Protocol of the Session on March 11, 2004

Ich erteile zunächst für die Landesregierung dem zuständigen Minister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Umsetzung des Integrationskonzeptes begann nicht erst mit seiner Fertigstellung im Sommer 2002 und sie ist noch lange nicht abgeschlossen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Einige Vorhaben liefen bereits im Sommer 2002, andere kamen neu hinzu. Allen gemeinsam aber war und ist die Einbindung in die Integrationspolitik der Landesregierung.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Schleswig-Holstein hat sich damit ganz klar und bundesweit als eines der ersten Länder der Aufgabe der Integration von Migrantinnen und Migranten gestellt.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die Bedeutung des Integrationskonzeptes liegt darin, dass auf der Grundlage einer erstmaligen umfassenden Bestandsaufnahme längerfristige Perspektiven entwickelt und konkrete Vorhaben geplant und zusammengeführt worden sind.

(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Eine Stärke des umfassenden Ansatzes ist, dass die Einzelmaßnahmen in einen Kontext mit anderen Maßnahmen gestellt und abgestimmt sowie vernetzt werden - wie es heute heißt. Das erlaubt eine permanente Fortentwicklung.

Integration ist Daueraufgabe und muss sich stets neuen Herausforderungen stellen.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Das gilt sowohl für die einzelne Migrantin und den einzelnen Migranten als auch für die Gesellschaft mit ihren Institutionen. Mit der Umsetzung des Integrationskonzeptes beeinflusst die Landesregierung Rahmenbedingungen. Integrationspolitik muss aber auch auf deren Veränderungen, wie die Verzögerungen beim Zuwanderungsgesetz oder neue Handlungsansätze anderer Beteiligter, flexibel reagieren können.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD], Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Das kann das Integrationskonzept, weil die Aufgabe der Integration als Querschnittsaufgabe formuliert ist, die über die einzelnen Formen hinaus eine Leitlinie für das Verwaltungshandeln in den verschiedenen Bereichen darstellt.

Der vorliegende Bericht zeigt entsprechend der Bitte des Landtags die Vielzahl der Maßnahmen auf, die das Gesundheitsministerium seit Juli 2002 im Bereich Gesundheit und Pflege umgesetzt hat.

Die Aktivitäten des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums zu Eingliederung von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt und zur Verbesserung des Zugangs zur beruflichen Ausbildung werden in dem Kapitel „Arbeit und Beschäftigung“ dargestellt.

Die Landesregierung hat die Schwerpunktsetzung des Landtags um ein drittes Handlungsfeld ergänzt: Spracherwerb. Der Vermittlung von Kenntnissen der

(Minister Klaus Buß)

deutschen Sprache kommt nach unserer und meiner festen Überzeugung im Integrationsprozess absolut vorrangige Bedeutung zu. Sie ist der Schlüssel für aktive Teilhabe in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt und in allen anderen Handlungsfeldern. Der Bericht stellt hier die Sprachvermittlung in Kindertagesstätten und Schulen sowie die Aktivitäten bei der Sprachförderung älterer Jugendlicher und Erwachsener dar.

Die sechs weiteren Handlungsfelder des Integrationskonzepts werden entsprechend dem Wunsch des Landtags nach Schwerpunktsetzung kurz und auf besonders bedeutsame Vorhaben beschränkt behandelt. Bei allen Handlungsfeldern stellt der Bericht gleichsam einen Zwischenstand dar. Die Aufgabe der Integration wird alle Ebenen staatlichen Handelns und nichtstaatliche Stellen auch in Zukunft weiter und verstärkt fördern.

