Protocol of the Session on April 30, 2004

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

obwohl im Haushaltsjahr 2004 eine Förderung für Prävention und Beratung in Flensburg in Höhe von circa 54.000 € vorgesehen ist. Diese außerplanmäßige Kürzung um 40 % ist nicht akzeptabel.

Das Sozialministerium will zudem zur Bedingung für die Fortsetzung der Landesförderung machen, dass die Primärprävention zukünftig durch die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung übernommen wird. Diese Arbeit soll mit 23.000 € gefördert werden. Dagegen haben sicherlich weder die Stadt noch wir etwas.

Problematisch ist dabei aber die Entscheidung des Ministeriums, zukünftig überhaupt keine risikobezogene Prävention und keine psychosoziale Beratung in Flensburg mehr zu fördern.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das haben wir schon während der Haushaltsberatungen ge- sagt!)

Das Ministerium will lediglich der Stadt Flensburg jährlich 10.000 € für die regionale Koordinierung der Primärprävention geben und dieser Zuschuss soll dabei mit der Bedingung verknüpft werden, dass die Stadt Flensburg selbst die Trägerschaft und Finanzierung übernimmt. Wir halten diese Vorgehensweise aus mehreren Gründen für falsch.

1. Der Sozialausschuss der Stadt Flensburg hat einstimmig erklärt, dass man vor Ort eine Lösung möchte, bei der ein freier Träger die psychosoziale Beratung übernimmt. Die Stadt stellt dafür ihren bisherigen Zuschuss für die AIDS-Hilfe in Höhe von 33.700 € zur Verfügung und erwartet deshalb auch, dass das Land sein Engagement ebenfalls nicht kürzt.

2. Wir haben in Schleswig-Holstein gute Erfahrungen mit freien Trägern in der AIDS-Hilfe gemacht. Die freie Trägerschaft hat sich bewährt und darf ebenso wenig wie die Förderung grundsätzlich infrage gestellt werden.

3. Die am 19. April 2004 erschienenen Förderrichtlinien des Landes für Maßnahmen gegen HIV und AIDS sehen ausschließlich freie Träger als Zuwendungsempfänger der Landesförderung vor. Deshalb ist es etwas unverständlich, warum eine städtische Trägerschaft der psychosozialen Beratung gerade in Flensburg gefordert wird.

Aus diesem Grund fordern wir, die Landesregierung möge die vorgesehenen Fördermittel von rund 54.000 € jährlich in vollem Umfang zur Verfügung stellen, 2004 anteilig für die verbleibenden Monate. Das Land muss die Stadt Flensburg darin unterstützen, mit einem freien Träger ein neues niedrigschwelliges Beratungsangebot in Flensburg aufzubauen, ein Angebot, das selbstverständlich mit den übrigen Hilfen für HIV-Positive und Gefährdete in Flensburg eng zusammenarbeiten muss. Das Sozialministerium möge sich in diesem Sinne schnell mit der Stadt Flensburg verständigen, damit die seit Monaten klaffende Versorgungslücke spätestens zum Juni 2004 geschlossen wird. Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass die Regierungsfraktionen bereit waren, einen gemeinsamen Antrag im Sinne unseres ursprünglichen SSW-Antrages mit zu tragen. Wir hoffen, dass

(Silke Hinrichsen)

ebenso wie in der Stadt Flensburg alle Fraktionen diesen Antrag unterstützen werden.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Schlosser-Keichel das Wort. Veel sport hebbt wi nich.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Sie heute Morgen durch den Haupteingang hier in das Landeshaus gekommen sind, müssten Sie eigentlich auf diese Broschüre gestoßen sein: „WEITER LEBEN - Mit dem Virus“. Sie enthält nicht nur ein Portrait eines HIV-positiven Mannes, sondern auch eine kurze und eingängige Beschreibung der aktuellen Problematik mit HIV.

Ich will wegen der Kürze der Zeit diese Entwicklung nicht schildern. Tatsache ist, dass seit 1996 neue Medikamente auf dem Markt sind und durch die damit verbundenen scheinbaren Heilungserfolge die Probleme der HIV-positiven und AIDS-kranken Menschen und leider auch die Notwendigkeit von Prävention stark aus dem öffentlichen Interesse und Bewusstsein verschwunden ist. - Zu Unrecht, wie auch Frau Hinrichsen schon sagte, denn AIDS ist heute zwar eine behandelbare, aber immer noch eine unheilbare Krankheit. Die Probleme für die Betroffenen sind nicht gelöst, sie haben sich lediglich verändert. Das zeigt sich auch im Bereich der Prävention.

