Protocol of the Session on August 26, 2004

Ich sage es Ihnen noch einmal: Unsere Vorschläge basieren im Wesentlichen auf geltendem EU-Recht und wären sofort umsetzbar.

Ihre Vorschläge dagegen taugen nicht einmal als Trostpflaster und bewirken auch in den nächsten Jahren überhaupt nichts. Anders formuliert: Das Haus brennt. Rot-Grün ruft statt der Feuerwehr den PizzaService und wünscht den Bewohnern einen guten Appetit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Genauso verfährt Rot-Grün in der jetzigen Situation mit den Milchbauern in Schleswig-Holstein. Der rotgrüne Beitrag zur äußerst schwierigen Lage der Betriebe geht völlig an der Sache vorbei, ist in keinem einzigen Punkt hilfreich und lässt unsere Landwirtschaft, insbesondere unsere Milchbauern, im Regen stehen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es wird mir ewig verschlossen bleiben, wie man auf den Gedanken kommen kann, der akuten Notsituation

der Milchbauern mit Maßnahmen begegnen zu wollen, die erst in fünf bis zehn Jahren greifen oder vielleicht nie umsetzbar sind.

Dies lässt nur einen Schluss zu: Rot-Grün wird der Landwirtschaft nicht helfen und setzt auf marktwirtschaftliche Auslese. Die Schwachen werden dabei auf der Strecke bleiben. Selten zuvor hat eine Landesregierung Agrarpolitik der Bestenauslese so verdeutlicht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Wodarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir machen es jetzt einmal so wie immer die Bildungsleute: Jetzt wird gnadenlos Agrarpolitik gemacht.

In der Mai-Tagung des Landtags versuchte Kollege Ehlers schon einmal, sich mit diesem Thema zu profilieren. Aber auch da war eine gewisse Orientierungslosigkeit nicht zu übersehen. Er war nämlich mit seinem Bauernverband nicht ganz auf einer Linie. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum er heute so auf der Debatte bestand. Denn bisher konnte wirklich keiner etwas Neues erfahren. Ich vermute, es wird auch niemand etwas Neues erfahren.

Der Milchpreis hat sich zwischenzeitlich etwas stabilisiert. Die Milchmengen sind leicht zurückgegangen. Das hat auch die Anhörung im Agrarausschuss gezeigt. Wir sollten über einen Antrag abstimmen, der in wesentlichen Teilen durch die Beschlüsse der Agrarminister erledigt ist.

Wir bedauern, keine Mehrheit für die Aufhebung der Quotenregelung um 1,5 % gefunden zu haben, und unterstützen auch weiterhin die Aussetzung dieser Regelung. Der Milchmarkt ist kein freier Markt. Das Saldierungssystem lässt aber etwas mehr Flexibilität zu. Das sieht die CDU offensichtlich nicht. Denn der CDU-Antrag will noch mehr Planwirtschaft.

Auch wenn sich die Lage derzeit etwas entspannt hat, wäre es albern, eine Momentaufnahme zu machen. Denn wir haben strukturelle Probleme in der gesamten Milchwirtschaft.

Ihr Antrag, Kollege Ehlers, ignoriert diese Tatsache und laboriert nur am Symptom herum. Die EU rechnet mit einer Steigerung der durchschnittlichen Milchleistung bis 2011 auf circa 6.700 kg pro Jahr.

(Friedrich-Carl Wodarz)

Zum Vergleich: Im Jahr 2003 betrug die Menge 5.900 kg pro Jahr. Darin liegt das Problem.

Die Strukturprobleme der Milchwirtschaft müssen strategisch angegangen werden, nicht mit Flickschusterei. Beispielsweise müssen die Chancen auf den Märkten der neuen Beitrittsländer der EU genutzt werden. Es muss zu hoher Wertschöpfung durch die Erzeugung von Prämienprodukten und strategischen Allianzen für Absatz und Bezug kommen. Leistungsfähige Betriebe sollten nicht gegängelt werden, wie Sie das letztendlich nämlich machen.

Der Bauernverband polemisiert gegen den Bundesverband deutscher Milchviehhalter. Das ist ganz interessant. Der Bundesverband, der Geschlossenheit gegenüber Meiereien und Discountern organisieren will, weil der Bauernverband das nämlich nicht hinkriegt, hat die Defizite des DBV in der CDU-Politik ganz deutlich gemacht. Wenn von den eigenen Leuten so der Finger in die Wunde gelegt wird, tut das natürlich weh; das kann ich verstehen.

