Protocol of the Session on March 11, 2004

vom Mai 2001 die Sprachkompetenz und insbesondere das Erlernen der deutschen Sprache für alle auf Dauer bei uns lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger als obligatorisch, als verbindlich gefordert.

Das 116 Seiten umfassende Konzept der Landesregierung vom Juni 2002 widmet dem Spracherwerb ganze zehn Seiten. Das muss natürlich nichts besagen, wenn inhaltlich wirklich etwas drinstehen würde und, was noch wichtiger ist, wenn tatsächlich Maßnahmen in Gang gesetzt worden wären. Es geht von einem FünfSäulen-Modell aus, das den Spracherwerb für alle Kinder, Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund verbessern soll. Auch der nunmehr vorgelegte Bericht spricht von diesem Fünf-Säulen-Modell. Einen guten Ansatz dieses Modells sehe ich in der Sprachförderung von Kindern, die keine Kindertagesstätte besuchen

(Beifall bei CDU und FDP)

und die mit ihren Eltern zu einem Einschulungsgespräch gebeten werden, um sie gegebenenfalls in einem Deutschintensivkurs zu fördern. Allerdings sehe ich nicht, inwieweit diese Sprachintensivmaßnahmen bisher erfolgreich waren und in welchem Maße diese Förderung nach der Einschulung fortgesetzt wird. Es ist nach zwei Jahren wirklich erforderlich, hier eine Bilanz zu ziehen und nicht nur zu sagen, wir haben damit angefangen. Ich kann nur sagen, dass die Landesregierung bessere Erfolge vorweisen könnte, wenn sie unseren Integrationsantrag umgesetzt hätte, denn für uns ist nach wie vor das Erlernen der deutschen Sprache unabdingbar mit einer erfolgreichen Integration verbunden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nach wie vor fordern wir, dass spezielle Sprachlernprogramme für Frauen angeboten werden, die nicht berufstätig sind. Wir wissen, wie wichtig das ist. Insofern war ich angenehm überrascht, in dem Bericht zu lesen, dass die Sprachförderung von Migrantenmüttern und Kleinkindern vor Eintritt in die Schule ein Thema ist. Herr Innenminister, das ist übrigens auch ein Thema, über das wir im Innen- und Rechtsausschuss miteinander diskutiert haben. Auch hier könnte der Verkehrskasper inhaltlich einen guten und wesentlichen Beitrag leisten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Allerdings frage ich mich, warum lediglich 25 Familien - beziehungsweise Mütter - bis 2005 die Möglichkeit erhalten sollen, an einem solchen Sprachförderkurs teilzunehmen. Warum unternimmt die Lan

desregierung nicht den Versuch, einen viel größeren Personenkreis zu beteiligen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich stimme mit der Landeregierung darin überein, dass Erwerbstätigkeit einerseits die Grundlage für eine erfolgreiche ökonomische und gesellschaftliche Integration der Migrantinnen und Migranten darstellt, andererseits aber in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit die Arbeitsmarktchancen der einheimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht beeinträchtigt werden dürfen. So wichtig Projekte wie Ausbildung und Integration von Migrantinnen und Migranten und die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen sind, so darf angesichts von mehr als 4,6 Millionen offiziell gemeldeten Arbeitslosen und insgesamt nahezu 7,8 Millionen Arbeit suchenden Menschen in Deutschland nicht übersehen werden, dass der deutsche Arbeitsmarkt überstrapaziert ist.

(Beifall bei der CDU)

Insofern komme ich zum Schluss, Herr Präsident, und sage abschließend: Es darf auch beim Zuwanderungsgesetz keine faulen Kompromisse zulasten der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben. Einig sind wir darin, dass es ein solches Gesetz geben muss. Ich denke aber wirklich, dass es notwendig ist, dass die Dinge ausdiskutiert werden. Ich bin schon der Auffassung, die Sie geäußert haben, dass sich hier letztendlich keine ideologischen Barrieren durchsetzen dürfen. Deswegen ist es richtig, dass unsere Leute so hartnäckig verhandeln.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Schlie ist mir doch mehr ans Herz gewachsen als der Kollege Schily!

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger ist eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Darauf haben bisher alle Redner hingewiesen. Dennoch kann man die tolerante Gesellschaft, die wir uns alle wünschen, nicht einfach per Gesetz oder per Knopfdruck vorschreiben. Solange einige konservative Kräfte im Bereich der Sicherheitspolitik noch la

(Wolfgang Kubicki)

tent fremdländische Kulturen als Sicherheitsproblem darstellen, solange extra Gesetze geschaffen werden, die nur den Zwecke erfüllen, Kopftücher an staatlichen Einrichtungen generell zu verbieten, ohne im Einzelfall festzustellen, ob es sich hierbei wirklich um ein Symbol extremistischer Überzeugung handelt, solange wird auch ein Klima des Misstrauens innerhalb der Bevölkerung gegenüber fremdländischen Kulturen zumindest nicht behindert, wenn nicht sogar befördert.

