Wenn die südlichen Länder mehr Wettbewerb zwischen den Ländern fordern, so darf man diejenigen, die aus der Solidarität über Jahrzehnte ihre Vorteile gezogen haben, darauf hinweisen, dass die Herstellung annähernd gleicher Lebensverhältnisse in ganz Deutschland in der Tat zu unserem Selbstverständnis als föderale Republik gehört. Ich teile ausdrücklich die Position der Ministerpräsidentin, dass die Solidarität zwischen den Ländern wesentlich wichtiger ist als der Wettbewerb.
Wenn nach Artikel 30 des Grundgesetzes die Ausführung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist, müssen die Länder in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten eigenständig zu regeln. Dies setzt natürlich eine ausreichende Finanzausstattung der Länder voraus. Der Grundsatz der Konnexität, wie er bei uns im Land zwischen Land und Kommunen bereits festgeschrieben ist, muss nach unserer Überzeugung im Grundgesetz verankert werden.
Werden also Länder und/oder Gemeinden durch Vorschriften des Bundes finanziell belastet, dann muss der Bund hierfür einen finanziellen Ausgleich schaffen.
Wir müssen über die Neuregelung der Finanzbeziehungen sprechen. Ich sprach schon das System der Gemeinschaftsaufgaben an; eine ganz wichtige Aufgabe. Es muss gelten, dass jede Ebene autonom für ihre Aufgaben über ihre Einnahmen und Ausgaben entscheiden kann. Wenn Aufgaben wieder in die Länder zurückgeführt werden, brauchen diese zur Kompensation der Ausgabenlast eine Verbesserung der Einnahmen. Die Landtage müssen daher eine originäre Gesetzgebungskompetenz der Länder im Steuerrecht einfordern. Dies gilt vor allem bei Steuern, deren Ertrag ohnehin den Ländern zugute kommt.
Ein bedeutendes weiteres Manko für die Landesparlamente besteht im Fehlen einer unmittelbaren Mitwirkung auf Bundes- und europäischer Ebene. Selbst auf verfassungspolitische Grundentscheidungen im föderativen System der Bundesrepublik Deutschland und in der Europäischen Union können sie keinen mitentscheidenden Einfluss nehmen, nicht einmal dort, wo eigene Kompetenzen berührt sind.
„Die Landesregierungen haben zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Landesparlamente über alle Bundesratsangelegenheiten zu unterrichten, die für das Land von herausragender politischer Bedeutung sind und wesentliche Belange des Landes berühren. Die Landesregierungen haben den Länderparlamenten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und diese zu berücksichtigen.“
Dies hört sich wie eine Selbstverständlichkeit an, aber es ist noch nicht überall in der Bundesrepublik selbstverständlich. Dies müssen die Landesparlamente mit Nachdruck überall einfordern.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Wie im gemeinsamen Papier der Fraktionsvorsitzenden aller Parteien gefordert, wird es um eine kritische Bestandsaufnahme bei der Frage gehen, welche Bereiche wirklich einer bundeseinheitlichen Regelung bedürfen. Wir wollen als Länder und Landesparlamente wieder substanzielle Regelungsbefugnisse. Dies darf nicht beim Jagdwesen und der lokalen Freizeitlärmbekämpfung enden, sondern dies muss erheblich weiter gehen.
Die Ministerpräsidentin und der Konvent der Landesparlamente schlagen für das Verhältnis von Bund und Ländern eine neben die konkurrierende Gesetzgebung tretende Vorranggesetzgebung vor. Der Bund soll in diesem Bereich sein Regelungsrecht behalten, die Länder aber können von der Regelung des Bundes abweichende Gesetze beschließen, die auch dann in Kraft bleiben, wenn der Bund seinerseits novelliert. Die Bundesregierung schlägt stattdessen vor, den Spielraum des Bundesgesetzgebers für Öffnungs- und Experimentierklauseln zugunsten der Länder zu vergrößern. Dieser Vorschlag trifft sich mit der Forderung der Landesparlamente. Allerdings möchte die Bundesregierung, dass bei Einfügung von Öffnungsklauseln in Bundesgesetze im Gegenzug die etwaige Zustimmungsbedürftigkeit beim jeweiligen Gesetz entfällt.
Einige Beteiligte sind für die völlige Abschaffung der Rahmengesetzgebung. Die Landesparlamente sind aber grundsätzlich für die Beibehaltung als Mittel der Stärkung der Gesetzgebungsbefugnisse der Länder.
