Protocol of the Session on June 16, 2004

Sie werden Kontrollsysteme brauchen, aber Sie werden mit den Kontrollsystemen nicht verhindern können, dass Probleme weiterhin bestehen. Deswegen wollen wir auch soziale Kontrolle, Eigenverantwortung und eine Kultur des Hinschauens und Mitmachens aller. Denn nur so werden wir eine gute Pflegequalität erreichen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka?

Ja, gern.

Frau Ministerin, nach Ihren erfreulichen Worten habe ich eine Frage. Stimmen wir darin überein: Trauen Sie den kommunalen Kontrollbereichen zu, eine Pflegeberatung selbst wahrnehmen zu können? - Schließlich haben Sie gesagt, Sie würden kein Misstrauen gegenüber diesen kommunalen Kontrollbereichen hegen.

Aber selbstverständlich.

(Werner Kalinka [CDU]: Sehr schön!)

Diese Pflegeberatung wird bereits in vielfältigen Formen angeboten. Das Land hat lediglich in seiner Funktion, dafür zu sorgen, dass über Modelle eine noch bessere Qualität der Pflege erreicht werden solle, den zusätzlichen Baustein der trägerunabhängigen Beratung mitfinanziert und vor diesem Hintergrund gibt es keine Unstimmigkeiten. Ich glaube, ich muss wieder die Unterschiede betonen. Denn sonst glaubt Herr Kalinka, dass ich seine Positionen vertreten. Das ist gänzlich mitnichten der Fall.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Baasch [SPD]: Das wäre auch grausam!)

Weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium nicht vor. Ich schließe die Beratung. Mit Drucksache 15/3487 war ein Bericht beantragt. Der Bericht ist gegeben worden. Insoweit ist dieser Antrag erledigt.

Ich darf fragen, ob der gegebene Bericht an den zuständigen Sozialausschuss zur weiteren Erörterung überwiesen werden soll. - Da dies der Fall ist, frage ich, wer dem seine Zustimmung geben will. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das vom Haus einstimmig so beschlossen und der Tagesordnungspunkte 18 hat damit seine Erledigung gefunden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf.

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umwandlung psychiatrischer Einrichtungen und Entziehungsanstalten (PsychE-UmwG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/3495

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile mit Ihrem Einverständnis zunächst der zuständigen Ministerin das Wort. - Bitte schön, Frau Ministerin Dr. Trauernicht-Jordan.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur Umwandlung psychiatrischer Einrichtungen und Entziehungsanstalten, das die Landesregierung heute ins parlamentarische Verfahren einbringt, betrifft einen sehr sensiblen politischen Bereich: Es geht um psychiatrisch erkrankte Menschen.

Mit diesem Gesetz wollen wir die Möglichkeit schaffen, zukünftig auch weitere Rechtsformen der Fachklinik Schleswig und der psychatrium Gruppe zu ermöglichen. Wir wollen die Möglichkeit schaffen, privates Know-how in die Einrichtungen hineinzuholen. Damit soll - das ist die erklärte Absicht - die Qualität in allen Bereichen der Fachklinik verbessert werden. Es geht letztlich darum, Strukturen zu schaffen, die die Versorgung psychiatrisch erkrankter Menschen auch in der Zukunft auf hohem Niveau möglich machen.

Natürlich werden bei einem Umwandlungsprozess wie diesem auch wirtschaftliche Aspekte aufgeführt, das ist auch legitim, aber mir als Sozial- und Gesundheitsministerin ist es in dieser Debatte wichtig, den Gesichtspunkt der Hilfe für psychisch Kranke und behinderte Menschen zu betonen. Letztlich wird die Zielsetzung erreicht werden müssen. Es geht hier um die qualitative Verbesserung. Deswegen werde ich mit Sorgfalt die weiteren Schritte bei der Umsetzung des möglicherweise von Ihnen mit Mehrheit beschlossenen Gesetzes vonseiten der Landesregierung zu beobachten haben.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es geht aber auch um die Arbeitsplätze von Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Arbeitszufriedenheit - ein Umstand, der gerade in der Psychiatrie, wo die Arbeit von Menschen mit Menschen stattfindet, wo Umgebungsbedingungen, Räumlichkeiten eine wichtige Rolle spielen, nicht zu missachten ist. Es geht darum, fortlaufende Investitionen in ein arbeitsfreundliches Umfeld einbringen zu können und auch damit die Arbeitszufriedenheit und Sicherheit aller zu verbessern.

