Protocol of the Session on April 28, 2004

Um dieser Ankündigung, deren Sinn noch nicht ganz erkennbar ist, ebenfalls den nötigen Nachdruck zu verleihen, kündigt Innenminister Buß mit dem ganzen Gewicht seines politischen Amtes an, dass die Landesregierung - Zitat - bereit sei, die behutsame Änderung der Amtsordnung noch in dieser Legislaturperiode zu beginnen.

(Beifall bei der SPD)

Welch eine Selbstüberwindung, liebe Kolleginnen und Kollegen, welch ein reformerischer Ruck, der aus diesen Worten spricht!

Minister Buß beschreibt dann gar noch das Ziel dieses kraftvollen Regierungshandelns: Gelinge es, die Verwaltungskraft der Ämter weiter zu bündeln, werde ihre zentrale Rolle im ländlichen Raum noch gestärkt.

Bei diesem Punkt haben sich die Regierungsfraktionen allerdings nicht zu einer wegweisenden Initiative durchringen können. Bei so viel Behutsamkeit wird das Handeln dann doch lieber der Simonis-Regierung überlassen.

Fazit dieses überaus bedeutenden Antrages von SPD und Grünen: Abends werden die Faulen fleißig. - Fast 17 Jahre hatten die SPD und die Simonis-Regierung Zeit, Konzepte für moderne, schlanke, kostengünstige und bürgerfreundliche Verwaltungsstrukturen auch im kommunalen Bereich vorzulegen. Leider ist nichts geschehen.

Nun soll Aktivität vorgegaukelt werden. Neun Monate vor der Landtagswahl soll ein einmaliges Kopfgeld von 100.000 € für Verwaltungszusammenlegungen - ich betone - aus kommunalen Mitteln, die Zerstörung der Ehrenamtlichkeit in den Ämtern und die Defnition von Mindestgrößen bei Verwaltungseinheiten die Probleme lösen.

Die Simonis-Regierung war, ist und bleibt konzeptionslos.

(Beifall bei CDU und FDP)

Konsequenter, ehrlicher und transparent in seiner Argumentation ist dagegen der Antrag des SSW, der eine Gebietsreform in Schleswig-Holstein mit einer Mindestgröße von Gemeinden mit 8.000 Einwohnern fordert.

Die CDU lehnt eine Gebietsreform ab. Sie ist auch nicht notwendig. Die bestehende politische Gliederung im kommunalen Bereich mit Gemeinden, Städten und Kreisen sichert ein breites ehrenamtliches Engagement der Bürgerinnen und Bürger und entlastet alle staatlichen und kommunalen Ebenen von zusätzlich öffentlich zu erbringenden Finanzleistungen aus Steuermitteln. Auch Kleinstgemeinden haben ihre Daseinsberechtigung.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Sie müssen meinen Ausführungen zuhören, Herr Kollege!

Sie sind wie alle anderen kommunalen Ebenen identitätsstiftende Heimat, für die sich die Bürgerinnen und Bürger einsetzen, in denen sie Aufgaben für die Gemeinschaft übernehmen und erledigen und in denen sie sich wohl fühlen.

Anders als bei der politischen Gliederung stehen allerdings die Verwaltungsstrukturen im kommunalen Bereich aus Sicht der CDU-Fraktion zur Disposition.

Die neu zu schaffenden oder in ihren jetzigen Strukturen bestehen bleibenden Verwaltungseinheiten müssen sich allerdings anhand von vergleichbaren Kennzahlen dem Wettbewerb untereinander stellen. Wer effizient, kostengünstig und bürgernah die Verwaltungsaufgaben erfüllt, muss belohnt werden. Dies ist ein Modell für eine zukunftsorientierte kommunale Verwaltungsstruktur. Sie aber stochern nur im Nebel herum.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der FDP erhält Herr Abgeordneter Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines fällt mir auf: Je mehr wir uns dem Ende der Legislaturperiode nähern, desto mehr häufen sich Veranstaltungen und Initiativen, die sich mit den Verwaltungsstrukturen der Kommunen befassen - als läge der Schlüssel zur Lösung aller Probleme des Landes in der Zusammenlegung von Gemeinden oder zumindest ihrer Verwaltungen! Dabei können wir feststellen, dass die Zufriedenheit der Einwohnerinnen und Einwohner mit ihrer Verwaltung vor Ort sehr hoch ist. Genauso ist uns bekannt, dass die Verwaltungen äußert effektiv und kostengünstig arbeiten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

(Günther Hildebrand)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Sie sollten sich viel mehr mit den Strukturen in der Landesverwaltung befassen. Die so genannte Reform des letzten Jahres kann nicht ernsthaft der Weisheit letzter Schluss sein.