Abschließend gebe ich einen Ausblick. Die Ergebnisse der Diskussionen zur Sprachförderung durch das Zuwanderungsgesetz und der Inhalt des bundesweiten Integrationsprogramm werden auch die Integrationslandschaft in Schleswig-Holstein beeinflussen. Die Landesregierung nimmt hier aktiv Einfluss auf die Ausgestaltung der Integrationspolitik auf Bundesebene. Hier hat sich Schleswig-Holstein nicht zuletzt als vorbildliches Land der Länderarbeitsgemeinschaft für Integration und Flüchtlingsfragen allgemeine Anerkennung erworben. Die Landesregierung wird mit Blick darauf aber auch ihre Integrationspolitik weiterentwickeln, und zwar im Interesse sowohl der Gesamtgesellschaft als auch und vor allem jeder einzelnen Migrantin und jedes einzelnen Migranten.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das war der Bericht, der mit der Drucksache 15/2992 gefordert wurde.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berichtsantrag stammt von den Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er bezog sich zunächst nur auf die Themenbereiche Gesundheit und Pflege - jedenfalls vorrangig - sowie auf Arbeitsmarkt und Beschäftigung. Mit Blick auf die Bedeutung deutschsprachiger Kenntnisse - der Herr Minister hat darauf hingewiesen - ist ein weiterer Schwerpunkt des Berichts der Spracherwerb, dabei insbesondere die Sprachvermittlung und die Sprachförderung in Kin

dertagesstätten und Schulen sowie die Sprachkursförderung für ältere Jugendliche und Erwachsene.

Als weitere Handlungsfelder werden dankenswerterweise dargestellt die konzeptionelle Einbeziehung der Menschen mit Migrationshintergrund in das kulturelle und soziale Leben in Schleswig-Holstein und die Einrichtung eines flächendeckenden Netzes von Migrations- und Sozialberatungsstellen in allen Kreisen und kreisfreien Städten mit erheblicher, auch finanzieller Unterstützung des Landes, Herr Kollege Kubicki.

Für die Landtagsfraktion danke ich der Landesregierung und insbesondere dem Innenminister und seinen zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich für den Bericht. Der Bericht ist vorbildlich. Er zeigt, dass auf Landesebene auch ohne richtungweisendes Bundesrecht verdienstvolle Integrationsarbeit geleistet werden kann und wird. Die Landesregierung weist zutreffend auf bundesrechtliche Rahmenbedingungen hin, die es eigentlich geben müsste, die es aber immer noch nicht gibt.

So fehlt immer noch ein Antidiskriminierungsgesetz des Bundes, das aufgrund von Richtlinien der Europäischen Union längst vorhanden sein müsste. Die EU hat in den Jahren 2000 bis 2002 insgesamt drei Richtlinien erlassen, die zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in nationales Recht umzusetzen sind. Die Richtlinien betreffen die Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters sowie der sexuellen Identität und des Geschlechts. Sie fordern Gleichberechtigung ein hinsichtlich des Zugangs zu Beschäftigung und zu beruflicher Bildung und fordern Diskriminierungsschutz auch im Hinblick auf soziale Sicherheit und Gesundheit, im Hinblick auf Bildung und Ausbildung sowie im Hinblick auf die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen einschließlich Wohnraum. Die konkrete Ausgestaltung der Umsetzung der EU-Richtlinien ist auf Bundesebene noch in der Diskussion. Die Bundesrepublik ist mit der Umsetzung in Verzug.

Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Landtagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schon 1998 einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht haben, mit dem der Schutz und die Förderung sozialer Minderheiten als Staatsziel verfassungsrechtlich verankert werden sollten. Ganz im Sinne der später ergangenen EU-Richtlinien sollte das Land Sorge dafür tragen - ich zitiere -, „dass niemand wegen seiner Herkunft, seiner Abstammung, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner sozialen Stellung, seiner Sprache, seiner politischen,

(Klaus-Peter Puls)

weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung, seines Geschlechts oder seiner sexuellen Identität bevorzugt oder benachteiligt wird“.

Für dieses integrationspolitische Staatsziel als Leitlinie konkreter Landespolitik konnten sich CDU und FDP leider nicht erwärmen, sodass die erforderliche verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit bisher jedenfalls nicht erreicht wurde. Wir freuen uns, dass die Landesregierung trotzdem konkrete Integrationspolitik in Schleswig-Holstein nicht nur konzipiert, sondern auch praktiziert.