(Ministerin Dr. Brigitte Trauernicht-Jordan)

Es geht auch um die Akzeptanz vor Ort, durch die Bevölkerung und die Kommunalpolitik. Ein solcher Prozess, der hier in Schleswig-Holstein auf den Weg gekommen ist, geht nicht ohne die Akzeptanz der Menschen vor Ort. Sie müssen die Einrichtungen annehmen. Sie müssen den Eindruck haben, dass diese Einrichtungen auch für den Schutz der Bevölkerung eine Rolle spielen, sich mit der Aufgabenstellung identifizieren und diese als eine Infrastruktur in ihrer Region bewerten, die sie auf hohem Niveau für die Zukunft gesichert sehen möchten. - Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich vor.

Vor diesem Hintergrund werden wir mit potenziellen Interessenten für die Fachkliniken zu sprechen haben. Wir werden aber hohe Maßstäbe anlegen, um die genannten Ziele ausdrücklich zu erreichen. Deswegen betone ich diese Ziele der Landesregierung noch einmal.

Die Landesregierung ist ohne ideologische Scheuklappen bereit, auch für die großen psychiatrischen Einrichtungen des Landes neue Wege zu gehen. Wir sind bereit, privates Know-how und Kapital zu nutzen, um auch zukünftig und auf Dauer die Handlungsfähigkeit der Einrichtungen und das Niveau der Qualität zu sichern. Wir werden die Fachkliniken nur als Ganzes übergeben und eine Zerstückelung nicht zulassen.

Auch unter neuer Trägerschaft werden die Fachkliniken ihre Aufgaben im Rahmen der Psychiatrie- und Krankenhausplanung behalten. Eine weitere Voraussetzung: Die Standorte Schleswig, Heiligenhafen und Neustadt müssen gesichert bleiben. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss der Besitzstand, nämlich die Anwendung des BAT und zusätzliche Altersversorgung bei der VBL, gewahrt bleiben - eine sicherlich sehr hohe Hürde.

Zum Schluss möchte ich ausdrücklich betonen: Ich bin mir bewusst, dass der Maßregelvollzug dabei einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf, weil bundesweit erst wenige Länder hier diesen Weg gegangen sind. Die Erfahrungen dort werden in die Beratungen mit einzubeziehen sein.

Beim Maßregelvollzug geht es nicht nur um die hohe Qualität der zu behandelnden Kranken, sondern es geht auch um das Sicherheitsbedürfnis von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und es gibt ein legitimes Bedürfnis der Bevölkerung nach Schutz, deren Sorgen und Ängste ich in diesem Zusammenhang sehr ernst nehme.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor diesem Hintergrund legt die Landesregierung einen Gesetz

entwurf vor. Ich gehe davon aus, dass dem intensive Beratungen in den Ausschüssen folgen werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Versorgung psychisch erkrankter Menschen in unserem Land hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Waren in den 70er- und 80er-Jahren die Landeskrankenhäuser in Schleswig, Neustadt und Heiligenhafen für Erkrankte Orte, die häufig nur unter Zwang aufgesucht wurden, so führte die fachliche und organisatorische Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung dazu, dass die genannten Großeinrichtungen zu Fachkliniken umgestaltet wurden.

Die Forderung nach gemeindenaher Psychiatrie führte außerdem dazu, dass in den vergangenen Jahren vermehrt psychiatrische Abteilungen an normalen Krankenhäusern eingerichtet wurden, sich die Verweildauer der Patienten in stationären Einrichtungen deutlich verringerte, da durch Fachärzte und Einrichtungen wie zum Beispiel die „Brücke“ die Betreuung psychisch Erkrankter und ihrer Angehörigen wohnortnah möglich wurde. Von der Verwahrpsychiatrie zu einer modernen, gemeindenahen Regelversorgung - welch ein Fortschritt für alle Betroffenen!

Nichtsdestotrotz liegt uns heute der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umwandlung psychiatrischer Einrichtungen und Entziehungsanstalten zur ersten Lesung vor. Zu den Aufgaben der von der Landesregierung eingesetzten Strukturkommission gehörte es zu überprüfen, ob in geeigneten Fällen Landesaufgaben an Dritte, auch in privater Trägerschaft, übertragen werden können. Das Ergebnis war für die Fachkliniken positiv. Die Landesregierung plant nunmehr, die psychatrium Gruppe, das heißt die ehemaligen Fachkliniken Neustadt und Heiligenhafen sowie die Fachklinik Schleswig, von Anstalten des öffentlichen Rechts in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umzuwandeln und die psychatrium Gruppe einschließlich der Maßregelvollzugsabteilungen an einen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Träger zu veräußern.

