Protocol of the Session on March 11, 2004

„Der Umweltrat regt dringend an, die vielfältigen Entscheidungsbefugnisse zu bündeln. Die hoheitlichen maritimen Dienste des Bundes sollten in einer deutschen Küstenwache unter der Zuständigkeit eines Bundesministeriums zusammengefasst und einem einheitlichen Kommando sowohl für Routineaufgaben als auch für das Notfallmanagement unterstellt werden. Die entsprechenden Länderaufgaben sollten mittelfristig in einer solchen Küstenwache eingebunden werden. Effektives Notfallmanagement und effektive Brandbekämpfung erfordern eindeutige Führungsstrukturen anstelle Kooperation und Koordination. Dementsprechend sollte auch das Havariekommando ein zwar wichtiger, aber gleichwohl nur erster Schritt in Richtung auf die Zusammenfassung aller Aufgaben des Notfallmanagements auf dem Wasser sein. Mit dem einheitlichen Havariekommando ist unter den gegenwärtigen kompetenzrechtlichen Vorgaben in der Bundesrepublik Deutschland versucht worden, die notwendigen Konsequenzen aus den Mängeln im Notfallmanagement bei der Havarie der ‚Pallas’ zu ziehen. Eine Reduzierung der Länderkompetenzen zugunsten des Bundes ist auf der Grundlage des geltenden Rechts schwer möglich, sondern würde eine Änderung des Grundgesetzes erfordern. Letzteres darf jedoch mindestens mittelfristig kein Hinderungsgrund sein; denn das Grundgesetz dient dem Schutz des Einzelnen, der Gesellschaft und der Umwelt. Es bezweckt offensichtlich nicht, eine effektive Gefahrenabwehr zu verhindern.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Ich bitte um Ausschussüberweisung.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Joachim Behm.

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ein Bericht bedeutet immer Arbeit, und das insbesondere für diejenigen, die die entsprechende Vorlage auszufertigen hatten. Insofern bedanke ich mich herzlich für die Vorlage zur heutigen Debatte. Der Bericht ändert letztlich aber nichts an den Schlussfolgerungen, die ich für meine Fraktion in der letzten Debatte zur einheitlichen deutschen Küstenwache darge

(Joachim Behm)

stellt habe. Ich will das deshalb nur noch einmal kurz skizzieren.

Die FDP will mehr Kooperationen insbesondere im Bereich von Seeunfällen beziehungsweise Schiffshavarien. Hierzu setzen wir auf monokratische Führungsstrukturen, die schnellstmöglich einsetzbar sein müssen. Wir glauben nicht, dass eine Verfassungsänderung zur Übertragung sämtlicher Polizeiaufgaben wie auch der Fischereiaufsicht möglich ist, weil es aus unserer Sicht schlicht unmöglich ist, alle in der Praxis entwickelten sachgerechten Formen des Zusammenwirkens von Bund und Ländern im Verfassungstext zu bezeichnen. Wir streben zur besseren Kooperation staatsvertragliche Regelungen an.

Die Wege, auf denen dies möglich gemacht werden könnte, erwähnt auch der Bericht. So hat das Land Schleswig-Holstein mit dem Land MecklenburgVorpommern eine Verwaltungsvereinbarung zur Sicherstellung der Schiffsbrandbekämpfung und technischen Hilfeleistung auf der Ostsee abgeschlossen. Sie ist die Grundlage, auf der das Land mit den Kommunen Kiel, Flensburg, Lübeck und Brunsbüttel wiederum jeweils eine Verwaltungsvereinbarung über den Einsatz ihrer Feuerwehren zur Schiffsbrandbekämpfung und technischen Hilfeleistung abgeschlossen hat.

Da Schiffsbrandbekämpfung auf See sowieso nicht mit Brandbekämpfung an Land zu vergleichen ist, sollten wir im Rahmen der Beratungen dieses Berichts unbedingt Vertreter der verschiedenen Wehren zu deren Ausbildungs- und Ausrüstungsstand bezüglich der Bekämpfung von Schiffsbränden berichten lassen.

