Protocol of the Session on September 28, 2000

(Lachen bei der CDU)

Vielleicht habe ich Sie mit Ihrem ökonomischen Sachverstand doch zu früh gelobt. Das merke ich jetzt schon. Ich muss das vielleicht wieder einsammeln.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist unstrittig: Wir brauchen eine Energiewende. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Ressource Öl - das wissen auch Sie - ist endlich.

(Reinhard Sager [CDU]: Ihr Redebeitrag auch!)

Deshalb muss der Umstieg von Öl auf andere Energieträger und der Umstieg vom Auto auf andere Verkehrsträger erleichtert werden. Es ist doch ein Adsurdum - wenn ich das einmal kurz einflechten darf -, dass man hat lesen können: Der durchschnittliche deutsche Autofahrer verbringt 67 Stunden im Jahr im Stau.

(Klaus Schlie [CDU]: Ja, warum denn? - La- chen bei CDU und F.D.P.)

Herr Kollege Hay, das habe ich lesen können. Der durchschnittliche Autofahrer verbringt im Jahr 67 Stunden im Stau.

(Klaus Schlie [CDU]: Ja, warum denn! Sie müssen dahin gucken, zum Verkehrsminister! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Nein, nein, nein! Das liegt daran, weil es leider immer noch viel zu wenige

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Straßen!)

gibt, die andere Verkehrsträger nutzen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wider- spruch bei der CDU)

- Darüber wollen wir doch nicht streiten. Wenn Ihnen nicht einmal dieses kleine Einmaleins der Chancen bekannt ist,

(Lachen bei der CDU)

dann kann ich mir das Argumentieren an Ihre Adresse sparen.

(Ursula Kähler [SPD]: Daran kann man er- kennen, wie ernst Sie das Thema nehmen! - Zurufe von der CDU)

Herr Präsident, vielleicht sollten Sie für etwas mehr Ruhe auf der rechten Seite des Hauses sorgen.

(Heiterkeit bei der CDU - Glocke des Präsi- denten)

Ich darf um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner bitten.

Wie ernst Sie das Thema nehmen, haben wir auch gestern gemerkt, als wir unseren Antrag mit der Betonung der Dringlichkeit von Maßnahmen zur internationalen

(Klaus Schlie [CDU]: Na, na!)

- sagen wir einmal - Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen, insbesondere im Güterverkehr in der EU, behandelt haben. Deshalb empfehlen wir Ihnen, weil wir trotz Ihrer Ablehnung die Dringlichkeit haben bejahen können, unseren Antrag zur Annahme. Ich denke, es ist notwendig, dass wir eine Initiative ergreifen, damit diese Wettbewerbsverzerrungen behoben werden. Das ist für die Spediteure in Wahrheit viel wichtiger

(Heinz Maurus [CDU]: Kurzfristig ja!)

als die Diskussion um den Spritpreis, Herr Kollege Maurus.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Günter Neugebauer)

Wir unterstützen auch die Bundesregierung in ihren Bemühungen um einen sozialen Ausgleich.

(Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Für die Fuß- gänger!)

Und wenn Sie gestern die Erhöhung der Pendlerpauschale als Schwachsinn bezeichnet haben, nehmen wir das hier zur Kenntnis. Das ist kein Schwachsinn, das hilft den Pendlern

(Klaus Schlie [CDU]: Lesen Sie einmal, was Clement dazu sagt!)

und das hilft auch vielen Familien mit niedrigen Einkommen. Natürlich werden wir uns im Bundesrat dafür einzusetzen haben, dass es bei den Ländern eine Kompensation für die Einnahmeausfälle geben wird, die sich zwangsläufig aus diesen von uns begrüßten Maßnahmen ergeben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Vielleicht gibt es demnächst auch noch „Schuhsohlengeld“!)

Lassen Sie mich also zum Schluss feststellen: Niemand in diesem Haus kann ernsthaft glauben, dass die Spritpreise gesenkt werden, wenn wir auf die Ökosteuer verzichten.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Selbstverständ- lich!)

Ganz im Gegenteil, wir schaffen zusätzliche Haushaltslöcher, die niemand stopfen kann. Ihr Antrag - der vierte Antrag in diesem Jahr - ist genauso wie seine drei Vorgänger populistisch, unausgegoren und verlogen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Und populär, populär auch!)

