Protocol of the Session on September 24, 2004

Zweitens. Dass die Weiterentwicklung der Pflegeberufe gefördert werden soll, und das heißt konkret nicht nur mehr, sondern auch weitergehende Forderungen und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, findet meine ungeteilte Zustimmung, und zwar gerade im Hinblick auf die große Zahl der Berufsabbrüche in der Pflege. Zu Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten bei den Pflegeberufen liegt eine umfangreiche fachwissenschaftliche Literatur vor. Ich rate der Kollegin Kolb, zur Durchsetzung ihres Antrags konkretisierte Vorschläge dem Landtag vorzulegen.

(Beifall bei der CDU - Veronika Kolb [FDP]: Sehr gern!)

Aber auch schon jetzt kann der Landtag natürlich den Lehrstuhl für Pflegewissenschaften einrichten.

Drittens. Dass wir in unserem Lande nicht nur eine ganzheitliche, sondern auch eine dichte Pflege- und Hilfestruktur benötigen, wird, so hoffe ich jedenfalls, von keinem Abgeordneten bestritten werden. Manches ist auch schon geschehen. Aber natürlich sind hier noch gewisse Lücken. Es ist die immer gleiche Geschichte in der Sozialpolitik: Das Wünschbare vermehrt sich, das Machbare vermindert sich. Wir

müssen die Kirche im Dorf lassen. Die Aufzeichnung im dritten Punkt des FDP-Antrags hat für mich mehr die Bedeutung einer pflegepolitischen Vision. Solche Visionen sind durchaus nützlich und hilfreich, aber bevor wir an politische Entscheidungen herangehen, sollten wir eine nüchternde Bestandsaufnahme zur Verfügung haben. Da erhebt sich als Erstes die Frage: Wo sind denn nun die einzelnen Lücken? Denn, soweit mir bekannt, gibt es für diesen Bereich keine umfassenden und verlässlichen Untersuchungen. Allerdings meine ich nicht, dass die Landesregierung jetzt gleich wieder einen teuren Gutachtenauftrag erteilen sollte.

(Veronika Kolb [FDP]: Der ist auch gar nicht gefordert!)

- Ich habe eine wunderbare Große Anfrage. Wenn die dann hier diskutiert wird, haben wir in vielen Bereichen Klarheit.

Die Einführung des so genannten Pflege-TÜV ist ein altes Anliegen der FDP. Nach meinen Akten hat die FDP hierzu bereits im Mai 2000 einen Vorschlag gemacht. Aber nicht nur die FDP verlangt seit Jahren eine solche Zertifizierung. Wir werden uns gegenüber diesen Forderungen nicht verschließen können. Es stellt sich aber für mich die Frage, wie dieser PflegeTÜV organisiert werden soll. Die FDP verlangt ein vom Kostenträger unabhängiges Kontroll- und Beratungsgremium. Ich weise in diesem Zusammenhang auf zwei Punkte hin. Erstens. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern hat inzwischen ein Modellprojekt zur Qualitätsprüfung von Pflegeheimen entwickelt und in zehn Einrichtungen getestet. Ich frage: Gibt es wirklich überzeugende Gründe, an der Objektivität des MDK zu zweifeln?

Zweitens. Nach § 22 Abs. 3 des Heimgesetzes haben die Heimaufsichtsbehörden jetzt alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht zu erstellen und zu veröffentlichen. Ich frage: Haben wir nicht schon hier die Organisation für den Pflege-TÜV?

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident; ich möchte nur einen letzten Satz zum Antrag auf Reduzierung der Pflegedokumentation sagen. Ich hoffe sehr, dass durch eine Reduzierung der Dokumentation nicht Pflegemängel auftreten können. Diese Gefahr besteht nämlich durchaus. Auf PLAISIR will ich nicht mehr hinweisen. Da haben wir jetzt eine andere Lage. Das werden wir im Ausschuss noch beraten können.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Angelika Birk.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich ein bisschen gewundert, als ich den Antrag der FDP gelesen habe. Denn in der letzten Landtagstagung im August hat die Mehrheit des Parlaments der Landesregierung einen ausführlichen Berichtsantrag aufgegeben, in dem natürlich auch das Thema Pflegequalität, Pflegeausbildung eine wesentliche Rolle spielte. Mir ist nicht erinnerlich, dass die FDP hier mit Änderungsanträgen aufgefallen ist. Offenbar wollen Sie Ihr Versäumnis von vor vier Wochen jetzt durch eine Antragsformulierung nachholen.