Warum wird die kommunale Struktur immer wieder thematisiert? Zum einen geschieht dies sicherlich wegen der äußerst schlechten finanziellen Situation der Kommunen. Diese könnte die Koalition aber schon dadurch wesentlich verbessern, indem sie sich nicht mehr Jahr für Jahr aus der Finanzausgleichsmasse bedienen würde. Zum anderen gibt es zugegebenermaßen Merkwürdigkeiten in bestimmten Bereichen der kommunalen Verwaltung. Ich nenne hier zum Beispiel die so genannten Kragenämter, deren Verwaltungen in mehreren Fällen sicherlich mit denen der zentralen Orte zusammengefasst werden könnten, wobei die Verwaltungen trotzdem insgesamt effizienter und kostengünstiger arbeiten können, ohne dass Bürgernähe verloren geht.

Der uns vorliegende und von der Landesregierung bestellte Antrag der rot-grünen Regierungsfraktionen ist so unbestimmt, allgemein und unverbindlich, dass man ihn kaum ablehnen kann. Dass der Innenminister einen Beratungserlass mit Leitlinien für die interkommunale Zusammenarbeit vorlegen und darin konkrete Möglichkeiten der interkommunalen Zusammenarbeit aufzeigen soll, kann von uns mitgetragen werden.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Allerdings sollte er den Fraktionen schon im Entwurf zur Diskussion überlassen werden, damit wir nicht wieder mit einem fertigen Erlass konfrontiert werden. Die finanzielle Förderung von Verwaltungszusammenlegungen ist sicherlich ein Anreiz für Gemeinden. 100.000 € für jede beteiligte Einheit haben aber nur einen Einmaleffekt. Diese Summe soll nach dem Willen der Landesregierung aus dem Finanzausgleich finanziert werden und geht damit den anderen Kommunen verloren. Wenn die Reform aber ein echtes Anliegen der Landesregierung ist, dann sollte sie diese Förderung auch aus eigenen Haushaltsmitteln vornehmen.

(Beifall bei der FDP)

Es ist wichtig zu beweisen, dass nachhaltige Einsparmöglichkeiten gegeben sind. Aus diesem Grund sollte sich die Landesregierung infrage kommende Kommunen suchen, die bereit sind, ihre Verwaltungen mit wissenschaftlicher Begleitung zusammenzulegen. An solchen Modellfusionen kann dann aufgezeigt werden, welches Sparpotenzial bei gleichzei

tiger Effizienzsteigerung besteht. Dies wird dann sicherlich auch für andere Gebietskörperschaften beispielgebend sein.

Bei diesen gesamten Überlegungen darf der aufschlussreiche Bericht des Landesrechnungshofs nicht außer Acht gelassen werden. Dass der Gesetzgeber allerdings als letzte Möglichkeit Zusammenschlüsse auch gegen den ausdrücklichen Willen der entsprechenden Kommunen durchsetzen soll, findet nicht unsere Zustimmung. Zu bedenken ist auch, dass ein Zusammenschluss von kleinen Gemeinden nicht zu den Folgen führen darf, die jetzt in der Stadt Fehmarn vorliegen. Fehmarn hat nun aufgrund seiner Einwohnerzahl den gesetzlichen Zwang, eine Stelle für eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einzurichten. Fehmarn erhält nun geringere Schlüsselzuweisungen als die einzelnen Gemeinden in der Summe vor der Fusion. Auch dies kann nicht angehen.

Durch Verwaltungszusammenlegungen erfolgte Einsparungen müssen den betroffenen Gemeinden selbstverständlich zur Erledigung ihrer Aufgaben erhalten bleiben. Alles andere würde Vertrauen zerstören und schon erste Schritte blockieren. Die Diskussion über die kommunale Verwaltungsstruktur in Schleswig-Holstein wird sicherlich weitergeführt. Voraussetzung hierfür ist allerdings eine vernünftige Funktionalreform mit klaren Aufgabenverteilungen.

