Protocol of the Session on December 11, 2003

(Beifall bei der FDP)

Trotzdem - wie gesagt -: Es gibt im Antrag der Union ein paar Probleme. Abschaffung der mündlichen Abiturprüfung oder die Möglichkeit, sie wegfallen zu lassen, das geht mit uns auf keinen Fall, Frau Eisenberg. Über die Alternative, die ich vorgeschlagen habe, können wir als einen Weg reden, den ich Ihnen anbiete. Aber auch in den anderen Punkten könnten wir gern auf Sie zugehen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Sylvia Eisenberg.

Frau Ministerin, ich finde es schon erstaunlich, wenn Sie bei einer bildungspolitischen Debatte hier anfangen zu gähnen.

(Zurufe)

- Ich habe das bemerkt! Haben Sie das nicht bemerkt?

Jetzt vielleicht noch einmal ganz kurz zu den Fragen, die hier angesprochen worden sind! Herr Kollege Klug, wahrscheinlich werden wir uns in diesem Rahmen, was Kolloquium und mündliche Prüfung betrifft, mit Sicherheit einigen.

Frau Birk, ich bin gern bereit - das gilt auch für Frau Spoorendonk -, hier eine bildungspolitische Debatte bezogen auf die Frage einer Einheitsschule oder eines differenzierten Schulsystems zu führen. Nur, diese Ansätze hören ich von Ihrer Partei, ich höre sie auch von Ihrer Fraktion - Einheitsschule! -, ich höre das von der SPD - von einem Arbeitskreis, noch nicht

von der SPD-Fraktion -: Wenn Sie das Gefühl haben, Sie von der linken Seite, dass hier in der Hinsicht eine bildungspolitische Debatte „Umstrukturierung des Schulsystems“ geführt werden muss, dann stellen Sie hier doch einmal den Antrag.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Es geht nicht immer unter der Hand - wie auch immer! Stellen Sie doch den Antrag und dann können wir das hier öffentlich diskutieren. Ich denke, das Parlament und die Öffentlichkeit an sich haben einen Anspruch darauf zu wissen, was Sie wollen und wie Sie es wollen. Hier ist dafür der Ort und nicht irgendwo in der Zeitung oder in irgendeinem Arbeitskreis. Dann machen Sie das bitte deutlich.

Bezogen auf PISA noch einmal Folgendes, Frau Birk: Alles können Sie nun nicht mit PISA erklären. PISA hat die 9. Klassen bewertet, wenn Sie das so wollen, aber PISA hat sich mit Sicherheit nicht mit der Oberstufe des Gymnasiums befasst. PISA hat die 9. Klassen bewertet und hat festgestellt, dass die gymnasialen Leistungen der 9. Klassen ganz hervorragend waren. Vielleicht sollten Sie das ab und zu auch in Ihre Diskussion über die Frage der Einheitsschulen mit einbauen. Ich hielte das für sehr begrüßenswert.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie das wiederholen?)

- Ja, gleich; hören Sie mal richtig zu.

Frau Spoorendonk, was die Spezialisierung betrifft, so sage ich Ihnen: Gerade die Abnehmer, die Wirtschaft und die Betriebe, die die Abiturienten ausbilden, sagen, eine frühe Spezialisierung ist nicht sinnvoll. Gerade die legen den Wert und den Schwerpunkt auf einen größeren Bildungsbereich in Sprachen und Naturwissenschaften.

Frau Birk, ich darf Sie noch einmal auf den Bericht des Hochschulinformationssystems, bezogen auf die Studienabbrechquote 2002, hinweisen. Darin werden Sie genauso wie wir finden, dass wir eine Schwundquote im sprach- und kulturwissenschaftlichen Bereich von 78 % haben, Studienabbrecher 43 % und der Rest Fachbereichswechsler. Das ist ein Ansatz, bei dem man sich wirklich einmal überlegen sollte und bei dem man auch prüfen sollte, ob es nicht sinnvoller wäre, im Rahmen der Oberstufe Veränderungen vorzunehmen.

