Protocol of the Session on September 24, 2004

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe, dass das mit in die Liste der Hausaufgaben aufgenommen wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Beratung. Wunschgemäß schlage ich Ihnen vor, dass wir die Berichte dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit haben wir das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land SchleswigHolstein

Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW Drucksache 15/3653

(Präsident Heinz-Werner Arens)

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile Frau Abgeordneter Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Informationsfreiheitsgesetz des Landes, 1999 vom SSW eingebracht und im Januar 2000 vom Landtag beschlossen, gibt allen Bürgerinnen und Bürgern das Recht, Einsicht in Informationen von Behörden zu nehmen. Das Gesetz hat dazu geführt, dass Schleswig-Holstein bundesweit zur Vorreiterin in Sachen Datenschutz und Informationsfreiheit geworden ist. Es stellt somit aus unserer Sicht einen Meilenstein der Bürgerfreundlichkeit dar.

Nach vier Jahren Informationsfreiheit hat sich aber langsam herausgestellt, was noch besser gemacht werden kann, denn die Diskussion um die Einführung von Informationszugangsrechten ist seit der Verabschiedung unseres Gesetzes weitergegangen. Dies kam auch in dem Symposium zum Ausdruck, das der Schleswig-Holsteinische Landtag und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz im Dezember letzten Jahres aus Anlass des „Datenschutz-Jahres“ unter der Überschrift „Vom Norden lernen“ hier im Landtag durchführte.

Dies betrifft insbesondere das Problem der so genannten „Flucht ins Private“. Gemeint ist, dass ein an sich gegebener Anspruch auf Informationen dadurch unterlaufen wird, dass öffentliche Aufgaben privatisiert werden. Dieses Problem hat sich im Laufe der letzten Jahre mit den zunehmenden Privatisierungstendenzen in unserer Gesellschaft immer mehr verschärft.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Mit anderen Worten: Mit unseren Änderungsvorschlägen wollen wir den Informationszugang jetzt noch bürgerfreundlicher gestalten, denn der Sinn von Informationsfreiheit ist doch, dass der Staat den Bürgern gegenüber so transparent wie möglich darstellt, welche Aufgaben er für sie erledigt.

Der SSW fordert nun, dass die Bürgerinnen und Bürger auch dort, wo öffentliche Aufgaben durch private Unternehmen erledigt werden, ein Recht auf Informationen bekommen. Während das Informationsfreiheitsgesetz heute schon den Informationszugang zu Behörden eröffnet, sollen also künftig auch Daten von privaten Unternehmen zugänglich sein, wenn sie sich einer öffentliche Aufgabe annehmen. Im Prinzip gilt dieses zwar auch schon im bestehenden IFG, aber es wird vielfach der Standpunkt vertreten,

dass bei privatrechtlichem Handeln einer Behörde oder eines Privaten das IFG keine Anwendung findet.

Deshalb ist es heute noch so, dass viele dieser Unternehmen ihre Informationen mit der Begründung zurückhalten, dass sie keine Behörde im Sinne des IFG seien. Da aber immer mehr öffentliche Aufgaben in den halbprivaten und privaten Bereich verlagert werden, muss die Informationsfreiheit auch dort gelten, wo öffentliche Aufgaben durch private Unternehmen erledigt werden. Die gesetzlichen Bestimmungen zu den Geschäftsgeheimnissen Privater bleiben davon unberührt. Das füge ich vorsichtshalber hinzu.

(Beifall beim SSW)

Die bisherige Fassung des Informationsfreiheitsgesetzes nutzt den Behördenbegriff, den wir aus dem schleswig-holsteinischen Verwaltungsgesetz kennen, wonach Behörde jede selbstständige Stelle ist, die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeiten ausübt, und verpflichtet Private nur insoweit, als diese in die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben eingebunden sind. An der Benutzung des Wortes „rechtlich“ an dieser Stelle hat sich ein Streit entzündet. Daher wollen wir mit dieser Novelle eine Klarstellung leisten, indem der Zusatz „rechtlich“ gestrichen wird

Unsere Novelle leistet über diese Klarstellung des bestehenden Gesetzes hinaus eine Erweiterung der bestehenden Ansprüche. Fälle der vollständigen Privatisierung werden erfasst, Private werden auch direkt verpflichtet und „bereitgehaltene“ Informationen werden zugänglich gemacht.