Kontraproduktiv und unverständlich ist das Verhalten von Landwirten, wenn sich kleine Meiereien - ich denke an die Meierei Kaltenhof - gut in einer Nischenproduktion eingerichtet haben und ihnen durch Lieferungskündigung der Milchhahn abgedreht wird und sie aufgeben werden müssen. Dieses Verhalten ist nämlich kurzsichtig, fördert den Konzentrationsprozess und die Abhängigkeit und führt zum Verlust der Flexibilität gegenüber Marktveränderungen.

Kollege Ehlers, Sie haben gesagt, das sei Marktwirtschaft. Aber eben haben Sie wieder das Hohelied der Planwirtschaft gesungen. Es wundert mich immer, wenn das aus der Richtung kommt. Ich sage Ihnen ganz klar: Ja, eine Auslese ist in der Marktwirtschaft möglich. Dort ist nämlich auch Fehlverhalten möglich. Was zum Beispiel hier gemacht wird, ist ein strategisches Fehlverhalten. Denn ein maximaler Gewinn ist noch längst nicht ein optimaler Gewinn, und eine strategische Ausrichtung kann sich nicht an den Tagespreisen für Milch oder an irgendwelchen maximalen Gewinnmargen orientieren. Was die Leute gemacht haben, ist die Vergabe einer strategischen Ausrichtung auf die Zukunft. Der genannte Betrieb war nicht marode; er hatte eine Zukunft.

Ein anderes, gutes Beispiel bietet die Meierei Struvenhütten. Das ist eine kleine Meierei, die wirtschaftlich gesund ist, weil sie ganz geschickt Marktlücken ausfüllt. Sie hat stabile Auszahlungspreise. Die Anteilseigner - das ist ganz wichtig; das sind ja auch Landwirte - ziehen das Kapital aus dem Betrieb nicht auf Deubel komm heraus, sondern lassen es im Betrieb. Die Meierei kann investieren. Sie investiert in

überlebenswichtige Techniken. Das ist die richtige Strategie. Das ist auch richtiges marktwirtschaftliches Verhalten. Da wird nicht das ständige Subventionsgeschrei erhoben. Sie verwechseln hier nämlich die Begriffe Gewinn und Profit auf der einen und Subvention auf der anderen Seite. Das schmeißen Sie alles in einen Topf. Das ist nicht Erwirtschaftetes, sondern das sind Steuergelder, über die Sie weitgehend sprechen.

Ich kann es kurz machen. Die CDU will auf dem Milchmarkt mehr Planwirtschaft, die SPD will mehr Marktwirtschaft. Damit sind die beiden Positionen beschrieben. Wir lehnen den CDU-Antrag ab.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hildebrand.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Das ist schon eine besondere Situation. Eigentlich sind wir uns alle einig, dass den Milcherzeugern aus der gegenwärtigen Produktions- und Preismisere herausgeholfen werden muss. Leider scheiden sich wie so häufig die Geister, wie das durchgeführt werden soll.

Im Agrarausschuss haben wir durch sachverständige Auskunft erfahren müssen, dass der ursprüngliche CDU-Antrag nicht die idealen Maßnahmen vorschlägt. Ich glaube, es war eine sehr gründliche, detaillierte Auseinandersetzung des Gutachters, der gesagt hat, dass der Antrag möglicherweise sogar kontraproduktiv ist.

Aus Berlin gibt es die Vorgabe, die Milchprämie nicht bis 2013 betriebsindividuell zuzuweisen. Stattdessen ist 2010 für alle Betriebsinhaber gleichermaßen als Deadline für Betriebsprämien festgelegt worden.

Nun setzt bei den Regierungsfraktionen hierzulande das große Bedauern ein. Aber ich muss auch sagen: Zu einer konstruktiven Modifizierung des CDUAntrags war Rot-Grün in der Ausschusssitzung trotzdem nicht bereit. Schade!

Die FDP hat bereits im Jahr 2001 - das sagte ich schon vorhin beim letzten Tagesordnungspunkt - mit dem Konzept der Kulturlandschaftsprämie den Grundstein für eine stärker unternehmerisch und marktwirtschaftlich orientierte Landwirtschaft gelegt. Mit der Einigung im Vermittlungsausschuss ist er quasi zum Fundament geworden. Insbesondere die Verschiebung der Umverteilung der Prämien von 2007 auf das Jahr 2010 eröffnet Spielräume, damit

(Günther Hildebrand)

sich die Landwirte an die geänderten agrarpolitischen Vorgaben anpassen können. Rot-Grün will dies nicht immer wahrhaben. Aber unsere Landwirtinnen und Landwirte können das mitmachen, wenn wir ihnen die notwendige Planungssicherheit geben und ihnen die notwendigen Perspektiven schaffen können.

