Protocol of the Session on March 10, 2004

(Beifall)

Darüber hinaus begrüße ich auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer der Realschule Schönkirchen. - Auch Ihnen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Wir treten nach der Mittagspause damit wieder in die Tagesordnung ein. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Jugendaufbauwerk in Schleswig-Holstein

Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 15/3260

Ich erteile zunächst dem Berichtausstatter des Sozialausschusses, dem Abgeordneten Beran, das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Sozialausschuss hat sich intensivst mit dieser Thematik auseinander gesetzt, zuletzt in seiner Sitzung am 22. Februar 2004. Dabei hat er die Ihnen vorliegende Resolution einstimmig verabschiedet und bittet den Landtag, diesem Votum zu folgen. Gleichzeitig wurde der Vorsitzende des Sozialausschusses gebeten, im Namen der Fraktionen diese Resolution sowohl an den Bundeswirtschaftsminister als auch an die Bundesagentur für Arbeit zu senden. Das ist inzwischen erfolgt.

Vielen Dank, Herr Beran. Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht. Sie haben den Bericht unter anderem an den Herrn Wirtschaftsminister geschickt. Dort ist er auch angekommen. Deshalb ist im Ältestenrat vereinbart worden, dass zunächst der Herr Wirtschaftsminister einen Bericht erteilt und danach die Aussprache eröffnet wird. Ich darf zunächst Herrn Wirtschaftsminister Professor Dr. Rohwer das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die Resolution, die das Handeln der Landesregierung noch einmal bekräftigt hat. Denn wie bekannt, haben wir uns im gleichen Sinne dieser Resolution schon im Vorfeld bei der Bundesregierung und bei der Bundesagentur für Arbeit entsprechend eingesetzt.

Es spricht für die langjährige und erfolgreiche Arbeit des Jugendaufbauwerkes Schleswig-Holstein, dass sich heute der Landtag fraktionsübergreifend für das JAW einsetzt. Die 22 JAW-Einrichtungen in Schleswig-Holstein haben eine zentrale Bedeutung für die berufliche Qualifizierung junger Menschen in diesem Land. Ich freue mich, dass die Resolution dieser Leistungsfähigkeit der JAW Rechnung trägt.

Wie kreativ unsere Jugendaufbauwerke sind, wird übrigens nicht zuletzt an der Wanderausstellung deutlich, die zurzeit im Landtag zur Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung gezeigt wird. Ich finde, das ist eine sehr bemerkenswerte Ausstellung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei CDU und FDP)

Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorfs sah es ja zunächst so aus - das war auch unser Diskussionsstand im Ausschuss -, als sollten öffentliche Träger wie die Jugendaufbauwerke SchleswigHolstein von den Ausschreibungen der Bundesagentur für Arbeit völlig ausgeschlossen werden. Das wäre natürlich eine direkte Existenzbedrohung der JAW, aber nicht nur der JAW, sondern auch vieler anderer Weiterbildungs- und Arbeitsmarkteinrichtungen in diesem Land.

Ich habe mich deshalb frühzeitig in Briefen und auch in Telefonaten gegenüber der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit dafür eingesetzt, hier zu Lösungen zu kommen. Der Knackpunkt bei jeder Neuregelung ist, dass bei der Vergabe von Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit neben den Qualitätsstandards auch die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Trägerstruktur angemessen berücksichtigt wird.

Zugleich hat die Landesregierung zusammen mit der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in der organisatorischen Fragen zum JAW diskutiert werden. Ein Hauptpunkt wird dabei auch die Einbindung des JAW und vergleichbarer Einrichtungen in die Benachteiligtenförderung sein. An dieser Stelle auch einen herzlichen Dank an Herrn Goecke und sein Team für die gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei CDU und FDP)

Schon letzte Woche kamen erste einigermaßen klare Signale für eine vorläufige Entwarnung von der Bundesagentur für Arbeit. Bei den anstehenden Ausschreibungsverfahren sollen verstärkt regionale Träger berücksichtigt werden, und zwar unter Einbeziehung öffentlicher und gemeinnütziger Träger. Dies ist auch einer entsprechenden Äußerung des Staatssekretärs Andres zu entnehmen. Danach können auch öffentliche Einrichtungen beziehungsweise Einrichtungen, deren Tätigkeit nicht auf Gewinne abzielt, weiter Aufträge von der Bundesagentur für Arbeit erhalten. Dabei darf es allerdings keinen Wettbewerb zwischen gewerblichen Unternehmen und diesen privilegierten Einrichtungen geben.

