Protocol of the Session on September 29, 2000

Der SSW ist der Auffassung, dass der Antrag mit seiner Bitte an die Landesregierung - hier hat die Kollegin Gröpel in ihrer Rede gesagt, nunmehr auch als Forderung an die Landesregierung -, sich bei der Reform des sozialen Wohnungsbaus für die Ziele einzusetzen und Schwerpunkte für das Wohnungsbauprogramm zu berücksichtigen, einfach der einzig richtige Weg ist.

Wir begrüßen vor allem - besonders mit Blick auf die momentane Haushaltslage -, dass die soziale Wohnraumförderung dauerhaft gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern bleiben soll und dass sich der Bund weiterhin an der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus zu beteiligen hat.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Weiter halten wir es für sinnvoll, dass die Bestands

(Silke Hinrichsen)

förderung aufgewertet wird und gleichberechtigt neben die Neubauförderung tritt.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei der SPD)

Dies halte ich für unabdingbar. Einer Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinischen Mieterbundes ist zu entnehmen, dass es in den Jahren 2000 bis 2008 - die Kollegen sind darauf zum Teil auch schon eingegangen - zu einer Halbierung des derzeitigen Bestandes von 80.000 auf 40.000 Wohneinheiten mit Belegrecht kommen wird. Die Erhaltung des Belegrechts für mindestens 80.000 Wohneinheiten halte ich für unbedingt erforderlich. Dass wir im Augenblick in vielen Bereichen eine entspannte Lage haben, ist sehr schön, aber wir wissen, dass es auch immer wieder zu Engpässen kommt. Leider können wir die nicht so gut vorhersehen. Deshalb ist es nötig, dass weiterhin mindestens 80.000 Wohneinheiten ein Belegungsrecht haben. Hier finde ich es jedoch wichtig, dass jeweils vor Ort entschieden werden muss, welche Variante auch günstiger ist.

Angesichts der gestrigen Debatte zur Ökosteuer wurde auch einmal wieder deutlich, dass Energieeinsparmaßnahmen dringend notwendig sind. Deshalb müssen solche Vorgaben nicht nur bei Neubauten, sondern auch bei den Sanierungsmaßnahmen berücksichtigt werden.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Weiter war der Pressemitteilung des Mieterbundes zu entnehmen, dass dort die Auffassung vertreten wird, dass ein Bestand von 120.000 Einheiten im sozialen Wohnungsbau angemessen wäre. Ich muss eingestehen, dass mich diese hohe Zahl erschreckt hat. Es geht jedoch aus dem gemeinsamen Antrag hervor, dass die Förderung des Neubaus von Sozialwohnungen für besondere Bedarfsfälle auch weiterhin unverzichtbar ist. Mit diesem Punkt des Antrages muss nach meiner Auffassung der möglicherweise anstehenden Knappheit auf dem Wohnungsmarkt entgegengewirkt werden.

Die Überarbeitung der Reform zur Fehlbelegungsabgabe ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, damit in Wohngebieten nicht einseitige Strukturen entstehen, sondern damit es zu Mischstrukturen kommt. Damit meine ich, dass in den Städten Wohnstrukturen geschaffen werden müssen, die die Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung widerspiegeln.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb halte ich auch die vorgesehene Dezentralisierung der Entscheidungsmöglichkeiten über den Einsatz von Fördermitteln in Abstimmung mit Bund und Ländern für sinnvoll.

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Vor Ort kann auch besser über den Wohnungsbedarf entschieden werden. Die kommunale Aufwertung durch größere finanzielle Entscheidungsmöglichkeiten trägt maßgeblich dazu bei, dass das Wirken von Politik und Verwaltung näher bei den Betroffenen stattfindet.

Zum Antrag der CDU möchte ich eigentlich noch Folgendes sagen. So wichtig diese Aufgabe ist: Wir haben den Antrag erst heute um 15:15 Uhr erhalten. Ich bedauere sehr, dass heute eine alternative Abstimmung stattfinden soll. Es befinden sich auch in dem schriftlichen Antrag einige gute Punkte.

(Zuruf der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Es fehlt aber - um Ihnen auch das zu sagen - eindeutig das Projekt „Soziale Stadt“ und es wäre möglich gewesen, einige andere Sachen zusammen zu erarbeiten,

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW] und Renate Gröpel [SPD])

um so zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen. Leider wird dies heute nicht der Fall sein. Wir werden uns aus diesem Grund dem Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anschließen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Herr Minister Buß.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin dankbar dafür, dass ich durch den Antrag der SPD und der Grünen die Möglichkeit habe, Ihnen als neuer Wohnungsbauminister einige Gedanken unterbreiten zu können. - Herr Storjohann, den Antrag kann ich nun wirklich nicht als Dokument des Misstrauens zwischen Fraktion und Regierung ausmachen, obwohl ich nach Ihrem Hinweis noch einmal nachgeforscht habe.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann dürften wir gar keine An- träge mehr verabschieden!)

(Minister Klaus Buß)

Mit der Reform des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - dazu möchte ich Ihnen ein paar Punkte sagen - kommen eine ganze Reihe von Änderungen auf uns zu. Im Mittelpunkt der Förderung stehen künftig jene Haushalte, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und deshalb auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Es geht also nicht mehr darum, breite Schichten der Bevölkerung - wie es bisher hieß - zu bedienen. Die bisherigen Einkommensgrenzen werden auf den Prüfstand gestellt und mit den Einkommensgrenzen des Wohngeldrechts harmonisiert. Ich meine, das ist überfällig. Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, von bundeseinheitlichen Grenzen abzuweichen.

