Protocol of the Session on June 16, 2004

Die Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze nach Veräußerung der psychatrium Gruppe ist von entscheidender Bedeutung. Sie haben für die Regierung die Zusage gemacht, dass hier keine Gefahren drohen. Allerdings habe ich eben in Ihrer mündlichen Darlegung auch gehört, dass sich Ihre Zusage auf die

(Werner Kalinka)

Standorte Neustadt, Heiligenhafen und Schleswig bezieht. Die psychatrium Gruppe ist auch an anderen Standorten vorhanden, und ich würde mir wünschen, dass Sie auch für andere, kleinere Standorte eine solche Zusage abgeben können, und wäre dankbar, wenn Sie das gegebenenfalls präzisieren würden. Oder bleibt es bei diesen Dreien, auch wenn andere mit betroffen sind? Wir werden jedenfalls die Landesregierung daran messen, wie diese Zusagen eingehalten werden. Die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darf nicht dadurch bestraft werden, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

Bemerkenswert ist, dass sich die Landesregierung über die Preiserwartung bei diesem Verkauf ausschweigt. Dies ist eine erhebliche Summe, um die es hier geht. Auch Sie haben im Gesetzentwurf meines Wissens nichts dazu gesagt. Die Landesregierung sagt auch nichts dazu, wie sie die Mittel verwenden will. Auch mit Blick auf unsere Debatte von heute Vormittag und auf andere Dinge möchte ich doch den Wunsch äußern, dass zumindest ein Teil des Erlöses auch für ältere Mitbürger, für gesundheitspolitische Zielsetzungen verwandt wird. Es wäre doch ganz gut, wenn Sie sich zu diesem Thema positionieren würden, denn allein die Finanzpolitik zu sanieren, wäre mir struktur- und sozialpolitisch zu wenig.

(Beifall bei der CDU)

Das Schweigen im Gesetzentwurf wie auch mündlich macht mich zumindest sehr nachdenklich.

(Zuruf von der SPD: Sprechen Sie mal mit der CDU im Kreistag!)

- Sprechen Sie doch mit uns im Landtag, da sind Sie doch gut behandelt. Das ist doch ganz einfach. Stimmen Sie uns doch einmal zu, Frau Kollegin Hinrichsen! Frau Spoorendonk hat es schon getan und was ich gesagt habe, war doch auch in eurer Richtung genau richtig. Haben Sie doch einmal die Größe, über Ihren Schatten zu springen!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, den Maßregelvollzug in private Rechtsformen durch geeignete Betriebe, wie Sie es im Gesetzentwurf formuliert haben, zu überführen, ist eine besondere Größenordnung, über die wir uns hier unterhalten. Sie haben es zutreffend dargestellt. Dies bedingt ein ganz hohes Maß an Sensibilität und Verantwortung mit Blick auf Kontrolle, auch für das Ministerium, was neue Aufgaben hat. Natürlich geht es darum, worum denn sonst. Wir unterhalten uns hier über einen hoheitlichen Bereich und keine Kleinigkeit. Ich wünsche doch sehr, dass

der Prozess gelingt. Ich darf aber hier zum Ausdruck bringen, wie hoch die Messlatte liegt, die hier anzusetzen ist. Wir erwarten sogar eine Qualitätssteigerung durch diese Maßnahmen. Eine Steigerung ist ja auch kein gutes Zeugnis für die jetzige Situation.

Ich will nicht sagen, ich habe Bauchschmerzen, aber ich hoffe sehr, dass diese Operation gut geht. Es ist eine groß angelegte Operation. Ich wünsche, dass vor allen Dingen die kranken Menschen in SchleswigHolstein, die betroffen sind, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Regionen davon profitieren und dass es ihnen nicht zum Nachteil gereicht.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Veronika Kolb.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier über ein sehr sensibles Thema. Es betrifft sehr viele kranke Menschen, die Hilfe benötigen. Wir sprechen aber auch über mehr als 1800 Mitarbeiter, die in Ängsten leben.

