Protocol of the Session on February 19, 2004

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch in Schleswig-Holstein ist eine solche Entwicklung unbedingt zu befördern. Sie ist notwendig und sinnvoll, um die Ressourcen und Kompetenzen, die wir haben, weiter zu bündeln.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit zu den guten Wettbewerbsvoraussetzungen gehören natürlich auch die baulichen Bedingungen und die Ausstattungen. Deswegen bitte ich in diesem Zusammenhang wegen der verbundenen Debatte auch um Zustimmung zum 34. Rahmenplan Hochschulbau, der wie in den Vorjahren ein Volumen von gut 60 Millionen hat. Über die weitere Zukunft der Hochschulbauförderung will ich mich an dieser Stelle nicht

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

äußern. Das können wir noch im Ausschuss diskutieren.

Abschließend noch ein Wort zur bundespolitischen Debatte um Exzellenzförderung und Innovationsförderung in diesem Kontext. Wer vorne dabei sein will, muss gut aufgestellt sein und muss auf sich aufmerksam machen. Wenn die Bundesregierung bereit ist - und dafür spricht einiges in der aktuellen Debatte, in den Diskussionen, die jetzt geführt werden; auch auf der Länderseite besteht absolute Einigkeit quer durch die Parteien -, von der singulären Förderung von einigen wenigen Eliteuniversitäten umzusteigen auf eine Exzellenz- und Clusterförderung, wie das alle gemeinsam fordern, dann steht SchleswigHolstein allerdings gut da. Deshalb appelliere ich an unsere Hochschulen, nicht nur von dieser Stelle aus - das haben wir bereits getan und miteinander besprochen -, jetzt schon offensiv ihre Exzellenzbereiche zu definieren. Dazu gehört auch, dass sie die vorhandenen Kompetenznetze nutzen und weiterentwickeln. Ich habe schon abgehoben auf die Vernetzung zwischen Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, insbesondere denen der Wissenschaftsgemeinschaft Leibniz, dem MPG-Institut und der Helmholtz-Gemeinschaft. Ich bin sicher, dass in den Feldern Biomedizin, Medizintechnik, Meeresforschung, Agrarwissenschaften sowohl in der Forschung als auch in der Lehre und Nachwuchsförderung Schleswig-Holstein im Wettbewerb um die Exzellenzförderung sehr gute Chancen hat.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion erteile ich jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf die Inhalte der Antwort auf unsere Große Anfrage eingehe, auch von meiner Fraktion ein herzliches Dankeschön an alle, die an dieser großen Aufgabe mitgewirkt haben. Es war sehr viel zu ermitteln und das in recht kurzer Zeit. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin, ähnlich wie Sie habe auch ich vor der Frage gestanden: Woran denken wir bei exzellenter Forschung in Schleswig-Holstein? An unsere Universitäten, insbesondere an das Uni-Klinikum,

oder an Hochleistungslabore in großen Firmen, wie wir das in anderen Bundesländern finden? Diese Assoziationen skizzieren die Situation in unserem Land nur unzureichend; denn die Antwort auf unsere Große Anfrage zeigt eine vielfältige Forschungslandschaft. Wir finden Highlights nicht nur an den Universitäten, sondern auch in kleinen Städten. Namen wie Borstel, Plön, Geesthacht, Itzehoe stehen exemplarisch für Standorte von Bund-Länder-geförderten Hochleistungsinstituten oder besonderen Schwerpunkten in Firmen. Von diesen Einrichtungen gehen Impulse für die Entwicklung des Landes und auch die bundesdeutsche wie auch internationale Forschung aus. Darauf hat die Ministerin zu Recht hingewiesen, darauf können wir stolz sein.

