Protocol of the Session on May 26, 2004

Ein Erlass, um Eltern, Lehrer und die Landestelle gegen die Suchtgefahren in ihren Bemühungen zu unterstützen und zu bestärken, hätte genügt. Stattdessen nur Kampagnen - schade, Chance vertan.

Wir vermissen in Ihrem Antrag - wenn denn die Sorge um unsere Kinder und Jugendlichen und deren Konsum legaler Drogen so groß ist, wie in Punkt 5 angedeutet - eine Aussage zur Konsumverringerung durch die Reduzierung der Verfügbarkeit. Dies wird von der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren immer wieder eingefordert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, in Punkt 2 begrüßen Sie die „Relativierung einer strikten Trennung von legalen und illegalen Suchtstoffen“. Was wollen Sie uns damit sagen? Der Suchtbegriff ist insgesamt zu sehen, die Suchtkrankenhilfe auch. Doch schimmert hier schon wieder die Rot-Grüne Sehnsucht nach Legalisierung durch? - Sie widersprechen zumindest nicht.

Die CDU-Fraktion hält an der Trennung von legalen und illegalen Drogen fest und fordert in diesem Zusammenhang auch zur Orientierung von jungen Menschen endlich die bundeseinheitliche Definition von Höchstmengen für den straffreien Besitz illegaler Betäubungsmittel. Meine Damen und Herren, es kann nicht so bleiben, dass die Mindestmenge bei Canabis in Schleswig-Holstein 30 g beträgt, in fast allen anderen Bundesländern 6 g.

(Peter Eichstädt [SPD]: Was heiß da Min- destmengen! - Heiterkeit)

Wir vermissen in Ihrem Antrag eine konkrete Aussage zur Grundversorgung. Generell ist der Staat für die Grundversorgung von Suchtkranken zuständig. Sie muss unbedingt definiert werden. Dazu - -

(Zurufe)

- Das ist angekommen. Dazu gehört, dass wir nicht ständig neue Modellversuche, neue Kopfstellen - die haben Sie eben nicht erwähnt -, eine weitere Bürokratisierung und neue Nischenangebote brauchen. Das sagen auch die Kollegen aus den Beratungsstellen. Für unser Flächenland macht ein völlig ausdifferenziertes Hilfesystem keinen Sinn - vor dem Hintergrund unserer Haushaltslage schon gar nicht. Was wir brauchen, ist ein aufeinander abgestimmten und aufeinander bezogenes Hilfesystem. Wir wollen die verstärkte Evaluierung von praktizierten Präventionen, Behandlungsmethoden und Fachstellen, um effizienter zu werden. Und wie im Bereich Schule ist auch im Bereich Präventionsarbeit und der Suchthilfe die enge Zusammenarbeit von Hilfestellen und Elternhaus vernetzter zu gestalten. Wir entlassen die Eltern nicht aus ihrer Verantwortung.

(Beifall der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

(Frauke Tengler)

Sie sehen, die CDU-Fraktion will konkretere Schritte gehen, als sie aus dem von Ihnen vorgelegten Antrag hervorgehen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich hätte Sie um die Zustimmung zu unserem Antrag gebeten, aber Sie haben gesagt, wir sollten vielleicht noch einmal ein bisschen daran arbeiten, ob wir etwas Gemeinsames auf den Weg bringen können. Aus diesem Grund stimme ich der Überweisung in den Ausschuss zu.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt der Abgeordneten Veronika Kolb.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie machen es mir im Vorfeld sehr einfach. Ich danke dir, lieber Kollege Peter Eichstädt, dass du heute hier nicht in der Sache abstimmen willst, sondern die Überweisung in den Ausschuss angeboten hast. Darum hätte ich am Ende meiner Rede auch gebeten, insbesondere weil der Antrag der CDU vorgelegt wurde. Ich finde, die Sache ist auch zu ernst, als das wir uns einfach hier herstellen könnten, in der Sache noch einmal streiten und sagen könnten: Hier bin ich und ich habe eine ganz eigenständige Meinung dazu. Wir sind in allen Dingen doch sehr nahe beieinander und es gibt nur noch wenige kleine Dinge, auf die ich hinweisen möchte, weil sie meines Erachtens relativ wichtig sind.

Sinnvollerweise wird in eurem Antrag die Entwicklung und Sicherung geschlechtsspezifischer und geschlechtergetrennter Angebote für Frauen und Männer in allen Bereichen der Suchtkrankenhilfe erneut gefordert. Die hierzu aber erforderliche Vernetzungs- und Koordinierungsaufgabe auf Landesebene durch eine Fachstelle wurde zuletzt allerdings in dem vorgelegten Bericht der Landesregierung abgelehnt. Das wäre noch ein Diskussionspunkt.

