Protocol of the Session on March 10, 2004

Zum Abschluss sage ich Folgendes. Ich weiß noch, wie ich damals den frisch gebackenen Justizminister von der FDP, nämlich Professor Schmidt-Jortzig aus Kiel, als kleiner Parteigänger massiv wegen seiner Entscheidung zum großen Lauschangriff angegriffen habe. Ich werde das auch mit jedem anderen tun, egal, in welcher Partei er ist. Ich werde das hier tun und ich werde das nach wie vor tun. Deswegen habe ich unendlich großen Respekt vor Leuten wie Frau Leuthäuser-Schnarrenberger. Dagegen ist mein Respekt

für Leute, die hier einen Überwachungsstaat einklagen oder einfordern wollen, nicht so groß. Solches werde ich nach wie vor sagen.

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Antrags Drucksache 15/2645. Da Ablehnung empfohlen wird, ist über den Ursprungsantrag abzustimmen. Ich lasse über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW gegen die Stimmen der Fraktion der CDU abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Heilberufegesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/3261

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Grundsatzberatung. Das Wort hat die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz, Frau Ministerin Heide Moser.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir kommen damit zu einem medizinischen Thema. Trotzdem gehe ich davon aus, dass die Ideologieverbreitung bei diesem Thema geringer ist als bei dem eben diskutierten Thema. Das ist eigentlich schade; denn das eben diskutierte Thema verträgt es umso weniger, weil es ein sehr grundlegendes Thema ist. Aber dazu sollte ich eigentlich nicht reden, sondern zum Heilberufegesetz.

Mit dem Entwurf eines Heilberufegesetzes sollen EUrechtliche Vorgaben für die so genannte spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin umgesetzt werden. Das ist nicht Ausbildung in unserem Sprachsinne, sondern es ist Weiterbildung. Lediglich die Terminologie der EU spricht von Ausbildung.

Die Weiterbildung in Allgemeinmedizin war bisher auf zweierlei Weise möglich: entweder als früher drei-, jetzt fünfjährige Weiterbildung nach Maßgabe der Weiterbildungsordnung unserer Ärztekammer oder als verkürzte zweijährige Weiterbildung zum so

(Ministerin Heide Moser)

genannten Euro-Doc auf der Grundlage des Gesetzes über eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin, mit dem hier im Lande die bisher geltenden EU-Vorgaben umgesetzt worden waren.

Diese Unterscheidung fand insbesondere darin ihren Ausdruck, dass nur diejenigen die Gebietsbezeichnung Allgemeinmedizin führen durften, die die längere Weiterbildung nach der Weiterbildungsordnung der Kammer erfolgreich abgeschlossen hatten. Absolventinnen und Absolventen der bisher zweijährigen EU-Weiterbildung durften sich dagegen praktische Ärztin oder praktischer Arzt nennen.

Meine Damen und Herren, diese unterschiedliche Behandlung der beiden Weiterbildungsgänge bemängelt die EU-Kommission schon seit längerem und hat daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Auch wenn wir eigentlich der Meinung sind, dass diese Dinge Landessache bleiben sollten, haben wir dennoch mit den anderen Ländern und dem Bund zusammen darüber diskutiert. Nach diesen intensiven Abstimmungsgesprächen sind wir der Meinung, dass wir den Forderungen der EU nachkommen sollten. Daher liegt jetzt dieser Gesetzentwurf vor.

Nunmehr soll die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin so geregelt werden, dass sie in der fünfjährigen, durch Kammersatzung geregelten Weiterbildung aufgeht. Damit ist das Recht verbunden, die Gebietsbezeichnung Fachärztin oder Facharzt für Allgemeinmedizin zu führen.