Und in einem Schreiben der BA an ihre Regionaldirektionen vom 3. März 2004 heißt es, dass künftig zwei Vergabeverfahren stattfinden, eine öffentliche Ausschreibung und eine wettbewerblich freihändige

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Vergabe. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Das bedeutet nämlich zumindest eine Übergangszeit für unsere JAW.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Es ist nun Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums und der Bundesagentur, eine Regelung zu finden, die diesen Anforderungen gerecht wird und die rechtlich wasserdicht ist. Ich füge hinzu, es ist auch erforderlich, eine langfristig tragfähige Lösung zu finden, nicht nur eine Zwischenlösung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei CDU und FDP)

Wichtig ist dabei die stärkere Gewichtung von Qualitätskriterien. Die guten Erfahrungen mit leistungsstarken und seriösen Anbietern sollen genauso berücksichtigt werden wie die gute Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern in der Region. Es kann nicht sein, dass ein Billiganbieter aus einer völlig anderen Region hier bei uns etwas beansprucht, was er gar nicht leisten kann, womit er hoffnungslos überfordert wäre.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir werden die Modalitäten des anstehenden Ausschreibungsverfahrens genau verfolgen. Wir verlangen keine Bestandsgarantien, aber wir wollen eine dauerhafte und rechtssichere Vergaberegelung, die gemeinnützigen und öffentlichen Trägern eine faire Chance gibt - nicht nur im Interesse der JAW-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, sondern vor allem im Interesse der betroffenen jungen Leute, die dort ausgebildet werden.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Jugendaufbauwerk Schleswig-Holstein hat im arbeitsmarktpolitischen Konzept der Landesregierung weiterhin eine zentrale Bedeutung. Das JAW bietet qualitativ hochwertige Angebote und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im JAW sind hoch motiviert, wie man bei Besuchen überall immer wieder feststellt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Ich hoffe daher, dass wir mit der jetzigen Zwischenlösung kurzfristig das Schlimmste abgewendet haben und bitte Sie alle, auch im Sinne dieser Resolution, dass wir uns für dauerhaft tragfähige Lösungen für die JAW in Schleswig-Holstein einsetzen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei CDU und FDP)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Birgit Herdejürgen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich finde es ausgesprochen erfreulich, dass über alle Fraktionen Einigkeit besteht, dass wir für den Erhalt der Jugendaufbauwerke eintreten wollen. Wir haben das im Wirtschaftsausschuss schon formuliert, im Grunde genommen so, wie das die Resolution jetzt zum Ausdruck bringt. Damit unterstützen wir Einrichtungen, die eine regionale Besonderheit darstellen und die nicht umsonst vom Land stets unterstützt und gefördert wurden. Die Jugendaufbauwerke erhalten ihre besondere Stellung dadurch, dass sie sich von herkömmlichen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen absetzen. Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf stellt das deutlich heraus, was vorher in der Rechtsprechung angezweifelt wurde, nämlich dass es sich bei den Jugendaufbauwerken um Einrichtungen der Jugendhilfe handelt.