(Beifall der Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD] und Lars Harms [SSW])

Auch die immer länger währende Debatte um ein neues Zuwanderungsgesetz verstärkt in Teilen der Bevölkerung den Eindruck, dass Zuwanderung und Ausländer bei uns ein Problem darstellen. Dies führt zu entsprechenden Reaktionen bei bestimmten Bevölkerungsgruppen. Die dabei ewig andauernden Forderungen der Union, die Abschiebung im Rahmen des neuen Zuwanderungsgesetzes durch die so genannte Verdachtsausweisung weiter zu erleichtern, bestätigen diejenigen in der Bevölkerung, die ausländischstämmige Mitbürger für kriminogen halten.

Wer sich nicht ordentlich unterhalten kann, der kann sich auch nicht richtig verstehen. Die Sprachvermittlung ist also ein zentraler Punkt zur Integration von Migrantinnen und Migranten. Herr Kollege Innenminister Buß, darauf haben wir in der Vergangenheit bedauerlicherweise nicht den Wert gelegt, den wir darauf hätten legen müssen. Ich erinnere daran, dass wir bei der Frage der Einschulung keine vorherigen Sprachkurse vorgeschrieben haben. Beispielsweise hat mein Ortsverband in Strande, aus dem ich komme, die Kosten für die Sprachausbildung einer russischen Aussiedlerin übernommen, weil die entsprechenden staatlichen Programme zusammengestrichen worden sind. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass eine der sinnvollsten Maßnahmen zur Integration überhaupt, nämlich die Sprachförderung, bedauerlicherweise finanziell etwas unter die Räder gekommen ist.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Bisher findet Sprachförderung an den Schulen nur rudimentär statt. Das ist erstens nicht ausreichend und zweitens ist diese Sprachförderung in der Schule im Prinzip schon zu spät. Wir wissen, dass dies im Prinzip viel früher geschehen muss und dass die Schule nicht mehr das leisten kann, was vorher zu leisten versäumt wurde. Bereits vor der Einschulung müssen den Kindern von Zuwanderungsfamilien - egal ob hier geboren oder nicht - ausreichende Deutschkenntnisse vermittelt werden. Solange ein Teil der Schüler

die Unterrichtssprache Deutsch nicht beherrscht, schadet dies sowohl den Bildungs- und Lebenschancen dieser Kinder als auch den Unterrichtsbedingungen für die Mehrzahl der übrigen Kinder. Das kann zu Ausgrenzung und Konflikten führen.

Auch in diesem Zusammenhang möchte ich sagen: Herr Kollege Puls, ich bin selbst als Rechtsanwalt Ausbilder. Es macht überhaupt keinen Sinn, wenn staatliche Einrichtungen Zertifizierungen ausstellen, die sich in der Realität nicht bewahrheiten. Bei mir haben sich Aussiedlerkinder gemeldet, die die Intensivkursförderung Deutsch abgeschlossen hatten, die aber nicht in der Lage waren, sich mit mir auch nur in einem einzigen Satz wirklich zu unterhalten. Auch hier tun wir den Menschen keinen Gefallen. Das ist das Gegenteil von gut. Möglicherweise ist es gut gemeint. Hier müssen wir dafür Sorge tragen, dass das Zertifikat, das ausgestellt wird, tatsächlich die Qualität aufweist, die notwendig ist, um Integration wirklich voranzutreiben.

(Beifall bei der FDP)

Entscheidend ist Folgendes: Solange wir in unserem Land nicht das notwendige Wachstum generieren, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen, solange wird sich der immer größer werdende Druck der Arbeitslosigkeit gegen diejenigen richten, die von außerhalb kommen und damit selbstverständlich Arbeitsplätze beanspruchen, die es seit Jahren nicht in ausreichendem Maße für alle gibt, und die bei der Politik der Bundes- und Landesregierung immer weniger werden.

Debatten um Steuererhöhungen und Ausbildungsplatzabgaben hemmen nach unserer Auffassung die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft und damit auch wirtschaftliches Wachstum. Die Landesregierung sagt selbst, dass die Eingliederung in den Arbeitsmarkt von besonderer Bedeutung für die Integration ist. Dem stimmen wir zu. Wie aber soll man jemanden in einen Arbeitsplatz integrieren, den es nicht ausreichend gibt, den man möglicherweise durch seine Politik auch noch aktiv behindert? Die Leidtragenden dieser Antibeschäftigungspolitik sind in besonderer Weise auch die Migrantinnen und Migranten in Schleswig-Holstein. Auf ihnen lastet die Arbeitslosigkeit in besondere Maße. Herr Minister, so kann man in Ihrem Bericht auf Seite 18 nachlesen:

„Die Arbeitslosenquote der Ausländerinnen und Ausländer war mit 24,9 % in 2003 mehr als doppelt so hoch wie die der einheimischen Bevölkerung.“

Auch diese Quote war mit 9,7 % noch hoch genug. Die Auswirkungen mangelnder Beschäftigung und

