Protocol of the Session on December 10, 2003

Wir können allerdings einen Einblick geben, der den Anreiz weckt, sich mit diesen Religionen vertiefend auseinander zu setzen. Das muss - das zeigen insbesondere diese Unterrichtsbeispiele, die ich vor Augen habe - überhaupt nicht oberflächlich geschehen, Herr Dr. Klug.

Die Schule würde auf diese Weise Wissen über religiöse Traditionen vermitteln. Sie würde sich aber nicht anmaßen, über religiöse Wahrheit zu entscheiden. Nur so kann unserer Meinung nach der Verfassungsgrundsatz der Trennung von Kirche und Staat

(Angelika Birk)

umgesetzt werden, ohne damit die Religion aus der Schule zu verbannen.

Denn auch ich glaube, dass das Feiern von religiösen Festen, dass das Kennenlernen von Ritualen dazugehört. Das heißt für mich, dass eine Schule, in der es einen großen Anteil von Kindern gibt, die einen russisch-orthodoxen Hintergrund haben, weil sie als Aussiedlerinnen und Aussiedler hier eingewandert sind, die Möglichkeit haben muss, das russische Osterfest zu feiern. Es muss auch die Möglichkeit geben, auf den Ramadan einzugehen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Kinder, die an diesem Ritual beteiligt werden, automatisch diesen Glauben anzunehmen haben. Dieses kann man Kindern vermitteln. Man kann den Respekt und den Glauben Kindern vermitteln, ohne sie gleichzeitig zu zwingen, mitzumachen. Die Freiheit des Glaubens - das ist ein sehr hohes Gut - soll gerade in der Schule vermittelt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann aber nur vermittelt werden, wenn die Kinder den Unterschied zwischen „Bericht über“ und „Glauben an“ auch in erwachsenen Personen erfahren.

Das bedeutet nichts weniger, als den bisherigen Kirchenstaatsvertrag infrage zu stellen und es bedeutet sicherlich auch grundgesetzliche Auseinandersetzungen. Uns ist klar: So ein Projekt kann nicht von heute auf morgen starten. Es braucht viele Bündnispartnerinnen und Bündnispartner. Es braucht Sensibilität und es ist sicherlich ein langfristiges Projekt.

Wir haben schon verschiedentlich über kurzfristige Projekte gesprochen und da will ich positiv hervorheben, dass sich das Bildungsministerium auf den Weg gemacht hat und nach kurzfristigen Alternativen zum bisherigen Religionsunterricht sucht.

Wenn ich es richtig verstanden habe, geht es zum einen um den Versuch, im evangelischen Religionsunterricht, der hierzulande den Löwenanteil der Religionsstunden ausmacht, Elemente des Judentum und Islam im Sinne eines berichtenden Unterrichts zu integrieren. Zum anderen wollen Sie, Frau ErdsiekRave, das Feld für einen deutschsprachigen Islamunterricht bereiten, der dann praktisch parallel zum christlichen Religionsunterricht läuft.

Die Schwierigkeit beider Varianten besteht natürlich darin, dass es - anders als oft in Vorurteilen vermittelt - keine islamische Staatskirche gibt, die etwas ex Cathedra entscheiden könnte. Vielmehr ist jede Kultusbürokratie gezwungen - und das tun Sie auch, Frau Erdsiek-Rave -, sich mit den verschiedenen

Erdsiek-Rave -, sich mit den verschiedenen muslimischen Glaubensrichtungen abzustimmen.

Wenn man weiß, wie unterschiedlich die Glaubenshaltung der Aleviten, der Schiiten, der Sunniten ist, und wie groß innerhalb dieser jeweiligen Glaubensrichtungen der Unterschied zwischen eher modernen und eher orthodoxen Glaubensanhängerinnen und Glaubensanhängern ist, dann weiß man, was sich der runde Tisch vorgenommen hat. Ich kann nur sagen: Hut ab, wenn Sie diesbezüglich schon ein Stück vorangekommen sind.

