Protocol of the Session on September 22, 2004

Ich bin jedenfalls der Meinung, die beiden Städte Lübeck und Kiel brauchen eine gute Anbindung. Die Zeiten, in denen die schleswig-holsteinische Wirtschaft nicht exportorientiert war, ist vorbei. Wir brauchen einen vernünftigen Verkehrsmix. Ich wäre sehr dafür, dass wir das heute, anstatt es zu einem Schaukampf zu machen, noch einige Wochen beiseite legen, bis die endgültigen Zahlen vorliegen, damit wir eine Entscheidung auf einer gesicherten Basis treffen.

Ich bin fest davon überzeugt: Die Mehrheitsfraktionen werden bei vernünftigen Zahlen und vernünftigen Prognosen nicht Nein zu den Entscheidungen der Landesregierung sagen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weise darauf hin, dass nach § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung den Fraktionen jetzt - sozusagen in einer neuen Runde - jeweils wieder die Hälfte der angemeldeten Redezeiten zur Verfügung steht. Zunächst rufe ich für die Fraktion der SPD Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch auf.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will ein paar klarstellende Sätze zum Verkehrsflughafen Lübeck-Blankensee sagen.

(Zuruf: Und zu Groß Grönau!)

- Groß Grönau ist davon betroffen. Die Menschen in Groß Grönau sind unterschiedlich und haben dementsprechend auch unterschiedliche Sichtweise.

Entscheidend für den Flughafen ist nicht die unterschiedliche Sichtweise der betroffenen Anlieger, sondern die Frage: Was bedeutet ein Flughafen LübeckBlankensee für die Region und für den Wirtschafts

(Wolfgang Baasch)

standort Lübeck? Das lässt sich gar nicht hoch genug einschätzen. Der Wirtschaftsstandort Lübeck braucht den Flughafen Lübeck-Blankensee, und zwar auch in einer zukunftsfähigen Form. Deswegen ist auch das Planfeststellungsverfahren mit dem Ausbau des Flughafens in Lübeck notwendig. Es muss zügig abgearbeitet werden.

(Beifall bei der SPD)

Dass das notwendig ist, machen die Zahlen deutlich. In der Diskussion vorhin wurde das ein bisschen so dargestellt, als gingen diese zurück. Nein, es boomt. Das ist von den Passagierzahlen her tatsächlich zu belegen.

Die Fluglinienverbindungen von Lübeck nach London, nach Mailand, nach Stockholm und nach Pisa haben im Jahr 2003 mit 500.000 Passagieren die Prognose von 360.000 Passagieren deutlich übertroffen. Das heißt, dort wird geflogen. Dieser Flughafen wird angenommen. Es ist ein Standort für eine attraktive Flugverbindung. Deswegen kommt jetzt noch eine Linienverbindung, die nach Glasgow, hinzu.

Ein zweiter Punkt, den man deutlich machen muss - der Kollege Müller hat es schon gesagt -: Dort gibt es nicht nur Flugzeuge. Nein, dort sind auch Menschen beschäftigt. Er ist mittlerweile ein großer und wichtiger Arbeitgeber in der Region. Dort sind Reisebüros angesiedelt, dort ist Sicherheitsgewerbe neu angesiedelt, dort sind flughafentechnische Betriebe angesiedelt, alles das, was in einer Region mit 15 % Arbeitslosigkeit ganz wichtig ist und gar nicht klein geredet werden kann!

Die Region ist für uns in Lübeck für die Zukunft wichtig. Nicht umsonst planen wir dort über den Regionalbeirat, auch mit Geldern aus dem Regionalprogramm unterstützt, einen Airport-Businesspark. Dort soll noch mehr Gewerbe hin. Auch das ist wichtig, wenn man sich die Arbeitslosenzahlen und den Wirtschaftsstandort anguckt. Also alles Punkte, die dafür sprechen.

Dann frage ich mich allen Ernstes: Warum machen wir bestimmte Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen? Warum führen wir die A 20 am Flughafen LübeckBlankensee vorbei? Warum bauen wir die B 207 neu? Warum überlegen wir, dass die Bahnlinie dort einen Haltepunkt bekommt? Alles das sind doch Verkehrsinfrastrukturen, um deutlich zu machen, dass das nicht ein Flughafen auf der grünen Wiese ist, sondern ein Flughafen, der stadtrandnah ist, der eine Region anbindet und mit dem wir die Verkehrsinfrastruktur in dieser Region stärken wollen.

(Beifall bei der SPD)

Fazit: Nicht nur wir in Lübeck haben etwas von diesem Flughafen, sondern auch die vielen Menschen, die diesen Flughafen brauchen, weil sie dort Arbeit finden, weil sie von dort abfliegen wollen, ob nun zu geschäftlichen Zwecken oder zu touristischen Zwecken. Es ist übrigens völlig egal, wozu man ihn nutzt: Die Menschen wollen ihn nutzen. Wir brauchen den Flughafen. Wir brauchen die Unterstützung von allen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende der CDU in Kiel und jetzt hier amtierende Präsident, Thomas Stritzl, hat um Klarstellung gebeten. Ich möchte diese Klarstellung gern geben. Ich kann mich voll dem anschließen, was die Ministerpräsidentin gesagt hat. Es ist eine Entscheidung für eine Zusage gefällt worden. Das Land ist bereit, den Ausbau des Flughafens Kiel mit 20 Millionen € zu unterstützen. Diese Entscheidung ist nach heftiger Auseinandersetzung in der Koalition gefällt worden. Ich war dagegen. Aber sie ist so gefällt worden. Wie das in Koalitionen so üblich ist - jedenfalls bei den Grünen: Pacta sunt servanda. Wir stehen dazu. - Erstens.

