Protocol of the Session on September 29, 2000

(Thomas Stritzl [CDU]: Es soll erst berichtet werden!)

- Wenn Sie sich darauf verständigt haben, ist das wunderbar. - Herr Minister Dr. Rohwer, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht zunächst drei Vorbemerkungen.

Erstens. Standortfragen sind unternehmerische Entscheidungen, die in unserem Wirtschaftssystem von den Unternehmen und nicht vom Staat getroffen werden. Auf die Entscheidung der HDW hat das Land seit seinem Ausstieg im Jahre 1990 bekanntlich keinen direkten Einfluss mehr.

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Zweitens. Es liegt auf der Hand, dass sich die Landesregierung gleichwohl nachhaltig dafür einsetzt, dass der Werftenstandort Kiel in der deutschen Werftenlandschaft auch künftig d i e zentrale Rolle einnimmt und in der europäischen Werftenlandschaft ebenso.

Drittens. Dies gilt auch und gerade für den Neubau von Handelsschiffen.

Die Landesregierung kann und will - ich bitte um Verständnis - heute keine Aussagen zu unternehmensinternen Planungen machen, auch nicht zu Personalentscheidungen. Ich halte es auch generell nicht für sinnvoll, dass man sich an solchen Spekulationen über künftige Entwicklungen beteiligt. Wir haben allerdings heute eine Sondersitutation und es ist nahe liegend, dass die gestrigen Entscheidungen zu HDW zahlreiche Spekulationen auslösen, die ja auch zu Ihrem Antrag geführt haben.

Der Schiffbau bildet den Kern der deutschen maritimen Industrie. Dieser Bereich ist ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftsstruktur, für die Beschäftigung und für die technologische Innovation in den Küstenländern und nach wie vor ein bedeutender Wirtschaftszweig mit über 100.000 Arbeitsplätzen bundesweit. Die Landesregierung hat ein großes Interesse an der Erhaltung dieses Wirtschaftszweiges. Kein anderer Bereich - um das auch an dieser Stelle deutlich zu sagen - ist von den Landesregierungen in den letzten Jahren in einem vergleichbaren finanziellen Umfang gefördert worden. Dies gilt übrigens auch für HDW. Die Landesregierung ist sich der besonderen Bedeutung dieses Unternehmens für Wirtschaftskraft, Innovation und Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein und im Raum Kiel bewusst. Kein anderes Unternehmen hat eine vergleichbare Förderung in Schleswig-Holstein erhalten. Herr Lederer hat sich, wie Sie sicherlich gehört haben, gestern auf der Pressekonferenz auch positiv über die Förderung des Landes geäußert. Die Wettbewerbshilfe ist auch ein Beitrag für HDW. Die Probleme, die HDW in den letzten Monaten hatte, waren keine Probleme der mangelnden Förderung durch Wettbewerbshilfe, sondern bekanntlich andere Probleme.

Auch, aber nicht nur deswegen gibt es natürlich ständige Kontakte zwischen Landesregierung und HDW auf allen Ebenen. Wir sind deswegen auch zuvor über die Entscheidungen informiert werden und haben in den Gesprächen, und zwar hier in Kiel mit dem Aufsichtsrat und natürlich auch bei der WestLB, deutlich gemacht, dass wir angesichts der erheblichen Förderung in den letzten Jahren erwarten, dass der Standort Kiel vollständig gesichert und der Handelsschiffbau bei HDW als starke Säule erhalten bleibt. Dies ist uns

in den Gesprächen zugesagt worden. Herr Lederer hat dies in seiner Pressekonferenz gestern bestätigt.

Ich werte es in diesem Zusammenhang übrigens als gutes Zeichen, dass Herr Lederer, der Vorstandsvorsitzende von Babcock-Borsig, auch für einige Jahre den Vorsitz im Vorstand von HDW übernimmt. Dies ist ein deutliches Zeichen, dass der Schiffbau bei Babcock zum Kernbereich des Konzerns gehört, dort zur strategischen Zukunftsaufgabe zählt und dass HDW in diesem Zusammenhang die zentrale Rolle spielen wird. Nach allem, was wir besprochen haben und was er gesagt hat, gehe ich davon aus, dass der Handelsschiffbau wirklich eine Säule im Gesamtkonzept von HDW bleibt.

