Protocol of the Session on March 10, 2004

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Wie ich das gemeint habe. Ich meine diejenigen, die eigentlich die Verantwortung dafür tragen und die uns eigentlich darauf hätten aufmerksam machen können. Die genau meine ich.

Wir haben leistungsfähige, langfristig gewachsene und effektiv arbeitende Strukturen. Beim Jugendaufbauwerk zeigt sich ein Grundsatz: Das Bewährte zu erhalten, wäre schon mehr, als dass wir neue Probleme bekommen würden. Wir diskutieren bei vielen Fragen über das, was kommen soll, Hartz IV und anderes. Wenn man sieht, was dort noch nicht geschafft ist, merkt man erst, wie wichtig es ist, was dort im Augenblick für die jungen Menschen noch besteht, über die wir uns hier unterhalten. Dies ist ein Punkt, der Ihnen nicht wichtig erscheinen mag, aber ich finde, das ist schon erwähnenswert.

Es gibt zwei oder drei Punkte, die bei dieser Gelegenheit auch angesprochen werden müssen. Wir brauchen kurze Wege, wir brauchen regional effektive Anbieter. Ich wage zu bezweifeln, dass es ein Vorteil ist, dass sich die Bundesagentur für Arbeit in neun bundesweite Regionen aufgeteilt hat und aus Potsdam entscheidet, wie in Kiel und in Schleswig-Holstein die Aufgabenvergaben stattfinden. Das wage ich sehr zu bezweifeln. Dies sorgt möglicherweise dafür, dass große Anbieter mit Dumpingpreisen auf den Markt gehen und die regional effektiven Angebote vom Markt drücken, sodass im Ergebnis nachher keine Ausbildungsplätze mehr bereitstehen. Das ist der falsche Weg. Das ist der eine Punkt, der hier genannt werden muss.

(Beifall bei der CDU)

(Werner Kalinka)

Das Zweite ist, dass man sich bei allem, wie wir jetzt arbeiten, doch wundert, dass eine Bundesregierung, eine Bundesagentur für Arbeit solche Probleme nicht schneller in den Griff kriegen kann. Ich habe gelesen, Staatssekretär Thönnes war letzte Woche in Norderstedt und hat gesagt, dass wühle ihn ungeheuer auf. Ich kann das nachvollziehen. Ich glaube, es wäre aber besser, wenn Staatssekretär Thönnes in der Lage wäre, als zuständiger Staatssekretär für schnelle und effektive Lösungen zu sorgen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Es gibt einen weiteren Punkt für Schleswig-Holstein, den wir in den Ausschussberatung mit Aufmerksamkeit nachvollzogen haben. Die Mittel, die in das Jugendlichen-Sofortprogramm bis Ende 2003 gegeben worden sind, wurden aus dem Topf für 2004 genommen. Das heißt, wir werden 2004 für Maßnahmen real weniger Mittel haben, weil ein Stück vorweg abgezogen wurde. Dies ist kein unbedeutsamer Punkt, weil wir dadurch nicht für mehr, sondern nur für weniger Angebote sorgen können.