Das Wort für die Landesregierung erteile ich jetzt Frau Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Spoorendonk, eine Vorbemerkung! Das PrognosInstitut hat im Auftrag der bayerischen Wirtschaft den Vorschlag gemacht, das Schulsystem in Zukunft zweigliedrig zu fahren: eine Verbindung von Haupt- und Realschulen auf der einen Seite und das traditionelle Gymnasium auf der anderen Seite. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass das Ihren bildungspolitischen Vorstellungen, wie Sie sie hier immer wieder geäußert haben, entspricht.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Man kann über alles reden. Aber das soll jetzt nicht mein Thema sein.

Meine Damen und Herren, Frau Eisenberg, ich entschuldige mich für meine menschlichen Bedürfnisse, die Ihnen hier offensichtlich kritisch aufgestoßen sind. Ich möchte Ihnen hier zu Beginn Folgendes sagen: Wir sollten uns wirklich in dieser Debatte nicht in Einzelheiten vertiefen, die eher Themen für Expertenkommissionen sind und nicht für das Plenum des Landtages. Das muss ich wirklich einmal sagen.

(Beifall bei SPD und SSW und der Abgeord- neten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich beschränke mich deswegen auf ein paar grundsätzliche Bemerkungen. Der Bildungsexperte Jürgen Baumann, auch bekannt als PISA-Papst, hat kürzlich in einem Interview - kürzlich! - der „Zeit“ die jetzige Ordnung der gymnasialen Oberstufe als gelungenes Reformprojekt beschrieben, weil sie - ich zitiere - „die Ausbildung von Neigungsprofilen fördert und den Übergang an die Hochschulen erleichtert“.

Meine Damen und Herren, wer grundsätzlich fordert, das Unterrichtsangebot in der Oberstufe wieder an einen Fächerkanon zu binden und die Wahlmöglichkeit auf ein einziges Neigungsfach und auf ein Wahlpflichtfach zu beschränken, macht diese individuelle Profilbildung - darin stimme ich Frau Spoorendonk ausdrücklich zu - weitgehend zu einem Papiertiger oder auch zur Makulatur. Das muss man einfach feststellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das baden-württembergische Modell oder auch, Herr Dr. Klug, das Modell in Mecklenburg-Vorpommern, das natürlich dort mit den sinkenden Schülerzahlen zu tun hat - deswegen hat man sich dazu entschlossen; das ist Fakt -, zwängt das Kurssystem zurück in die

Klassenstruktur - es wird mittlerweile ja auch offen zugegeben, dass das so ist - und dabei besteht zumindest die Gefahr - um es vorsichtig auszudrücken -, dass das auf der Strecke bleibt, worauf es ankommt: nämlich die Entwicklung von Kernkompetenzen und die Vermittlung einer vertieften Allgemeinbildung. Das war seinerzeit der Kern der Oberstufenreform.

Sie brauchten sich ja nur noch einmal unsere schleswig-holsteinischen Lehrpläne anzusehen. Sie sollen dafür sorgen, dass in allen Fächern eine zureichende fachliche Grundbildung vermittelt wird. Der KMKExpertenbericht und die PISA-Studie bestätigen, dass das der richtige Weg ist. Dieser Weg muss vertieft werden - das will ich gern zugestehen - durch die Stärkung fächerverbindenden Arbeitens und Lernens und durch die Kompetenzorientierung. Das sollen die neuen Oberstufenlehrpläne leisten, das sollen die neuen Fachanforderungen leisten, das sollen die einheitlichen Prüfungsanforderungen für die Abiturprüfung leisten.

Entstanden sind diese Debatten ja auch aus dem Vorwurf, dass die Möglichkeit, Fächer abzuwählen, den Weg des geringsten Widerstandes auf niedrigstem Niveau erlaube. Dem sind wir bundesweit - auch in Schleswig-Holstein - durch die Pflicht zur durchgehenden Belegung und Einbringung mindestens einer Fremdsprache und des Fachs Mathematik bis ins Abitur, durch die stärkere Konzentration auf die Fächer Deutsch und Mathematik in der Prüfung entgegengetreten sowie in Schleswig-Holstein - das haben wir hier ja schon, Herr Dr. Klug - durch eine höhere Belegverpflichtung in den Naturwissenschaften als in den meisten anderen Ländern. Das halte ich ausdrücklich für richtig.

