Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, der Fraktionsvorsitzende der CDU, Herr Martin Kayenburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 5. Sitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtages am 7. Juni dieses Jahres haben wir uns auf Antrag meiner Fraktion schon einmal mit der Ökosteuer befasst. „Der Benzinpreis ist noch viel zu niedrig“, hat damals Umweltminister Klaus Müller erklärt.
Uns hat er vorgeworfen, mit der Benzinpreishysterie Politik machen zu wollen und zu versuchen, die Menschen durch unsere Politik zu verunsichern. Sie, Herr Umweltminister, hatten seinerzeit gewünscht, über das Los der Pendler zu diskutieren. Genau auf diese Pendler wollen wir heute auch einmal eingehen. Im Stillen hat Rot-Grün natürlich gehofft, dass dieses Thema über die Sommerpause versacken und sich von selbst erledigen würde. Aber, Herr Müller, die Wirklichkeit hat Sie eingeholt. Benzinpreise und insbesondere Dieselpreise sind höher denn je und die Verbitterung der Betroffenen ist besonders groß. Der Protest eines kilometerlangen Konvois aus 700 LKW, Traktoren, Bussen und Taxen gestern in Kiel hat das eindrucksvoll bestätigt. „Schröder und Trittin, unser Ruin“, war auf den Plakaten zu lesen. Das zeigt die Befindlichkeit der Menschen draußen im Lande.
Genau da liegt das Problem. Die rot-grüne Bundesregierung in Berlin hat sich inzwischen mit der Ökosteuer zum brutalst möglichen Abkassierer entwickelt.
Die Proteste der letzten Wochen sprechen doch eine deutliche Sprache, Herr Neugebauer. Es ist von den Betroffenen einfach nicht mehr zu akzeptieren, dass bei einem Benzinpreis von 2,00 DM 1,38 DM, also fast 70 %, an den Staat gehen. Alle Ablenkungsmanöver, mit denen Sie den Ölpreismultis diese Preistreiberei anlasten wollen, geht doch wohl ins Leere. In Deutschland ist jedenfalls der staatliche Anteil an den Steuern nach Großbritannien und Frankreich am höchsten. Er beträgt nämlich 68 %. Daran wird deutlich, wer hier wirklich abkassiert.
- Sie haben doch auch die Chance, sich beispielsweise beim Erdölinformationsdienst oder beim IWW zu erkundigen.
(Holger Astrup [SPD]: Ich habe keine Ah- nung; deshalb frage ich! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das stimmt natürlich! Du hast keine Ahnung! - Lachen bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Ich kenne ja die Zwischenrufe von Herrn Astrup. 4. September 2000! Wollen Sie es noch genauer wissen?
Allerdings hat Herr Hentschel gestern in der Haushaltsdebatte und früher schon stur behauptet, in Dänemark sei die Ökosteuer noch höher. Das ist und das bleibt einfach falsch. Richtig ist, dass in Dänemark die Benzinpreise höher sind. Aber die Ökosteuer, der Staatsanteil, liegt deutlich niedriger als bei uns.
- Wenn ich nicht - wie der Kollege Klug in der letzten Legislaturperiode - einen gewissen Berufsstand beleidigen würde, würde ich sagen: Frau Kähler, das ist die Rechnung, die Sie gemacht haben.
Wir fordern jedenfalls das Aussetzen weiterer Stufen der Ökosteuer. Allerdings ist Frau Simonis natürlich in der Parteizwangsjacke gefangen und steht in Treue fest zu diesem Ökosteuer-Abkassiermodell.
Dabei trifft doch gerade uns Schleswig-Holsteiner die Ökosteuer besonders hart. Schleswig-Holstein ist das Land mit den anteilig meisten Berufspendlern, und zwar innerhalb und außerhalb des Landes. Wenn wir auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation im Lande zurückblicken - ich habe das gestern getan -, dann wird deutlich, dass die Konjunktur bei uns äu
ßerst schwach ist und dass wir eine negative Entwicklung beim Bruttoinlandsprodukt zu verzeichnen haben. Wir sind vor Brandenburg das Schlusslicht. In dieser Situation mit der Pendlerpauschale zu kommen und dies als die große Lösung anzukündigen, ist in unseren Augen der absolut falsche Weg.
Aber nicht nur die Berufspendler, auch die Landwirte, die mit ihren Traktoren die Felder bearbeiten, wie auch die Fuhrunternehmer, die Omnibusbetriebe und die Taxibetriebe - alle häufig nur kleine Familienbetriebe - sind Opfer Ihrer unsinnigen Ökosteuer. Aber was interessiert das unseren Umweltminister Müller? Der Radfahrer und Dienstwagenbenutzer meinte noch im Sommer, der Benzinpreis sei noch viel zu niedrig. Die Geltung der Ökosteuer müsse, so seine letzte Forderung, auf jeden Fall über 2003 hinaus verlängert werden. Das heißt doch im Klartext: Der Ansatz dieses Abkassiermodells ist in die Zukunft fortzuschreiben. Er schert sich einen Kehricht um die Existenznöte von Landwirten, Taxi- und LKW-Fahrern. Auch dies ist Arroganz der Macht, meine Herren.
Ich will noch einmal an die Talk-Show vom Wochenende erinnern, in der Frau Simonis bei Frau Christiansen erwähnte - da hat sie vor einem MillionenPublikum gezeigt, dass sie keine Ahnung von diesem Thema hat -, dass die Bauern überhaupt keine Ökosteuer zahlten. Das hat sie hier im Parlament wiederholt und damit ihre Unwissenheit untermauert. Wir können das nur begrüßen.