Dass Einrichtungen wie beispielsweise „donna klara“ in Modellprojekten bereits bewiesen haben, dass eine solche Vernetzung und Koordinierung notwendig und insbesondere nützlich ist, wird sehr gern vergessen.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Man darf sich deshalb auch nicht allzu sehr darüber wundern, dass ein landesweites Konzept für die Etab

lierung geschlechtsspezifischer Angebote für Frauen nur in Ansätzen existiert, während Angebote für Jungen und Männer noch fast völlig fehlen.

Es bedarf für solche Projekte nicht nur den politischen Willen zur Änderung. Auch Betroffene, Angehörige, suchtkranke Menschen, Selbsthilfegruppen und Mediziner müssen davon überzeugt werden.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Wenn wir uns also darüber einig sind, dass Sucht eine behandlungsbedürftige Krankheit ist, dann sind in letzter Konsequenz natürlich auch die gesetzlichen Krankenkassen mit ins Boot zu nehmen. Dieses war im Übrigen auch ein großer Diskussionspunkt in der Anhörung im Ausschuss. Zwar erscheint es etwas widersprüchlich, wenn einerseits die gesetzlichen Krankenkassen entlastet und so mittelfristig die Lohnnebenkosten gesenkt werden sollen, anderseits aber deren Angebotskatalog jetzt wieder erweitert werden soll.

Wenn aber im bestehenden System der gesetzlichen Krankenkassen - auch wenn wir dieses nicht für zukunftsfähig halten - eine Umschichtung des Angebotskataloges notwendig ist, um eine Krankheit wirksam zu bekämpfen, dann müssen wir uns damit auch näher auseinander setzen. Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, ob es mittelfristig volkswirtschaftlich nicht sogar sinnvoller sein kann, beispielsweise die Kostenübernahme für den Zahnersatz für jüngere Jahrgänge auszugliedern und stattdessen die Kostenübernahme für die psychosoziale Begleitung von Suchtkrankheiten in Substitutionsprogramme und für ambulante Rehabilitationsangebote in der Suchthilfe aufzunehmen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir haben immer wieder nach Wegen gesucht, gerade denjenigen helfen zu können, die bisher von herkömmlichen Hilfsprogrammen nicht erreicht werden konnten. Umso mehr hoffe ich, dass wir diese Anträge dazu nutzen können, ohne Denkverbote über die Schwerpunkte in der Sucht- und Drogenpolitik im Sozialausschuss zu diskutieren - dann allerdings mit einem tragfähigen Zukunftsergebnis.

Deshalb plädiere ich auch für die Überweisung in den Ausschuss, um dort beide Anträge zu behandeln und um uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigen zu können. Denn so weit liegen die Vorstellungen der Antragsteller - das wurde bereits festgestellt - nicht auseinander. Ich freue mich auf eine wirklich zu

(Veronika Kolb)

kunftsorientierte Diskussion und einen guten Antrag für das nächste Plenum.

(Beifall bei FDP und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat sich in dieser Legislaturperiode sehr eingehend mit der Sucht- und Drogenpolitik beschäftigt, und zwar nicht nur mit der Berichterstattung durch das Gesundheitsministerium, sondern auch in Form internationaler Expertenanhörungen.

Ich freue mich, Frau Ministerin Trauernicht, dass Sie gerade zu diesem Thema Ihre erste Rede hier halten werden. Auch von meiner Fraktion übersende ich Ihnen herzliche Glückwünsche zum neuen Amt. Bei diesem bundesweit beachteten Thema bietet sich für Schleswig-Holstein eine gute Möglichkeit, Flagge zu zeigen.

Die Fachleute aus Justiz, Sozialarbeit und Medizin, die wir aus anderen Staaten und dem übrigen Bundesgebiet eingeladen haben, bestätigten uns: Schleswig-Holstein ist auf dem richten Weg. Noch steht nicht das Suchtmittel, sondern seine Legalität oder Illegalität im Vordergrund. Wir wollen auch dazu kommen, dass das Suchtmittel sekundär wird. Die Sucht als solche, also die Krankheit, muss der Ausgangspunkt unserer politischen Strategien sein.

Ordnungspolitische Maßnahmen, durch kommunale Satzungen das Trinken in der Öffentlichkeit zu verbieten und gleichzeitig Hilfsangebote für Suchtabhängige zu kürzen, wie es in vielen - ich sage: nicht in allen - CDU-regierten Kommunen praktiziert wird, halten wir für den falschen Weg. Stattdessen geht die Landesregierung mit einer internationalen Offensive in der Alkoholprävention und ihrer Suchtpräventionsarbeit in der Schule in die richtige Richtung. Bei der Kooperation zwischen Sucht- und Jugendhilfe braucht es allerdings noch mehr Knoten im Netz.