Für die Versorgung von Verletzten in komplexen Schadenslagen auf See werden vom Land keine Strukturen zur Bereitstellung der erforderlichen Einsatzkapazitäten bereitgehalten. Diese Aufgabe erfüllen die kommunalen Rettungsdienste. Genau wie bei der Schiffsbrandbekämpfung sollten wir auch diese befragen, ob sie hierfür ausreichend ausgebildet und ausgerüstet sind. Für komplexe Rettungslagen stehen hierfür die Berufsfeuerwehren Kiel, Flensburg und Lübeck sowie die Freiwillige Feuerwehr in Brunsbüttel zur Verfügung.

Wir werden im Ausschuss noch viele Gespräche zu führen haben. Wichtig ist dabei, dass wir mit den Beteiligten von Polizei, Hafenbetreibern und Rettungsdiensten sprechen, statt nur über sie zu reden.

Abschließend möchte ich noch einmal an eines erinnern. Die Gefahrenabwehr ist verfassungsrechtlich eine Aufgabe der Bundesländer. Sie ist neben der Bildung eine der Kernkompetenzen der Länder. Wer also in erster Linie immer auf eine Verfassungsände

rung abstellt, der gibt damit auch immer ein Stück eigener Souveränität preis. Insofern ist auch die Reaktion anderer Bundesländer verständlich, die diese Abgabe von Landeskompetenzen an den Bund nicht wollen.

Bei unserem Innenminister hat man das Gefühl, dass es ihm bei der Übertragung von Landeskompetenzen an den Bund nicht nur um eine schlagkräftigere Küstenwache geht, sondern vielmehr darum, den Landeshaushalt auf Kosten des Verlustes eigener Hoheitsrechte zu entlasten. Darin steckt ein kleiner Vorwurf, aber Sie können ja darauf eingehen, Herr Minister. So haben wir gehört, dass die Mittel für den im Haushalt veranschlagten Neubau eines Bootes für die Polizei bereits umgesteuert werden sollen. Wir wollen das nicht. Wir begrüßen Kooperationen. Aber die Entscheidungskompetenz darüber, wie wir vor den Küsten des Landes die Gefahrenabwehr gestalten, wollen wir möglichst behalten.

Die Einrichtung eines bundeseinheitlichen wasserpolizeilichen Lagezentrums in Cuxhaven und das nunmehr eingerichtete Havariekommando sind aber Strukturen, die uns für die Bewältigung von Katastrophen auf See und an den Küsten besser gerüstet erscheinen lassen. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Wenn Sie, Herr Minister, zumindest wieder ins Gespräch gebracht haben, dass eine Kommandoplattform möglicherweise auch in Neustadt einen Platz finden kann, weil dort alle Einrichtungen vorhanden sind, so sind wir da mit Sicherheit voll auf Ihrer Seite.

(Beifall bei der FDP)

Ich begrüße neue Gäste, und zwar die Damen und Herren Abgeordneten der CDU-Fraktion des Kreistages Herzogtum Lauenburg

(Beifall)

und die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer der Realschule Schönkirchen. - Auch Ihnen ein herzliches Willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Dann darf ich das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen geben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich besonders über die Lauenburger Delegation. Da gucke ich immer gern hin, weil die einen so schönen

(Detlef Matthiessen)

großen Kommunalwald haben, der FSC-zertifiziert ist; sehr vorbildlich.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt vom Land zum Thema Küstenwache, zum maritimen Bereich. Die Forderung nach einer einheitlichen deutschen Küstenwache hat im Landtag schon oft eine Rolle gespielt. Wir wollen das; das gilt für die SPD, das gilt für die Grünen, und das gilt für die schleswigholsteinische Landesregierung. Die CDU hat das Thema nicht erfunden, Herr Maurus. Die CDU hat das Thema glücklicherweise inzwischen aufgegriffen und stellt hier entsprechende Anträge. Ich glaube, wir behandeln das inzwischen zum vierten Mal allein in dieser Legislaturperiode. Gesagt ist hier im Hause zu dem Thema alles.

