Protocol of the Session on September 24, 2004

Doch maßgeblich für das Handeln der Verwaltung unseres Landes bei der Ausführung von Landesaufgaben ist der Behördenbegriff des Landesverwaltungsgesetzes. Hier darf es durch unterschiedliche

Legaldefinitionen nicht zu Verwirrungen bei der Rechtsanwendung in der Praxis kommen.

(Holger Astrup [SPD]: So ist es!)

In der Konsequenz und zu Ende gedacht müsste das nämlich dazu führen, gleich mehrere Vorschriften neu zu formulieren. Das wäre dann weitaus sinnvoller.

Auch der Hinweis, unsere Behörden-Landesdefinition weiche von anderen Landesdefinitionen und vom Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes ab, bringt nicht wirklich weiter. In § 1 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes heißt es:

„Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.“

Das ist schön schlank formuliert. Aber eine offenere Formulierung müsste natürlich von unseren Verwaltungspraktikern bewertet werden. Denn unser Landesverwaltungsgesetz ist inhaltlich weitaus umfassender als das Verfahrensrecht des Bundes und auf unsere spezifischen Bedingungen mit ganz vielen verschiedenen Trägern öffentlicher Aufgaben abgestimmt - Kommunen, kommunale Aufgaben -, die nicht der Bund regelt, sondern die wir als Land regeln. Das ist auf diese spezifischen Bedingungen abgestimmt.

Genau zu schauen ist auch auf die Begriffsbestimmung von „verfügen und bereithalten“ in der Nummer 7 des neuen § 2 des SSW-Entwurfs. Unter „Bereithalten“ wird vom SSW unter anderem verstanden, dass die informationspflichtige Stelle, wenn sie einen Anspruch auf Übermittlung von Informationen hat, diesen Anspruch geltend macht und diese Information dann zur Verfügung stellt. Auch dazu würde ich gern die Meinung der Praktiker hören, auch wenn diese Formulierung aus der EU-Umweltinformationsrichtlinie entnommen wurde. Das gilt eben nur für diesen Bereich und nicht für alle anderen.

Vor diesem Hintergrund mag die konkretere Kostenregelung, die der SSW vorschlägt, eine besondere Bedeutung erlangen - Änderungsvorschlag Nummer 6 -, weil dann alles sehr viel aufwendiger wird. Es wird - so denke ich - deutlich, dass das Anliegen des SSW ein richtiges Ziel verfolgt. Wir müssen sicherlich noch das eine oder andere Haar aus der guten Suppe fischen.

(Zurufe)

- Ja, noch viel Zeit für Beratungen! Ich hoffe, dass wir das tatsächlich noch bis Januar unter Dach und Fach bringen. Unabhängig von diesem Problem hat Anke Spoorendonk natürlich Recht. Die Erfahrungen

(Thomas Rother)

mit dem Informationsfreiheitsgesetz sind ganz überwiegend positiv. Die Anträge der Bürgerinnen und Bürger waren - so das Ergebnis unserer Großen Anfrage zum Datenschutz - zu über 90 % erfolgreich. Misserfolge lagen im Wesentlichen darin begründet, dass die gewünschten Informationen bei der Behörde oder bei den auskunftspflichtigen Privaten gar nicht vorhanden waren. Gebühren wurden tatsächlich auch nur in den wenigsten Fällen erhoben. Daher unterstützen wir alle Vorschläge, dieses gute Gesetz noch zu verbessern. Es muss nur handhabbar bleiben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits am 14. Mai 1998 hat sich dieser Landtag in vormaliger Zusammensetzung erstmalig mit der Forderung des SSW befasst, ein Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen zu verabschieden. Da die Landesregierung der Aufforderung, unverzüglich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, damals nicht nachkam, hat der SSW 1999 einen eigenen Gesetzentwurf in die parlamentarische Beratung eingebracht, der mit einigen Modifikationen am 26. Januar 2000 in zweiter Lesung beraten und beschlossen wurde.

Die Verabschiedung geschah damals sozusagen in letzter Minute am Schluss der vergangenen Legislaturperiode. Schon damals wiesen wir, die damaligen und heutigen Noch-Oppositionsparteien CDU und FDP, darauf hin, dass das Gesetz mit heißer Nadel gestrickt war.