Die Infiziertenzahlen steigen insbesondere bei homosexuellen Männern wieder an. Möglicherweise gaukeln die verbesserten Behandlungsmöglichkeiten eine trügerische Sicherheit vor. Die Zahl der Betroffenen steigt weiter an - auch das ist bereits gesagt worden - und die lebenslange und hoch dosierte Medikamenteneinnahme bringt schwere körperliche und seelische Nebenwirkungen mit sich. Das bedeutet, dass sich die Arbeit der Ärzte, aber eben auch die Arbeit der Beratungsstellen verändern musste.

Wir haben in den letzten Jahren intensiv beraten, auch zusammen mit den Betroffenen, wie und welche Hilfen unter den geänderten Rahmenbedingungen nötig sind. Wir haben insbesondere auch die regionalen Gegebenheiten in Schleswig-Holstein und die Besonderheiten hier im Land gewertet. Ich habe festgestellt, dass wir in den vergangenen vier Jahren das Thema AIDS 25 Mal in den Protokollen unseres Arbeitskreises vermerkt haben. Ich denke, das macht deutlich, dass uns eine gute, und das heißt für uns auch eine flächendeckende, Versorgung und Beratung von HIV

Infizierten und AIDS-Kranken ein Anliegen ist. Dieses Anliegen - denke ich - wird auch durch die Entscheidungen bei der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2004/2005 deutlich, in dem wir dokumentiert haben, dass wir die Kontinuität bei der Förderung dieses Beratungsangebotes wollen und wünschen.

Nun ist bedauerlicherweise der Träger in Flensburg ausgefallen, der bisher das Beratungsangebot sichergestellt hat. Die Notwendigkeit für das Beratungsangebot besteht aber natürlich nach wie vor. Und auch unser Anspruch, den wir erarbeitet haben, der Anspruch an die Beratungsstellen, nämlich dass sie dezentral, dass sie unabhängig, dass sie niedrigschwellig und möglichst in freier Trägerschaft arbeiten sollen - entsprechendes ist auch in den Förderrichtlinien vorgegeben -, gilt unverändert und das wollen wir in dem gemeinsamen Antrag auch gegenüber unserer Landesregierung deutlich machen.

Wir gehen deshalb davon aus, dass die notwendig gewordene Neuregelung in Flensburg keinesfalls zum Anlass genommen werden darf, die Mittel zu kürzen. Wir gehen weiter davon aus, dass die dezentrale Arbeit im nördlichen Landesteil gesichert wird. Deshalb haben wir uns an diesem Antrag beteiligt.

Es hat sich bewährt, diese spezielle Beratung in die Hand eines freien Trägers zu geben. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, mit der Stadt Flensburg zusammen eine Lösung in diesem Sinne zu suchen.

Wir bitten heute um Abstimmung in der Sache, weil nur so dazu beigetragen werden kann, dass diese Hilfestellung für die HIV-Infizierten und AIDS-Kranken so schnell wie möglich, möglichst noch in der ersten Jahreshälfte, in Flensburg und in der nördlichen Region wieder angeboten werden kann. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und empfehle Ihnen noch einmal die Broschüre, sie liegt draußen noch aus.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich erteile Frau Abgeordneter Tengler das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Robert-Koch-Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stellen im März 2004 gemeinsam fest, dass die Gesamtzahl der in Deutschland neu diagnostizierten HIV-Infektionen im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen ist. In Deutschland infizierten sich 2003 ungefähr 2.000 Menschen

(Frauke Tengler)

neu mit dem HI-Virus, in Schleswig-Holstein waren es 50. Die neu diagnostizierten HIV-Infektionen steigen an. Die Sorglosigkeit im Umgang mit dem Schutzverhalten gegen das Virus nimmt bedauerlicherweise auch zu. Dank der permanenten Weiterentwicklung von AIDS-Medikamenten gibt es heute im Jahr 2004 zwar verbesserte Behandlungsmöglichkeiten der HIV-Infektion, aber auch deren Wirkung ist begrenzt. Die Zahl der durch AIDS bedingten Todesfälle war Gott sei Dank im Jahr 2001 geringer als in den Jahren davor.

Das mag ein Grund für die wachsende Nachlässigkeit in der Anwendung von Schutzmaßnahmen beim Geschlechtsverkehr gerade bei Jugendlichen sein. Das beweist auch der Anstieg der Abtreibungsraten bei Jugendlichen bundesweit. Die Zahl der Abtreibungen stieg bei den jungen Mädchen unter 15 bis unter 18 Jahren von 6.316 Fällen im Jahr 1996 auf 10.411 Fälle im Jahr 2002. 15 % der Jugendlichen verhüten beim ersten Mal nicht.

AIDS als Bedrohung ist aus dem Fokus geraten, weitgehend aus den Medien verschwunden, obwohl die Zahl der Neuinfizierten steigt.

