Protocol of the Session on September 19, 2019

Die duale Ausbildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Abg. Michel Frisch, AfD: Ja, dann machen Sie doch was!)

Es kann nicht sein, wenn der Bund seiner Aufgaben nicht nachkommt, dass das Land alles tragen, übernehmen und finanzieren soll. Fordern kann man das. Wenn man sich nicht Gedanken machen muss, woher das Geld kommt, kann man das natürlich fordern. Das ist überhaupt kein Problem.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Dr. Jan Bollinger und Michael Frisch, AfD)

Der Bund als Mitprofiteur muss mit ins Boot und mit finanzieren, wenn wir das fördern.

Danke schön.

(Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile der Abgeordneten Blatzheim-Roegler das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Den Antrag der Ampel-Fraktion leiten wir ein mit der klaren Aussage, dass das prioritäre Ziel der rheinlandpfälzischen Wirtschafts- und Bildungspolitik die Gleichstellung, die Gleichwertigkeit des ersten akademischen Abschlusses zur beruflichen Fortbildung ist. Das heißt, wir bekennen uns ganz klar dazu, dass jede und jeder nach seinen Möglichkeiten eine Bildung erhält, die er erfolgreich abschließen kann und die wir in vielfältiger Weise als Land unterstützen.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Richtig!)

Gerade bezüglich der beruflichen, der dualen Ausbildung, denke ich, ist in den Wortbeiträgen klar geworden, dass sich die rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Bildungspolitik nicht zu verstecken braucht, sondern innerhalb der Bundesländer an vorderster Stelle steht.

Es ist nicht nur das Monetäre, was man den Ausbildungswilligen zugutekommen lässt. Es sind auch die Rahmenbedingungen, in die Rheinland-Pfalz eine Menge Geld steckt. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Das Berufsbildungsund Technologiezentrum in Trier wurde nicht nur saniert, sondern komplett neu aufgestellt, und zwar mit erheblicher Unterstützung des Landes. Es ist – das sind die Worte des HWK-Präsidenten Axel Bettendorf – inzwischen das modernste Bildungszentrum Europas. Es hat auf 10.000 m2 400 Werkstatt- und 200 Unterrichtsplätze. Es ist im Passivhausstandard gebaut und damit – auch Originalton Herr Bettendorf – ein leuchtendes Beispiel für die gute Ausbildungssituation in Rheinland-Pfalz.

Die Rahmenbedingungen haben sich die Ampelfraktio

nen und die Landesregierung auf die Fahnen geschrieben. Insofern ist es ein Hohn, wenn hier behauptet wird, die Ampelfraktionen und die Landesregierung würden diejenigen, die eine duale Ausbildung machen wollen, im Regen stehen lassen.

Wir stehen ohne Wenn und Aber zur dualen Ausbildung und zu Handwerksberufen. Die Kollegin Wieland von der CDU hat auch gesagt, dass Sie ohne Wenn und Aber dahinterstehen. Aber ich muss sagen, Sie stehen auch dahinter, ohne irgendwelche Konsequenzen tragen zu wollen. Es ist immer wohlfeil, wenn man versucht, die Aufgaben, die zum Teil der Bund übernehmen muss, auf das Land abzuwälzen, in dem man keine Verantwortung hat. Die haben Sie seit Jahrzehnten nicht. Das ist kein Argument, was ich gelten lasse.

Ich will Ihn gerne sagen, dass wir ein Landesprogramm zur Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung anbieten. Das geht von der Woche der Berufsbildung bis zu außerschulischen Berufsorientierungsmaßnahmen in den Ferien. Wir haben Ausbildungsbotschafter, Coaches für betriebliche Ausbildung der Handwerkskammern. Wir haben eine Förderung der überbetrieblichen Berufsbildungszentren. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag dazu, dass das, was wir uns als Land auf die Fahnen geschrieben haben, nämlich dass keiner ohne Ausbildung aus der Laufbahn aussteigt, unterstützt wird. Das unterstützen wir ebenfalls.

Wir haben die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung im Handwerk. Wir haben das Programm „Handwerk attraktiv“.