Zweitens. Wenn sich mit dem Gutachten herausstellt, dass sich die Zahlen ändern, sich die wirtschaftliche Lage ändert, muss auch die Möglichkeit bestehen, über solche Dinge nachzudenken. Der Finanzausschuss des Landtages in Schleswig-Holstein hat gemeinsam mit allen Fraktionen, übrigens auch den Schwarzen, einen gemeinsamen Beschluss gefasst. Dem haben alle Fraktionen zugestimmt. Ich lese das vor:

!Der Finanzausschuss nimmt zur Kenntnis, dass das Verkehrsministerium die vom Landesrechnungshof geäußerte Kritik aufgegriffen und den mit den ingenieurmäßigen Planungen und der Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens beauftragten Projektmanager veranlasst hat, die vom Landesrechnungshof im Einzelnen genannten offenen Punkte zu klären, insbesondere die bisherigen Bedarfsprognosen und Kostenentwürfe zu aktualisieren. Er erwartet von der Landesregierung, dass sie die Wirtschaftlichkeitsbe

(Karl-Martin Hentschel)

rechnungen mit dem Ziel überarbeitet, die finanziellen Risiken für den Gesellschafter der Kieler Flughafengesellschaft mbH transparent zu machen, und schließt sich der Forderung des Landrechungshofs an, dass die Landesregierung ihre Bemühungen zur Aufgabe der Landesbeteiligung an dieser Gesellschaft intensiviert.

Der Finanzausschuss bittet, ihm über die erzielten Ergebnisse und die Planungsfortschritte rechtzeitig vor einer Entscheidung über den Flugplatzausbau zu berichten.“

Diese Entscheidung ist vom Finanzausschuss mit der Zustimmung aller Fraktionen gefällt worden. Das macht klar, dass alle Fraktionen dahinterstehen und dass das, was ich heute ausgeführt habe, der gemeinsame Wille des Landtages ist. Das freut mich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt ihrem Vorsitzenden, dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Sehr verehrter, lieber Herr Präsident!

(Zurufe: Oh, oh!)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Reden einiger Diskussionsteilnehmer hört, wobei ich verstehe, dass sie sich für ihre Stadt oder ihre Region mannhaft oder frauhaft in die Bresche schlagen, muss man denken, der Untergang des Abendlandes oder die gesamte Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Schleswig-Holstein sei darauf zurückzuführen, dass unsere Flughäfen nicht ordentlich ausgebaut sind. Graf Kerssenbrock, mein Partner, sagt, die ganze Region werde irgendwie im Meer versinken. Kollege Baasch sagt, die Überlebensfähigkeit Lübecks hänge vom Lübecker Flughafen ab. Wir sollten das vielleicht ein bisschen relativieren und uns etwas vernünftiger über die Sache unterhalten.

Ich habe vor nicht ganz drei Jahren hier gestanden und habe erklärt, dass ich in meiner Fraktion eine schmähliche Abstimmungsniederlage erlitten habe, und zwar, weil ich mich auch öffentlich dafür eingesetzt habe, dass wir zur Frage des Flughafenausbaus Kiel-Holtenau ein Raumordnungsverfahren durchführen. Da haben mir Garg und andere gesagt, das sei eine Sauerei, das verzögere. Ich habe gesagt, irgendwie müssten wir gucken, wie sich das alles, was wir hier machen, in die Gesamtkonzeption des Landes

einbettet, in den Bedarf, in die wirtschaftliche Entwicklung, und zwar nachdem die Entscheidung gefallen war, Holtenau nicht auf 2.200 m auszubauen, was wirtschaftlich eigentlich vernünftig wäre, sondern eine kürzere Landebahn zu nehmen, damit Charterverkehr, der mit größeren Jets organisiert wird, auf keinen Fall stattfinden kann.

Wenn ich mir anhöre, wie die Passagierzahlen herauf- und heruntergerechnet werden, muss ich mich ernsthaft fragen - Gutachten hin oder her, blöd sind wir doch alle nicht -, wie Verkehrszahlen von 290.000 oder 300.000 ohne größere Fluggeräte, die auch Low-Cost-Carrier oder Charter-Carrier sind, erreicht werden sollen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich mir diese Frage stelle, muss ich doch sagen: Das muss ich untersuchen, und zwar realistisch. Wenn ich die Entscheidung treffe, ich baue nur relativ kurz aus, kann ich Ihnen schon jetzt Folgendes sagen. Ich rede gelegentlich mit Leuten, die in Vorstandsetagen von Unternehmen sitzen. Die sagen, diese kleinen Anbindungsverkehre rechnen sich für uns nicht mehr. Die Lufthansa lagert alles aus, will das gar nicht mehr machen. Was wir auch für den Umschlag unserer Maschinen im Linienverkehr brauchen, ist eine andere Form, sind größere Einheiten, als wir gegenwärtig haben. Die Überlegung, lauter Avro oder sonstige kleine Maschinen fliegen dann als CityVerbindungen durch die Gegend, gehört dem letzten Jahrhundert an. Die gibt es nicht mehr.