Mit unserem Gesetzentwurf wird - wie aus der Problemformulierung zum Gesetz hervorgeht - auch die EU-Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG umgesetzt. Diese Richtlinie soll bis zum 14. Februar 2005 in Landesrecht umgesetzt werden. Diese EURichtlinie besagt, in Klammern bemerkt, dass zukünftig ein direkter Informationsanspruch gegenüber Privaten besteht, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Also genau das, was wir erreichen wollen.

(Beifall beim SSW)

Im Übrigen hatte die Bundesregierung am 21. Juni diesen Jahres dem Bundesrat einen Entwurf für ein Umweltinformationsgesetz - zur Umsetzung der EU-Richtlinie - zugeleitet. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, dass nur informationspflichtige Stellen der Bundesebene von einem Umweltinformationsgesetz des Bundes betroffen sind. Soll heißen, dass die Länder eigene Umweltinformationsgesetze zu verabschieden haben.

Mit unserer Gesetzesnovelle würde man die Umsetzung der EU-Richtlinie innerhalb - ich sage noch

(Anke Spoorendonk)

einmal: innerhalb! - der bestehenden Gesetze regeln, statt ein spezielles Umweltinformationsgesetz zu schaffen. Ich hebe das hervor, weil das die Pointe unserer Novelle ist. Wir sagen also, dass das IFG gleichzeitig den Zugang zu Umweltinformationen regeln soll, damit die Bürger nicht auf verschiedene Gesetze angewiesen sind, um ihr Recht auf Zugang zu öffentlichen Informationen geltend zu machen.

(Beifall beim SSW)

Im Gegenzug wollen wir damit aber auch erreichen, dass sich die Einbeziehung privater Unternehmen nicht nur auf Umweltinformationen beschränkt, sondern für alle Ersuchen um Informationszugang gilt - ich habe es bereits gesagt, hebe es aber vorsichtshalber noch einmal hervor -, soweit diese Unternehmen öffentliche Zuständigkeiten oder öffentliche Aufgaben haben oder öffentliche Dienstleistungen erbringen.

Stichwortartig sei zum Schluss noch erwähnt, dass die Gesetzesnovelle noch ein paar weitere kleinere Änderungen enthält, die sich auf die Gebührenregelung - zukünftig soll eine Einsicht, die geringen Aufwand verursacht, kostenlos sein, also im Sinne von Verwaltungsvereinfachung - und auf die Zugänglichkeit von Informationen, die von Dritten für Behörden bereitgehalten werden, beziehen.

Ich fasse zusammen: Der konkrete Hintergrund unserer Gesetzesinitiative ist das enge Zeitfenster, das mit dem Umweltinformationsgesetz des Bundes und der Umsetzung der EU-Umweltrichtlinie gegeben ist. Wir sollten dies aber auch als Chance betrachten, denn das IFG in Schleswig-Holstein war ein Erfolg.

Das ist nicht nur in den Berichten des Landesdatenschutzbeauftragten nachzulesen, sondern das wissen wir auch aus ganz vielen Zusammenhängen. Im Übrigen sollten wir in Schleswig-Holstein stolz auf unsere Vorreiterrolle in der Bundesrepublik sein. Dazu möchte ich zitieren, was ein paar Mitglieder des Journalistennetzwerkes Recherche anlässlich des besagten Symposiums im Landtag zu dem fehlenden Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene gesagt haben. Dass auf Bundesebene ein Informationsfreiheitsgesetz fehlt, ist wirklich ein Trauerspiel; das will ich jetzt nicht weiter vertiefen. Die beiden Journalisten Manfred Redels und Thomas Leif sagten:

„Wer von den Menschen verlangt, dass sie mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheitsvorsorge und ihre Altersversicherung übernehmen sollen, der kann nicht einerseits vom Idealbild eines informierten, an privaten wie öffentlichen Belangen interessierten und engagierten Bürgers ausgehen, gleichzeitig

aber an obrigkeitsstaatlichen Traditionen wie dem ‚Amtsgeheimnis’ festhalten. Der aktivierende Staat kann schwerlich ein verschlossener Behördenapparat nach dem Muster des 19. Jahrhunderts sein. Wie sehr die deutsche Verwaltungskultur mittlerweile im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten ist, offenbart die Tatsache, dass die Bundesrepublik zusammen mit Luxemburg das letzte EU-Land ist, dass kein allgemeines Akteneinsichtsrecht hat.“