Gemessen an den Kriterien Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Ökologie haben sich die Forschungsfelder in den letzten zehn Jahren in Schleswig-Holstein gut positioniert: Meereswissenschaften, Meerestechnik, Klimaforschung, Energie- und Umwelttechnik. Denken Sie an unseren Schwerpunkt im Bereich Offshore- und regenerative Energien, aber eben auch Biowissenschaften mit der gesamten Palette, Medizin und Medizintechnik, ökologische Landwirtschaft, aber erinnern Sie sich auch an das Engagement in den letzten Monaten der Studierenden dieses Studiengangs „Sustainable Development“, ein Studiengang mit internationalem Einflussbereich, was die Studierenden, aber auch die Forschungsaufgaben angeht. Das sind Dinge, die können sich sehen lassen. Die positionieren Schleswig-Holstein an den Zukunftsfragen. Ich würde mal so sagen: Hier liegen wir im grünen Bereich.

Unsere Forschungseinrichtungen sind die Denkfabriken des Landes. Es gibt in unserer Region der kleinen Betriebe kaum Firmen mit eigenen Forschungskapazitäten. Deshalb ist die Assoziation große Forschungslabore in großen Firmen für SchleswigHolstein verkehrt. Erst recht haben gesellschaftliche Organisationen, seien es Kommunen, Umweltverbände, Bürgerinitiativen oder Wohlfahrtseinrichtungen keine eigenen Think Tanks in Schleswig-Holstein. Deshalb ist Technologietransfer, sind Forschungstransfer und Existenzgründung aus der Hochschule heraus mit regionaler Clusterbildung - darauf hat die Ministerin hingewiesen - die erfolgreiche Antwort unseres Landes, insbesondere auch des Wirtschaftsministeriums, auf diese Herausforderung. Die sehr differenzierten Antworten auf unsere Fragen zu diesem Thema zeigen, hier wird tatsächlich von verschiedenen Ministerien und Hochschulen, Forschungseinrichtungen strategisch gedacht. Das ist es, was uns nach vorne bringt. Wir müssen unsere Kräfte

(Angelika Birk)

bündeln, um tatsächlich ein Profil zu zeigen, was bundesweit und international beachtet wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Was bringen nun aber unsere Hochschulen und Forschungsinstitute für die Gesellschaft und wie steht es insgesamt um das Preis-Leistungs-Verhältnis? Auf diese Anfrage fällt die Antwort schwer, denn Forschungsevaluation und Technikfolgenabschätzung stehen in Schleswig-Holstein wie auch sonst im Bundesgebiet erst am Anfang. So kennen wir zwar die Wertschätzung unserer Bund-Länder-geförderten Institute, wissen aber wenig über die Forschungsqualität unserer Hochschulen insgesamt. Die CAU zum Beispiel kann noch nicht einmal eine nach bestimmten Rastern orientierte Veröffentlichungsliste vorlegen. Das, was die anderen Forschungseinrichtungen auf unsere Anfrage natürlich ausgewertet haben, existiert offensichtlich an der CAU nicht oder es wurde für so umfangreich erachtet, dass man es nicht weitergeben kann. Aber da muss man dann doch die berühmten Suchbegriffe haben, an denen man zumindest Quantitäten oder einzelne Trends ablesen kann. Das muss anders werden. So eine mangelnde Evaluation können wir uns zukünftig nicht mehr leisten. Ich glaube, mit den Zielvereinbarungen ist hier der erste Schritt getan.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ist es richtig, unsere Spitzenforschung vor allem auch außerhalb der Hochschulen anzusiedeln, zum Beispiel in Plön und Borstel, oder gehören sie mehr in deren Mitte, wie es das berühmte Beispiel Harvard in den USA oder auch in England vormacht? Wir wollen eine systematisch zwischen Forschungseinrichtungen und Hochschulen abgestimmte Forschungs- und Eliteförderung und sehen hier Ausbaubedarf in Schleswig-Holstein. Ich bin sehr froh darüber, dass die Landesregierung das auch so sieht und daran arbeitet. Es ist doch klar, jede Professur, ob an einer Fachhochschule oder Hochschule, rechtfertigt sich nur, wenn sie einen Beitrag, sei er auch unterschiedlich groß, zu Forschung und Lehre leistet. Weder nur Lehre noch nur Forschung, beides muss da sein. Manches Mal frage ich mich: Welcher Professor oder welche Professorin forscht hier eigentlich an was? Bei allem Risiko, das das in Zeiten knapper Kassen bedeutet, muss diese Frage auch an den Hochschulen beantwortet werden.