Es ist ein sehr sensibles Thema. Das zeigt uns gerade die Kopftuchfrage, die wir in der letzten Landtagstagung diskutiert haben. Ich glaube aber, dass kein Weg daran vorbeigeht, zum bisherigen Modell des christlichen Religionsunterrichts Alternativen zu entwickeln.

Wir sind gut beraten, vor dem Hintergrund des Interesses von Kindern an philosophischen und ethischen Fragen, vor dem Hintergrund des großen Interesses und Respekts, den Kinder anderen Religionen entgegenbringen, sowohl im Religionsunterricht uns von den bisherigen Formen zu lösen als auch eine Alternative vorzubereiten, die wir in einem religionsübergreifenden Ethikunterricht sehen. Wir werden sehen, ob in zehn, 20 Jahren tatsächlich der Ethikunterricht so dominant wird, dass faktisch durch Abstimmung mit den Füßen der traditionelle Religionsunterricht abgelöst wird.

Ich finde, das ist kein Unglück. Wenn diejenigen, die die Religionsgemeinschaften vertreten, dies als Bedrohung ansehen, glaube ich, dass sie vor der Freiheit des Glaubens verzagen und dass sie nicht die Chance ergreifen, die in einem solchen Konzept liegt. Wir sind in einer globalisierten Gesellschaft. Wir haben sehr viel mehr Glaubensrichtungen in unserem Alltag vertreten, als es noch vor 20, 30 Jahren der Fall war. Wir können unseren Kindern und Jugendlichen bei der Orientierung nur helfen, indem wir zu dieser Vielfalt stehen, indem wir Toleranz und Respekt vor den verschiedenen Auffassungen zeigen. Wenn uns das gelingt, haben wir viel erreicht und haben wir mehr zum Erhalt von Religion beigetragen als durch eine falsche Dominanz, wie wir sie bisher - das muss ich kritisch sagen - in allein christlich orientiertem Religionsunterricht vorfinden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt seiner Sprecherin, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die religiöse Verankerung unserer Gesellschaft gerät ins Rutschen. Das ist keine neue Entwicklung, sondern zeichnet sich bereits seit vielen Jahren ab. Ich meine damit nicht nur die steigende Zahl von Kirchenaustritten oder die völlige Gleichgültigkeit gegenüber dem religiösen Inhalt unserer Feiertage - dazu ist heute schon viel gesagt worden -, sondern auch die Beliebigkeit der meisten gegenüber ethischen Werten. Viele Eltern haben genug damit zu tun, den Alltag auf die Reihe zu bekommen, sodass Fragen nach Gerechtigkeit und Gemeinschaft oftmals unter den Tisch fallen, oder - was noch schlimmer ist - sie greifen zu schnellen Antworten, die meist nicht weit entfernt sind von oberflächlichen Vorurteilen.

Die Herausforderungen, die aus dieser Entwicklung für die Schulen erwachsen, sind ganz einfach enorm. Der SSW begrüßt daher, dass die Große Anfrage der CDU dem Landtag Gelegenheit gibt, die Strukturen des Religions- und Philosophieunterrichts unter die Lupe zu nehmen. Ich möchte hier aber ausdrücklich betonen, dass die Schulen kein Reparaturbetrieb sind. Schule muss sich nach dem richten, was sich innerhalb der Gesellschaft entwickelt.

Außerdem verbietet es die Trennung von Kirche und Staat, dass Schule allen Schülern christlich-religiöse Inhalte vermittelt, egal, ob diese im Glauben mit den christlichen Religionen verbunden sind oder nicht.

Wenn sich im Schuljahr 2002/2003 insgesamt mehr als 14.500 Schülerinnen und Schüler in SchleswigHolstein für den Philosophie- statt den Religionsunterricht entschieden haben, ist das in meinen Augen keine negative Entwicklung. Ich sehe den Religionsunterricht und den Philosophieunterricht als gleichberechtigt an. Wer als Schüler bereits mit ethischen Fragen konfrontiert wird, wird sich später als Erwachsener leichter ethischen Problemen stellen können. Die hohe Zahl der Philosophieschüler belegt aber vor allem den Wandel unserer Gesellschaft weg von den christlichen Religionen. Deren Wert- und Glaubensvorstellungen lehnen viele Menschen ab. Dementsprechend sinkt die Nachfrage der Schulen nach Fachlehrern im Fach Religion.

