Protocol of the Session on March 10, 2004

Dabei stehen neben der konkurrierenden Gesetzgebung und der Rahmengesetzgebung des Bundes besonders die Gemeinschaftsaufgaben und die Finanzbeziehungen auf dem Prüfstand.

Wenn wir als Länder der Auffassung sind, dass Bildungspolitik und Hochschulpolitik ganz klar die wichtigsten Kompetenzen der Länder sind, dann gehört der Ausbau und Neubau von Hochschulen und Hochschulkliniken selbstverständlich auch in die alleinige Kompetenz der Länder. Zusammen mit den anderen CDU-regierten Bundesländern spreche ich mich deshalb dafür aus, diese Aufgabe allein den Bundesländern zuzuordnen - wenngleich natürlich die Finanzierung zu lösen ist. Wir haben hier einen Weg zu suchen, der erstens auf dem tatsächlichen Verteilungsschlüssel, den wir jetzt haben, aufbaut, nicht auf dem Königsteiner Schlüssel, zweitens auf den tatsächlich zugewiesenen Mitteln und drittens auf einer Dynamisierung, die für die aus dem Bundeshaushalt auszukehrenden Mittel grundsätzlich festzulegen ist. Ich hoffe, dass die Kommission dazu morgen in den Anhörungen der Sachverständigen Antworten findet.

Auch die Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ hat sich insgesamt als starr und unbeweglich erwiesen. Auch diese Aufgabe sollte allein den Ländern zugeordnet werden. Erforderliche Finanztransfers könnten wir über Artikel 104 des Grundgesetzes lösen.

Eine Gemeinschaftsaufgabe, die Schleswig-Holstein ganz besonders betrifft, ist die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“. Ich habe dabei den Vorschlag gemacht, die Themen „Agrarstruktur“ und „Küstenschutz“ zu trennen, auch im Hinblick auf eine einheitliche Küstenwache. Denn außer der gemeinsamen Zuständigkeit der Agrarminister haben sie eigentlich nichts miteinander zu tun.

Grundsätzlich sollte nach meiner Auffassung die Förderung der Agrarstruktur eine Landesaufgabe sein, wenngleich ich einräume, dass aufgrund der EUKompetenzen sicherlich auch eine Bundeszuständigkeit zu rechtfertigen wäre. Hierzu müssen wir vertiefende Diskussionen führen.

Der Küstenschutz hingegen ist nach meiner Auffassung, da ohnehin schon 70 % vom Bund finanziert

(Martin Kayenburg)

werden, in eine Bundeszuständigkeit zu überführen. Denn allein das finanzielle Engagement des Bundes macht deutlich, dass der Bund hierin eine nationale Aufgabe sehen kann. Ich will allerdings zusätzlich feststellen, dass die Aufgabenerledigung weiterhin durchaus als Auftragsverwaltung an die Länder gegeben werden könnte, wie wir das auch bei Bundesstraßen und Bundesautobahnen haben.

Schließlich ist die Bildungsplanung und Förderung der Forschung differenzierter zu betrachten als die anderen Komplexe. Die Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung sollten wir generell auflösen. Bei der Forschungsförderung aber, insbesondere bei der Förderung von Großforschungseinrichtungen, könnten einzelne Länder überfordert sein. Deswegen sollte die außeruniversitäre Großforschung weiterhin in die Kompetenz des Bundes fallen.

Ein weiterer Bereich, der anzusprechen ist, ist die Frage, welche Kompetenzen die Länder im Bereich des öffentlichen Dienstrechtes bekommen sollen. Diese Frage ist nicht ausdiskutiert. Vielleicht kann man als Zwischenstand feststellen, dass es eine Lösung dahin geben könnte, dass im Beamtenbereich im öffentlichen Dienstrecht das Statusrecht beim Bund verbleibt, aber das Besoldungsrecht und die Ausführung auf die Bundesländer übertragen werden.

Frau Simonis, zum Verwaltungsverfahren kann ich Ihnen nur hundertprozentig zustimmen. Im Übrigen hat auch die Bundesregierung durch den Staatssekretär Geiger inzwischen signalisiert, dass dies entsprechend Ihren Vorschlägen gelöst werden könnte.

Last, but not least ist eine Reform der Mitwirkung der Landesparlamente im Bundesrat - da geht es um unser Selbstverständnis - dringend erforderlich. Die Landesregierungen haben verfassungsrechtlich das Mandat, die Interessen ihrer Länder über den Bundesrat auf der Bundesebene wahrzunehmen. Die Landtage als vom Volk gewählte oberste Organe der politischen Willensbildung werden dabei geradezu in eine Zuschauerrolle gedrängt. Auf vielen Gebieten, die uns unmittelbar betreffen, haben die Parlamente kein Mitspracherecht auf Bundesebene. Oft erfahren wir erst im Nachhinein, welche Position die Landesregierung im Bundesrat vertreten hat. Das ist ein unbefriedigender Zustand, der dringend einer Änderung bedarf.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dies sage ich auch ganz bewusst im Hinblick auf den Erfolg, den wir im Februar 2005 haben werden. Wir wollen eine stärkere Beteiligung des Parlaments und eine stärkere Bindung der Regierung.

