Ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Aussprache ein. Das Wort für die antragstellende Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen den folgenden Antrag:
Erstens. Der Landtag bittet den Innenminister, in einem Beratungserlass Leitlinien für die interkommunale Zusammenarbeit vorzulegen und konkrete Möglichkeiten aufzuzeigen.
Zweitens. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, konkret eingeleitete Prozesse interkommunaler Zusammenarbeit bis hin zum Zusammenschluss von Kommunen nachhaltig zu unterstützen und dabei finanzielle Anreize auch durch den Einsatz von Landesmitteln zu schaffen.
Drittens. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, unverzüglich einen Gesetzentwurf einzubringen, der die freiwillige Zusammenarbeit von Verwaltungen im kommunalen Bereich fördert und dabei auch neue Formen kommunaler Zusammenschlüsse ermöglicht.
Die Ministerpräsidentin und der Innenminister haben bei einem Fachgespräch mit gut 100 Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen bereits heute vor einer Woche fast wortgleich zugesagt, die Kommunen bei der freiwilligen interkommunalen Zusammenarbeit mit Richtlinien zu unterstützen und zu beraten, Verwaltungszusammenschlüsse schon im laufenden Haushaltsjahr finanziell zu fördern und den gestarteten Prozess der kommunalen Verwaltungsstrukturreform auch gesetzgeberisch weiter zu begleiten. Wir freuen uns, dass die Landesregierung zugesagt hat, unseren Antrag umzusetzen, bevor wir ihn hier gestellt haben - ein aus parlamentarischer Sicht durchaus begrüßenswertes Beispiel für vorauseilenden Gehorsam.
Zum Antrag selbst! Im Bereich der kommunalen Verwaltungsstruktur haben alle Landesregierungen seit den 70er-Jahren keine grundlegenden Veränderungen mehr forciert. Die veränderten Rahmenbedingungen, sinkende finanzielle Leistungsfähigkeit, verbesserte technische Möglichkeiten und erhöhte fachliche Anforderungen, erfordern allerdings - wie wir meinen -, konkrete planerische und notfalls, erforderlichenfalls auch gesetzgeberische Überlegungen für eine neue Struktur der mehr als 200 hauptamtlich geleiteten kommunalen Verwaltungen in Schleswig-Holstein.
Der Innenminister hat den Meinungsbildungsprozess zu diesem Themenbereich schon vor einiger Zeit wieder angestoßen. Der Landesrechnungshof unterstützt das Anliegen durch einen gutachterlichen Bericht, der im Dezember 2003 vorgelegt worden ist. Im Einvernehmen mit den kommunalen Landesverbänden sind auch bereits Mittel des Finanzausgleichs und des kommunalen Investitionsfonds für die Fortentwicklung der Verwaltungsstruktur bereitgestellt worden.
Unsere Anträge sollen unterstreichen und den Kommunen signalisieren, dass der Landtag die eingeleitete Entwicklung nachhaltig unterstützt und dass den ersten Erfolgen möglichst viele weitere hinzugefügt werden sollen.
Lassen Sie mich eines allerdings nochmals ganz deutlich aus der Sicht unserer Fraktion betonen. Für uns bedeutet Verwaltungsstrukturreform nicht Gebietsreform von oben, nicht die Abschaffung der Kreise und nicht die Zerschlagung der gewachsenen
Wir sind bereit, bei den anstehenden Beratungen und Entscheidungen alles auf den Prüfstand zu stellen. Wir sagen: Für uns gibt es kein Tabu, aber
- Herr Kollege Kayenburg, wir wollen in den betroffenen Kreisen, Ämtern und Gemeinden auch keine Panik aufkommen lassen - aus der Sicht des Landes sollte Verwaltungsstrukturreform keine Verwaltungsgebietsreform, sondern Verwaltungsaufgabenreform sein,
und zwar vor allem und zunächst auf der Landesebene selbst und sodann und im Zusammenhang damit auf der kommunalen Ebene.
Soweit die Kommunen betroffen sind, wird es aus der Sicht der SPD-Landtagsfraktion keinen landesgesetzlichen Zwang geben. Aufgabenverlagerungen von der staatlichen auf die kommunale Ebene müssen nach unserer Auffassung dem Prinzip der Freiwilligkeit folgen. Das Land bietet an, die Kommunen akzeptieren - oder auch nicht. Auch im Verhältnis der Kommunen zueinander - das ist ja das eigentliche Thema unseres heutigen Tagesordnungspunktes - soll es keinen Zwang, sondern allenfalls finanzielle oder sonstige Anreize zur freiwilligen interkommunalen Zusammenarbeit geben.
Die dafür schon jetzt vorhandenen gesetzlichen Instrumente - das Gesetz über kommunale Zusammenarbeit und die Amtsordnung seien hier genannt - können dafür weiterhin genutzt, aber auch angepasst und ausgebaut werden; das ist das Anliegen der Nummer 3 unseres Antrages.
Es gibt bereits eine Reihe vorbildlicher Beispiele freiwilliger kommunaler Zusammenarbeit in Schleswig-Holstein. Sie reichen von der lockeren Verwaltungsarbeitsgemeinschaft der Stormarner Gemeinden Großhansdorf, Ammersbek, Tangstedt und Trittau über den freiwilligen Zusammenschluss aller bisherigen Gemeinden der Insel Fehmarn zu einer einzigen neuen Gemeinde, der Stadt Fehmarn, bis hin zur geplanten Umstrukturierung der Gemeinden Heikendorf, Schönkirchen und Mönkeberg zu einem hauptamtlich verwalteten Amt; das ist ein weiteres aktuelles Beispiel.
