Protocol of the Session on September 28, 2000

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Auch das stimmt nicht! - Unruhe)

Das gelingt ja relativ selten, wie wir alle wissen. Herr Kayenburg, Sie springen heute auf einen Zug, weil es Ihnen vermeintlich helfen kann, das selbst verursachte Tal der Tränen Ihrer Partei zu verlassen. Denn als wir im Juli in diesem Parlament das dritte Mal mit Ihrem Antrag konfrontiert worden sind, waren Sie noch bereit, das ohne Aussprache abschließend zur Kenntnis zu nehmen.

Meine Damen und Herren, neue Argumente haben wir von Herrn Kayenburg heute nicht gehört.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Aber wir haben vernommen, dass Sie weiterhin auf das schlechte Gedächtnis der Menschen im Lande setzen; denn Sie wollen vergessen machen, dass es in der von F.D.P. und CDU zu verantwortenden Regierungszeit gewesen ist, in der Sie von 1985 bis 1994 achtmal die Mineralölsteuer um insgesamt 50 Pf erhöht haben. Wenn Sie jetzt die 12 Pf als Abkassiererei bezeichnen - was waren denn die 50 Pf für Sie?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Auch Abkassie- rerei!)

War das keine Abkassiererei? - Kollege Kubicki, im Wettstreit der Populismen haben Sie jetzt die Nase vorn: Während der Kollege Kayenburg sagt, man wolle die Ökosteuer ab 2001 aussetzen, fordern Sie sogar die Rücknahme der schon beschlossenen Mineralölsteuererhöhung.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Wollen Sie damit auch die 50 Pf wieder zurücknehmen, die mit Ihrer Zustimmung vom Deutschen Bundestag damals teilweise gegen den Protest der SPD beschlossen worden sind?

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wenn ihr mit- macht, ja! - Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Auch diese Antwort sind Sie uns noch schuldig.

Kollege Kayenburg, Sie sind uns eine Antwort auf den Widerspruch zum Wahlprogramm der CDU schuldig. Ich vermute, dass Sie Ihr Programm gelesen haben, ein Programm, mit dem Sie noch vor zwei Jahren um das Votum der Wähler gerungen haben. Darin fordern Sie nichts anderes, als dass zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland der Verbrauch der Ressource Energie verteuert und die Arbeitskosten gesenkt werden müssen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Durch Anhebung der Mehrwertsteuer im europäischen Kontext! Da müssen Sie schon richtig zitieren! Halb- wahrheiten sind Unwahrheiten! - Heinz Mau- (Günter Neugebauer)

Er kann es nicht zitieren! Er hat es nicht gelesen!)

- Nein, weichen Sie nicht aus! Ich habe das hier schriftlich vorliegen. Ihr heutiger Fraktionsvorsitzender Merz hat noch nach der Bundestagswahl festgehalten - auch das habe ich hier -, dass es sehr wohl Sinn macht, durch die Ökosteuer Einnahmen zu erzielen, um auf der anderen Seite Sozialabgaben zu reduzieren. Was die neue Bundesregierung gemacht hat, ist also in Ihrem Sinne gewesen: Wir haben den Verbrauch von Energie verteuert, weil wir die Arbeitskosten senken wollten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wer jetzt wie Sie oder Herr Kollege Kubicki gestern bei der eindrucksvollen Kundgebung den Menschen versprochen hat, die Ökosteuer abzuschaffen, der muss sich auch an dieses Rednerpult stellen und sagen, wie er die Lücken in der Rentenversicherung und bei den Lohnnebenkosten senken will,

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zurufe von CDU und F.D.P.)

oder er muss ihnen sagen, dass die Lohnnebenkosten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder um 480 DM pro Jahr erhöht werden müssen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Wir reden über die Jahre 2001 bis 2002. Sie wissen, dass es ab dem Jahr 2003 eine neue Diskussion geben wird. Jetzt geht es um die Senkung der Lohnnebenkosten. Das Loch, das Sie aufreißen wollen, ist angesichts der Verschuldung, die ja in Ihrer Regierungszeit entstanden ist, einfach nicht zu decken. Das brauche ich hier doch nicht ein zweites Mal zu erzählen.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Lars Harms [SSW])

Ihre Kampagne ist populistisch.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Und populär!)

Sie ist verlogen. Das muss hier in aller Deutlichkeit gesagt werden. Ihre jetzige Bundesvorsitzende Frau Merkel weiß sich nicht mehr daran zu erinnern, dass sie noch 1997 gefordert hat -

(Glocke des Präsidenten)

Darf ich um etwas mehr Ruhe auf der Regierungsbank bitten!

Vielleicht auch in den Reihen der Opposition, Herr Präsident.

Ich will - - Jetzt haben Sie mich aus dem Konzept gebracht!

(Heiterkeit)

Ich wollte deutlich machen, dass sich Ihre jetzige Parteivorsitzende Frau Merkel nicht mehr daran erinnern kann, dass sie noch 1997 gefordert hat, jährlich den Benzinpreis um 5 Pf zu erhöhen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Nun will ich nicht in Ihrer Wunde bohren, dass Sie ja derzeit im Untersuchungsausschuss mit Gedächtnislücken so Ihre Probleme hatten, aber das ist das Stichwort. Ihnen geht es in Wahrheit um nichts anderes als um die Ablenkung von diesem Untersuchungsausschuss in Berlin und seinen Ergebnissen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kayenburg, wenn Sie mit Ihren Argumenten so weitermachen, bringen Sie sich um den letzten Rest ökonomischer Reputation, die man Ihrer Partei ja ansonsten nicht absprechen kann.

(Heiterkeit bei der CDU - Widerspruch bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Welch ein Widerspruch! Ja, das muss man doch sagen. Ich bin doch auch ansonsten sehr ehrlich, wenn ich an diesem Rednerpult stehe.

Denn natürlich kennt auch Herr Kayenburg die wahren Ursachen der Ölpreissteigerung.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ja klar, die Öko- steuer!)

Erstens ist da die erfolgreiche Verknappungsstrategie der OPEC, zweitens der Kursanstieg des USDollars gegenüber dem Euro und drittens die Windfall profits, die Gewinnmitnahmen der Mineralölgesellschaften im Schatten der Ökosteuer.

(Heinz Maurus [CDU]: Wissen Sie eigent- lich, woher wir unser Öl bekommen?)

Wer also heute wie Sie die Mineralölsteuer senken will, der spielt den Mineralölunternehmen und den OPEC-Staaten in die Hände. Und ich sage, die Raff

(Günter Neugebauer)

gier insbesondere der Mineralölkonzerne darf doch durch uns nicht noch belohnt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zurufe der Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU] und Brita Schmitz-Hübsch [CDU])

Ich finde es eine politische Heuchelei, dass Sie sich gestern - lautstark, wie wir haben lesen können - an der Demonstration beteiligt haben.

(Zuruf von der CDU: Das war Herr Hent- schel!)

Diese Demonstration der Spediteure und Landwirte gehörte nicht vor das Landeshaus, sondern sie gehörte vor die Tankstellen.

(Lothar Hay [SPD]: Shell-Konzern! - Heinz Maurus [CDU]: Also, auf diese Aussage ha- ben wir ja gestern gewartet! - Weitere Zurufe von der CDU)

Im Übrigen muss ich einmal die Frage stellen, ob es wirklich vernünftig ist, gegen hohe Spritpreise zu demonstrieren, indem völlig überflüssigerweise zusätzlich Sprit verbraucht wird.

(Lachen bei der CDU)