Als Nebenwirkung soll die Armee auch kleiner und billiger werden. Wie soll eine kleinere Armee stärker integrierend wirken, wie soll eine bessere Ausbildung und Ausrüstung für professionellere Soldaten billiger werden, wie soll eine kleinere Armee die regionale Wirtschaftstruktur weiter stärken?
Ich behaupte, dass der politische Ansatz falsch ist, die Bundeswehr aus der Perspektive der eierlegenden Wollmilchsau reformieren zu wollen.
In Artikel 87 a des Grundgesetzes heißt es: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.“ Im erweiterten Einsatzspektrum fallen unter den Verteidigungsbegriff des Grundgesetzes die Landes- und die Bündnisverteidigung, die UNO-Einsätze und die Katastrophenhilfe. Dieser Verfassungsauftrag muss Ausgangspunkt und Wegweiser der Reform sein - nicht gesellschafts- oder strukturpolitische Ziele.
Das gilt auch für die Wehrpflicht. Die Wehrpflicht ist kein Selbstzweck. Sie existiert auch nicht, um die Personaldecke der sozialen Dienste zu sichern
oder einen Teil der jungen männlichen Deutschen politisch zu bilden oder den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Die allgemeine Wehrpflicht wurde geschaffen, um es einer Präsenzarmee in Zeiten des Kalten Krieges zu ermöglichen, innerhalb kürzester Zeit in hinreichender Stärke zur Landesverteidigung an der innerdeutschen Grenze aufmarschieren zu können.
Die politische Lage hat sich grundlegend geändert. Das erfordert eine neue Beurteilung und ein neuer Entschluss sollte logisch aus dieser Beurteilung folgen: Die Ostgrenze der NATO ist nicht mehr der ElbeLübeck-Kanal im festen Blick der ersten strategischen Angriffsstaffel des Warschauer Paktes. Sie liegt jetzt an der polnischen Ostgrenze. Mit Russland arbeitet die NATO in der Partnerschaft für den Frieden zusammen.
Brauchen wir also noch die Präsenzarmee? Alle Kommissionsberichte und Absichtserklärungen der Bundesregierung verneinen diese Frage und nennen eine sehr viel kleinere Zahl von Grundwehrdienstleistenden, als bisher eingesetzt wurden.
Es würden nur noch 20 bis 25 % der Männer eines Geburtsjahrganges zum Grundwehrdienst eingezogen. Das ist zu wenig, um die Wehrpflicht verfassungsrechtlich zu begründen.
Die Wehrpflicht - das ist uns allen klar - ist ein verfassungsrechtlicher Eingriff in die Grundrechte. Es ist das Wesensprinzip des Rechtsstaates, dass Eingriffe in die Rechte der Bürger hinreichend begründet werden und für den Bürger speziell vorhersehbar sein müssen.
Genau dieses Schicksal könnte dem Grundwehrdienst blühen, wenn die jetzigen Planungen umgesetzt würden. Wenn nur noch ein Viertel oder ein Fünftel eines Geburtsjahrganges eingezogen werden, kann von einer allgemeinen Wehrpflicht keine Rede mehr sein.
Die Auswahl des einzelnen Grundwehrdienstleistenden würde ein nahezu willkürlicher Akt sein. Eine Verfassungsklage gegen diese Praxis hätte möglicherweise Erfolg. Deshalb lehnt die F.D.P. den Antrag ab.
Dazu nun ein persönlicher kleiner Spagat, den ich machen muss. Sie wissen, die Aussetzung der Wehrpflicht wurde in der F.D.P. mehrheitlich beschlossen. Ich gehöre zur qualifizierten Minderheit
und kann mir eine so genannte gesetzlich begründete Auswahlwehrpflicht nach schwedischem Muster vorstellen. - Ich komme gleich zum Schluss. - Dennoch kann ich ohne Verrenkung die Mehrheitsmeinung der Liberalen vertreten.
Zu Punkt 2 des Antrages! Ich fordere den Antragsteller auf, uns die Bundeswehrstandorte in SchleswigHolstein, die geschlossen werden sollen, zu nennen, damit die Bundeswehr kleiner, feiner und billiger werden kann und gleichzeitig die regionale Wirtschaftskraft gestärkt werden kann.
(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der SPD sowie Beifall der Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU] und Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zu- rufe)
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Vorbemerkung an meinen Kollegen Benker zu richten. Im Zusammenhang mit einer Bundeswehrdebatte ist es gefährlich, das Wort „Nebenkriegsschauplatz“ zu gebrauchen. Das könnte missverstanden werden.
Jetzt zum Ernst! Der Antrag der CDU ist eigentlich überflüssig, denn der Landtag hat bereits im Juli einen Berichtsantrag von SPD und Grünen verabschiedet, der die Landesregierung auffordert, über die Auswirkung der Strukturreform der Bundeswehr auf unser Land zu berichten.
Das Bundeskabinett hat sich für das Modell von Verteidigungsminister Scharping zur Bundeswehrreform entschieden. Die Umsetzung seiner Vorschläge wurde auf Drängen der Grünen-Bundestagsfraktion an die Einhaltung der mittelfristigen Finanzplanung gebunden. Das heißt konkret, die Verteidigungsausgaben dürfen nicht nur nicht ansteigen, sondern der Verteidigungshaushalt muss auch zur Konsolidierung des Gesamthaushalts bis 2003 beitragen.
Ich halte das angesichts der weltpolitischen Situation auch für richtig. Damit sind die finanziellen Spielräume der Bundeswehr eng gesteckt. Es gibt viele Fachleute, die meinen, dass die von Scharping geplanten Reformen bezüglich Verkleinerung und Modernisierung der Bundeswehr deshalb nicht zu finanzieren seien.
Dass nun die Anzahl der Bundeswehrstandorte in Deutschland verringert wird, ist nur folgerichtig und dabei wird auch Schleswig-Holstein betroffen sein
Bei besonders strukturschwachen Standorten hat die Bundeswehr eine wichtige wirtschaftspolitische Bedeutung, die kaum auszugleichen ist. Das ist auch ein Punkt, über den wir uns klar sein müssen und der natürlich in der Debatte eine Rolle spielen muss.
In dieser Diskussion fordern die Grünen unter anderem den Erhalt der Wehrbereichsverwaltung in Kiel. Aus strukturpolitischer Sicht halten wir eine Verlagerung nach Hannover für nicht sinnvoll. Es muss ja nicht alles nach „Schröder-Land“ gehen, nachdem 16 Jahre lang Bayern, Baden-Württemberg und die Pfalz bedient wurden.
(Vereinzelter Beifall bei der F.D.P. sowie Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Günter Neugebauer [SPD])
Für den Standort Kiel spricht auch die enge Verzahnung mit Mecklenburg-Vorpommern, die sich in den letzten zehn Jahren ergeben hat. Das ist der Grund, weshalb ich auch an der Unterschriftenaktion mit meiner Unterschrift teilgenommen habe.
Die von der Bundesregierung beschlossene personelle Verkleinerung der Bundeswehr und die Kürzung des Verteidigungshaushaltes werden von der grünen Landtagsfraktion ausdrücklich begrüßt. Durch die Privatisierung von Aufgaben und den Personalabbau bei Soldaten und Zivilbeschäftigten möchte der Verteidigungsminister Mittel für investive Maßnahmen erwirtschaften. Es ist logisch, dass die Bundeswehr in der heutigen weltpolitischen Lage eine völlig andere Aufgabe hat als noch vor zehn, fünfzehn Jahren.