Mit dem von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf soll der Grundstein für eine Privatisierung der psychatrium Gruppe und der Fachklinik Schleswig gelegt werden. Dabei soll die Umwandlung von Anstalten des öffentlichen Rechts in Gesellschaften mit beschränkter Haftung erfolgen. Dadurch entsteht die Option, dass diese privaten Gesellschaften dann an private Investoren veräußert werden können. Eine europaweite Ausschreibung der psychatrium Gruppe für einen solchen Verkauf ist bereits durch die Landesregierung erfolgt.

Begründet wird die Notwendigkeit einer Veräußerung unter anderem damit, dass mit der Übertragung auf Private die psychatrium Gruppe, aber auch die Fachklinik Schleswig insgesamt nach modernen betriebswirtschaftlich orientierten Gesichtspunkten kostengünstiger geführt werden kann. Meine Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf regelt zunächst nur die rechtliche Grundlage für eine solche Privatisierung, die Verordnungsermächtigung zur Umwandlung, Übergangsbestimmungen und die Festschreibung der zusätzlichen Altersversorgung für die derzeitigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dabei wird insbesondere die Privatisierung der psychatrium Gruppe ein äußerst sensibles Problem, weil der dort durchgeführte Maßregelvollzug - Sie haben es eben angesprochen, Frau Ministerin - auch bei einer Übertragung an private Betreiber betroffen ist.

(Veronika Kolb)

Rein aus Kostenerwägungen soll nach dem Willen der Landesregierung der Maßregelvollzug nicht ausgegliedert werden, sondern gemeinsam mit dem Krankenhaus und dem Heimbereich privatisiert werden. Gerade hier muss aber die Frage beantwortet werden, ob die Privatisierung originärer hoheitlicher Aufgaben des Staates unter reinen Kostengesichtspunkten ungeachtet dessen, dass dies rechtlich möglich sein kann, betrieben werden darf. Inwieweit eine Privatisierung in diesem sehr sensiblen Bereich nicht nur möglich, sondern auch ratsam ist, muss deshalb im Ausschuss intensiv erörtert werden.

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, welche Vorteile erwartet die Landesregierung aus der Privatisierung der beiden Einrichtungen? Die Begründungen im Gesetzentwurf sind ein wenig vage und werfen sogar neue Fragen auf. Wenn die Landesregierung mit der Privatisierung des Maßregelvollzugs die damit verbundenen organisatorischen und fiskalischen Vorteile anpreist und damit sogar eine Qualitätssteigerung des Maßregelvollzuges erwartet, muss man doch schon die Frage stellen, welchen Eindruck sie bisher von der Qualität hat. Auch die Vorstellung, dass künftig die privatisierten Einrichtungen kostengünstiger als bisher geführt werden können, erscheint etwas bemüht. Ist das ein Eingeständnis, dass diese Kriterien in öffentlich-rechtlicher Hand nicht erfüllt werden konnten oder erfüllt werden können? Fest steht eines - das ist mir wichtig, es hier zu betonen -, die Privatisierung kostet zunächst einmal Geld, denn mit dem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft werden alleine durch den Gesellschaftervertrag mit der Eintragung in das Handelsregister und der Umschreibung der Eigentümer weitere Kosten entstehen, deren genaue Bezifferung leider in der Begründung fehlt.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Hören Sie mir zu, dann werden Sie es erfahren!

Die europaweite Ausschreibung der psychatrium Gruppe stellt unter anderem auch die Wirtschaft auf das wirtschaftlich günstigste Angebot ab. Dieser Kaufpreis muss später in jedem Fall voll in den Einrichtungen refinanziert werden. Wenn gleichzeitig rund 20 Prozent der vollstationären psychiatrischen Basisleistungen durch teilstationäre Tageskliniken ersetzt werden sollen und gleichzeitig eine Dezentralisierung der Angebote angestrebt wird, muss man schon die Frage stellen dürfen, welche Auswirkungen diese Planung auf das künftige Angebot hat. Umso wichtiger ist es festzuhalten, nach welchen Kriterien die Einrichtungen verkauft werden sollen. Dann ist auch die rechtlich notwendige europaweite Aus

schreibung, Frau Spoorendonk, die Sie in Ihrer Presseerklärung nicht wollten, nicht ganz unwesentlich. Wir begrüßen, Herr Astrup, grundsätzlich die Möglichkeit der Privatisierung. Diese darf jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt des Erlöses allein gesehen werden. Die Verantwortung - ich habe es bereits gesagt - für mehr als 1.800 Mitarbeiter und Patienten muss dabei eine außerordentliche Berücksichtung finden.