Dem SSW sei Dank, dass durch seinen ursprünglichen Antrag die so hoch aktuelle Bedrohung wieder thematisiert worden ist. Die betroffenen Klienten und ihre Familien brauchen psychosoziale Beratung. Unsere Jugendlichen brauchen Information, Aufklärung und Prävention.

(Vereinzelter Beifall)

Die CDU-Fraktion erkennt und unterstützt diese Notwendigkeiten. Aber, liebe Frau Hinrichsen, die CDU-Fraktion will auch, dass die Aufgaben, die vor Ort erledigt werden können, vor Ort erledigt werden, und zwar von denen, die vor Ort die Verantwortung für diese Aufgaben tragen und daher auch den Bedürfnissen der Betroffenen vor Ort entsprechen können. Wir wollen nicht in regionale Belange hineinregieren. Dort soll die Entscheidung möglichst schnell getroffen werden, damit das Land dann die zugesagte Förderung ungekürzt und umgehend überweisen kann.

Die Themen AIDS und AIDS-Prävention müssen wieder in den Fokus auch dieses hohen Hauses rücken. Wie eine Kommune die psychosoziale Beratung von HIV-Positiven und -Gefährdeten vor Ort organisiert, ist allein ihre Verantwortung.

Wir sehen das so. Deshalb werden wir uns, wenn wir in der Sache abstimmen, der Stimme enthalten.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Kolb das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schlosser-Keichel, dass das Wort AIDS 25 Mal im Protokoll gestanden hat, hat leider den Betroffenen und auch der AIDS-Hilfe Flensburg nicht geholfen. Da müssen wir schon ein bisschen mehr tun.

Meine Damen und Herren, in Deutschland haben sich seit Entdeckung des Virus 60.000 Menschen mit HIV infiziert. Davon sind etwa 25.000 an AIDS erkrankt und rund 21.000 Frauen und Männer starben bereits daran. Eine wirksame Hilfe ist immer noch nicht in Sicht.

Gleichzeitig stellten Experten fest, dass in Deutschland mit der AIDS-Gefahr immer leichtsinniger umgegangen wird. Allerdings hat Deutschland mit rund 2.000 Neuinfektionen im Jahr dank intensiver Präventionsarbeit eine der niedrigsten HIVAnsteckungsraten weltweit. Dass dies so ist, haben wir insbesondere der engagierten Arbeit der AIDSHilfen in unserem Land zu verdanken.

(Beifall im ganzen Haus)

Gleichzeitig wird festgestellt, dass bereits heute ein Drittel der Bevölkerung nicht mehr durch Aufklärung erreicht wird. Ein großer Teil der Bevölkerung stuft die Immunschwächekrankheit als nicht mehr gefährlich ein, weil erste Therapieerfolge den Irrglauben erzeugen, dass diese Krankheit heilbar sei.

Diese neue Ahnungs- und Sorglosigkeit macht sich gerade zu einer Zeit breit, da zunehmende Mobilität und offene Grenzen die AIDS-Gefahr ohnehin erhöhen. Die baltischen Staaten und Polen, die ab Mai als unmittelbare Grenznachbarn der EU beitreten werden, verzeichnen beispielsweise rasant steigende HIV-Ansteckungsraten.

Deshalb ist es aus Sicht der FDP geradezu gefährlich und kontraproduktiv, wenn vonseiten des Landes Schleswig-Holstein öffentlich die Behauptung aufgestellt wird, dass durch die neuen, wirksamen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit HIV und AIDS so genannte AIDS-definierte Erkrankungen „nahezu nicht mehr auftreten“. So steht es in der Drucksache 15/2625.

Einerseits gibt die Landesregierung vor, dass den regionalen AIDS-Hilfe-Vereinen in der medizinischen, pflegerischen und psychosozialen Versorgung der Betroffenen und deren Angehörigen und im Hin

(Veronika Kolb)

blick auf die großen Hilfsangebote zu HIV und AIDS eine außerordentlich große Bedeutung zukommt. Andererseits wird durch eine Politik der Mittelkürzung die in Schleswig-Holstein bestehende Struktur vorhandener Hilfsangeboten zerschlagen.

Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, wenn den AIDSHilfen in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein immer mehr Aufgaben zukommen sollen, diesen aber durch Mittelkürzungen der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Es ist wichtig, die regionalen Hilfestrukturen in Schleswig-Holstein weiter zu erhalten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die AIDS-Hilfe Flensburg musste mit dem vollständigen Streichen der Finanzmittel zum 1. April 2004 seine Arbeit einstellen, nachdem die Zuschüsse des Landes bereits in den vorangegangenen Jahren erheblich gestrichen worden waren. Der genaue Hintergrund, warum die Mittel vonseiten des Landes vollständig gestrichen wurden, sind nicht bekannt.