein schriftlicher Bericht vorliegt, hatte ich mir die Frage notiert: Wurde dieses Ziel erreicht? Diese Frage wurde von Ihnen, Frau Ministerin, für mich in Ihrem mündlichen Bericht nicht ganz ausreichend beantwortet.
Haben denn die mittlerweile neun Beratungsstellen, die zwischen November 2000 und Juli 2002 in verschiedenen Kreisen ihre Arbeit aufgenommen haben, die Anforderungen an ein klientenorientiertes Hilfsangebot in Gänze erfüllt? Konnte die Pflegebedarfsplanung der Kommunen unterstützt werden? Die Frau Ministerin hat uns gesagt, die finanzielle Unterstützung dieser Beratungsstellen laufe aus. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht ausläuft. Wenn es so erfolgreich war, wie dargestellt, lieber Kollege Baasch, dann sollte man dieses Modell auch weiterführen und nicht auslaufen lassen.
Diesbezüglich erwarte ich noch viele Antworten auf Fragen, die heute offen geblieben sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die gegenwärtige Diskussion zur Pflege zeigt, dass noch viel getan werden muss, um das Ziel zu erreichen. Zwar leisten die Beratungsstellen einen wichtigen Beitrag, um die Betroffenen und ihre Angehörigen, Pflegeeinrichtungen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten in den Einrichtungen zu unterstützen, jedoch besteht aus meiner Sicht immer noch die Gefahr, dass eine Hilfestellung erst dann erfolgt, wenn Probleme aufgetreten sind.