Wir sollten die Diskussion über das Thema Jugendaufbauwerk auch zusammen mit Hartz IV und all diesen Punkten sehen. Wir haben eine große Zahl junger Menschen, die von vornherein nicht sofort einen Ausbildungsplatz finden und die es schwer haben, die nicht auf der Sonnenseite stehen. Wie wir zu einem Netz kommen bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in Kombination mit Themen der beruflichen Bildung, in den Berufsschulen, bei den Jugendaufbauwerken, muss ab 2005 ein zentrales Thema insgesamt sein. Wir müssen uns dieses Thema zusammenhängend anschauen, damit wir nicht nur in einzelnen Schablonen diskutieren.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann müssen Sie in Ihrer eigenen Partei gegen die Steuerreform vorgehen!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier abschließend einen letzten Punkt erwähnen. Wir hatten vonseiten der Opposition am 20. Februar 2004 angeboten, in der Arbeitsgruppe von Landesregierung und Bundesagentur für Arbeit mitzuwirken, uns zu beteiligen. Uns wurde eine kurzfristige Antwort zugesagt; die ist bis heute nicht erfolgt. Ich wäre dankbar, von Ihnen zu hören, ob Sie dieses Angebot einer gemeinsamen übergreifenden Arbeit aufnehmen wollen. Ich hielte dies auch für ein gutes Zeichen, wenn wir politisch an einem Strang ziehen bei der konkreten Arbeit, die zu machen ist.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich der Frau Abgeordneten Veronika Kolb.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kritik an der Arbeit, in diesem Fall der Bundesregierung, will ich sehr gern zulassen. Innerhalb dieses Hause, insbesondere innerhalb unseres Ausschusses habe ich sehr begrüßt, dass wir fraktionsübergreifend an diesem so sehr wichtigen Thema gearbeitet haben und zu dieser Resolution gekommen sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Deshalb möchte ich jetzt auch einiges etwas schärfer aus der Diskussion herausgreifen. Wir sprechen über 600 Arbeitsplätze und 3.862 Plätze für benachteiligte Jugendliche. Deshalb sollte man vielleicht auch mal mit einigen Zahlen und ein bisschen Historie an dieses Thema herangehen. In Schleswig-Holstein herrscht derzeit die höchste Arbeitslosigkeit seit 50 Jahren und ein Ende ist noch immer nicht abzusehen. Im Gegenteil: Auch im Februar 2004 ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Frauen und Männer weiter gestiegen.

Genauso dramatisch ist die Situation der jungen Menschen unter 25 Jahre: Obwohl bereits eine Vielzahl von Jugendlichen nicht mehr in den offiziellen Statistiken ausgewiesen werden, weil sie sich in verschiedenen Weiterbildungs-, Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen befinden, sind derzeit fast 18.000 Jugendliche offiziell in Schleswig-Holstein arbeitslos gemeldet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus einer ähnlichen Situation heraus wurde 1949 vonseiten des Landes Schleswig-Holstein das Gesetz über das Jugendaufbauwerk verabschiedet. Ziel des Gesetzes war es, junge Menschen durch ein „Vorschaltjahr“ sozial zu stabilisieren, ihnen eine gesellschaftliche Orientierung zu geben und sie beruflich zu prägen. Darüber hinaus sollten die Jugendaufbauwerke die Jugendlichen vor Instabilität und Perspektivlosigkeit aufgrund der drohenden Arbeitslosigkeit bewahren.

Seitdem - und das wurde schon gesagt - leisten 20 Jugendaufbauwerke mit heute rund 600 Voll- und Teilzeitbeschäftigten und 3.862 Plätzen in SchleswigHolstein einen außerordentlich wichtigen Beitrag, um unter anderem besondere Härten für benachteiligte Jugendliche zu lindern.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Veronika Kolb)

Im Laufe der Zeit wurde auf der Grundlage des SGB III das Jugendaufbauwerk in enger Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeit beziehungsweise mit der heutigen Bundesagentur für Arbeit zu einer berufsfördernden Einrichtung. Die Einrichtungen der Jugendaufbauwerke verfolgen zwar vorrangig soziale Belange und damit keine erwerbswirtschaftlichen Ziele, aber damit auch die Integration von Jugendlichen in den ersten Arbeitsmarkt. Damit steht das Jugendaufbauwerk in direkter Konkurrenz zu anderen privaten Anbietern auf dem Aus- und Weiterbildungsmarkt, die ebenfalls berufsfördernde Maßnahmen anbieten, und es muss sich an der Verdingungsordnung für Leistungen messen lassen.

Im Gegensatz zu privaten Anbietern haben die Einrichtungen des Jugendaufbauwerks entscheidende Wettbewerbsvorteile - die wir hier auch nicht verheimlichen wollen -, da diese vom Land SchleswigHolstein Zuschüsse erhalten, mit der öffentlichen Hand als Gewährsträger Vorteile bei der Vergabe von Krediten haben und darüber hinaus oftmals steuerliche Vorteile genießen. Daher ist schon die Kalkulation des Jugendaufbauwerkes bei der öffentlichen Vergabe von Aufträgen eine andere als die von privaten Trägern.