(Beifall bei der CDU)

Um den heutigen Anlass der Beratung aufzugreifen: Die so genannte Flucht ins Privatrecht war damals auch schon bekannt, Frau Kollegin Hinrichsen. Insofern hätten wir diese Fragen schon damals, vor vier Jahren, als die Problematik auch schon lange bekannt war, mit aufnehmen können und wahrscheinlich müssen.

Die Anregung des Kollegen Rother und die heutige Erkenntnis, dass eine Regelung im Landesverwaltungsgesetz sehr viel angemessener wäre, sind damals von der Union vorgetragen worden. Das wurde von der damaligen Mehrheit des Hauses leider so nicht getragen. Ich freue mich, wenn wir hier zu neu

en Erkenntnissen kommen. Die Quintessenz ist: In der vergangenen Legislaturperiode ist der Fehler gemacht worden, ein solches Gesetz in der Hektik der letzten Tage zu beraten und durchzupeitschen. So etwas darf sich nicht wiederholen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir hier zu einer neuen Regelung kommen wollen, dann müssen wir diese Frage sorgfältig und in aller Ruhe beraten. Mittlerweile gibt es schon sehr viele weitere Bundesländer, die dem damaligen Beispiel Brandenburgs und unserem Beispiel gefolgt sind. In Berlin und Nordrhein-Westfahlen sind entsprechende Gesetze verabschiedet worden. Es ist schon darauf hingewiesen worden: Der Deutsche Journalistenverband hat sich noch Anfang dieses Monats für die Verstärkung staatlicher Informationspflichten gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ausgesprochen und die Einigung zwischen Koalition und Bundesregierung auf Eckpunkte eines Informationsfreiheitsgesetzes für den Bund als Schritt in die richtige Richtung bezeichnet.

Festzustellen ist: Eine Stärkung der Informationszugangsrechte für die Bürgerinnen und Bürger ist wünschenswert. Das ist auch immer die Ansicht der CDU-Fraktion gewesen. Durch mehr Transparenz lässt sich die Nachvollziehbarkeit von Verwaltungsentscheidungen und damit deren Akzeptanz erhöhen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Gleichzeitig wird den Bürgerinnen und Bürgern die Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene wesentlich erleichtert.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Lieber Kollege Neugebauer, das Verfahren hier im Hause ist eigentlich, dass Sie sich gleich noch einmal zu Wort melden können. Auf Dauer ist das ein bisschen störend. Ich will am Freitagnachmittag versuchen, die Sache zu Ende zu bringen, weil wir alle nach Hause wollen.

Außerdem haben das Umweltinformationsgesetz und die Informationsfreiheitsgesetze der anderen Bundesländer gezeigt, dass die Zahl der Bürger- beziehungsweise der Verbraucheranfragen keineswegs zu dem befürchteten Zusammenbruch der betroffenen Behörden geführt hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen vom SSW, andersherum formuliert gilt aber auch: Wir sollten das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an Informationen über die Verwaltungstätigkeit nicht überschätzen. Das ist eine Erfahrung, die wir in unse

(Dr. Johann Wadephul)

ren Ausschusssitzungen machen. Hier ist vielleicht etwas mehr Realismus angebracht.

Wir konzidieren: Der befürchtete massenhafte oder auch nur teilweise Missbrauch von Auskunftsansprüchen ist nicht zu verzeichnen. Insofern hat sich das, was die betroffenen Verbände in den Anhörungen befürchtet haben, überhaupt nicht bewahrheitet. Gefragt ist mehr Mut zu Offenheit statt Ängstlichkeit der Wirtschaft und der Behörden vor den wissbegierigen Bürgerinnen und Bürgern. Insofern greift der SSW mit seinem Gesetzentwurf einen wichtigen Punkt auf, wenn er nun einer Flucht ins Privatrecht vorbeugen will. Zuletzt hat der Kollege Geißler im vergangenen Jahr bei der Debatte über den Bericht des Datenschutzbeauftragen auf diese Entwicklung hingewiesen. Insofern haben Sie die volle Unterstützung der CDU-Fraktion, wenn diese Problematik aufgegriffen werden soll.