Ich erteile jetzt für die Fraktion der F.D.P. Herrn Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß gar nicht, warum der Kollege Neugebauer jedes Mal böse wird, wenn wir bei der Bevölkerung populär sind. Populismus ist immer das, was die Zustimmung der Bevölkerung erfährt, nehme ich an. So einfach kann man sich das nicht machen. Darauf komme ich aber gleich noch einmal zurück, weil ich nicht nur über absolute, sondern auch über relative Preise reden möchte.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [F.D.P.] und Günther Hildebrand [F.D.P.])

Der Anstieg der Ölpreise verdeutlicht die Unsinnigkeit der so genannten Ökosteuer, die in Wahrheit gar keine ist. Das ist ja ein reiner Etikettenschwindel.

Die Bundesregierung verkündet ständig, dass die Ökosteuer die Umweltqualität steigert und die Renten sichert - zum Wohle des Volkes. Um dieses Wohl weiter zu stärken, soll diese Steuer munter weiter erhöht werden. Zum Wohle des Volkes? - Kollege Neugebauer, die Menschen in unserem Land sehen es anders - die überwältigende Mehrheit -, übrigens auch viele Sozialdemokraten und sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler. Die meisten wollen die so genannte Ökosteuer zumindest aussetzen. Diese Steuer ist umwelt- und wirtschaftspolitisch unsinnig. Sie ist ein sprachlicher Etikettenschwindel.

Sie ist umweltpolitisch unsinnig, weil die energieintensiven Sektoren befreit sind. Das müssen Sie doch einmal erklären, dass ausgerechnet Sie die energieintensiven Sektoren, die größten Verschwender der Energie befreit haben. Hier entfällt die Lenkungsfunktion. Umweltfreundliches Verhalten wird nicht gefördert. Dafür werden umweltfreundliche Massentransportmittel besteuert. Das ist auch toll, da so niemand auf die Idee kommt, sein eigenes Auto einmal stehen zu lassen.

Die Ökosteuer ist wirtschaftspolitisch unsinnig, weil die Bundesregierung versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen - eine umweltpolitische und eine verteilungspolitische. Die Fliegen sitzen leider an den jeweils äußeren Enden eines langen Tisches.

Herr Kollege Neugebauer, der wesentliche Grundsatz guter Wirtschaftspolitik besagt - und das wiederhole ich -, der wesentliche Grundsatz guter Wirtschaftspolitik besagt, dass für jedes wirtschaftspolitische Ziel ein eigenes Instrument eingesetzt werden muss. Ich habe gehört, dass Herr Wirtschaftsminister Rohwer an der Universität in Freiburg Wirtschaftspolitik und -theorie lehrt. Deshalb wird ihm das ein Begriff sein.

Diese Erkenntnis nämlich hat dem Holländer Jan Timbergen 1969 den ersten je für Ökonomie verliehenen Nobelpreis eingebracht. Leider hat seine Einsicht die rot-grünen Regierungen nicht erreicht. Vermutlich liegt sie im Postkorb unter einem Ökosteuerpamphlet.

Erreicht die Ökosteuer ihr umweltpolitisches Ziel, ist das verteilungspolitische Ziel verfehlt. Erfolgreiche Ökosteuern machen sich selbst überflüssig und die Subventionierung der Renten damit unmöglich. Das haben wir hier vielfach wiederholt und zwischenzeitlich weiß es eigentlich auch jeder. Das erklärt übri

(Wolfgang Kubicki)

gens, warum die Spitze der Grünen in Berlin und auch die Spitze der sozialdemokratischen Sparbewegung, der Kollege Eichel, mittlerweile erkannt haben, dass dies kein richtiger Weg ist.

Soll die Ökosteuer das verteilungspolitische Ziel erreichen, muss viel Energie verbraucht werden. Das ist jedoch das Gegenteil des umweltpolitischen Ziels. Die Entwicklungen auf dem Ölmarkt verstärken die Widersprüche dieser Luxussteuer. Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer hängen hauptsächlich vom Ölverbrauch ab. Steigt der Ölpreis, geht der Ölverbrauch zurück. An sich müssten Sie ja wünschen, dass die Multis oder die ölfördernden Staaten den Ölpreis weiter nach oben treiben,