Ich persönlich könnte mich auch mit der Forderung anfreunden, dass Bundesrecht zukünftig mit einer von vornherein beschränkten Geltungsdauer erlassen werden soll. Darüber sollten wir allerdings auch auf Landesebene noch einmal nachdenken.
Deutlich wird aus der Debatte, wie vielschichtig und kompliziert die aktuelle Situation ist. Gleichwohl sollte die Politik darum bemüht sein, möglichst schnell zu einem Ergebnis zu kommen.
Es bleibt ein weiterer Punkt, der dringend geregelt werden muss. Die Regelung fast aller europäischen Angelegenheiten durch die Länder geschieht heute als reines Regierungshandeln. Die Länder sind nur über die Landesregierungen im Bundesrat vertreten.
Dort geben die Regierungen völlig autark ihre Voten ab. Die Landesparlamente sind Zaungäste und am Ende in einer reinen Akklamationsrolle. Wenn im europäischen Verfassungsentwurf mehrfach der Begriff der Subsidiarität verwendet wird, dann kann sich diese nicht nur auf das Verhältnis Europa zu Nationalstaaten beziehen, sondern muss auch Bedeutung bekommen im Verhältnis von Bund und Ländern.
Im Klartext: Entscheidungen sollen dort getroffen werden, wo sie am bürgernächsten und am praktischsten durchgeführt werden können. Auch das muss bei der Neuordnung des Föderalismusprinzips beachtet werden. Es kommt darauf an, dass am Ende der Diskussion eine Entscheidung zur Stärkung der Landesparlamente steht, eine Entscheidung für mehr Demokratie, eine Entscheidung für klare und nachvollziehbare Strukturen im Interesse der Menschen in diesem Land. Lassen Sie uns in den nächsten Monaten gemeinsam fraktionsübergreifend an einer durchgreifenden Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung arbeiten und auch streiten!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Novum der schleswig-holsteinischen Parlamentsgeschichte beginnen, weil ich glaube, dass diese Debatte etwas Neues bringen muss gegenüber dem, was wir alle bereits 53-mal alle überall erklärt haben. Ich gebe meine Rede zu Protokoll; nicht hier zu Protokoll, sondern meine sehr gut ausgearbeitete Rede zum Thema Föderalismus ist nachzulesen unter der Internetadresse meiner Fraktion, durch einen Link vernetzt. Als mir der Kollege Klug sagte, wir wollen jetzt hier über eine Stunde lang über den Föderalismus in Deutschland diskutieren, habe ich ihn gefragt: Gibt es irgendetwas Neues? Meine Recherche in den letzten beiden Tagen hat ergeben: Es gibt eigentlich nichts Neues.
So habe ich mir die Debatte nicht vorgestellt, dass es keine neuen Argumente und keine neuen Vorschläge gibt, dass es nichts gibt, worüber ernsthaft diskutiert werden müsste. Ich habe mich gefragt: Was um alles in der Welt veranlasst die Ministerpräsidentin unseres Landes, gerade jetzt eine Regierungserklärung zum
Föderalismus abzugeben? Über den Inhalt der Regierungserklärung kann man trefflich diskutieren. Wir haben darüber bereits mehrfach diskutiert, auch in diesem Hause. Möglicherweise musste die Regierungserklärung deshalb abgegeben werden, weil viele sozialdemokratische Abgeordnete damals nicht anwesend waren, die aber hören sollten, was die Ministerpräsidentin schon damals zu sagen hatte.
Das Land hat die höchste Arbeitslosigkeit seit seinem Bestehen. Die Pleitewelle überflutet unser Land. Wir debattieren zum wiederholten Male Vorschläge zur Reform des Föderalismus, das heißt des Verhältnisses zwischen Bund und Land. Dabei bestätigen wir uns auch heute wieder in die Hand, dass wir in diesem Land im Wesentlichen der gleichen Auffassung sind, was das Verhältnis zum Bund angeht.
Die Regierungserklärung der Ministerpräsidentin beinhaltet einige Fragestellungen, auf die ich gern eine Antwort gehabt hätte. Die Antwort ist von der Ministerpräsidentin bisher nicht gegeben worden. Vielleicht kann das nachgeholt werden, auch von den anderen Sozialdemokraten. Denn momentan halten wir uns an Begriffen über die Arbeit fest, die einen hohen Abstraktionswert haben.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. In der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin ist der Begriff des Wettbewerbsföderalismus so gebraucht worden, als wäre Wettbewerb etwas Schlechtes, als gäbe es beim Wettbewerb Verlierer, als könnten am Schluss nicht alle mehr haben, als wenn es keinen Wettbewerb gäbe. Sie hat das Prinzip der Solidarität dem entgegengesetzt und darauf hingewiesen, dass sich kein Land aus der Solidarität verabschieden darf.