Weil sich dieses Kurssystem im Prinzip bewährt hat, halten wir auch an der bisherigen Form der Abiturprüfung fest, und zwar in der Oberstufe der Gymnasien, der Gesamtschulen und - wie sie ja bei uns heißen - der Fachgymnasien.

Wir sollten jetzt nicht den Fehler machen, zur Stoffhuberei zurückzukehren. Der sinnvollste Weg scheint mir zu sein, in der schriftlichen und mündlichen Prüfung die Kernkompetenzen in ihrer Breite zu prüfen. Dies wäre auch die richtige Vorbereitung auf die Hochschule. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich gibt es auch in den Gymnasien Reformbedarf. Natürlich müssen wir die an den Hochschulen geäußerte Kritik an der mangelnden Studierfähigkeit ernst nehmen. Meines Erachtens liegt dieser Reformbedarf jedoch derzeit am wenigsten im Bereich der gymnasialen Oberstufe. Er liegt sehr viel stärker im Bereich der Orientierung an Standards, und zwar

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

schon bei den mittleren Bildungsabschlüssen, an denen sich übrigens auch die Gymnasien werden orientieren müssen. Diese Standards sind schulformübergreifend. Weiter liegt der Reformbedarf auch in der Verbesserung der Unterrichtsqualität, in der Veränderung der Lehrerausbildung und in einer klaren Orientierung an Lern- und Leistungsstandards auf allen Stufen des Schulsystems. Das sind die entscheidenden Ansatzpunkte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Frage der Reform der gymnasialen Oberstufen ist sicherlich nirgendwo das letzte Wort gesprochen. Auch in Schleswig-Holstein haben wir Veränderungen der Schülerzahlen, die uns in der Organisationsfrage irgendwann zu denken geben. Ich glaube aber, dass es sich dabei nicht um eine Frage handelt, die im Plenum dieses Landtags entschieden werden kann. Das ist eine Frage, mit der sich derzeit viele Menschen beschäftigen; das ist eine Frage, die uns auch in Zukunft weiter beschäftigen wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen dem Präsidium nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist einerseits beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/3007 (neu), an den Ausschuss zu überweisen. Herr Abgeordneter Dr. Höppner, ist daneben auch der Antrag gestellt worden, in der Sache zu entscheiden? -

(Dr. Henning Höppner [SPD]: Ja!)

Wir haben zwei Anträge: Den Antrag auf Ausschussüberweisung und den Antrag auf Entscheidung in der Sache. Nach unserer Geschäftsordnung ist es so, dass wir zunächst über den Antrag auf Ausschussüberweisung entscheiden. Findet dieser keine Mehrheit, ist in der Sache abzustimmen.

Wer den Antrag der Fraktion der CDU-Fraktion, Neuordnung der gymnasialen Oberstufe, Drucksache 15/3007 (neu), zur weiteren Beratung an den zuständigen Bildungsausschuss überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag auf Ausschussüberweisung, Drucksache 15/3007 (neu), mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU, FDP und SSW abgelehnt.

Ich lasse in der Sache abstimmen. Es ist beantragt worden, über den Antrag, Drucksache 15/3007 (neu),

in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/3007 (neu), seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU, Drucksache 15/3007 (neu), mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Damit ist Tagesordnungspunkt 15 beendet. Wir treten in die Mittagspause ein und werden die Beratung im Plenum um 15 Uhr wieder aufnehmen. Bis dahin wünsche ich eine gute Mittagspause. Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:14 bis 15:03 Uhr)

Meine Damen und Herren! Wir treten in die Beratung ein. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Mittagspause und der Wirtschaftsminister hatte eine gute Fahrt.

Wir hatten beschlossen - so war es der Wille des Plenums -, mit der Haushaltsberatung zu beginnen, sobald der Wirtschaftsminister eingetroffen ist. Insofern rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte 6 und 14 zur Beratung auf:

Gemeinsame Beratung

a) Zweite Lesung eines Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Haushaltsplanes für die Haushaltsjahre 2004 und 2005

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 15/2790

Bericht und Beschlussempfehlung des Finanzausschusses Drucksache 15/3078