Mit der Verabschiedung der vorliegenden Novelle würden wir einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Schleswig-Holstein weiter als Oase einer liberalen und freisinnigen Gesinnung auch in der Verwaltungskultur auf Bundesebene aufgefasst werden kann.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Vorreiterrolle halten wir für wichtig. Wir sollten sie zum Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger weiter ausbauen.

Ich möchte noch einmal hinzufügen: Es war eine großartige Leistung des Schleswig-Holsteinischen Landtages, dass wir 2000 gemeinsam das Informationsfreiheitsgesetz hinbekommen haben, dass es beschlossen wurde. Darum sage ich: Wir haben den ersten Schritt gewagt. Jetzt lasst uns auch den zweiten tun.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Rother das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema mag hier in diesem Haus nicht für so furchtbar viel Spannung sorgen, aber der Hintergrund des Gesetzentwurfs des SSW

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Streng dich ein bisschen an! Vielleicht gelingt es dir!)

- ja, vielleicht gelingt es mir! - ist ein sehr realer. Denn bei oder nach der Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf Private ist es tatsächlich zu Problemen bei der Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes gekommen. Ein Bericht des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz hat hierzu entsprechende Anmerkungen enthalten. Und auch das Verwaltungsgericht in Schleswig musste sich laut einer

(Thomas Rother)

Pressemeldung in dieser Woche schon mit dieser Frage befassen.

Eigentlich sollte alles klar sein. § 3 Abs. 4 des Informationsfreiheitsgesetzes lautet:

„Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift“

- Behörde ist nach Landesverwaltungsgesetz jede organisatorisch selbstständige Stelle, die öffentlichrechtliche Verwaltungstätigkeit ausübt -

„steht eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient oder dieser Person die Erfüllung öffentlichrechtlicher Aufgaben übertragen wird.“

Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, scheint eigentlich alles klar zu sein. Aber eben nur fast, weil es noch eine Spur schwieriger wird, wenn es nicht nur um Sachverhalte auf öffentlichrechtlicher, sondern auch auf privatrechtlicher Basis geht. Dann sind nämlich sogar private und öffentliche Stellen gleichermaßen unabhängig von der Rechtsform betroffen. Daher ist die Initiative des SSW zu unterstützen, hier für klarere Regelungen zu sorgen.

Durch eine immer größere Regelungstiefe kann aber letztlich nicht jede Frage beantwortet werden. Die Begriffe im Vorschlag Nummer 2 des SSW - das ist der neue § 2 Nr. 5 - sind auch noch nicht endgültig geklärt. Die Abgrenzung von Aufgaben und Aufgabenträgern und wer zu welchen Sachverhalten informationspflichtig ist, sollte sinnvollerweise in einem Anhörungsverfahren im Innen- und Rechtsausschuss im Detail erörtert werden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die Verwaltungsspezialisten schon jetzt auf so eine Erörterung freuen, darauf, so etwas einmal in aller Tiefe und Breite diskutieren zu können.

Dennoch wäre es gut, wenn wir uns beim Behördenbegriff prinzipiell an das Landesverwaltungsgesetz hielten. Die Entwicklung neuer Begriffe schafft nicht immer mehr Klarheit, sondern manchmal auch mehr Unordnung - selbst wenn der Artikel 2 des Entwurfs der Umweltinformationsrichtlinie der EU in der Nummer 2 eine durchaus sympathische Definition des Behördenbegriffs enthält, die vom SSW sinngemäß abgeschrieben wurde, und wir das mit dem Umweltinformationsgesetz bei uns wahrscheinlich umsetzen müssen.

Doch maßgeblich für das Handeln der Verwaltung unseres Landes bei der Ausführung von Landesaufgaben ist der Behördenbegriff des Landesverwaltungsgesetzes. Hier darf es durch unterschiedliche