Wir wenden uns - auch das will ich hier deutlich sagen - gegen die technokratische und oftmals rein fiskalische Betrachtungsweise anderer Fraktionen des Landtages, die die Vielzahl kleinerer Gemeinden in Schleswig-Holstein mit landesgesetzlichem Rigorismus zur Aufgabe ihrer Identität und Souveränität zwingen wollen.
Gerade kleinere Gemeinden, meine Damen und Herren, schaffen für unsere Bewohnerinnen und Bewohner Heimat im bestverstandenen Sinne, weil dort das bürgerschaftliche Zusammengehörigkeitsgefühl und das ehrenamtliche Engagement naturgemäß intensiver sind als in größeren künstlich geschaffenen Verwaltungseinheiten.
In Respekt vor der verfassungsrechtlichen Garantie kommunaler Selbstverwaltung lautet unser oberster Grundsatz für eine kommunale Verwaltungsstrukturreform deshalb weiterhin: Wo sich Bürger selbst verwalten, hat der Staat sich auszuhalten!
Wir sind, meine Damen und Herren, auf die konkreten Leitlinien und Gesetzentwürfe der Landesregierung gespannt und werden die weitere Entwicklung in den Ämtern, Kreisen und Gemeinden unseres Landes aufmerksam verfolgen und begleiten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach 17 Jahren Regierungszeit von SPD - und zeitweise waren auch die Grünen beteiligt - sollen nun bei den Verwaltungsstrukturen der Kommunen die revolutionäreren Vorschläge dieser beiden Fraktionen die interkommunale Zusammenarbeit fördern und offensichtlich zu wesentlich effizienteren und kostengünstigeren Verwaltungsstrukturen führen.
Der Innenminister - man höre und staune - solle einen „Beratungserlass“ herausgeben, der konkrete Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit
aufzeigen solle, fordern SPD und Grüne, und dann werden die Antragssteller noch konkreter und fordern die Landesregierung sogar auf, die eingeleiteten Prozesse der interkommunalen Zusammenarbeit zu fördern, und zwar nachhaltig - ich unterstreiche das Wort „nachhaltig“.
Besonderen Nachdruck verleihen die beiden Regierungsfraktionen diesem fast revolutionär erscheinenden Reformansatz durch die Forderung, dabei finanzielle Anreize auch durch den Einsatz von Landesmitteln zu schaffen. Die Verwunderung darüber, woher denn diese Landesmittel trotz des bereits verabschiedeten Doppelhaushaltes 2004/2005 kommen sollen, hat die Ministerpräsidentin in dem Fachgespräch mit den Kommunen am 21. April 2004 in ihrer wegweisenden Rede bereits aufgezeigt.
Sie hat klipp und klar erklärt, dass - wörtliches Zitat - „dafür tatsächlich Geld im Haushalt“ bereitgestellt werde. Technisch wird die Angelegenheit mit echt simonisscher Regierungskunst gelöst. Die Regierungschefin erläutert dem erstaunten Publikum die seltsame Vermehrung des nicht vorhandenen Geldes im Landeshaushalt - Zitat -:
„Wir ergänzen die Richtlinien zum kommunalen Bedarfsfonds. Danach ist es ab sofort möglich, eine einmalige Zuweisung von 100.000 € aus Mitteln des kommunalen Finanzausgleichs je wegfallender Verwaltung zu gewähren.“
Nun wissen wir es, meine liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Kommunen dürfen ihren Reformeifer mit ihrem eigenen Geld belohnen.
Der Finanzsegen geht aber noch weiter: In diesem Haushaltsjahr sollen noch einmal 100.000 € an die Kommunen ausgeschüttet werden, die ihre IT-Infrastruktur vereinheitlichen. Wenn sich 500 Kommunen an dem Projekt beteiligen, erhält jede Kommune 200 €.
Halbiert sich die Zahl der innovationsbereiten Kommunen, so verdoppelt sich die Prämie. So schafft man Anreize, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Außerdem fordern Grüne und SPD dann noch, die unter Punkt 1 im Antrag geforderten Leitlinien zur interkommunalen Zusammenarbeit unter Punkt 3 des Antrages in die Form eines richtigen Gesetzentwurfes zu gießen, damit auch neue, allerdings noch undefinierte Formen der kommunalen Zusammenarbeit gefördert und ermöglicht werden.
Noch mutiger als die Ministerpräsidentin und die Fraktionen von SPD und Grünen ist der Kommunalminister. Er kündigte in dem Fachgespräch mit den Kommunen an, dass er die Hauptamtlichkeit größerer Ämter ermöglichen und sie ab der Einwohnerzahl von 15.000 sogar obligatorisch vorschreiben wolle.
Um dieser Ankündigung, deren Sinn noch nicht ganz erkennbar ist, ebenfalls den nötigen Nachdruck zu verleihen, kündigt Innenminister Buß mit dem ganzen Gewicht seines politischen Amtes an, dass die Landesregierung - Zitat - bereit sei, die behutsame Änderung der Amtsordnung noch in dieser Legislaturperiode zu beginnen.