(Beifall bei der FDP)

Auch die Frage, inwieweit die Bewerberkonzepte zu der Region passen, damit die Wertschöpfungen in der Region und damit in Schleswig-Holstein verbleiben können, darf neben dem Verkaufserlös bei der Auswahl der Bewerber eine nicht untergeordnete Rolle spielen. Sie sehen, wir haben im Ausschuss außerordentlich viel zu beraten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Angelika Birk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich meine Vorredner recht erinnere, insbesondere die Vorredner von der FDP und von der CDU, dann war das eine Art vorsichtige Zustimmung. Ich hatte aber auch den Eindruck, sie waren beide etwas zu sehr von der Angst vor der Landtagswahl hier vor Ort getragen, um allzu deutlich zu werden.

(Veronika Kolb [FDP]: Das müssen Sie ge- rade sagen! Also wirklich!)

Das wundert mich gerade bei der FDP mit ihrem sonstigen programmatischen Wurf zum Thema Privatisierung. Aber im Ernst: Natürlich muss der Verkauf einer solchen Einrichtung gründlich überlegt werden. (Werner Kalinka [CDU]: Na, also!)

In diesem Punkt sind wir einer Meinung. Wir scheuen uns allerdings nicht, an dieser Stelle auch deutlich zu sagen, dass uns andere Bundesländer in diesen Fragen einen Schritt an Erfahrung voraus sind. Insofern können wir die Landesregierung verstehen und ihr auch folgen, dass sie Effizienz- und Qualitätsgewinne durch die Privatisierung der psychiatrischen Landeskliniken erwartet.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

(Angelika Birk)

Sie hat gleichzeitig gesetzlich geregelte Bedingungen für die Einhaltung der Bürgerrechte in Psychiatrie und Forensik formuliert. Das ist auch richtig so, denn dafür trägt der Staat eine besondere Verantwortung. Ich habe daher mit Freude, Frau Ministerin, Ihre Prioritätensetzungen in Ihrer Rede gehört. Sie haben die Qualität in verschiedene Bereiche aufgefächert und haben auch betont, dass es nicht darum geht, die Einrichtungen zu zerstückeln. Denn die öffentliche Verantwortung für die Humanisierung von Psychiatrie und Forensik lässt sich weder zerstückeln noch verkaufen. Sie bleibt bei uns und bleibt auch ein Stück beim Parlament.

Deshalb hat sich die grüne Landtagsfraktion in ihren bisherigen Diskussionen für folgende Kriterien beim Verkauf entschieden: Wir sehen die Verpflichtung zu einer ständigen inhaltlichen Weiterentwicklung und Dezentralisierung der Psychiatrie in der Region auf der Grundlage eines Landespsychiatrieplanes, aber auch die schon geplante und hier mehrfach im Parlament vorgetragene Abgabe von Kapazitäten an die Städte Kiel und Lübeck. Das ist nichts Neues, das ist im Landespsychiatrieplan zum Teil auch schon festgelegt. Zum Teil befindet es sich auch schon in der Umsetzung. Auch dieses darf durch den Verkauf natürlich nicht gestoppt werden. Aber wir betonen: Die Region soll weiterhin die Leistungen vorhalten, allerdings mehr dezentralisiert, als wir sie bisher vorfinden. Denn die Dezentralisierung ist nach wie vor eine bundesweite Aufgabe, der sich die Psychiatrien stellen müssen, soweit es denn irgendwie möglich ist. Bei manchen schwierigen Krankheitsbildern ist das eben nicht möglich.