Aber auch hier gibt es ein Problem. Zum einen werden auf Kommunal- und Landesebene die Finanzmittel sowohl für die Jugendhilfe als auch für die Suchthilfe knapper, zum anderen steigt die Anzahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Gleichzeitig wird in vielen Bereichen nebeneinanderher gearbeitet und dann fallen die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes in den Brunnen. Das müssen wir verhindern.

Das wurde auch in der Anhörung der Fachleute der Beratungsstellen in unserem Ausschuss deutlich.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Beeindruckend sind die Erfolge der Schweiz, Heroinabhängigen Heroin auf Rezept und unter ärztlicher Aufsicht auszuteilen. In Deutschland kommen wir auf diesem Wege nur sehr mühsam vorwärts. Angesichts dessen wurde gerade von vielen auswärtigen Experten die schleswig-holsteinische Strategie gelobt, die straffreien Mengen illegaler Suchtstoffe höher als andere Bundesländer anzusetzen, um sich auf diese Weise in der Kriminalitätsbekämpfung auf die tatsächlichen Drahtzieher im Drogengeschäft zu konzentrieren und die Arbeitszeit von Polizei und Justiz nicht mit diesem anderen Thema - ich drücke es jetzt etwas umgangssprachlich aus - zu verdaddeln.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das stimmt!)

Viel zu wenig werden bisher diejenigen unterstützt, die an stoffungebundenen Süchten leiden oder von mehreren Substanzen gleichzeitig abhängig sind. Hier ein kritisches Wort an die Krankenkassen: Wir mussten lernen, dass die Fristen der Krankenkassen beispielsweise beim Erstausstieg aus einer Drogenabhängigkeit oder bei der Anerkennung dessen, was eine Krankheit ist, nicht sachgerecht sind und der Realität hinterherhinken. Die Beratungsstellen müssen mit viel Bürokratie Grundrechte für ihr Klientel erkämpfen und können sich nicht auf die Therapie konzentrieren.

Es gilt also, die Hilfsangebote nicht zu sehr an den Suchtstoffen, sondern an den Milieus der Abhängigen zu orientieren. Deshalb setzen wir uns gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dafür ein, dass mehr Migrantinnen und Migranten von der Suchthilfe erreicht werden. Dies bedeutet auch, dass Migrantinnen und Migranten als Fachkräfte in der Suchthilfe beschäftigt werden. Vielleicht brauchen wir auch hierfür neue Leitlinien.

Die Leitlinien, die wir im Bereich Gender haben, haben erste Erfolge gezeigt. Die Qualitätsrichtlinien sind für alle Suchtangebote verbindlich, aber wir haben in der Praxis trotzdem noch einen Mangel an Angeboten für Frauen und wir haben einen Mangel an Angeboten im stationären Bereich, in dem Mütter mit ihren Kindern zusammenleben können.

Wir wünschen uns daher mehr Unterstützung für die landesweite Fachstelle, in der engagierte Frauen seit Jahren Stück für Stück gegen gesellschaftliche Widerstände ein emanzipatorisches Leitbild für die Therapie von Frauen durchzusetzen versuchen. Es besteht

(Angelika Birk)

keine Frage, dass darüber hinaus die Angebote, die sich an Männer richten, im Hinblick auf das Geschlechterrollenverständnis von Männern neu zu justieren sind. Aber wir denken, es ist erst einmal anzuerkennen, dass die Frauen in ihrem Leitbild ein Stück voraus sind und dass dem in der Angebotsstruktur flächendeckend Taten folgen müssen.

Ich finde es auch sehr gut, dass wir zu einer gemeinsamen Beratung mit der Opposition kommen. Ich bedanke mich für das Angebot, das uns Frau Tengler unterbreitet hat; mein Vorredner von der SPD ist darauf bereits eingegangen. Ich hoffe allerdings, dass wir bald wieder ins Plenum zurückkommen und dieses Thema nicht auf die lange Bank schieben. Wir müssen nach einer so ausführlichen Beratung auch ein politisches Zeichen setzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor fünf Monaten den Bericht der Landesregierung zur „Weiterentwicklung der Drogenpolitik“ diskutierten, haben wir bemängelt, dass darin eine wirkliche konzeptionelle Weiterentwicklung der Drogenpolitik in Schleswig-Holstein fehlt. Insofern gibt es hier heute eine Nachhilfestunde.