Aus diesem Grund hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im Rahmen einer Wettbewerbsklage aus formalen Gründen feststellen müssen, dass die Einrichtungen des Jugendaufbauwerkes an öffentlichen Ausschreibung der Bundesagentur für Arbeit nicht mehr teilnehmen dürfen.

Meine Damen und Herren, die Jugendaufbauwerke leisten in unserem Land eine ungeheuer wichtige Aufgabe.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nochmals: Sie sind damals gegründet worden, um „die Berufsnot der Jugend zu steuern und den Gefahren der Arbeitslosigkeit zu begegnen“, wie es das Gesetz formuliert. Diese Aufgabe ist heute so aktuell wie bei der Gründung 1949.

Deshalb ist es wichtig, durch entsprechende Maßnahmen dazu beizutragen, dass die Institution Jugendaufbauwerk in Schleswig-Holstein weiterhin erhalten bleibt. Das bedeutet aber auch, dass sich die Einrichtungen der Jugendaufbauwerke SchleswigHolstein den geänderten Anforderungen stellen.

Welche Änderungen möglich sind, wurde bereits in der Begründung des Urteils des OLG Düsseldorf aufgezeigt: Dazu gehört beispielsweise die Ausgliederung der Angebote des Jugendaufbauwerks in neue

Rechtsformen, mit denen das Jugendaufbauwerk am Ausschreibungsverfahren teilnehmen kann. Vor dem Hintergrund, dass einerseits die berechtigten Interessen privater Anbieter auf einen fairen Wettbewerb bestehen und sie darauf angewiesen sind und andererseits Angebote öffentlich-rechtlicher Einrichtungen bestehen, die nicht primär auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet, aber von regionalpolitischer Bedeutung sind, müssen schnellstmöglich Lösungen gefunden werden. Wir sind dabei auf einem außerordentlich guten Weg.

Aus diesem Grunde unterstützen wir diese Resolution voll und ganz. Ich möchte mich noch einmal für die konstruktive Beratung und Zusammenarbeit im Ausschuss bedanken. Ich bedanke mich auch bei Ihnen, Herr Minister Rohwer, dafür, dass Sie tätig geworden sind. Ich hoffe, dass wir zügig voranschreiten können, um die Unsicherheiten für diese zahlreich betroffenen Menschen schnellstmöglich beseitigen zu können.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort hat nun Frau Angelika Birk für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wettbewerb ja - aber nicht um jeden Preis. Dies ist das Interesse, das uns im Sozialausschuss und auch hier im gesamten Hause eint. Das ist sehr erfreulich.

Auf diese Weise hatten wir einen ersten Erfolg gegen die Ausschreibungsbedingungen der Bundesagentur für Arbeit. Die Bundesagentur hat die Tatsache, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen die Jugendaufbauwerke in Schleswig-Holstein vom Wettbewerb ausgeschlossen sind, als Problem erkannt. Dank der bisherigen Geschlossenheit aller schleswigholsteinischen Akteurinnen und Akteure - hier ist insbesondere auf das Ministerium, auf die Jugendaufbauwerke selbst, auf die Kommunen, auf die Abgeordneten und, wie wir gehört haben, sogar auf die Presse hinzuweisen - kann es zumindest auf Zeit eine Lösung für die JAWs geben.

Zweiter Erfolg. Die Bundesagentur für Arbeit überprüft ihr Ausschreibungssystem, um qualitativen und regionalen Gesichtspunkten im Wettbewerb mehr Gewicht zu verleihen. Darauf haben insbesondere die Bündnisgrünen in der Bundestagsfraktion hingewirkt, die ähnlich wie wir alle hier von den Folgen der bisherigen Ausschreibungspraxis der Bundesanstalt für

(Angelika Birk)

Arbeit mehr als enttäuscht waren. Es sind im Ergebnis dieser Ausschreibungen nämlich Äpfel mit Birnen verglichen worden. Es sind ganz kleine Bieter neben ganz große Bieter gestellt worden und es hat insbesondere im Preisvergleich Differenzen gegeben, die teilweise - man höre und staune - im Millionenbereich lagen. Dass bei einer solchen Ausschreibung offensichtlich das Qualifikationsprofil nicht hinreichend dargestellt worden ist, kann man an den Ergebnissen ablesen.