(Wolfgang Kubicki)

bestehender Einkommensschwächen zeigen sich in der Wohnsituation. Migrantinnen und Migranten sind in Stadtteilen, in denen eine unterdurchschnittliche Wohnumfeldqualität besteht, weit überdurchschnittlich vertreten. Auch hier denke ich, müssen wir der Ghettobildung, wie sie sich nicht bei uns, aber in anderen Regionen unseres Landes, beispielsweise in Osnabrück, bereits herausgebildet hat, entgegenwirken, weil wir uns sonst soziale Probleme schaffen, deren Bewältigung weitaus mehr Kosten verursachen wird als die sinnvolle Wohnraumqualitätssicherung.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD] und Peter Lehnert [CDU])

Herr Innenminister, zur Aufwertung dieser Wohnquartiere schaffen wir dann Programme wie die soziale Stadt. Ich sage noch einmal: Diese Programme können zwar Sinn machen, dennoch behandeln sie nur Symptome. Wer durch Beschäftigung über ausreichend Einkommen verfügt, sich sein Zuhause selbst aufzuwerten, der braucht dafür keine staatlichen Programme. Deshalb sollten wir auch an diesem Punkt dafür Sorge tragen, dass Wachstum generiert wird, weil wir damit die Problemlage der Migrantinnen und Migranten in Deutschland besser bewältigen können als mit noch so vielen schönen Worten.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Irene Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde hier schon gesagt und es ist allen bekannt: Ein Antrag der CDU-Fraktion zur Integration liegt im Innen- und Rechtsausschuss vor. Dieser Antrag suggeriert, für die Integration von Migrantinnen und Migranten werde nichts getan. Vielleicht sind die Damen und Herren von der CDU-Fraktion ja auch tatsächlich dieser Meinung. Dann war dieser Bericht außerordentlich erforderlich, denn er zeigt sehr deutlich auf, dass viel getan wird.

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

Ich bin dankbar, dass die Regierung den Aspekt des Spracherwerbs zusätzlich eingefügt hat. Wir wollten den Bericht nicht überlasten. Wir hatten nur das Nötigste gefragt, damit das Ganze zu Potte kommt und wir im Innen- und Rechtsausschuss weiterkommen, denn darum ging es uns ja. Ich bin dennoch sehr

dankbar dafür, dass dieser Aspekt eingeführt worden ist. Meinen Vorrednern möchte ich jedoch zu Bedenken geben: Sprache lernen ist natürlich genau wie Arbeit finden auch abhängig vom jeweiligen Aufenthaltsstatus.

Sie wissen aus Ihrer Praxis heraus genau, vielleicht sogar noch genauer, als ich das weiß, dass der Aufenthaltsstatus von Migrantinnen und Migranten unterschiedlich prekär und unterschiedlich gesichert ist und leider durch das kommende Zuwanderungsgesetz - wenn es denn überhaupt kommt - nicht verbessert wird. Das ist ein schweres Hindernis für Initiativen der Migrantinnen und Migranten selber, Möglichkeiten zu ergreifen, sich hier einzuleben, sich einzubinden und zu integrieren. Es gibt auch Arbeitsverbote speziell für Ausländerinnen und Ausländer in bestimmten Situationen, die jenseits einer Beschäftigungssituation in Deutschland dazu beitragen, dass die Arbeitslosenquote bei Ausländerinnen und Ausländern besonders hoch ist. Auch das muss hier gesagt werden.

Ich will auch zu bedenken geben: Das Integrationskonzept der Landesregierung wurde unter Beteiligung von Wohlfahrtsverbänden und Migrantinnen- und Migrantenorganisationen erarbeitet. Das halte ich für einen besonders bemerkenswerten Aspekt dieser Arbeit.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Insofern stellt auch der Weg, zu einem Integrationskonzept zu kommen, selber schon einen Aspekt von Integration dar. Man fragt nämlich: Was sagen die Betroffenen zu ihrer Situation? Was sagen sie den Politikerinnen und den Politikern, die in diesem Land Verantwortung tragen?

Das Konzept zur Sprachförderung unterscheidet zwischen der Förderung in Kita und Schule sowie der Förderung von Erwachsenen. Insgesamt kann man in Schleswig-Holstein noch immer von einer guten Sprachförderungslandschaft ausgehen.

Als frauenpolitische Sprecherin meiner Fraktion freut es mich besonders, dass die krasse Differenz zwischen den Deutschkenntnissen bei Männern und Frauen nur noch in der älteren Generation, der ersten Generation, der damals so genannten Gastarbeiter, zu finden ist. Die jüngeren Migrantinnen, also die mit einer Aufenthaltsdauer von unter zehn Jahren, sprechen in gleichem Maße Deutsch wie Männer dieser Gruppe. Das weist aus meiner Sicht auf einen Emanzipationsprozess auch bei den Ausländerinnen und Ausländer, auf eine ganz andere Integration, eine

(Irene Fröhlich)

Integration ganz anderer Qualität hin, wie ich das eben schon angedeutet habe.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)