Zweitens wollen wir eine gute Ausbildung, Fortbildung und Supervision für medizinisches und therapeutisches Pflegepersonal gesichert wissen. Wir betonen ähnlich wie unser Koalitionspartner, Frau TenorAlschausky, auch die Notwendigkeit der therapeutischen Weiterentwicklung gerade in der Forensik.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Holger Astrup [SPD])

Wir wollen die Fortführung der begonnenen baulichen Modernisierung, die Übernahme der bisherigen öffentlich-rechtlichen Vertragskonditionen für die Beschäftigten. Auch dies war von meinen Vorrednerinnen schon betont worden.

Wir gehen davon aus, dass es weiterhin Wege geben muss, die Gleichstellung für Männer und Frauen auch in privatisierten Kliniken aufrechtzuerhalten. Und wir haben uns auch schon mit der Situation beschäftigt, dass bei einer Privatisierung beispielswei

se der Schichtdienst nur gewährleistet werden kann, wenn das Personal auch eine entsprechende Kindertagesstättenversorgung vorfindet. Hier muss mit den Kommunen und der Klinik gemeinsam ein neuer Weg gefunden werden, die bisherige Kindertagesstätte war allein von der Klinik getragen.

(Werner Kalinka [CDU]: Das soll die Kom- mune machen!)

Aber jetzt komme ich noch einmal zu einem inhaltlich sehr wesentlichen Punkt, der auch den Petitionsausschuss beschäftigt hat. Unerlässlich scheint uns, dass unter der zukünftigen Klinikleitung die Arbeit einer Besuchskommission aus sachkundigen Laien und Psychiatrie Erfahrenen weiterhin möglich ist, gerade auch für den geschlossenen Bereich der Psychiatrie. Jetzt formuliere ich einen neuen Punkt. Wir sehen auch im Bereich der Forensik die Notwendigkeit, eine Kommission vorzuhalten, die die Anliegenvertreterin oder den -vertreter der Patientinnen und Patienten unterstützt. Dafür ist ja hier im Gesetz eine weiche Formulierung vorgesehen. Der Vertreter der Patientin ist die Institution, die für die Patienten in der Forensik da ist. Allerdings sehen wir hier durch den Vortrag dieses Patientenvertreters im Petitionsausschuss Handlungsbedarf. Das Gesetz eröffnet hier Möglichkeiten. Wir müssen prüfen, ob diese ausreichen.

(Werner Kalinka [CDU]: Sehr weiche For- mulierung!)

Nach dem vorliegenden Gesetz wird insbesondere die Forensik, in der Straffällige und nicht schuldfähige Patientinnen und Patienten leben, unter besonderer Aufsicht der Landesregierung bleiben. Hier betritt Schleswig-Holstein mit seiner Fassung bundesweit Neuland. Auch wenn in anderen Bundesländern die Forensik schon privatisiert ist, ist die Art, wie wir hier im Gesetz die Regelung der Kontrolle vorfinden, Beispiel gebend. Ich finde das sehr richtig und wichtig und unterstütze diesen Vorschlag. Wir müssen uns im Ausschuss noch einmal die Details erläutern lassen.

Das gilt auch für den nicht minder heiklen Punkt der Unterbringung von Menschen aus Sicherheitsgründen. Auch hier werden wir uns mit dem Zusammenspiel zwischen Gesetzes- und Verordnungsermächtigung zu befassen haben.

Deshalb begrüße ich es auch sehr, dass wir uns in den Fachausschüssen des innen- und gesundheitspolitischen Themas dieser Fragestellung annehmen.

Ich sage zum Schluss: Es empfehlen sich aus all den genannten Gründen durchaus auch gemeinnützige

(Angelika Birk)

Lösungen. Hier gibt es glücklicherweise schon sehr handfeste Angebote, einmal für die Klinik Schleswig, aber auch für die psychatrium Gruppe. Letztere hat ein sehr innovatives Angebot für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Managements unter gemeinnütziger Trägerschaft vorgeschlagen.

Bitte beachten Sie die Redezeit!