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Maurus?

Herr Maurus, bitte schön!

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass hier in diesem Hause sowohl im Jahre 1988 als auch im Jahre 1992 das Thema Küstenschutz von der CDU auf die Tagesordnung gebracht wurde? Ist Ihnen bekannt, dass die Landesregierung unter dem damaligen Innenminister Bull zunächst diesen Vorstellungen ablehnend gegenüberstand?

Die sozialdemokratische Seite habe ich hier nicht zu vertreten.

(Heiterkeit)

Ich bestreite das an dieser Stelle mit Nichtwissen. Im Übrigen glaube ich aber, dass das Thema Küstenwache bereits von Herrn Steenblock thematisiert worden ist, als er 1995 noch im Bundestag war. Ich zitiere eine Pressemitteilung meiner Fraktion aus dem Jahre 1999. Darin steht: „Im Zentrum unserer Forderungen steht die Einführung einer einheitlichen Küstenwache.“ Ich meine, wir brauchen uns hier im Hause gegenseitig zu diesem Thema nicht zu konfirmieren. Es kommt vielmehr darauf an, nach außen zu wirken. Wir haben einen Innenminister Klaus Buß, seines Zeichens Sozialdemokrat, der nun wirklich nichts unterlassen hat, um das Thema vorwärts zu bewegen. Keiner kämpft wie Klaus Buß für die einheitliche deutsche Küstenwache im Interesse SchleswigHolsteins.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Insofern kommt der Bericht viel zu bescheiden daher. Wir setzen uns aber gern auch bei unseren Berliner Kollegen noch einmal dafür ein. Ich glaube, Herr Steenblock steht da auch fest an unserer Seite. Hauptverhinderer einer länderübergreifenden Regelung ist der niedersächsische Innenminister Schünemann, seines Zeichens Mitglied der CDU, dicht gefolgt vom Bremer Kollegen Rösekamp, ebenfalls CDU. Also, uns brauchen Sie nicht zu konfirmieren; wir sind uns alle einig. Fahren Sie nach Niedersachsen zu Ihren Parteifreunden und werden Sie an geeigneter Stelle vorstellig. Ich wünsche Ihnen gute Reise nach Hannover und Bremen. Wir fahren nach Berlin.

Meine Damen und Herren, noch eine Bemerkung in Richtung FDP. Offensichtlich hat die FDP die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Sie bleibt deutlich hinter der CDU zurück. Herr Kollege Behm, die Menschen interessieren sich nicht für Verwaltungszuständigkeiten. Die Menschen haben ein großes Interesse an Sicherheit vor ihren Küsten. Darauf kommt es an, und nicht auf Bürokratenhickhack.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich bitte, die Reisen nicht gleich anzutreten. Wir tagen noch bis 18 Uhr.

Ich darf dann für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag dem Abgeordneten Lars Harms das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst einmal die Gelegenheit nehmen, den Kollegen Malerius darauf hinzuweisen, dass die Kolleginnen Schmitz-Hübsch und Hinrichsen an der genannten Veranstaltung in Flensburg teilgenommen haben. Das halte ich der Vollständigkeit halber für wichtig; wenn schon Menschen da waren, sollen sie auch genannt werden.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Kubicki [FDP]: Frauenhasser, oder?)

Es kommt nicht häufig vor, dass in einem deutschen Parlament weitreichende Beschlüsse einvernehmlich gefasst werden. Der schleswig-holsteinische Beschluss zur Errichtung einer einheitlichen deutschen Küstenwache ist ein solcher Beschluss. Nicht einmal eine Verfassungsänderung konnte uns hiervon abbringen. Dass wir in Schleswig-Holstein gewillt sind,

(Lars Harms)

diesen weitreichenden Schritt zu tun, liegt daran, dass wir immer noch unter dem Eindruck der Havarie der „Pallas“ stehen. Dabei möchte ich aber deutlich hervorheben, dass dieser Schritt keine Kurzschlussreaktion ist, sondern nur ein Zeichen dafür, dass wir selbst miterlebt haben, was es bedeutet, wenn an Land und auf See die Kompetenzen und die Koordination nicht stimmen.