Ich denke, das ist ein vernünftiger, maßvoller Schritt, der niemandem wehtut, er dient auch der Klarheit der Sache und gibt den betroffenen Medizinerinnen und Medizinern mehr Klarheit an die Hand.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalinka.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Nötige ist gesagt worden. Wir haben hier so etwas wie einen Pflichtbeschluss zu fassen. Ich glaube, es wäre überflüssig, die Argumente noch einmal vorzutragen. Wir merken, wie direkt sich EU-Recht auf diesem Feld auswirkt. Wir merken bei dem Gesetzestext auch, dass die Dinge durch EU-Recht nicht einfacher werden. Ob es heute im Gesundheitswesen wichtigere Dinge zu diskutieren gibt, lasse ich einmal dahingestellt. Jedenfalls haben wir einen Pflichtbe

schluss zu fassen. Wir stellen uns dahinter. Ich glaube, dabei sollte ich es belassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Beran.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Inhalt des Gesetzes und seinen Anlass ist bereits ausführlich eingegangen worden. Dafür herzlichen Dank! So kann ich mir Wiederholungen ersparen. Dennoch trage ich zwei, drei Gedankengänge zu dem Gesetzentwurf vor.

Als mir der Gesetzentwurf zugesandt wurde, habe ich ihn in meiner Arbeit erst einmal hintangestellt. Ich habe mir gedacht: Schon wieder so ein europäisches Rahmengesetz, das wir nun umzusetzen haben; uninteressant!

Aber vergangene Woche hieß es auf einmal, ich möge mich für die Fraktion um diesen Gesetzentwurf kümmern. Warum ausgerechnet ich? Das hätte ja auch ein Europäer machen können.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir sind doch alle Europäer!)

- So ist es.

Dann las ich zur Vorbereitung den Gesetzentwurf. Ich war erstaunt, was ich da erfahren durfte. Nun gut, die gegenseitige Anerkennung von Weiterbildungsabschlüssen für Fach- und Zahnärzte in den EUMitgliedstaaten fand ich in Ordnung, das war aus meiner Sicht wenig brisant.

Aber dann ging es um den Facharzt für Allgemeinmedizin. Der Begriff als solcher war mir schon suspekt. Denn wie kann etwas Allgemeines gleichzeitig etwas Fachliches sein? Ich holte Erkundigungen ein und führte lange Telefonate mit Allgemeinmedizinern. Mir wurde bestätigt, dass unsere Allgemeinmediziner wirklich Fachleute sind. In Deutschland dauert ihre Weiterbildung fünf Jahre. Erst danach darf sich der studierte Mediziner Facharzt für Allgemeinmedizin nennen. In diesen fünf Jahren muss ein Mediziner als Assistenzarzt zum Beispiel bei einem Internisten, einem Kinderarzt, einem Chirurgen oder weiteren Fachärzten assistiert haben. Gleichzeitig hat er bei der Ärztekammer 360 theoretische Stunden zu absolvieren.

Mir wurde an dieser Stelle deutlich, warum der Facharzt für Allgemeinmedizin im Rahmen der Gesundheitsreform eine Schlüsselstellung erhalten soll. Denn

(Andreas Beran)

er hat den besten Allgemeinüberblick über die medizinischen Bereiche und kann nach meiner Meinung auch am ehesten erkennen, mit welchen anderen Fachärzten er in dem einen oder anderen Fall zusammenarbeiten muss. Wenn es einen gibt, der die Patientengeschichte umfassend kennt, dann ist es der Facharzt für Allgemeinmedizin mit seiner Stellung als Lotse im Gesundheitssystem.

Ich entnehme dem Entwurf, dass die EU als Mindeststandard nur eine dreijährige Weiterbildung für diesen Facharzt festsetzt. Was bedeutet das für die Qualität der künftigen Fachärzte für Allgemeinmedizin? Führt das zu einer Verschlechterung der Fachlichkeit? Oder waren wir Deutschen wieder einmal zu gründlich mit dem, was wir taten? Wird die Weiterbildung bei uns weiterhin fünf Jahre dauern, oder wird sie auf drei Jahre verkürzt? Was für eine Auswirkung auf unsere Versorgung mit Allgemeinmedizinern wird das neue Gesetz haben? Kann es auch dazu führen, dass bei einer kürzeren Weiterbildungsmaßnahme mehr Mediziner diese fachliche Weiterbildung absolvieren? Vielleicht führt das ja auch dazu, dass unser Mangel an Allgemeinmedizinern in der Fläche behoben werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt erst bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs. Uns bleibt die Zeit, diese und weitere Fragen in der Beratung zu klären.