(Veronika Kolb [FDP]: Änderungsanträge zum Bericht, Frau Birk?)

Gut, das ist Ihr Recht. Wir in unserer Fraktion haben uns jedenfalls für ein Verfahren entschieden, das nahe liegt, nämlich Ihren Antrag in den Fachausschuss zu überweisen. Wenn dann der Regierungsbericht vorliegt, werden wir prüfen, ob Teile Ihres Antrages noch beratungsrelevant und entscheidungsrelevant sind. Ansonsten gehen wir erst einmal davon aus, dass eine Reihe von Punkten, die Sie hier angesprochen haben, in dem Bericht abgearbeitet werden.

Wie Sie aus den Debattenbeiträgen meiner Vorrednerinnen und Vorredner - es ist erstaunlich, wie viel Einigkeit hier herrscht -, und zwar aller Fraktionen, entnommen haben, ist die Regierung offensichtlich schon dabei, eine Reihe von Punkten, die Sie benannt haben, umzusetzen. Es wurde auf Flensburg hingewiesen, die integrierte Pflegeausbildung. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Pflegedokumentation nun neu organisiert werden soll, dass sie gründlich und gleichzeitig in einer kurzen Zeit ermöglicht wird. Was die Aufbauleistung einer ganzheitlichen Pflege- und Hilfeinfrastruktur anbetrifft, so haben wir hier wiederholt von der Pflegeberatung bis zum PflegeNotTelefon wie auch zu neuen Formen von ambulanten Diensten zumindest seitens der Landesregierung und des Landtages deutlich gemacht, was wir wollen.

Das Problem sind die Kostenträger, ob das nun die Pflegekassen oder die kommunalen Kostenträger sind. Ich möchte eine Bitte an Frau Ministerin Trauernicht richten. Sie haben uns vor vier Wochen Mut gemacht, was das Thema PLAISIR angeht. Nun scheinen sich die Weichen offensichtlich ganz anders gestellt zu haben. Das sollten wir hier wissen, und

zwar auch, weil der Antrag der FDP auf dieses Thema eingeht. PLAISIR darf aus patentrechtlichen Gründen und damit zusammenhängenden finanziellen Forderungen hier in Deutschland nicht eingeführt werden. Ich finde es - ehrlich gesagt - eine Ungeheuerlichkeit, wenn wir geistiges Eigentum in Zukunft so verwerten, werden sich Gedanken nicht mehr fortpflanzen können. Wenn dies so ist, dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen und uns über gute Ausreden freuen, sondern dann sind wir - ganz im Gegenteil - erst recht gefordert.

Die Erkenntnisse, die wir aus PLAISIR haben, sind nicht plötzlich ungültig, sondern zeigen, dass es dringend notwendig ist, zu einem neuen Personalbemessungsverfahren in den Alten- und Pflegeheimen zu kommen. Das hat Folgen. Wir gehen von zehn bis zu 15 % mehr Personalbedarf aus. Selbst bei optimaler Organisation ist ein Alten- und Pflegeheim nach dem bisherigen Personalbemessungsverfahren im Augenblick also unterbesetzt. Das müssen wir uns vor Augen führen. Da sehe ich Handlungsbedarf. Ich gehe davon aus, dass ich damit nicht allein stehe.

Noch ein wichtiges Stichwort! Frau Kleiner, ich freue mich, dass Sie nach langer Debatte um den Medizinischen Dienst, die Sie immer sehr kritisch geführt haben - Sie haben gesagt, die Landesregierung tue so wenig, wir brauchten neue Institutionen -, offenbar aus Erfahrungen in Bayern klug geworden sind - die Erfahrungen hätten Sie hier auch machen können -, nicht mehr so vehement an neuen Institutionen festhalten. Es wird im Ausschuss angesichts des Berichts der Landesregierung die Möglichkeit geben zu sagen, welche Prüfungsaufgaben die Heimaufsicht hat, welche der Medizinische Dienst, wo tatsächlich gegebenenfalls noch Lücken - Lücken in dem Sinn, dass der Prüfauftrag wichtige Bereiche sozusagen nicht abdeckt - sind und wie man sie füllen kann.