Für uns als SSW war es nach der Havarie der „Pallas“ wichtig, so schnell wie möglich zu einem pragmatischeren Umgang mit Havaristen und den daraus entstehenden Folgen zu gelangen. Auch für uns war die Errichtung einer einheitlichen deutschen Küstenwache das übergeordnete Ziel. Als wir parteiübergreifend im Januar dieses Jahres erneut den Anlauf unternommen haben, eine einheitliche deutsche Küstenwache ins Leben zu rufen, waren wir uns der damit verbundenen Schwierigkeiten bewusst. Der Bericht der Landesregierung weist auch sehr deutlich auf diese Schwierigkeiten hin. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es nur einen Weg, und der geht über die Änderung des Grundgesetzes. Dies ist nach Auffassung des SSW zwar die Maximallösung, aber es ist auch die Lösung, die im Interesse einer klaren Aufgabenzuweisung liegt und die vor allem nachhaltig wirkt.

Ein anderer Weg, der uns diesem Ziel einen großen Schritt näher gebracht hätte, wäre der Abschluss eines Staatsvertrages. Dieser Weg ist aus Sicht des SSW auch nicht unrealistisch. Wichtig ist aber, dass wir eine einheitliche Zuständigkeit auf Bundesebene erreichen und dann meinetwegen die operativen Tätigkeiten komplett auf die Länder-Ebene übertragen, um dem Bund die Sorge in Bezug auf Folgekosten zu nehmen.

Es ist also möglich, wenn nur alle wollen. Und hier liegt das Problem: Es wollen eben nicht alle Küstenländer mitmachen. Dies ist die traurige Gewissheit, die wir seit letzter Woche haben. Das Treffen der Innenminister und -senatoren der norddeutschen Länder hat dies bestätigt. Hier war es nur Minister Buß, der sich für eine einheitliche deutsche Küstenwache stark gemacht hat. Ich danke ihm dafür herzlich.

(Beifall bei SSW und SPD)

Leider konnte er jedoch bei seinen Kollegen keine Mehrheit finden und das ist bedauerlich. Nun kann man aber auch nicht behaupten, dass hier parteipolitische Spielereien stattgefunden hätten; denn bei dem Treffen der Innenminister und -senatoren war jede politische Couleur vertreten. Wir müssen also feststellen, dass eine deutsche Küstenwache parteiübergreifend derzeit einfach nicht gewollt ist.

Somit ist die deutsche Küstenwache vorerst auf dem Grund des Meeres versunken. Das bedeutet für uns weiterhin, dass das Havariekommando Küste Bestand hat, und dies mit all seinen vorhandenen vielfältigen Strukturen. Weiterhin werden wir unterschiedliche Behördenschiffe von den Küstenländern und dem Bund auf unseren Meeren haben, die sich im Falle eines Falles wieder durch Kompetenzgerangel auszeichnen könnten. Die Botschaft, die rüberkommen sollte, ist: Augen zu und der liebe Gott wird es schon irgendwie richten.

Ein Gutes hatte das Treffen der Innenminister und -senatoren aber auch. Wir haben Planungssicherheit. Wir haben die Sicherheit, dass wir weiterhin mit den derzeitigen unzureichenden Verhältnissen leben müssen. Und wir wissen, dass in Zukunft unser Ausgangspunkt nicht eine einheitliche deutsche Küstenwache sein wird, sondern dass wir weiterhin in kleinen Schritten die Zusammenarbeit aller verbessern müssen.

In diesem Sinne sollten wir nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern diese kleinen Schritte gehen. Trotzdem muss das Ziel bleiben: Wir brauchen eine einheitliche deutsche Küstenwache und damit müssen wir unsere Nachbarländer weiter nerven. Ich bin mir auch sicher, wir werden dies tun.