Wenn mir jetzt noch jemand sagen würde, dass uns als regierungstragende Fraktionen und als Land diese ganzen Aspekte nicht wichtig wären, dann weiß ich nicht, wann sie zugehört haben.

Wir haben schon in der ersten Runde darauf hingewiesen und im Ausschuss darüber diskutiert, dass es das Ziel ist, die Gleichwertigkeit der Abschlüsse herzustellen, dass also ein Abschluss in der Hochschule als Bachelor oder ein Abschluss als Geselle, als Meister für uns als Land eine hohe Bedeutung hat. Wir brauchen alle Qualifikationen. Deswegen finde ich es etwas schade und es ist überhaupt nicht zu verstehen, dass unterschwellig versucht wird, das eine gegen das andere auszuspielen. Das ist völliger Blödsinn.

(Glocke des Präsidenten)

Für unseren guten Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz auf dem Weltmarkt sind beide Ausbildungsgänge wesentlich und wichtig. Wir tun alles dafür, um den Auszubildenden und den Studierenden die besten Möglichkeiten zu schaffen. Wir erwarten das auch vom Bund.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei SPD und FDP)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat der Abgeordnete Frisch erneut das Wort.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Der Mann mit der blauen Karte!)

Frau Kollegin Blatzheim-Roegler, ich habe nicht gesagt, dass die Ampelregierung Handwerk und Industrie völlig im Regen stehen lässt. Ich habe auch nicht gesagt, dass hier nichts passiert. Darum geht es nicht. Das ist wieder die übliche Diktion, die Sie im Landtag bringen, dass es nur Schwarz oder Weiß gibt und eine Kritik der Opposition immer darauf abzielen würde, alles in Gänze schlechtzureden. Das tun wir nicht.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fast alles!)

Wir haben einen ganz bestimmten Punkt. Wenn Sie mit der IHK Trier und anderen reden, dann werden die Ihnen in diesem Punkt genau sagen, dass hier eine erhebliche Lücke ist und die Lücke geschlossen werden muss.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: HWK, nicht IHK!)

Ansonsten bleibt es bei Lippenbekenntnissen. Davon haben wir heute sehr viele gehört.

Es ist keine Abwälzung der Kosten auf das Land. Der Bund wird nach wie vor, auch nach der geplanten Novelle des AFBG, in erheblichem Maße in der finanziellen Pflicht bleiben. Das ist richtig so. Aber so, wie es jetzt aussieht, verbleibt ein Rest von 25 % Eigenbeteiligung der Betroffenen an Ausbildungs-, Kurs- und sonstigen Kosten. Das können wir nicht akzeptieren, weil es ein Hindernis für viele Interessenten sein kann und wird, eine solche Aufstiegsfortbildung zu machen.

Insofern ist unser Vorschlag, der darauf abzielt, vorübergehend diese Lücke zu schließen und in dem Maße die finanziellen Verpflichtungen des Landes wieder zurückzufahren, wie der Bund sich stärker einbringt, der absolut vernünftige Weg, eine kurzfristige Lösung für diese jungen Menschen zu finden. Damit dienen wir der Wirtschaft. Wir belasten nicht im übermäßigen Maß das Land. Wir haben das durchgerechnet. Wir reden hier über einen niedrigen Millionenbetrag. Das wäre durchaus zu stemmen und angesichts der Wichtigkeit der Aufgabe aus unserer Sicht enorm bedeutsam. Wir sollten das tun.

Der Ball liegt auf dem Elfmeter. Das Tor ist leer. Wir müssen nur noch verwandeln. Denken Sie daran, wer dann noch vorbeischießt, wird beim nächsten Mal nicht mehr aufgestellt.

(Beifall der AfD – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erteile ich Staatssekretärin Schmitt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gleichstellung der beruflichen und akademischen Aus- und Fortbildung ist eines der prioritären Ziele der rheinland-pfälzischen Wirtschafts- und Bildungspolitik.

Ein Baustein, um dieses Ziel zu erreichen – ich betone an dieser Stelle: e i n Baustein; denn wir haben viele Instrumente, um das Thema voranzubringen –, ist das Förderprogramm Aufstiegsbonus I und II. Sowohl die Fortbildungsbereitschaft als auch die Stärkung der eigenen Qualifikation sollen mit dem Aufstiegsbonus I in Höhe von 1.000 Euro honoriert werden. Der Aufstiegsbonus II in Höhe von 2.500 Euro belohnt die im Anschluss an eine erfolgreiche Weiterbildung getätigte Existenzgründung oder Unternehmensnachfolge.