Als Letztes! Sie wissen, ich engagiere mich sehr für neue Pflegeformen für Menschen mit Demenzerkrankungen. Dieses Thema sollte in der Pflegeausbildung und in der Fortbildung eine große Rolle spielen wie auch die Frage, wie wir nach den neuen Rahmenbedingungen der Hartz-Gesetze verfahren, die Beiträge des früheren Landesarbeitsamtes im Hinblick auf die Fortbildung zu Pflegehilfsberufen oder zum Altenpflegeberuf infrage stellen. Da brauchen wir Ersatz. Gerade in diesem Berufsbild ist es gut, wenn Menschen mit Lebenserfahrungen Eintritt finden können, einen zweiten Berufsstart machen. Da brauchen wir die notwendigen Mittel und Konzepte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder ist die Pflege und die Pflegequalität ein Punkt auf der Tagesordnung des heutigen Landtages. Bereits im Juni dieses Jahres hat sich auch der SSW dafür eingesetzt, dass mehr qualifiziertes Personal eingestellt werden muss.

Wir sind für eine menschenwürdige Pflege und Betreuung in Schleswig-Holstein. Wir sehen, dass diese Pflege nicht nur heute, sondern auch in Zukunft gewährleistet sein muss. Wir halten es auch für nötig, die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Pflegekräften qualitativ zu verbessern. Eine Änderung der Ausbildung nach skandinavischem Vorbild steht für uns im Vordergrund. Wir fordern deshalb - wie meine Kolleginnen und Kollegen vorher gesagt haben - eine gemeinsame Grundausbildung aller Pflegeberufe mit aufbauenden und qualifizierenden Fachrichtungen für Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege auf der Grundlage der neuen bundeseinheitlichen Altenpflegeausbildung. Hier gibt es auch schon das Modell in Flensburg. Dieses zeigt erste Früchte. Es ist erfreulich, dass das bei denen, die dort lernen, so positiv angenommen wird. Das sollten wir unbedingt beibehalten.

Angesichts der Tatsache, dass ich in solchen Bereichen zunehmend auf Flensburg verweisen kann - gestern haben wir über die integrierte Gesundheitsversorgung gesprochen -, schlage ich vor, dass wir uns als Sozialausschuss dorthin begeben

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

und uns über die verschiedensten vorbildlichen Projekte, die in Flensburg laufen, informieren, und zwar direkt vor Ort.

Wir geben der Landesregierung Recht, dass der richtige Weg zur Qualitätsverbesserung die Weiterbildung ist. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass das Pflegepersonal nicht nur besser und qualifizierter ausgebildet sein muss, sondern auch, dass ausreichend Pflegepersonal vorhanden ist. Dieses Mehr an Pflegepersonal ist jedoch keineswegs durch die Anstellung von Personal im Bereich der so genannten 1€-Jobs auszugleichen. Für qualifizierte Pflege wird motiviertes und gut ausgebildetes Personal benötigt. Denn das Pflegepersonal fühlt sich auch jetzt schon

manchmal überfordert, unterbezahlt oder mangelhaft ausgebildet.

Wenn die FDP die Einführung des Pflege-TÜV fordert, kann ich nur sagen, dass wahre Schönheit bekanntlich von innen kommt. Damit will ich sagen, dass sich eine bessere Pflege leider nicht von außen in die Heime hineinkontrollieren lässt.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich sind Kontrollen notwendig. Ob der PflegeTÜV der richtige Weg ist, frage ich mich aber.

(Andreas Beran [SPD]: Das frage ich mich auch!)