Das Kultusministerium zeigt im Anhang, dass die Zahl der bestandenen Lehramtsprüfungen im Fach Religion dagegen in eine andere Richtung weist: Sie bleibt erstaunlich stabil. Lehramtstudenten, die später in einer Grundschule arbeiten möchten, stellen dabei den Löwenanteil unter den zukünftigen Religionslehrern. Die Landesregierung geht davon aus, dass damit der Bedarf auch in der Zukunft gedeckt sein wird. Der

Religionsunterricht wird sich also nicht zum Sorgenkind entwickeln. Es ist also nicht das Fach, das aufgrund von Lehrermangel ständig von Stundenausfällen bedroht sein wird.

Ein anderer wichtiger Punkt in der Großen Anfrage ist sicherlich der islamische Religionsunterricht, der unter Verfassungsrechtlern ja sehr umstritten ist. Obwohl viele Bundesländer, darunter seit nunmehr 14 Jahren auch Bayern, eine islamische Unterweisung in der Schule anbieten, streiten sich die Juristen immer noch darüber, ob der islamische Unterricht überhaupt zulässig ist, solange keine bundesweite Organisation der islamischen Religionsgemeinschaften bestehe. Ich denke, dass diese Diskussion an den Bedürfnissen derjenigen Kinder vorbeigeht, die vom Elternhaus eine eindeutige islamische Werteausrichtung erfahren. Sie sehen nicht ein, warum sie nicht so wie ihre christlichen Mitschüler auch mehr über ihren religiösen Hintergrund erfahren sollen, und zwar in der Schule.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das niedersächsische Modellprojekt zeigt hier meines Erachtens in die richtige Richtung. Ab dem nächsten Schuljahr wird im Rahmen eines Modellprojektes an niedersächsischen Schulen islamischer Religionsunterricht angeboten. Ich bin sicher, dass auch Schleswig-Holstein von den Erfahrungen in Niedersachsen profitieren kann.

Gleichzeitig müssen wir uns als Abgeordnete aber auch der Kritik anderer Religionsgemeinschaften stellen, die ebenfalls eine Unterrichtungsmöglichkeit in der Schule wünschen. Damit komme ich auf meine Ausführungen am Anfang der Rede zurück. Wenn die Bürgerinnen und Bürger den Religionen zunehmend kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, dann sollte sich die Schule verstärkt bemühen, ethische Inhalte abseits der religiösen Unterweisung zu vermitteln. Dabei sollte das keinesfalls innerhalb der 45-Minuten-Raster abgehakt werden, sondern selbstverständlicher Bestandteil aller Unterrichtseinheiten sein. Damit meine ich auch, dass für den SSW die Einführung eines Faches „LER“ keine Lösung dieses Problems darstellt.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

In meinem früheren Leben habe ich im Schulalltag als Querschnittsaufgabe miterlebt und sehr positive Erfahrungen damit machen können, dass Schülerinnen und Schüler in allen Fächern gerade ethische Fragen aufgreifen konnten. Schüler, die die Vielfalt der Weltreligionen kennen lernen, bringen viel mehr Verständnis für Andersgläubige auf. Dieses Gebot der

(Anke Spoorendonk)

Toleranz lebendig zu vermitteln, ist jeden Tag wieder eine neue Herausforderung, eine Herausforderung, die - wie gesagt - nicht nur in einem Fach, sondern in allen Fächern der Schule seinen Platz finden muss.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Wir sind am Ende der Beratung. Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU, Drucksache 15/2943, zur abschließenden Beratung an den zuständigen Bildungsausschuss zu überweisen. Wer seine Zustimmung geben will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltung? - Es ist einstimmig so beschlossen. Damit ist der Tagungsordnungspunkt erledigt.