Das rot-grüne Gezerre der letzten Wochen und Monate hat dazu allerdings wenig beigetragen. Natürlich wollen wir auf dem Milchmarkt mehr Marktwirtschaft. Trotzdem kommen wir um die Tatsache nicht herum, dass wir aktuell einen dermaßen reglementierten Markt auf diesem Gebiet haben, dass es noch der einen oder anderen Hilfestellung bedarf, um überhaupt erst einmal zu diesem Markt zu kommen.

Die bestehende Situation nur pauschal zu verlängern war für die FDP nie ein Weg. Uns wäre es am liebsten gewesen, erst 2010 mit dem Abschmelzen und Entkoppeln der Betriebsprämien zu beginnen und anschließend eine schrittweise gleichmäßige Anpassung bis 2013 vorzunehmen. Rot-Grün hat das hier im Landtag abgelehnt. Nur gut, dass wir jedenfalls in Berlin im Vermittlungsausschuss erfolgreicher waren!

Nun gilt es, auf Landesebene für unsere Milchviehhalter zu retten, was zu retten ist, und die Modulationsmittel in Schleswig-Holstein vorrangig für die Unterstützung der benachteiligten Grünlandbetriebe einzusetzen.

Diese Forderung der FDP ist nicht neu. Aber sie ist aktueller denn je. Denn 2004 ist angesichts veränderter, teilweise nicht vorhersehbarer Entwicklungen ein besonderes Jahr in der Geschichte der Milchwirtschaft. Seit zehn Jahren wurden zum 1. Juli dieses Jahres die Interventionspreise für Butter und Magermilchpulver erstmals gesenkt. Gleichzeitig ist die Europäische Union um zehn vornehmlich mittel- und osteuropäische Staaten erweitert worden, die zum Teil direkt an Deutschland angrenzen und ein beträchtliches Preis- und Kostengefälle aufweisen. Hier nur positive Aspekte zu sehen ist meines Erachtens zu kurz gesprungen. Natürlich können wir durch bestimmte Produkte auf dem osteuropäischen Markt Fuß fassen. Aber wir müssen damit rechnen, dass aus diesem Bereich aufgrund der niedrigeren Kosten erhebliche Warenmengen nach Deutschland kommen und deshalb Marktanteile von uns weggenommen werden.

Hinzu kommt das schwierige gesamtwirtschaftliche Umfeld, in dem sich auch die Milchwirtschaft bewegen muss: Hohe Arbeitslosigkeit, stagnierende und teilweise sogar sinkende Einkommen sowie hohe Energiepreise führen zu sinkenden Umsätzen beispielsweise im Einzelhandel. Für 2004 zeichnet sich

ein weiterer Rückgang der Milchpreise im Vergleich zum Vorjahr ab. Wenn du vorhin gesagt hast, dass es hier zu einer Stabilisierung komme, muss man sich natürlich die Frage stellen, auf welchem Niveau sich die Milchpreise stabilisieren. Wir alle wissen, dass die jetzigen Milchpreise für unsere Bauern einfach nicht auskömmlich sind.

(Beifall bei FDP und CDU)

Unsere Aufgabe bleibt es deshalb, so viel Unterstützung wie nötig und möglich zu leisten, dass unsere Milchviehhalter die Anpassung an den neuen Milchmarkt schaffen. Wir können die Milcherzeuger in Schleswig-Holstein nicht im Regen stehen lassen.

Ich habe eingangs gesagt, dass der Inhalt des CDUAntrages vom Gutachter zumindest teilweise infrage gestellt wurde. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Matthiessen das Wort.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wesentliche Forderung der CDU ist folgende: Die Saldierung der Milchquotenunterlieferungen soll mit Überlieferungen zur Angebotsreduzierung EU-weit abgeschafft werden.

Dies ist eine Individualüberlegung des Kollegen Claus Ehlers, des agrarpolitischen Kopfs der CDUFraktion, die ihm bei seinen Plänen nicht in den Arm gefallen ist und nicht korrigiert hat. Dieser Vorschlag deckt sich weder mit den Vorschlägen des Bauernverbandes, sei es auf Landes- oder Bundesebene, noch deckt er sich mit irgendeinem Vorschlag der Fachwelt.

(Widerspruch des Abgeordneten Claus Eh- lers [CDU])

Der Antragsteller meint es auf Nachfrage auch nicht genauso wie aufgeschrieben, sondern wollte nur einen Anstoß geben. Aber wir befassen uns mit dieser CDU-Initiative im Landtag auf Wunsch der CDU mit Aussprache und Sie wollen sich die Peinlichkeit offenbar selber nicht ersparen.

Die Aufhebung der Saldierung würde in dem komplexen Geschehen im Milchmarkt nicht die Wirkung auf den Erzeugerpreis entfalten, die angestrebt ist.

(Detlef Matthiessen)