Wir stützten hinsichtlich des Bürokratieabbaus die von der Landesregierung angeschobene Initiative von PflegePlus. Denn mit dem Anstieg der Zeit innerhalb der Pflege und weniger Zeit für die Dokumentation erhöht sich nach unserer Ansicht automatisch die Qualität der Pflege in den Heimen.

Hinsichtlich PLAISIR ist es so, dass es - wie wir erfahren haben - auf Bundesebene keine Einigung hinsichtlich dieses Projekts mit dem Eigentümer, der das Patent hierauf hat, gegeben hat. Das ist besonders schade, weil ein Modell in Schleswig-Holstein gelaufen ist und wir alle eigentlich gehofft hatten, dass auf der Grundlage von PLAISIR neue Personalbemessungszahlen für die Pflegeheime kommen würden. Wir hoffen, dass es vielleicht möglich sein wird, mit anderen Partnern oder selbst etwas anderes zu entwickeln, das uns in diesem Bereich hilfreich sein könnte. Wir halten das weiterhin für notwendig. Bei PLAISIR müssen wir einfach sehen, dass das nicht geht. Es ist nicht möglich, dieses Modell hier durchzuführen.

Wir erwarten bereits in der 48. Tagung des Landtages einen Bericht der Landesregierung zur Umsetzung und zu den Ergebnissen der Pflegequalitätsoffensive. Wir gehen davon aus, dass mit diesem Bericht der Antrag der FDP im Ausschuss beraten wird.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich der zuständigen Ministerin, Frau Dr. Trauernicht-Jordan.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Warum dieser Antrag in dieser Form zu dieser Zeit? Die Motivforschungen haben meine Vorrednerinnen und

(Ministerin Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan)

Vorredner schon betrieben. Ich kann nur sagen: Wären wir uns doch immer so einig!

Sind wir uns aber einig? Ich möchte einige Aspekte Ihres Antrags aufgreifen.

Zunächst einmal zum Thema integrierte Ausbildung. Das Projekt in Flensburg ist erwähnt. In Neustadt gibt es eine vergleichbare Ausbildung. Besonders spannend sind Pläne in Rendsburg. Hier gibt es die Absicht, in dreieinhalb Jahren zwei Abschlüsse machen zu können, nämlich Kranken- und Altenpflege. Außerdem unterstützt das Land in jeder Hinsicht die Experimentierfreude vieler Schulen. Denn sowohl Kranken- als auch das Altenpflegegesetz betonen gerade die Gemeinsamkeiten der Pflegeberufe und erkennen zwei Drittel einer Pflegeausbildung auf die jeweils andere Ausbildung an. Das ist der richtige Weg.

Wir alle wissen: Wir haben mehr vor. Der Bund wird nach Ablauf einer Modellphase prüfen, ob auf Bundesebene entsprechende gesetzliche Regelungen auf den Weg kommen sollen.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite Thema: Weiterbildung. Das ist eine Selbstverständlichkeit für die Landesregierung. Deswegen weise ich gern darauf hin, dass wir allein 15 Weiterbildungsinstitute zur Qualifizierung von Leitungsaufgaben in der Pflege in Schleswig-Holstein haben. Sie haben in Ihrem Antrag zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass der Leitung für die Qualität und die Qualitätssicherung eine ganz besondere Bedeutung zukommt.

Pflege- und Hilfeinfrastruktur ganzheitlich organisieren, das ist ohne Zweifel richtig. Deshalb haben wir den Landespflegeausschuss auch gebeten, bei dem Handlungskonzept ambulante Pflege der Kooperation und Vernetzung von Diensten und Einrichtungen einen zentralen Stellenwert beizumessen. Auch im Bereich der Geriatriekranken wollen wir - wie ich gestern schon berichtete - ein dreistufiges flächendeckendes Konzept - finanziert von allen Krankenkassen - über die integrierte Versorgung auf den Weg bringen.

Vernetzung als Maßstab für regionale Pflegepläne muss - so meine ich - die Stoßrichtung sein statt einer Planung auf Landesebene. Darüber kann man im Ausschuss noch einmal beraten.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ein Pflege-TÜV wird gefordert und wirft bei mir zunächst einmal mehr Fragen auf, als dass ich mir