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Der Begriff „sozialer Wohnungsbau“ wird ersetzt durch „soziale Wohnraumförderung“. Damit können auch die Begründungen von Belegungsbindungen an vorhandenem Wohnraum und der Erwerb vorhandenen Wohnraums zur Selbstnutzung gefördert werden. Auch das ist ein äußerst wichtiger Punkt.

Für Neubauten wird es das Kostenmietrecht nicht mehr geben. Die Förderung - Frau Gröpel hat darauf hingewiesen - erfolgt auf der Grundlage von Vereinbarungen, eine Praxis, die wir in Schleswig-Holstein seit 1996 haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Länder werden verpflichtet, Maßnahmen zu entwickeln, Fehlförderungen abzuschöpfen, und die Bindungen der sozialen Mietwohnungen einschließlich der Mietpreisvorteile sollen erhalten bleiben. Zugleich ist vorgesehen, im Bestand das Kostenmietrecht abzulösen.

Ich halte es für richtig, in diesem Zusammenhang auch die Grundsatzfragen nach der Notwendigkeit der Fehlbelegungsabgabe zu stellen, wie das im Antrag der Koalitionsfraktionen angesprochen ist.

(Unruhe)

Die Forderung, auf die Fehlbelegungsabgabe zu verzichten - das haben wir in der letzten Zeit in der Presse des Öfteren gehört -, wirft allerdings recht komplizierte Fragen auf. Die Konsequenzen hinsichtlich der Bestandsmieten von Sozialwohnungen müssten beachtet werden. Der Verzicht auf die Fehlbelegungsabgabe erfordert eine Annäherung der Sozialmieten an die Vergleichsmieten. Die Erwartungen hinsichtlich einer besseren sozialen Durchmischung problematischer Wohnungsbestände sind möglicherweise überzogen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Es ist etwas zu laut, meine Damen und Herren!

Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Andere Instrumente, wie zum Beispiel die mittelbare Belegung, wirken auf die soziale Mischung direkter ein.

Auf Bundesebene könnte allerdings im Rahmen der Reform des Wohnungsbaurechts gegebenenfalls ein Maßnahmenbündel geschnürt werden. Bei Verzicht auf die Fehlbelegungsabgabe könnten die Wohnungsunternehmen im Rahmen von Kooperationsverträgen entsprechende Gegenleistungen anbieten - ein Punkt, auf den ich die Wohnungswirtschaft in SchleswigHolstein schon des Öfteren hingewiesen habe. Das könnte zum Beispiel die Zur-Verfügung-Stellung von Belegrechten in ungebundenen Wohnungsbeständen sein.

Blicken wir auf die Situation in unserem Land! Durch die hohe Bautätigkeit - das ist mehrfach erwähnt worden - und die hohen Förderzahlen der vergangenen Jahre hat sich die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt deutlich entspannt. Darüber sollten wir alle gemeinsam sehr froh sein.

(Beifall bei der SPD)

Wir dürfen uns aber sicherlich nicht entspannt zurücklegen und die Entwicklung allein dem Markt überlassen - wenn es auch nicht der „Schweinezyklus“ ist, Herr Hildebrand! Da habe ich ein bisschen Erfahrung; das ist etwas anderes.

Es gibt weiter eine Reihe sozialer, ökologischer, aber auch wirtschaftspolitischer Gründe, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus fortzusetzen. Die jüngste Bevölkerungsprognose spricht von einem künftigen Neubaubedarf von jährlich rund 8.500 Wohnungen bis zum Jahr 2005. Das sind die Zahlen, die Frau Franzen aus Ihrem Haus geliefert hat. Die Erfahrung zeigt, dass davon rund ein Viertel sozial gefördert werden sollte, damit eine nachfrageorientierte Wohnungsversorgung gewährleistet werden kann. Denn Wohnungen zu bezahlbaren Preisen sind ein Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Stadt-Umland-Wanderung, die in der Debatte auch angesprochen worden ist, wird auch nach meiner Überzeugung weiter zunehmen. Es kann zu unerwünschten sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen kommen. Deshalb brauchen vor allem die

(Minister Klaus Buß)

Städte und zentralen Orte unsere Unterstützung bei der Planung neuer Wohngebiete und der Modernisierung ihrer Wohnungsbestände.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Besonders junge Familien, die den Wunsch nach einem Einfamilienhaus haben, müssen besser gefördert werden. Ein weiterer Schwerpunkt muss die Förderung von Eigentum im Wohnungsbestand sein, um gefährdete Nachbarschaften zu stabilisieren. Außerdem müssen Modernisierungsmaßnahmen besonders unterstützt werden. In dem Zusammenhang nenne ich auch den angesprochenen Siedlungsbau. Herr Behm, Frau Gröpel, wir waren ja beim Siedlerbund; da habe ich sehr deutlich meine Auffassung zu diesem Bereich gesagt.

Bis 2008 werden weitere soziale Mietwohnungen aus der Bindung herausfallen. Die Lücke kann durch Neubauaktivitäten allein nicht aufgefangen werden. Deshalb bin ich dafür, dass wir Möglichkeiten eines Ankaufs von Belegungsrechten im Bestand prüfen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)