Meine Damen und Herren, schauen Sie doch in die Steuergesetze hinein! Wahrscheinlich sind Sie noch nicht so weit gekommen. Die Steuerlast hat sich seit 1998 verdreifacht. 1998/99 haben wir eine Erhöhung der Mineralölsteuer bei den Landwirten von 6 Pf - das entspricht doch wohl der Ökosteuer -, von 1999 auf 2000 von 17 Pf und 2001 um weitere 13 Pf, nur nach 2001 nicht mehr. Das bedeutet im Klartext: Die Landwirte sind von dieser Steuer genauso betroffen, auch wenn Frau Simonis das nicht wahrhaben will.
Richtig ist auch, dass der Agrardiesel von den einzelnen Stufen der Ökosteuerreform ein Stück ausgenommen werden soll. Wenn er allerdings ab 2001 57 Pf betragen wird, wird damit umso deutlicher, dass auch die Landwirte in Zukunft belastet sein werden. Darauf wird der Kollege Jensen-Nissen nachher sicherlich noch eingehen.
Herr Hentschel, weil Sie Dänemark immer so gern als Beispiel bringen, will ich Ihnen sagen, dass Däne
marks Landwirte überhaupt keine Steuern und Abgaben auf Dieselkraftstoff zahlen und dass die Franzosen nur 11 Pf zahlen, unsere Landwirte dagegen erheblich belastet werden. Dies ist die Wettbewerbsverzerrung, gegen die wir natürlich vorgehen müssen. Ihr Beispiel ist falsch, dass die Dänen höhere Steuern zu zahlen hätten als wir.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, das stimmt nicht! Da irren Sie sich, Herr Kayenburg!)
Allein durch hausgemachte Preistreiberei haben wir in Deutschland heute den teuersten Agrardiesel in Europa und da erklärt Frau Simonis, unsere Bauern würden am lautesten schreien, die doch überhaupt keine Ökosteuer zahlten.
Inzwischen hat die Bundesregierung ja ein Stück weit eingesehen, was sie für einen Mist gemacht hat, und ist jetzt der Meinung, dass man dies mit einer Entfernungspauschale heilen könnte. Die allerdings ist doch sogar unter den SPD-Bundesländern umstritten. Herr Hay, ich will Sie gern daran erinnern, dass sich auch die Vertreter unserer Landesregierung im Präsidium der SPD gegen die Pendlerpauschale ausgesprochen haben und die Pendlerpauschale neuerdings vielleicht akzeptieren könnten, wenn denn dafür die Kompensation vom Bund gezahlt würde. - Herr Neugebauer, Sie sagen Ja, aber was bedeutet das denn im Klartext? Das ist doch die linkeste Umwegfinanzierung, die es überhaupt gibt! Auf der einen Seite greifen Sie den Leuten in die Tasche, auf der anderen Seite geben Sie denen 10 Pf wieder und verlangen dann die Kompensation vom Bund. Gleichzeitig stellen Sie sich hier hin und sprechen von einer Solidargemeinschaft, wenn es um die 100 Millionen DM bei den Kommunen geht. Da haben Sie überhaupt keine Hemmungen einzugreifen. Wenn Sie die Pendlerpauschale für richtig halten, müssen Sie bitte schön auch sagen, wie Sie die 50 Millionen DM in unserem Haushalt finanzieren können, und da werden Sie eine Lücke haben, die in dieser Form überhaupt nicht zu decken ist.
Meine Damen und Herren von der linken Seite, dass das ganze Ding ungerecht und die Entfernungspauschale - wie der Ministerpräsident des Saarlandes sagt - sogar eine Potenzierung der Ungerechtigkeit ist, können Sie sich schnell deutlich machen.
Die Pauschale wird an Arbeitnehmer gezahlt, die zur Arbeit fahren. Die Pauschale bekommen weder Rentner noch Sozialhilfeempfänger noch Studenten noch sonst jemand. Das heißt, hier kassieren Sie bei denen,
die es wirklich nötig haben, in einer Art und Weise ab, die nicht zu dem sozialen Bild passt, das Sie sich in der Öffentlichkeit immer geben.
Aber das ist noch nicht alles. Das liegt so ganz auf der Linie des Herrn Swane, der ja gesagt hat, man sollte dann ein bisschen auf seinen Urlaub verzichten.
Auf der einen Seite entlasten Sie die Fahrten zur Arbeitsstätte - das ist auch gut so -, auf der anderen Seite habe ich, wenn ich Sonntagnachmittag zur Oma zu Besuch fahre oder wenn ich in Urlaub fahre, die volle Ökosteuer zu zahlen. Sie machen den Urlaub teuer, Sie machen die Erholung teuer, Sie machen die Wochenenden teuer, meine Damen und Herren von der SPD!
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Festzuhalten bleibt, dass die rot-grüne Bundesregierung bei der Ökosteuer ganz offensichtlich kalt erwischt wurde und sich völlig unfähig gezeigt hat, die psychologische Belastungsgrenze der Bevölkerung im Lande zu erkennen, und dass sie nach den alten, ideologisch verbohrten Prinzipien weiterarbeitet. Dies gilt in gleicher Form für die Landesregierung, es sei denn, die Damen und Herren von der SPD-Fraktion würden unserer Prophezeiung zuvorkommen und jetzt daran arbeiten, dass die Ökosteuer in der nächsten Stufe nicht mehr erhöht, sondern insgesamt abgeschafft wird. Ich prophezeie Ihnen: Die Proteste der Bevölkerung werden dazu führen, dass wir die Ökosteuer im nächsten Jahr nicht mehr haben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kayenburg, zunächst möchte ich Ihnen meine aufrichtigen Glückwünsche aussprechen. Sie haben heute mit dem vierten Antrag zur Ökosteuer in diesem Jahr den Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde geschafft.