Durch die Aufgabe der bisherigen Bezugnahme beim Behördenbegriff auf das Landesverwaltungsgesetz und die neue Formulierung der informationspflichtigen Stellen lehnt sich der Gesetzentwurf des SSW an Formulierungen im noch zu verabschiedenden Umweltinformationsgesetz auf Bundesebene an. Ich übernehme schlicht die Bedenken, die der Kollege Rother hier so kompetent formuliert hat, und wiederhole sie; nicht ausdrücklich, aber noch einmal: Wir müssen sehen, ob wir hier Regelungen schaffen, die mit unseren Regelungen im Landesverwaltungsgesetz kompatibel sind. Wir müssen an dieser Stelle nicht zu zusätzlichen Rechtsverwirrungen und Irrungen beitragen. Dies sind wichtige Fragen, die wir im Innen- und Rechtsausschuss beraten sollten. Ich erlaube mir, abschließend darauf hinzuweisen: Gut Ding hat Weile. Keinesfalls sollten wir noch einmal eine hektische Beratung haben, die im Januar - kurz vor der Landtagswahl - verabschiedet wird. Auch eine neue Landtagsmehrheit, die ja bekanntlich von CDU und FDP gebildet werden wird, wird sich dieses Anliegens annehmen.

(Beifall bei CDU und FDP - Lachen und Zu- ruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort. - Herr Abgeordneter Neugebauer, bitte mäßigen Sie sich!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade eigentlich, dass ich dauernd dazu aufgefordert

wurde, meinen Redebeitrag zeitlich so einzustampfen, dass Sie alle bald nach Hause gehen können. Es wird von mir dann keine Historie geben, es wird keinen Lob für den SSW geben und es wird auch kein Friedrich-Schiller-Zitat geben. Das soll Ihnen zeigen, auf was Sie alles verzichten müssen.

Worum geht es also bei der Novelle des IFG? Es muss zum einen darum gehen, die sich in der täglichen Praxis ergebenden Ungenauigkeiten des bestehenden Gesetzes zu bereinigen. Den Bürgerinnen und Bürgern soll zumindest die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, die mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf aus der 14. Wahlperiode bereits verfolgt wurde, praktisch aber nur unzureichend erreicht wurde. Dass nämlich nicht immer die begehrte Akteneinsicht Erfolg fand, zeigt der Tätigkeitsbericht 2004 des Landesbeauftragen für den Datenschutz.

Ein Gesetz muss hinreichend bestimmt sein. Es muss Klarheit darüber geben, wann eine Behörde Einsicht in die Akten zu geben hat. Es muss auch dann Klarheit geben, wenn unstrittig internes Regierungshandeln vorliegt, welches weiterhin geschützt bleiben muss. Ich nenne hier den Fall der Landesregierung und das Stichwort Kiel-Holtenau. Das bisher gültige Gesetz bietet hier anscheinend noch zu viele auslegungsfähige Regelungen, mit denen das ursprüngliche Ziel des Gesetzgebers vereitelt werden kann. Das Hauptmotiv des SSW für diesen Gesetzentwurf, der uns heute vorliegt, ist aber ein anderes, jedenfalls habe ich das so verstanden.

Der SSW will die Akteneinsichtsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern in den Fällen zulassen, in denen eine Behörde privatwirtschaftlich handelt oder öffentlich-rechtliche Aufgaben durch Private privatrechtlich erledigt werden. Dass es heute strittig ist, ob der Informationsanspruch des Bürgers auch das fiskalische Handeln einer Behörde umfasst, beispielsweise beim Kauf von Büromaterial, liegt an handwerklichen Fehlern des Gesetzes. Das liegt insbesondere an der verunglückten Wahl des Behördenbegriffs in § 3 Abs. 2 des geltenden IFG. Hier muss sicherlich nachgebessert werden.