Noch schwerer tut sich die Bundesebene mit dem seit Jahren diskutierten Zuwanderungsgesetz. Auch darauf hat der Minister hingewiesen. Die überfällige Regelung für eine wirtschaftlich vernünftige Zuwanderung ausländischer Fachkräfte in den deutschen Arbeitsmarkt, für den humanitär gebotenen Flüchtlingsschutz auch und insbesondere in Härtefällen und nicht zuletzt für ein verbindliches Integrationsprogramm, das nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten enthält, gibt es immer noch nicht.

Man kann nur hoffen, dass der gesamte auf Bundesebene versammelte und zum Teil ideologisch verrammelte Sachverstand morgen im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat den Durchbruch endlich schafft.

(Beifall bei der SPD)

Für Schleswig-Holstein wäre das von besonderer Bedeutung, weil dann endlich für die beim Innenministerium bestehende Härtefallkommission auch eine konkrete Rechtsgrundlage vorhanden wäre, die die dort seit Jahren stattfindende Integrationsarbeit der Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Flüchtlingsorganisationen noch erfolgreicher machen könnte.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind mit der Landesregierung der Auffassung, dass Integration eine Daueraufgabe ist. Wir freuen uns, dass sie in Schleswig-Holstein als Querschnittsaufgabe aller Kabinettsressorts verstanden und geleistet wird.

Der Bericht ist eine gute Grundlage für die weitere, auch landesparlamentarische Arbeit. Er sollte mit dieser politischen Ausrichtung im zuständigen Fachausschuss mit allen Einzelaspekten eingehend beraten werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Klaus Schlie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Puls, wenn man Ihnen zuhört, könnte man wirklich denken: Es ist auch in diesem Punkt in Schleswig-Holstein alles in Ordnung. Aber ich denke, Sie wissen selber, dass das nicht der Fall ist.

Im Mai 2001 hat meine Fraktion den Antrag zur Integration dauerhaft hier lebender Ausländer in den Landtag eingebracht. Seitdem ist mit dem nunmehr vorgelegten Bericht, der vor fast genau 2 Jahren im Plenum beratenen Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur Gesundheitssituation der Migrantinnen und Migranten in Schleswig-Holstein und dem danach im Sommer vorgestellten Konzept der Landesregierung zur Integration von Migrantinnen und Migranten zwar viel Papier beschrieben worden, aber große Erfolge, Herr Kollege Puls, sind dabei nicht herausgekommen. Ich weiß ganz genau, dass gerade Ihnen das sehr am Herzen liegt. Sie wollen, dass der Integrationsprozess Erfolge bringt. Aber ich glaube, es ist nicht alles so rosarot, wie Sie es hier darstellen.

Wie bereits in der Antwort auf die Große Anfrage aus dem Jahr 2002 nachzulesen ist, stellt die Landesregierung nach wie vor auf die Eigenständigkeit der Migrantinnen und Migranten ab. Es ist richtig, dass sie selbst Anstrengungen einbringen müssen, um Chancengleichheit sowohl beim Zugang zum Gesundheitswesen als auch zum Arbeitsmark herzustellen. Ihre Selbsthilfepotentiale müssen mit Nachdruck gefördert werden.

Die dafür von der Landesregierung aufgezeigten Maßnahmen können mich allerdings nicht überzeugen, weil sie ein wirkliches Konzept vermissen lassen. Es handelt sich um Schlagworte. Für mich ist eine erfolgreiche Integration nach wie vor unabdingbar mit dem Erwerb und der Kenntnis der deutschen Sprache verbunden. Sie ist überhaupt die unverzichtbare Voraussetzung zur Beseitigung sozialer Benachteiligungen und zur Erreichung schulischer, beruflicher und gesellschaftlicher Erfolge.

(Beifall bei CDU und FDP)

Oftmals werden Defizite in der Beherrschung der deutschen Sprache fälschlicherweise mit fehlender Intelligenz gleichgesetzt. Das ist eine wirklich fatale Einschätzung. Deshalb hat die CDU in ihrem Antrag

(Klaus Schlie)

vom Mai 2001 die Sprachkompetenz und insbesondere das Erlernen der deutschen Sprache für alle auf Dauer bei uns lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger als obligatorisch, als verbindlich gefordert.