Wenn man sich in den Jugendaufbauwerken umsieht, Gespräche mit Mitarbeitern und Jugendlichen führt, wird deutlich, dass das Wegbrechen dieser Struktur eine riesengroße Lücke innerhalb der unterstützenden Hilfen für Jugendliche im Übergang von Schule zu Beruf reißen würde. Für die Schulabgänger bieten die Jugendaufbauwerke Perspektiven. Die Maßnahmen werden frühzeitig nachgefragt und die Unsicherheiten, was die Zukunft dieser Maßnahmen betrifft, produzieren wiederum große Unsicherheit bei den Jugendlichen und das ist meiner Meinung nach eine untragbare Situation.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Jugendlichen geht es um Berufsorientierung, ausbildungsbegleitende Hilfen oder die Vermittlung von Dingen, die uns selbstverständlich erscheinen, zum Beispiel überhaupt einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen und dafür morgens aufzustehen. Für all dies reicht nicht das reine Angebot von Bildungsmaßnahmen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen sich hohen Anforderungen gegenüber. Die Arbeit basiert auf vielerlei Kontakten in die Familien hinein, in die Arbeitsverwaltung, zu Schulen und, ganz wichtig, zu Ausbildungsbetrieben. Diese gewachsenen Netzwerke sind Voraussetzung für eine

(Birgit Herdejürgen)

erfolgreiche Arbeit im Sinne unserer Jugendlichen. Diese Komponente als ein entscheidendes Qualitätsmerkmal muss bei der Vergabe von Aufträgen ausreichend Berücksichtigung finden. Die bundesweite Ausschreibung hat im vergangenen Jahr schon ganz absurde Blüten getrieben.

Ich bin froh, dass der Einsatz, den das Ministerium, den wir alle in den Ausschüssen bei Gesprächen mit Trägern und Arbeitsämtern geleistet haben, nun offensichtlich zu einer Vereinbarung mit der Bundesagentur geführt haben, die freihändige Vergabe von Maßnahmen in diesem Sinne zu nutzen. Der Kampf um den Erhalt der Jugendaufbauwerke - das hat der Herr Minister schon erläutert - ist damit nicht beendet und wird uns sicherlich noch weiterhin beschäftigen. Ich bin froh, dass wir da alle einer Meinung sind, dass wir diesen Kampf auch weiterführen werden. Wichtig ist, dass wir uns über die Fraktionen hinweg in diesem Bemühen einig sind. Zumindest für die Abgeordneten der SPD auf Bundesebene kann ich sagen, dass der bisherige Einsatz auch fortgeführt wird. Dafür erst einmal herzlichen Dank. Dieser Dank geht natürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium, die die Landes- und Regionalagenturen in unserem Sinne bewegen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn wir hoffen, dass mit den jetzt gefundenen Einschätzungen eine Übergangsregelung kommen wird, die den JAWs eine reelle Chance gibt, so müssen wir doch feststellen, dass in den Jugendaufbauwerken nach wie vor Angst herrscht, Angst darüber, wie die Zukunft ist, ob dies von Dauer sein wird. Wer dort Gespräche geführt hat, weiß um die Betroffenheit. Es geht um 600 Mitarbeiter, 3.900 Beschäftigte. Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen, dass der Sozialausschuss, der dieses Thema auf Antrag der CDU diskutiert hat, mit der Regierung zu einem gemeinsamen Meinungsbild gekommen ist, um hier ein sichtbares Zeichen parteiübergreifender Arbeit zu setzen.

(Beifall bei CDU, FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte Ihnen, Herr Professor Rohwer, ausdrücklich bestätigen, dass Sie uns in sehr großer Gründlichkeit und Effektivität im Ausschuss berichtet und

dort gewirkt haben. Dies gilt auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die dabei waren.

Ich will hinzusetzen, dass man bei dieser Gelegenheit auch gleich feststellen darf, dass wir es der Aufmerksamkeit und Recherche des Journalisten Michael Legband zu verdanken haben, dass dieses Thema in Schleswig-Holstein sehr schnell zu einem Thema wurde, als manche die ganze Tiefe des Problems vielleicht noch gar nicht erkannt hatten, worüber wir uns hier zu unterhalten haben.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich finde das gar nicht so lächerlich, wie manche das Thema verschlafen haben und dann erst durch diese Hinweise sehr viel intensiver bemerkten, wie tief das Problem reicht.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])