Übrigens: Ich habe den positiven Eindruck aus den Gesprächen und auch aus den Presseveröffentlichungen, dass sich Herr Lederer verstärkt auch sozusagen für die Stärkung des Schiffbaukonzerns Deutschland einsetzen wird, das heißt die Chancen nutzen wird, um vielleicht doch noch Thyssen, HDW und andere zusammenzubringen, weil das nach meiner Ansicht langfristig jedenfalls - die einzige Chance ist und was, Herr Stritzl, auch nicht zulasten von Kiel gehen muss, weil HDW ein starker Partner dabei ist und bleiben wird.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Auch Thyssen!)

- Auch Thyssen, aber bekanntlich hat auch HDW ein besonders starkes Standbein. - Ich möchte dazu den Vorstandsvorsitzenden der Babcock-Borsig AG und jetzigen Vorstandsvorsitzenden der HDW zitieren:

„Daher bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die schnelle und nachhaltige Sanierung des Handelsschiffbaus eine Aufgabe ist, der ich mich als Konzernchef persönlich stellen will. Nur einer Mannschaft erfahrener Sanierer kann es gelingen, das entstandene Leck zu dichten. Ich freue mich, für diese schwierige Aufgabe die Unterstützung der IG-Metall und des Betriebsrates zu haben, und bin sicher, dass die Belegschaft der Werft sich des Ernstes der Lage bewusst ist. Die Werft verfügt über eine Vielzahl hervorragender Fachleute. Gemeinsam wird es uns gelingen, den Handelsschiffbau wieder flott zu bekommen und damit die Zukunft der Howaldtswerke als Universalwerft langfristig zu sichern.“

(Glocke des Präsidenten)

Ich meine, das sind klare Worte. Wir werden darauf drängen, dass diese Ankündigungen eingelöst werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und eröffne jetzt die Aussprache.

Herr Abgeordneter Stritzl!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, das Positive zuerst: Ich möchte Ihnen für das Engagement danken, das Sie hier dargelegt haben.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich will Ihnen sagen: Ich habe mit Freude gehört, was der Vorstandsvorsitzende von Babcock-Borsig - zumindest heute in der Presse - zu seinem Engagement bei HDW dargelegt hat. Aber ich will Ihnen auch sagen: Ich höre die Botschaft gern, nur ein wenig fehlt mir der Glaube.

Warum? Ich will es kurz begründen. - Bei HDW besteht eine Situation, die zu einem Wechsel im Vorstand geführt hat. Sie haben gesagt, Sie wollten die Gründe nicht nachzeichnen. Nun liest man dazu einiges in der Zeitung. Sicherlich mag es mit einigen Verlusten im Handelsschiffbau zusammenhängen, die zurzeit diskutiert werden, vielleicht auch mit Fehlentscheidungen, die im Management getroffen worden sind. Gleichwohl ist festzuhalten: Das Jahresergebnis wird in diesem Jahr dem des Vorjahres entsprechen: rund 70 Millionen DM nach Steuern. Kein schlechtes Ergebnis. Aber der entscheidende Punkt, der uns doch etwas nachdenklich stimmen muss - dies wurde auch in den Zeitungen sehr deutlich gesagt -, ist, dass offensichtlich die wahre Ursache der Auseinandersetzungen in der Frage liegt: Soll der Standort Kiel als Universalwerft erhalten bleiben oder nicht?

Dazu will ich aus der Presse Folgendes zitieren:

„Während sich Herr Rathjens in erster Linie als Werftchef verstanden habe, der in Kiel einen vollständigen Schiffbaubetrieb erhalten wollte, betrachte Lederer die HDW-Werft lediglich als einen Renditebringer für den Gesamtkonzern. Daher werde Babcock mittelfristig auf den Ausstieg von HDW aus dem verlustreichen Handelsschiffbau drängen, hieß es.“

Das ist der eine Punkt, der uns Sorge macht. Ich hoffe, dass sich dies nicht weiter umsetzt. Denn wir haben in der Vergangenheit leider schon gesehen - Sie haben selbst das Stichwort WestLB genannt -, dass die neuen Anteilseigner bei HDW in der Tat HDW nur noch als Cashcow betrachten.