Welche Chancen und Risiken bergen schleswigholsteinische Pionierforschungsvorhaben in den Biowissenschaften und in der Medizin? Dieses Thema wird in den Feuilletons der großen Zeitungen zwar allgemein angesprochen, bei der Entscheidung, um

welche Forschungsschwerpunkte es geht, wird diese Frage öffentlich aber nicht systematisch gestellt. Wir fordern deshalb eine Technikfolgenabschätzung nach dem Vorbild von Baden-Württemberg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass sie dort bedauerlicherweise wieder eingestampft wird. Bei diesem Thema könnten wir uns für SchleswigHolstein eine Kooperation mit Hamburg gut vorstellen.

Wir wissen: Eine systematische Technikfolgenabschätzung ist nur so gut, wie die Kooperation mit den tatsächlich forschenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern funktioniert. Insofern muss man eine Institutionalisierung, die natürlich auch preisgünstig sein muss, gut durchdenken. Sie ist möglich und notwendig.

Insbesondere die Medizin muss sich mehr den interdisziplinären Fragestellungen widmen. Frau Ministerin, Sie haben die bisherigen Schwerpunkte und Aufbauperspektiven skizziert. Damit können wir uns einverstanden erklären. Wir denken aber, für den Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein reicht das nicht. Inzwischen gibt es zwar eine Gesundheitsmanagementausbildung, aber mehr Forschung bezüglich der allgemeinmedizinischen Praxis und der Rehabilitation sowie die Etablierung der Pflegewissenschaft stünden dem Gesundheitsstandort Schleswig-Holstein aber gut an.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zu einem wesentlichen Kritikpunkt bezüglich der bundesdeutschen Forschungsvergabe. Die Verteilung der öffentlichen Mittel des Bundes und der Länder erfolgt in internen Gremien von Ministerien und Wissenschaftlern und kann vom Parlament nicht wirklich beeinflusst werden. Dies hat auch der Bundesrechnungshof kritisiert. Frau ErdsiekRave, diese Kritik teilen wir. Hier sehen wir Handlungsbedarf. Die Vergabeverfahren für die BundLänder-Mittel müssen transparenter und demokratischer werden. Wir finden es natürlich gut, dass diesem Parlament mit der Großen Anfrage gleichzeitig zum Beispiel auch die Schwerpunkte der Investitionsförderung, die das Land für die Bund-Länder-Finanzen anwenden will, vorgelegt werden und dass wir das im Ausschuss diskutieren können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist richtig und gut. In der gleichen Form müssen wir im Parlament aber noch mehr Fragen diskutieren.

Unser Land würde von einem anderen Vergabeverfahren sofort profitieren; denn nach dem bisherigen

(Angelika Birk)

Modus ist es nicht gelungen, die Benachteiligung Schleswig-Holsteins bei der Platzierung von Instituten, die durch den Bund und die Länder gefördert werden, aufzuheben. Schauen Sie einmal auf die Landkarte, die das Ministerium der Großen Anfrage dankenswerterweise beigefügt hat. Viele Institute befinden sich in Süddeutschland oder in Berlin. Ich sage es einmal so: Die alte Achse Preußen-Bayern kann man auch heute an den Schwerpunkten in der Forschungslandschaft Berlin und München ablesen. Über diesen Feudalstaat sollten wir aber hinaus sein. Deswegen glaube ich, dass es richtig und ein guter Ansatz war, aus dem GEOMAR-Institut ein LeipnizInstitut zu machen. Dieser erste Schritt darf aber nicht der letzte sein. Wir müssen uns hier etwas einfallen lassen, um mehr Mittel des Bundes und der anderen Länder in unser Land zu holen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben schon einen Hinweis gegeben, dem wir gerne gefolgt sind. Sie haben auf das IPN, unsere naturwissenschaftlichen Pädagogen, hingewiesen, die sich bezüglich PISA sehr verdient gemacht haben. Wir denken, dass unsere Nähe zu den skandinavischen Nachbarstaaten bei der Etablierung einer zukunftsfähigen Schulentwicklungsforschung ein großes Plus ist. Das sollten wir nutzen. Dies wäre ein erster Schritt, endlich den Geisteswissenschaften hierzulande mehr Gewicht zu verleihen und auch für diese Fachrichtung Bund-Länder-Mittel ins Land zu holen.