Wir können uns also nicht zufrieden geben, obwohl wir erste positive Erfolge haben. Denn nach wie vor ist die öffentliche Verankerung und die öffentliche Finanzierung der Jugendaufbauwerke das Problem und nach wie vor sollen alle Ausschreibungen aus Norddeutschland zentralisiert von Potsdam aus abgewickelt werden. In diesem Punkt muss ich Herrn Kalinka Recht geben - das haben auch andere kritisiert -: Das ist nicht unbedingt ein Fortschritt.

Neben den JAW-Einrichtungen sind auch weitere öffentliche Träger im Aus- und Fortbildungsbereich von dem genannten OLG-Urteil betroffen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Rohwer, dass Sie hier herausgestellt haben, dass wir anhand der JAWs stellvertretend eine Problematik bearbeiten, die viele andere Institutionen auch treffen kann.

Sinnvoll ist es, dass sich alle Einrichtungen des JAW und auch weitere öffentliche Träger im Aus- und Fortbildungsbereich dem schärferen Wettbewerb bei den von der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Maßnahmen stellen. Wir sollten jetzt nicht sagen: Es bleibt alles wie bisher. Denn es hat ja zu Recht Kritik an jahrzehntelang durchgeführten stillschweigenden Vergaben von Aufträgen gegeben, die auch von uns kritisch beäugt wurden und derentwegen auch das Bundesarbeitsamt kritisiert wurde.

Wenn wir Wettbewerb wollen, müssen wir auch dazu stehen. Aber wir müssen uns fragen, in welchem Rahmen und zwischen welchen Akteuren dieser Wettbewerb stattfindet. Jetzt ist die freihändige Vergabe für diejenigen mit öffentlichem Hintergrund als Kompromiss gefunden worden, aber bei diesem Kompromiss darf es nicht bleiben. Es wird nach wie vor unbefriedigend sein, wenn wir praktisch um einige einen Zaun aufbauen und dies wird nicht nur das JAW betreffen. Insofern muss weiterhin darüber nachgedacht werden. Denn es darf keine vorübergehende Lösung, sondern muss eine dauerhafte Lösung sein.

Wenn uns dies nicht gelänge, beträfe dies die Volkshochschulen, die kommunalen Träger, die Einrichtungen von Kammern, Gewerkschaften und Versiche

rungen, die Frauen- oder Jugendberatungseinrichtungen, aber auch die Einrichtungen, die sich speziell Menschen mit Behinderungen widmen, und nicht zuletzt solche Bildungsträger, die sich in Justivollzugsanstalten für unsere Jugendlichen so erfolgreich tätig sind. All diese Träger sind aber bekanntermaßen mit einem öffentlichen Rückgrat in der einen oder anderen Rechtsform versehen.

Unser politisches Ziel muss darin bestehen, eine regionale Verzahnung von Bildungs-, Arbeitsmarkt und Wirtschaftpolitik für regionalpolitische Strategien voranzutreiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass die Bundesagentur für Arbeit zentralistisch und von niemanden wirklich kontrolliert ein pseudomodernes Ausschreiben durchzieht. Wir müssen uns die Mühe machen, zu neuen angemessenen Formen von regionalem Wettbewerb zu kommen. Da bin ich gespannt und hoffe, dass wir uns in diesem Punkt so einigen, wie es uns beim JAW gelungen ist.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der SSW begrüßt, dass wir in dieser wichtigen Frage im Sozialausschuss so schnell eine parteiübergreifende Resolution auf den Weg gebracht haben. Unser Dank gilt auch der Landesregierung und Wirtschaftsminister Professor Dr. Rohwer, der schnell auf das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf reagiert hat. Sowohl der Wirtschaftsminister als auch der Sozialausschussvorsitzende Beran haben in Briefen an Wirtschaftsminister Clement und an den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit Wiese appelliert, vernünftige Lösungen für die weitere Vergabe von Aufträgen an die Jugendaufbauwerke in SchleswigHolstein zu finden.