(Beifall bei der CDU - Dr. Ulf von Hielmc- rone [SPD]: Wie in Bayern!)

Ich glaube, dass wir mit dem von uns vorgelegten Parlamentsinformationsgesetz einen Schritt in die richtige Richtung gewiesen haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend möchte ich noch einmal grundsätzlich mehr Wettbewerbsföderalismus einfordern. Dabei ist mir durchaus klar, dass die finanziellen Folgen gerade für finanzschwache Länder wie Schleswig-Holstein nicht übersehen werden dürfen. Auch dürfen wir die Wahrung der einheitlichen Lebensverhältnisse nicht aus den Augen verlieren. Es wird darauf ankommen, eine gesunde Balance zwischen Wettbewerbsföderalismus und der Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse herzustellen. Das sollten wir miteinander diskutieren, und zwar auch unter dem Aspekt, welche Rolle Europa in diesem Zusammenhang übernehmen will oder übernehmen soll.

Ich wünsche mir einen Wettbewerbsföderalismus mit so viel Land wie möglich und so viel Bund wie nötig.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann eigentlich nahtlos an den Beitrag des Kollegen Kayenburg anknüpfen, weil das Thema Föderalismus kein Thema vordergründig parteipolitischer Auseinandersetzungen ist.

(Beifall)

Ich stelle fest, dass die Interessen des Parlaments, die von uns in einem gemeinsamen Antrag formuliert sind, auch in Zukunft bei der Kommission in Berlin weiter vertreten werden. Herr Kayenburg, auf das, was Sie zum Thema Parlamentsinformationsgesetz gesagt haben, möchte ich deshalb nicht näher eingehen, weil unsere Position aus dem Selbstbewusstsein, dass wir ausreichend informiert worden sind, bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes deutlich geworden ist.

„Der Föderalismus in Deutschland ist gekennzeichnet von gemeinsamer Verantwortung für das Ganze, von Solidarität und der Vielfalt der Länder mit ihrer unterschiedlichen Geschichte, Kultur, Gebietsstruktur und Bevölkerungszahl. Föderalismus ermöglicht den Ländern, eigene Wege der Aufgabener

(Lothar Hay)

füllung zu entwickeln. Er gewährt zusätzliche Möglichkeiten demokratischer Teilhabe in Wahlen und Abstimmungen und fördert regionale Identität und Bürgernähe."

Das steht so in der von uns am 31. März 2003 in Lübeck verabschiedeten „Lübecker Erklärung" der deutschen Landesparlamente. Diese Werte haben an Aktualität und grundsätzlicher Bedeutung nichts eingebüßt und es ist den Landesparlamenten und deren Präsidenten zu verdanken, dass die so genannte Föderalismusdebatte in Gang gebracht wurde und zu der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung führte, die jetzt in zwei Arbeitsgruppen die Diskussion führt.

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat mit seinem sehr frühzeitigen interfraktionellen Beschluss dazu beigetragen, das Bewusstsein für das Thema bundesweit zu schärfen. An dieser Stelle sei der treibenden Kraft in der Anfangsdiskussion und dem weiteren Verfahren, unserem Landtagspräsidenten HeinzWerner Arens, im Namen der SPD-Fraktion für sein hohes Engagement gedankt. Wir hoffen, dass er das auch in Zukunft fortsetzen wird.

(Beifall im ganzen Haus)

Die Debatte zu führen, ist wichtig und notwendig. Wir sollten uns jedoch keine Illusionen darüber machen, dass die Menschen im Lande bisher an dieser Debatte in keiner Weise interessiert sind. Dies kann man den Menschen auch so lange nicht verdenken, solange wir nicht zu konkreten Forderungen kommen, die mittelbar oder unmittelbar in die Lebenswirklichkeit eingreifen und damit zur Beschleunigung von Abläufen, zur verstärkten Beteiligung der Landesparlamente und zu einem neuen Verhältnis von Bundesrat und Bundestag führen.

Menschen, die konkrete Probleme haben - und die Zahl derer ist bedauerlicherweise nicht kleiner geworden -, interessieren sich für Entscheidungen, interessieren sich für Politik, die etwas bewegt. Davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das stimmt!)

Ziel muss sein, auch im Interesse der Politik insgesamt, zu konkreten, klar vermittelbaren Ergebnissen zu kommen, und dies in einem akzeptablen Zeitraum.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

In Artikel 30 des Grundgesetzes heißt es:

„Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grund

gesetz keine anderen Regelungen trifft oder zulässt."