(Beifall bei der CDU)

Ohne zu wissen, welche Aufgaben zukünftig von welcher Ebene erledigt werden sollen, sind alle Überlegungen zur Verwaltungsstrukturreform nur Sandkastenspiele.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und Bei- fall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Zum SSW-Antrag ist Folgendes zu sagen: Der Antrag ist in sich sicherlich schlüssig. Es gibt hier aber grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen. Sie sind für eine Gemeindegebietsreform, also für das Zusammenlegen von Gemeinden auch per Gesetz. Dies kommt für uns nicht infrage. Dass der uns vorliegende Antrag allerdings von der Fraktion der Grünen mitgetragen wurde, ist schon verwunderlich. Wenn man das Konzept der Grünen sieht, dann kann ich überhaupt keine Übereinstimmung feststellen. Ich war verwundert, dass Frau Fröhlich vorhin Beifall klatschte, als gesagt wurde, dass alles auf Freiwilligkeit beruhen solle. Wenn ich das Papier der Grünen richtig gelesen habe, dann ist das so sicherlich nicht

(Günther Hildebrand)

vorgesehen. Wir beantragen die Überweisung der Anträge an den Innen- und Rechsausschuss.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn sich ein Land, das finanziell seit langem mit dem Rücken an der Wand steht, die teuersten Kommunen in ganz Deutschland leistet, dann wird es Zeit, dass sich das ändert. Wir werden jeden Antrag unterstützen, der etwas in Bewegung bringt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist schon bezeichnend, dass ein basisdemokratisch organisiertes Land wie Dänemark darüber diskutiert, ob in Zukunft 20.000 oder 30.000 Einwohner die Mindestgröße einer selbstständigen Gemeinde sein sollen, und sich in Schleswig-Holstein in 30 Jahren so genannter freiwilliger Reform fast nichts bewegt hat.

Es ist auch bezeichnend, was der Gemeindetag dazu sagt: Die Kommunen seien deshalb so teuer, weil sie in Schleswig-Holstein mehr Aufgaben haben als anderswo. Daraus schließe ich, dass es konsequent wäre, Aufgaben zusammenzufassen. Was aber fordern die Kreise? Sie wollen noch mehr Aufgaben. Ich befürchte deshalb: Wenn wir die Umwelt-, die Agrar-, die Straßenverwaltung oder die Katasterämter in den jetzigen Strukturen an die Kommunen geben würden, dann bräuchten wir noch ein paar Tausend Staatsdiener mehr.

Immer wieder wird argumentiert, unsere kleinen Kommunen wären besonders bürgernah und demokratisch. Das Gegenteil ist der Fall. Unsere Strukturen sind undemokratisch, weil in den kleinen Gemeinden immer weniger entschieden wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dort aber, wo die Entscheidungen fallen, nämlich in den Ämtern, in den Zweckverbänden und in den ausgelagerten Gesellschaften, gibt es keine direkt gewählten Vertreter.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

In den Kreisen gilt das Gleiche: 80 % bis 90 % der Aufgaben sind staatlicher Natur. Hier dürfen die gewählten Vertreterinnen und Vertreter nicht mitentscheiden. Die restlichen Aufgaben sind meistens überkreislich organisiert oder ausgelagert, wie zum Beispiel der Verkehr, der Abfall oder die Wirtschaftsförderung. Unsere Strukturen sind auch nicht bürgerfreundlich. Wer in einer amtsangehörigen Gemeinde lebt, hat es mal mit dem Bürgermeister, mal mit dem Schulzweckverband, mal mit dem Amt und mal mit dem Kreis zu tun. Das ist nicht bürgerfreundlich, das ist verwirrend!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Günther Hildebrand [FDP]: Sie wissen nicht, wovon Sie reden!)

Die Zuordnung der staatlichen Behörden ist noch beliebiger. Beinahe jede Verwaltung hat ihre eigenen Gebietszuordnungen. Das gilt für die Polizei, die Gerichte und so weiter. All das ist historisch gewachsen.

Meine Fraktion hat sich ein Jahr lang mit Kommunalpolitikern aus fast allen Kreisen Schleswig-Holsteins zusammengesetzt, die Aufgaben der verschiedenen Ebenen analysiert und daraus ein Konzept für eine Verwaltungsstrukturreform vorgelegt. Wir schlagen vor, die Ämter und kleineren selbstständigen Gemeinden zu Amtsgemeinden zusammenzufassen, die mindestens ungefähr 20.000 Einwohner umfassen sollen und einen direkt gewählten Bürgermeister an der Spitze haben. Diese Gemeinden können dann alle Aufgaben der jetzigen Kommunen und einen großen Teil der Aufgaben der Kreise und Zweckverbände übernehmen, und zwar von der KFZ-Anmeldung über das Bauamt, vom Jugendamt bis zur Schulträgerschaft. Es gibt also ein Amt für alle Angelegenheiten und alle Aufgaben, die den Bürger betreffen. Das ist wirklich bürgerfreundlich.