Ich beantrage für die SPD-Fraktion Überweisung des Gesetzentwurfs an den Sozialausschuss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Kolb.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Beran, zunächst möchte ich eines richtig stellen: Es gibt keine Fachärzte mehr. Wir sprechen von dem Arzt für Allgemeinmedizin.

(Zurufe der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Andreas Beran [SPD])

- Man sieht es ja, ich gebe Ihnen Recht! Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Heilberufegesetzes zeigt ein Dilemma auf, das in vielen Bereichen auftritt, wenn EU-Recht in nationales Recht umgesetzt werden soll. Es ist richtig, dass es durch eine einheitliche Regelung auch Medizinern aus Spanien oder Italien ermöglicht wird, ihre Tätigkeit ohne diskriminierende Sonderbezeichnungen hier auszuüben.

Gleichzeitig wird durch eine solche Regelung verhindert, dass in Deutschland ausgebildete Mediziner bei ihrer Berufsausübung im europäischen Ausland ebenso diskriminiert werden.

Allerdings birgt eine zu detaillierte EU-Regelung die Gefahr, dass landesspezifische Besonderheiten zu sehr nivelliert werden könnten. So passiert es auch hier: In der Bundesrepublik hat sich eine Dualität zwischen der spezifischen Ausbildung in der Allgemeinmedizin und der Weiterbildung im Gebiet der Allgemeinmedizin herauskristallisiert. Es wurde schon gesagt: Bisher musste sich jeder Mediziner in Deutschland einer mündlichen Prüfung vor der Ärztekammer unterwerfen, wenn er die Gebietsbezeichnung Ärztin oder Arzt für Allgemeinmedizin erlangen wollte.

Die Umsetzung der EU-Richtlinien hat jetzt zur Folge, dass die spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin entfallen soll. Vielmehr ist es jetzt auf Antrag möglich, von der Ärztekammer die Berechtigung zu erhalten, sich als Ärztin oder Arzt für Allgemeinmedizin zu bezeichnen. Inwieweit dies künftig auch zu qualitativen Unterschieden führen kann, wenn ein praktizierender Mediziner, der eine solche Gebietsbezeichnung anstrebt, künftig statt einer Prüfung nur noch einen Antrag zu stellen hat, möchte ich an dieser Stelle offen lassen.

Darüber hinaus wird künftig nach dem Willen der EU eine spezifische Ausbildung in der Allgemeinmedizin nur noch als Weiterbildung im Gebiet Allgemeinmedizin erfolgen. Dazu wurde zwar die Mindestdauer der spezifischen Ausbildung in der Allgemeinmedizin durch EU-Richtlinie von bisher zwei auf drei Jahre verlängert, aber diese Regelung bleibt noch weit hinter der in den nationalen Kammergesetzen geregelten fünfjährigen Weiterbildung im Gebiet der Allgemeinmedizin zurück. Darauf möchte ich aufmerksam machen. Die Bedeutung dieser fünfjährigen Weiterbildungszeit zum Arzt für Allgemeinmedizin ist durch - -

(Zuruf des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

- Facharzt gibt es nicht, Herr Beran!

(Zurufe von der SPD)

- Dann ist das falsch. Fragen Sie die Ärztekammer! Auch in diesem Fall ist die Gefahr nicht zu leugnen, dass künftig eine qualitative Verschlechterung der Weiterbildung droht. Auch wenn inländischen Medizinern gegenüber Medizinern aus der EU im Fall der Weiterbildungszeit durch die Kammern durchaus eine höhere Weiterbildungszeit auferlegt werden

(Veronika Kolb)