Die SPD-Fraktion hat sich in den letzten Monaten in zahlreichen Sitzungen, in vielen Gesprächen mit

(Siegrid Tenor-Alschausky)

Fachleuten intensiv mit dem vorliegenden Gesetzentwurf beschäftigt. Dabei waren für uns folgende Punkte besonders wichtig: Wir wollen, dass die gemeindenahen psychiatrischen Angebote erhalten bleiben und, wo erforderlich, ausgebaut werden. Wir wollen, dass die Angebote der Fachkliniken mit ihrer besonderen Fachlichkeit bewahrt und weiterentwickelt werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir nehmen die Befürchtungen der Arbeitskräfte, gerade auch in Ostholstein, ernst. Strukturveränderungen dürfen nicht zu massivem Arbeitsplatzabbau führen. Wir sind nach intensiven Beratungen bereit, auch den Maßregelvollzug durch Beleihung in die Hände Dritter zu geben.

An einen neuen Träger stellen wir folgende Bedingungen: Die Versorgungsverpflichtungen nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz, der Psychiatrie- und Krankenhausplanung werden sichergestellt und fortgeführt. Die bestehenden Standorte werden erhalten und weiterentwickelt. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden unter Wahrung des Besitzstandes übernommen. Eine Trennung der Trägerschaft in Abteilungen für die allgemeine psychiatrische Versorgung und die Abteilungen des Maßregelvollzugs halten wir aus zahlreichen Gründen für nicht vorteilhaft.

Die Privatisierung der Kliniken für forensische Psychiatrie wird zu einer Trennung von Kostenträgern und Leistungserbringern führen. Dadurch wird ein transparentes Verfahren erleichtert.

Die Durchführung des Maßregelvollzugs soll durch Verwaltungsakt den Erwerbern der Fachklinik übertragen werden, Bevollmächtigte der Landesregierung haben aber jederzeit Weisungsrecht gegenüber dem Personal. Das erscheint uns ganz besonders wichtig. Änderungen im Maßregelvollzug bedürfen ganz besonderer Sorgfalt. Die Ministerin hat darauf hingewiesen. Psychisch erkrankte Straftäter haben ein Recht auf Behandlung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch die Bevölkerung ein Recht auf Schutz und Sicherheit vor erkrankten Straftätern.

Mit der von der Landesregierung vorgesehenen Übertragung der Fachkliniken tritt die Psychiatrie-Reform in Schleswig-Holstein in die nächste Stufe ein. Die Psychiatrie ist ein medizinisches Angebot wie andere auch und soll deshalb ebenso behandelt werden. Für den Maßregelvollzug, der besondere Vorkehrungen erfordert, werden entsprechende Regelungen getroffen. Gerade für diesen Bereich erwarten wir, dass die noch bestehenden Engpässe in der therapeutischen Versorgung und die Verbesserung der baulichen

Standards im Zuge der Privatisierung schrittweise gelöst werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben sich für die Privatisierung der psychatrium Gruppe entschieden. Die psychatrium Gruppe ist ein leistungsstarkes, ein mit hoher Innovation ausgestattetes Unternehmen. Der Schritt, der jetzt vollzogen werden soll, bedeutet eine hohe Verantwortung gegenüber vielen Menschen, die krank sind, und auch einer großen Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Er bedeutet auch, viel Verantwortung für die Regionen wahrzunehmen, in denen die Standorte sind. Ich weiß, dass sich Frau Todsen-Reese und Herr Klinckhamer dort engagiert eingesetzt haben, und ich bin sicher, der Kollege Poppendiecker von der SPD genauso. Es bedeutet hohe Verantwortung für die Sicherung der Arbeitsplätze vor Ort in den heimischen Regionen. Wir hoffen und wünschen, dass dieser von Ihnen eingeschlagene Weg der richtige ist. Man hätte darüber philosophieren können, ob das nun zum ersten Januar 2005 so kurz vor der Landtagswahl sein musste. Aber gut, Sie sind Herr des Verfahrens, diese Entscheidung zu treffen.

Die nicht geklärte Situation um die Fachklinik Schleswig mit der EU-Ausschreibung ist im Gesetzentwurf offen dargestellt worden. Dass dies Brisanz und Schwierigkeiten bedeutet, werden wir im Laufe der weiteren Diskussionen erfahren. Die Veräußerung der Fachklinik Schleswig an das Martin-LutherKrankenhaus beziehungsweise dessen Träger, seit langem in der Region gewollt, sollte eigentlich den Gesundheitsstandort Schleswig und Umgebung stärken. Die Besorgnis, ob hier Gefahren sind, teile ich zumindest. Wir können uns nur wünschen, dass keine negative Entwicklung eintritt. Es ist eigentlich schade, dass ein so langes Gezerre um das Ganze überhaupt hat stattfinden müssen.

(Beifall bei der CDU)

Die Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze nach Veräußerung der psychatrium Gruppe ist von entscheidender Bedeutung. Sie haben für die Regierung die Zusage gemacht, dass hier keine Gefahren drohen. Allerdings habe ich eben in Ihrer mündlichen Darlegung auch gehört, dass sich Ihre Zusage auf die