Ich komme nun zu meinem letzten, deshalb aber nicht weniger gewichtigen Punkt. Schleswig-Holsteins Forschung hat bezüglich des bundesweiten und internationalen Renommees nicht nur in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, sondern auch in der Geschlechterpräsenz einen großen Nachholbedarf. Im Jahre 2001 erwarben Frauen 40 % der Doktorhüte, besetzten aber weit weniger als 10 % der Lehrstühle. Damit befinden wir uns bundesweit am unteren Ende bezüglich der Frauenquote in Forschung und Lehre. Das wird sich nur ändern, wenn diese Problematik bei der Mittelvergabe konsequent berücksichtigt wird. Das heißt im Klartext: Forschungsinstitute, Lehrstühle und Fakultäten, die sicht- und messbar qualifizierte Frauen zum Zuge kommen lassen, müssen mehr öffentliches Geld erhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe und Lachen bei der CDU)

- Sie von der CDU brauchen gar nicht so laut zu schreien. Hessen - inzwischen CDU-regiert - hat sich diesem Instrument nicht verschlossen und wendet es erfolgreich an.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW)

Ich muss mit Neid anerkennen: Es liegt in diesen Fragen weiter vorn. Ich kann nur sagen: Wenn Sie dies ausschließlich parteipolitisch betrachten, dann tun Sie unserer Forschungslandschaft und unserem Nachwuchs keinen Gefallen. Wir können auf niemanden mit qualifizierten Beiträgen verzichten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke für die Aufmerksamkeit und hoffe auf eine rege Debatte im Ausschuss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Jürgen Weber.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist aber keine Frau!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zur Forschung ist in doppelter Hinsicht hilfreich: Zum einen bietet sie einen guten Überblick über die Leistungen unserer Forschungslandschaft, zum anderen werden in ihr aber auch der Handlungsbedarf formuliert und die Wege beschrieben, um noch besser zu werden und sich für zukünftige Herausforderungen zu wappnen.

Meereswissenschaften, Medizin und molekulare Biotechnologie können auf der einen Seite als Beispiele für herausragende Forschungsleistungen, auf der anderen Seite aber auch als Beispiele für eine beachtliche Planung zukünftiger Exzellenzen dienen. Wir haben in unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen eine ganze Reihe von Leistungen vorzuweisen, die sich national und auch international sehen lassen können. Aus Zeitgründen will ich sie nicht alle aufzählen. Die Ministerin und auch Frau Birk haben hier schon eine ganze Reihe zitiert. Das alles ist im Bericht nachzulesen.

Kein Bericht ohne Statistiken und keine Statistik ohne Interpretation. Deswegen möchte ich ein paar kleine Anmerkungen dazu machen. Die regionale Aufteilung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik zeigt, dass wir in SchleswigHolstein zurzeit einen Anteil von lediglich 1,4 % haben. Das ist natürlich nicht zufrieden stellend. Nun haben wir in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten

(Jürgen Weber)

einen unterdurchschnittlichen Anteil an der Forschungskompetenz in unserer Republik. Hinzu kommt, dass der Ausbau der Hochschullandschaft in der Fläche zwar eine höhere regionale Verteilung der Studienplätze und eine Verbesserung des Angebots gebracht hat, dieser Ausbau in die Fläche hat aber natürlich auch Ressourcen gebunden, die dadurch für einen konzentrierten Einsatz in der Forschung nicht in vollem Umfang zur Verfügung standen und stehen. Es ist deswegen umso wichtiger und bedeutsamer, dass bei den Zielvereinbarungen, die das Land im Dezember mit den Hochschulen geschlossen hat, eine strukturelle Verbesserung der Forschungskompetenz der Hochschulen mit auf den Weg gebracht worden ist. Das möchte ich eindeutig unterstreichen.