Bevor ich Tagesordnungspunkt 42 aufrufe, gibt es eine Meldung zur Geschäftsordnung. Das Wort für die SPD-Fraktion hat deren Geschäftsführer, Kollege Holger Astrup.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin in der glücklichen Lage, nicht nur für die SPD-Fraktion, sondern für mittlerweile alle Fraktionen dieses Hauses reden zu dürfen. Wir haben uns - dafür danke ich allen Oppositionsfraktionen - auf eine neue Tagesordnung für morgen und Freitag deshalb geeinigt, weil der Finanzminister durch die zögerliche Fortentwicklung der Beratungen im Vermittlungsausschuss am Freitag entgegen der ursprünglichen Absicht in Berlin sein muss. Deshalb haben wir vereinbart, dass wir morgen mit der Beratung zum Nachtragshaushalt 2003 beginnen, die Tagesordnung fortführen mit den Beratungen zum Landesministergesetz und dann den Doppelhaushalt 2004/2005 beraten. Die Aktuelle Stunde hat folgende Entwicklung genommen: Die antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP haben sich freundlicherweise bereit erklärt, auf die Aktuelle Stunde am Freitag zu verzichten, weil Minister Dr. Stegner in Bonn sein muss. Das Thema der Aktuellen Stunde, die Neustrukturierung der Finanzämter in Schleswig-Holstein, wird ein ordentlicher Tagesordnungspunkt in der Januar-Tagung des Landtages. Bis zu diesem Zeitpunkt, das heißt bis zur Beratung dieses Tagesordnungspunktes, wird es vonseiten des Finanzministeriums keine Entscheidung zu diesem Thema geben.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich bedanke mich im Namen der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ausdrücklich bei den Vorsitzenden der anderen Fraktionen für diese, wie ich finde, für das gesamte Parlament vernünftige Regelung eines Problems, das wir von außen aufgedrückt bekommen haben. Für das Gesamtansehen des Parlaments in Schleswig-Holstein ist diese Gemeinsamkeit an dieser Stelle wichtig und richtig. Dafür danke ich.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? - Das sehe ich nicht. Dann will ich ordnungsgemäß feststellen, ob das Haus richtig verstanden hat. Wir würden mit dem Vorschlag, so wie Herr Kollege Astrup ihn im Namen aller Geschäftsführer der Fraktionen des Parlamentes vorgestellt hat, die Tagesordnung wie folgt ändern, und zwar im Gegensatz zu unserem heute Morgen gefassten Beschluss: Wir würden morgen zunächst zur Beratung Tagesordnungspunkt 8 aufrufen, Nachtragshaushalt; dann würden wir in die Beratung des Tagesordnungspunktes 7 einsteigen, Änderung des Landesministergesetzes. Anschließend würden wir die Beratung und Beschlussfassung zum Tagesordnungspunkt 6 aufrufen, Haushalt. Das wäre die Situation für den morgigen Tag.

Am Freitag würde die Aktuelle Stunde entfallen. Dazu ist das Weitere gesagt worden.

Das zur Grundstruktur der Änderung der bereits beschlossenen Tagesordnung für die jetzige Tagung des Landtages. Ich darf fragen: Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann haben wir einstimmig in dem Sinne, wie Kollege Astrup das hier vorgestellt hat, die Tagesordnung für den Ablauf der Tagung verändert.

Wir treten jetzt in den Tagesordnungspunkt 42 ein:

Bericht der Landesregierung an den Landtag gemäß § 15 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 4 HSG zur Festlegung der Höhe der Landesmittel in den Zielvereinbarungen mit den Hochschulen

Bericht der Landesregierung

Drucksache 15/3084

Zunächst darf ich zur Berichterstattung Frau Landesministerin Erdsiek-Rave das Wort erteilen.

Meine Damen und Herren! Schleswig-Holsteins Hochschulen sind für die Zukunft gut gerüstet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Wenn Sie vor zwei Wochen, Herr Kayenburg, der Vorstellung der neu berufenen Professorinnen und Professoren und der Juniorprofessoren an der Christian-Albrechts-Universität beigewohnt hätten, dann hätten auch Sie so etwas wie Aufbruchstimmung gespürt. So viele tolle neue, auch junge Leute, die an diese Hochschule gekommen sind, sind eine sehr gute Voraussetzung für die Zukunft.