Aber sie hat die Frage nicht beantwortet, wie die größere Differenzierung, die dadurch möglich wird, dass Länderparlamente mit größeren Kompetenzen ausgestattet werden, aufgefangen werden soll. Wenn man mehr Kompetenzen für die Länder haben will, eigene gesetzgeberische Maßnahmen auf den Weg zu bringen und Probleme selber zu regeln, dann läuft man nicht nur Gefahr, sondern dann ist es geradezu zwingend, dass die Länder unterschiedliche Wege beschreiten.
Wenn Länder unterschiedliche Wege beschreiten, gibt es eine größere Differenzierung als bisher. Das heißt, das Konfliktfeld zwischen dem, was Sie mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse beschrieben haben, und dem, was die Differenzierung im Bereich der eigenen Länderkompetenz zur Gesetzgebung möglich macht, wird durch allgemeine, abstrakte
Erklärungen nicht aufgelöst. Es muss vielmehr konkret beschrieben werden. Aber darauf haben wir bisher keine Antwort bekommen.
Ich sage ausdrücklich: Wer will - und ich will das -, dass wir mehr Differenzierung hinbekommen, und zwar dadurch, dass wir den Ländern eigene Kompetenzen zurückgeben, der muss akzeptieren, dass die Differenzierung auch eine größere Uneinheitlichkeit nach sich zieht, was nicht gleichbedeutend sein muss mit Ungleichwertigkeit.
Wie ich sehe, schüttelt Kollege Fischer den Kopf. Herr Kollege Fischer, Sie müssen mir einmal erklären, wie es nach Ihrer Ansicht funktionieren soll.
- Das können Sie gern tun. Sie können das gern alles nachlesen. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie an der Debatte teilgenommen hätten. Wenn Sie teilgenommen hätten, hätten Sie jetzt nicht das Problem, die Dinge nachlesen zu müssen, weil Sie nämlich dann bereits wüssten, welche Position meine Fraktion und ich vertreten.
Was den zweiten, ganz wesentlichen Punkt betrifft, so gebe ich ein Beispiel zurück, welches das Stichwort Solidarität zum Gegenstand hat. Die Länder sollen sich also solidarisch verhalten. In der Frage der Finanzausstattung soll es keine sehr gravierenden Differenzierungen geben. Aber die spannende Frage ist, wie wir diesen Zustand herstellen wollen. Wenn wir eine eigene Finanzausstattung der Länder wollen, abgekoppelt vom Bund und ohne eine Zuweisung vonseiten der Bundesebene, dann muss die Frage geklärt werden, wie wir eine gleichmäßige Ausstattung der Länder herstellen wollen.
- Ja, darüber wird diskutiert. Aber es gibt bisher keine Regelung, die eine Regierungserklärung gerechtfertigt hätte. Und, Herr Kollege Kayenburg, wir haben in der Rede der Ministerpräsidentin darauf keine Antwort bekommen. Sie hat auch keinen Vorschlag gemacht, wie dieser Konflikt gelöst werden soll.
Wir haben hier aktuell ein Konfliktpotenzial. Ich höre und lese gerade, dass sich der Wirtschaftsminister unseres Landes massiv darüber beklagt, dass die ostdeutschen Bundesländer höhere Förderquoten gewähren können als die westdeutschen Bundesländer. Die ostdeutschen Bundesländer sagen, was sie machten, sei ein Akt der Solidarität. Das sagen die ostdeutschen Bundesländer, die gegenüber den westdeutschen einen riesigen Nachholbedarf haben.
Wenn die Ministerpräsidentin von Solidarität spricht - das ist ja ein roter Faden in ihrer Regierungserklärung gewesen -, dann müsste sie sich jetzt hinstellen und sagen: Es ist unser Beitrag zur Solidarität, dass die ostdeutschen Bundesländer jetzt besser fördern können als wir; das müssen wir hinnehmen; und wir müssen hinnehmen, dass Betriebe abwandern. Genau das hat die Ministerpräsidentin aber nicht gesagt. Die Regierung stellt sich vielmehr hin und sagt, das sei kein Akt der Solidarität und die Verhältnisse müssten aufgebrochen werden, weil wir sonst im Wettbewerb der Länder untereinander Nachteile hätten.
Ich hatte eine Antwort auf genau diese Fragestellung erwartet. Die Antwort ist aber nicht gegeben worden. Die Regierungserklärung war nichts anderes als die Wiederholung bereits bekannter allgemeiner, abstrakter Aussagen.