Ich will ein Beispiel dafür nennen. Im Jahre 1990, als die Privatisierung der HDW anstand, hat es Gespräche mit der Preussag und auch mit dem Chef der WestLB, Herrn Neuber, gegeben. Damals wurde gesagt, es werde auch die Verantwortung für die industriepolitischen Arbeitsplätze in Kiel übernommen und man fühle sich insbesondere auch der Werft verpflichtet. Ein Ausdruck dieser Verpflichtung war offensichtlich, die Kieler Werkswohnungen, 9.000 Stück, die heimliche „Kriegskasse“ der HDW, zu verlagern. Eines schönen Tages schaue ich in die „Kieler Nachrichten“ und darin steht, dass alle 9.000 Kieler Werkswohnungen der Preussag Immobilien GmbH zugeschlagen wurden. Deren Sitz ist Hannover. Die erste Tranche 2.000 Stück - ist an einen Hamburger Investor verkauft: Kein Pfennig an HDW, kein Pfennig an das Land, aber 200 Millionen DM für die Preussag. 30 % der Preussag gehören Herrn Neuber und die Preussag hält wiederum 30 % an Babcock und 10 % von Babcock hält wiederum die WestLB.

Das heißt, hier hat es eine Verschiebung von Vermögenswerten zulasten der HDW, zulasten des Landes mit erheblichen Umströmungen gegeben. Das heißt, hier wird Vermögen aus dem Land geschleust. Das muss man schlicht und ergreifend feststellen. Ich sage nicht, dass das rechtlich nicht zulässig ist, ich stelle das nur politisch fest.

Ich möchte gern, dass Sie Ihr Engagement fortsetzen und nicht innehalten in dem Bemühen, Herrn Neuber daran zu erinnern, dass er diese Verantwortung für den Standort Kiel, für das Land Schleswig-Holstein mit dem Erwerb der Beteiligung damals nicht nur übernommen, sondern auch zugesagt hat.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Denn bei Babcock - so heißt es ja - handelt es sich nicht gerade um ein florierendes Unternehmen. Das ist noch vorsichtig ausgedrückt; denn es ist bekannt, dass Babcock zurzeit im Börsenwert so mies steht, dass Preussag die Babcock-Aktien auf dem Markt gar nicht veräußern kann, gleichwohl aber veräußern will, um sich weiter in die Erschließung im Bereich des Tourismus einbringen zu können. Da liegt meine Sorge und da liegt auch die Sorge vieler auf der Werft, die sagen: Wir müssen aufpassen, dass der Satz - nun zitiere ich aus der Zeitung -: „Lederer steht unter Druck, weil er die Finanzierungsinteressen, die Babcock-Aktionäre, Preussag und WestLB berücksichtigen muss“, dass dieser Druck, nicht zu einer weiteren Schwächung der Werft führt.

Es hat hier schon Abflüsse gegeben. Auch dies will ich

(Thomas Stritzl)

mit einem Zitat belegen:

„Natürlich wurde ein Teil der Vorauszahlungen für die Schiffsneubauten in Höhe von 750 Millionen DM in das Cash clearing des Konzerns einbezogen.“

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

750 Millionen DM wurden in das Cash clearing des Konzerns einbezogen. Das ist das, worüber wir uns auf dieser Seite Sorgen machen müssen.

Ich sage Ihnen voraus, Herr Minister: Sie stehen mit in der politischen Verantwortung, wesentlich Fürsorge dafür zu tragen, dass dieses Spielchen so nicht weitergeht. Nach unserer festen Überzeugung ist HDW - Sie haben das so vorgetragen; da haben wir Einigkeit - ein zentraler Bestandteil einer wirtschaftspolitisch florierenden Situation in Kiel und in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Glocke des Präsidenten)

Wir sind alle aufgefordert, allen möglichen Einfluss geltend zu machen, damit eines nicht stattfindet: HDW darf nicht zum Spielball im Firmenmonopoli der WestLB und ihres Chefs Neuber werden. Ich bitte Sie, darauf zu achten.