Wenn wir einmal ehrlich sind, Frau Ministerpräsidentin: Cimber Air würde Frankfurt sofort einstellen, wenn sie jemanden finden würden, der ihnen das abnimmt, weil sie sagen, von ihrem Maschinenumschlag her rechnet sich das für sie eigentlich auch nicht mehr. Gucken Sie sich die Verbindung nach Köln/Bonn an. Wer nutzt die denn eigentlich? Wie lange wird der Carrier dies bei einer Auslastung, die bei unter 50 % liegt, aushalten? - Meine Frau ist heute Morgen damit geflogen und kommt morgen damit zurück. Sie freut sich darüber, dass sie - wir wohnen in Strande - relativ zeitnah zum Flughafen kommen kann. Aber sie sagt auch: Früher haben wir anderthalb Stunden nach Hamburg gebraucht. Jetzt sind es 55 Minuten.

Fragen Sie doch einmal die Geschäftsleute, die in Flintbek wohnen, wohin sie fahren. Sie fahren nicht nach Kiel-Holtenau, sondern nach Hamburg, weil sie dort eine ganz andere Auswahl und ein ganz anderes Timing haben, als sie es jemals in Kiel hätten. Also, wir müssen uns fragen: Passt das ins gesamte System?

(Wolfgang Kubicki)

Wenn wir 50 Millionen € in die Hand nehmen, muss die Frage gestattet sein: Wie viele Kapazitäten brauchen wir in einem Land mit 2,9 Millionen Menschen und einer Luftlinie von 80 km von Westen nach Osten und 100 km von Norden nach Süden? Wo setzen wir dieses Geld sinnvollerweise ein? - Dann sage ich: nicht dauerhaft in Betriebsverluste, sondern in eine Infrastruktur, die sich irgendwann selber tragen kann. Ich habe keine abschließende Antwort.

Meine Zweifel sind in den letzten zwei oder drei Jahren gewachsen und ich wäre dankbar, wenn der Wirtschaftsminister ein Wort dazu sagen würde

(Martin Kayenburg [CDU]: Der ist nicht hier!)

- dieser Wirtschaftsminister ist noch da, jedenfalls physisch ist er noch anwesend -, dass er den Flughafen Kiel-Holtenau nicht wirtschaftlich betreiben kann, wenn er keinen Low-Cost-Carrier und Charterverkehr generiert. Mit der Linienverbindung von Kiel aus in andere Städte hinein wird es nicht funktionieren. Bekennen Sie sich also entweder zu einem ordentlichen Ausbau oder versuchen Sie mit uns, die 50 Millionen €, die Sie in der Hand haben, anders auszugeben, als Sie es gegenwärtig planen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Frau Ministerpräsidentin, zu München! Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen schon einmal nach München geflogen sind. Vom Franz-Josef-StraußFlughafen in die Münchner Innenstadt braucht man 45 Minuten mit der Schnellbahn; mit der S-Bahn braucht man über eine Stunde. Kilometermäßig liegt der Flughafen nicht weiter weg als Jagel. Das Gleiche gilt übrigens auch für Wiesbaden und Frankfurt. Auch von dort aus beträgt die Schnellbahnverbindung 45 Minuten vom Flughafen zur Landeshauptstadt Wiesbaden. Kilometermäßig ist er nicht ganz so weit entfernt wie Jagel, aber auch von dort aus müssen Sie wie von Kiel aus 35 Minuten mit dem Fahrzeug fahren.

Lassen Sie uns vernünftigerweise prüfen, was wir überhaupt brauchen. Dann lassen Sie uns das umsetzen, statt hier Scheingefechte zwecks Gesichtswahrung zu führen.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt erteile ich der Frau Abgeordneten Eisenberg das Wort.

Herr Präsident! Herr Kubicki, von Ihnen würde ich gern wissen, was Sie für den Flughafen Holtenau wollen. Wollen Sie Charter in Holtenau? - Dann müssten Sie es aber sagen. Das hörte sich eben ein bisschen merkwürdig an.

Frau Simonis, hinsichtlich dessen, was sie eben bezogen auf die Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel klargemacht haben, darf ich Sie daran erinnern, dass die Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel genau die gleichen Schwierigkeiten hat wie Sie mit den Grünen. Die gegenseitige Schuldzuweisung ist absolut unnötig und ich darf daran erinnern, dass die KFG fast zur Hälfte sowohl dem Land als auch der Stadt Kiel gehört. Sie sind also beide dafür verantwortlich und darauf möchte ich Sie gern hinweisen.