Die Kolleginnen und Kollegen vom SSW haben das Problem aufgegriffen und den neuen Begriff der informationspflichtigen Stelle eingeführt. Was eine informationspflichtige Stelle ist, wird im neuen § 2 definiert. Hierunter sollen auch private Stellen fallen, wenn sie öffentliche Aufgaben erledigen. An dieser Stelle beginnt auch das Problem, liebe Kollegin Spoorendonk. Bisher gilt die Regelung in § 3 Abs. 4 des aktuellen IFG, die abschließend geregelt hat, wann juristische Personen des Privatrechts Einsicht in die Unterlagen zu gewähren haben. Nach dieser Rege

(Dr. Heiner Garg)

lung ist nur dann ein Auskunftsanspruch gegeben, wenn Private öffentliche Aufgaben durchführen und dies in der Handlungsform des öffentlichen Rechts tun.

Dies ist zum Beispiel dann nicht der Fall, wenn Kommunen öffentliche Aufgaben durch wirtschaftliche Unternehmen in der Form des Privatrechts erledigen lassen. In der Kommentierung zum IFG wird diese Beschränkung aber ausdrücklich als sachgerecht bewertet. Diese Privatunternehmen befinden sich nämlich im Wettbewerb mit anderen Anbietern. Für diese gilt aber das Informationsfreiheitsgesetz nicht. Ob hier wirklich der Auskunftsanspruch so weit gefasst werden muss, werden wir im Ausschuss, und zwar ohne Zeitdruck, zu erörtern haben - im Gegensatz zum Ausspruch von Friedrich Schiller, den Sie nicht gehört haben.

So ist beispielsweise eine Lösung denkbar, die den Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger bei juristischen Personen des Privatrechts unter folgende Voraussetzungen stellt: Erstens. Das Unternehmen muss sich mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden.

Zweitens. Es muss sich bei dem konkreten Vorgang um die Erledigung öffentlicher Aufgaben handeln. Dieser Vorschlag erfüllt dann auch die Voraussetzungen des § 3 des Landesdatenschutzgesetzes.

Zu einigen handwerklichen Punkten! Der Gesetzentwurf des SSW regelt unter anderem die Kostenfreiheit für Amtshandlungen, die im Rahmen der Auskunftserteilung an die Bürgerinnen und Bürger anfallen. Diese Regelungen stehen teilweise im Widerspruch zu den Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes. So will der SSW einfache mündliche Auskünfte an einen Bürger kostenfrei stellen. Eine Abgrenzung zwischen einfachen und komplexen mündlichen Auskünften wird aber schwierig sein und hängt im Einzelfall vielleicht auch von der persönlichen Aufnahmefähigkeit des Empfängers der Auskunft ab. Das Verwaltungskostengesetz hingegen stellt jede mündliche Auskunft kostenfrei. Wir sollten uns hier und auch in den übrigen Punkten am Verwaltungskostengesetz orientieren, statt durch gesetzgeberische Ungenauigkeiten erneut rechtliche Verwirrung zu stiften. Wir freuen uns - das sage ich im Namen des Kollegen Kubicki, von dem Sie die Rede eigentlich hätten hören sollen - auf spannende Ausschussberatungen. - Ich habe Ihnen mehr als fünf Minuten Zeit geschenkt; ich hoffe, Sie sind mit mir zufrieden.

(Beifall bei FDP und SPD - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das Schiller-Zitat nicht einmal in eine andere Rede einbauen?)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Fröhlich das Wort.

Das macht uns ganz neugierig. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde nicht in den Schnellsprechwettbewerb der FDP einsteigen. Ich hoffe, dass Sie noch interessiert, was ich zu sagen habe, auch wenn ich heute ausnahmsweise einmal das letzte Wort habe.

Seit knapp fünf Jahren gibt es in Schleswig-Holstein ein Informationsfreiheitsgesetz. Damit ist mit einem alten Grundsatz der deutschen Verwaltung gebrochen worden, wonach die Geheimhaltung der Akten die Regel war. Nunmehr ist sie zur begründungsbedürftigen Ausnahme geworden, was, wie ich finde, für einen modernen Staat das Allermindeste ist. Der begründungsfreie Zugang zu Informationen verbessert die Möglichkeiten der politischen Mitbestimmung, fördert die Akzeptanz der Verwaltung und schafft einen Beitrag zur Korruptionsbekämpfung und zum Kostenbewusstsein der Verwaltung.