(Beifall bei CDU und F.D.P. sowie des Ab- geordneten Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Rother das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An den Spekulationen des Herrn Stritzl möchte ich mich mit meinem Wortbeitrag nicht so gern beteiligen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, es geht hier um die Situation des Schiffbaus in unserem Land. Die Situation bei HDW macht deutlich, dass sich der deutsche Schiffbau immer noch in einer bedrohlichen Lage befindet, auch wenn die günstigen Zahlen im Auftragsvolumen und in der Beschäftigung für die gesamte Branche Anlass zu Hoffnung geben, da sich der Schiffbau insgesamt im Aufwind befindet. Die Basis für diesen Auftrieb ist aber immer noch so dünn, dass jede Störung - wie auch immer sie begründet sein mag - einem Unternehmen zum Verhängnis werden kann - eben nicht nur in Kiel, sondern beispielsweise auch in Wewelsfleth oder anderswo im Land.

Die Bundesregierung hat auf der ersten Maritimen Konferenz im Juni deutlich gemacht, dass der Schiffbau eine Zukunftsbranche ist, die sich in ihrer Bedeutung mit der Luft- und Raumfahrtindustrie messen kann. Mit der Einsetzung eines Koordinators für die maritime Industrie wird die Entwicklung der Prozesskette in der Industrie nunmehr auch von staatlicher Seite unterstützt. Die Grenzen dieser staatlichen Unterstützung finden sich jedoch im internationalen Wettbewerb, wenn man die Situation auf dem internationalen Schiffbaumarkt auch kaum als Wettbewerb im Bau von Schiffen bezeichnen kann, sondern eher als Wettbewerb in der Subventionierung von Werften. Insbesondere die Ignoranz internationaler Abkommen durch Korea und die Anstrengungen Chinas, mehr Marktanteile zu erhalten, lassen keine Entspannung und auch kein Mehr an Marktwirtschaft auf dem internationalen Schiffbaumarkt erwarten. Die weltweite Produktionsüberkapazität wird nicht abgebaut.

Mit einer Vielzahl von Hilfen unterstützen Bund und Länder seit vielen Jahren den deutschen Schiffbau. Mit der jetzigen Werftenhilfe und der Abwicklung der ersten Tranche wurden der Bestand der Schiffbauproduktion in Deutschland gesichert. Das Land hat sich daran in den vergangenen Jahren auch mit einer dreistelligen Millionensumme und mit der Übernahme von Bürgschaften beteiligt und einen wirkungsvollen Beitrag geleistet. Der Minister hat in seinem Vortrag darauf hingewiesen, dass der neue Vorstandsvorsitzender der HDW auf der gestrigen Pressekonferenz auch ausdrücklich die Unterstützung des Landes gewürdigt und sich dafür bedankt hat.

Mit der HDW ist ein Traditionsunternehmen in die Krise geraten, das seit über 150 Jahren Schiffe produziert und alle Phasen der wechselhaften Geschichte der deutschen Werften leidvoll durchschritten hat. Nun, in einer Situation, wo sich in den letzten drei Jahren Umsatz und Auftragsbestand wieder erhöht haben, gerät das Unternehmen durch unternehmerische Fehlentscheidungen und eine zweifelhafte Konzernstrategie in die Krise. Noch im Mai dieses Jahres hat der damalige Vorstandsvorsitzende Rathjens gegenüber der Presse betont, dass HDW aufholen will, ganz besonders im Handelsschiffbau. Anfang September wurde nun durch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat öffentlich gemacht, dass das Unternehmen in einer schwierigen Krise ist. Für uns ist klar, dass der Schiffbaustandort HDW, der Schiffbaustandort Kiel, gesichert werden muss - und das in beiden Unternehmensfeldern, dem Handel- und dem Marineschiffbau. Die Schiffbauindustrie ist wesentlicher Bestandteil der schleswig-holsteinischen Industrielandschaft, einer Hightech-Branche mit Verbindungen zu einer vielfältigen Zulieferindustrie im ganzen Land.

(Thomas Rother)