Daran orientieren wir uns als Landesparlament gern. Sicherlich sind wir an den zu kritisierenden bestehenden Verhältnissen nicht unschuldig, wenn wir als Parlamentarier einen zu geringen Informationsfluss vonseiten der Regierungen in der Vergangenheit hingenommen haben. Unbestritten Recht hat unsere Ministerpräsidentin mit der Aussage, dass Parlament und Regierung aufeinander angewiesen sind, wenn es um Zukunftsfragen unserer bundesstaatlichen Ordnung geht. Deshalb sind wir froh, dass Gedankenspiele, die Landesparlamente aus der Debatte völlig herauszuhalten, letztlich nicht umgesetzt worden sind. Man muss an dieser Stelle auch einmal daran erinnern, dass es diese Absicht durchaus gegeben hat. Gott sei Dank ist das verhindert worden.

Was die Menschen interessiert, ist die konkrete Beschleunigung von Entscheidungsabläufen durch die Politik. Nehmen wir die hoch komplizierten Vermittlungsverfahren aus den letzten Monaten, die in ihren Abläufen den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermittelbar waren. Der Vermittlungsausschuss ist zu einem Gremium geworden, das demokratisch nicht legitimiert ist, Diskussionen unter Ausschluss der Öffentlichkeit führt und Beschlüsse fasst, bei denen die Menschen nicht mehr nachvollziehen können, wer sich wie verhalten hat und welche inhaltlichen Positionen vertreten worden sind. Es wird in diesem Zusammenhang oft von Blockade gesprochen, wenn die Bundesratsmehrheit nicht mehr der Mehrheit im Bundestag entspricht und die Ländervertretung quasi zum Gegenparlament wird, was sie nicht sein soll. Wenn ich dies für die SPD sage, dann weiß ich, dass auch wir in der Vergangenheit der Neigung erlegen sind, die Chancen zur Blockade an der einen oder anderen Stelle zu nutzen, wie es heute CDU und CSU tun. Auch in diesem für jeden spürbaren Bereich müssen wir zu Regelungen kommen, die die Verantwortung stärken und notwendige politische Entscheidungswege beschleunigen.

Unsere internationale Konkurrenzfähigkeit im wirtschaftlichen Bereich und bei vielen anderen Fragen wird auch von der Fähigkeit zur Veränderung unserer politischen Strukturen abhängig sein. Im gemeinsamen Papier der Fraktionsvorsitzenden, das auch von Herrn Kayenburg mit formuliert worden ist, heißt es:

„Das verkrustete System des koordinierenden Föderalismus hemmt Investitionen im öffentlichen und privaten Bereich. Nur wenn es gelingt, die verschiedenen Formen von Mischverantwortung, Gemeinschaftsaufgaben und horizontalen Ausgleichsmechanis

(Lothar Hay)

men zu lösen, erhalten alle Ebenen endlich wieder Gestaltungsmöglichkeiten. Jede Einheit braucht eine ausreichende Leistungskraft, die sie in die Lage versetzt, vorhandenen Raum nutzen zu können.“

Dem stimme ich im Kern natürlich zu, mache gleichzeitig aber deutlich, dass in der Frage der Gemeinschaftsaufgaben eine abweichende Position schon aus den Interessen unseres Landes von mir deutlich gemacht werden muss. Ich stimme aber ausdrücklich auch Ihnen zu, Herr Kayenburg, dass das in den Verhandlungen der Kommission eine zentrale Frage sein wird. Man kann über Gemeinschaftsaufgaben dann diskutieren, wenn in Zukunft die Länder für die Übertragung der Gemeinschaftsaufgaben eine ausreichende finanzielle Ausstattung mit einer entsprechenden Dynamisierung bekommen. Das wäre aus meiner Sicht ein richtiger Weg.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ein weiterer Punkt - Sie haben es schon angesprochen - ist das Thema Küstenschutz. Dem stimme ich zu. Der Küstenschutz ist auch aus meiner Sicht eine nationale Aufgabe, die in Verantwortung des Landes ausgeführt werden sollte. Dies müssen wir in Berlin in der Kommission gemeinsam vortragen. Ich bin gern bereit, Sie auf diesem Weg zu begleiten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Als Gegenposition zur Interessenlage anderer Beteiligter stimme ich folgender Formulierung ohne Wenn und Aber zu:

„Der ursprüngliche Gestaltungsföderalismus hat sich zu einem bloßen Beteiligungsföderalismus reduziert. Wer die fortschreitende Schwächung der Landesparlamente stoppt, stärkt die Demokratie.“

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Wenn die südlichen Länder mehr Wettbewerb zwischen den Ländern fordern, so darf man diejenigen, die aus der Solidarität über Jahrzehnte ihre Vorteile gezogen haben, darauf hinweisen, dass die Herstellung annähernd gleicher Lebensverhältnisse in ganz Deutschland in der Tat zu unserem Selbstverständnis als föderale Republik gehört. Ich teile ausdrücklich die Position der Ministerpräsidentin, dass die Solidarität zwischen den Ländern wesentlich wichtiger ist als der Wettbewerb.