Ein weiteres Instrument zur Finanzierung der Kosten einer Fort- und Weiterbildung zum Meister oder Fachwirt ist das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz des Bundes. Dieses sogenannte Aufstiegs-BAföG macht diese Fortbildung oftmals erst bezahlbar. Im Gegensatz zum Aufstiegsbonus besteht auf diese Förderung ein gesetzlicher Anspruch für die Antragsteller.

Das AFBG wird aktuell novelliert. Der Referentenentwurf wurde den Ländern Mitte Juli 2019 erstmals bekanntgegeben. Die Leistungsverbesserungen werden von uns grundsätzlich begrüßt.

Meine Damen und Herren, allerdings sehen wir eine Herausforderung in der vom Bund kalkulierten finanziellen Mehrbelastung für die Länder. Auf Rheinland-Pfalz würden rund 1,5 Millionen Euro im Jahr 2020 und rund 3,4 Millionen Euro ab dem Jahr 2021 zukommen. Daher muss der aktuelle Finanzierungsschlüssel – nämlich der Bund 78 % und die Länder 22 % – aus unserer Sicht auf jeden Fall überprüft werden.

Genau diese Forderung wurde bereits im Beschluss der Wirtschaftsministerkonferenz im Juni 2019 zum Ausdruck gebracht. Nächste Woche Mittwoch wird der Gesetzentwurf im Bundeskabinett erörtert und danach an den Bundesrat zur weiteren Befassung übersandt. Wir werden uns dort wie bereits in der Wirtschaftsministerkonferenz nochmals dafür einsetzen, dass die bisher vom Bund vorgesehenen Leistungsverbesserungen im AFBG noch weiter ausgebaut werden, und wir weiterhin auf eine Anpassung des aktuellen Finanzierungsschlüssels drängen.

Wir hatten sowohl hier im Plenum als auch im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr bereits zum Ausdruck gebracht, dass für die Finanzierung der von der CDU-Fraktion geforderten Streichung der Gebühren für eine Meister-, Fachwirt- oder Technikerausbildung im Rahmen des aktuellen Doppelhaushalts des Landes derzeit keine Möglichkeiten bestehen. Ebenso unrealistisch und nicht finanzierbar ist eine Anhebung des Aufstiegsbonus I auf 4.000 Euro, wie von der Fraktion der AfD gefordert.

Meine Damen und Herren, trotz unterschiedlicher Anträge der Fraktionen habe ich aus den Diskussionen der vergangenen Monate in Plenum und Ausschuss allerdings

auch einen durchaus positiven Eindruck mitgenommen. Fraktionsübergreifend besteht der Wunsch, die Fort- und Weiterbildung finanziell zu stärken.

Liebe Frau Wieland, ich glaube, wir können an dieser Stelle gemeinsam sagen, das Handwerk ist für uns alle so wichtig, dass wir gemeinsam die starke Stimme des Handwerks sein sollten.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, seitens des Wirtschaftsministeriums haben wir mit den beteiligten Kammern eine Arbeitsgruppe zur Evaluierung des Förderprogramms Aufstiegsbonus I und II eingerichtet. Unser Ziel ist es, das Förderprogramm Aufstiegsbonus I und II ganz klar weiterzuentwickeln und, wie es auch der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen fordert, finanzielle Spielräume im Rahmen des bestehenden Haushalts auszuschöpfen und für die kommenden Haushalte vorzusehen.

Die Verwaltungsvorschrift zum Aufstiegsbonus soll nun zum 1. Januar 2020 neu gefasst werden. Neben einer finanzierbaren Erhöhung des Aufstiegsbonus I steht auch eine Erweiterung des Kreises der Zuwendungsberechtigten zur Diskussion. Ich werde Sie gerne nach Abschluss unserer Überlegungen darüber informieren.

Meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, dass wir als Landesregierung und Sie als Haushaltsgesetzgeber gemeinsame Wege finden werden, um die Herausforderungen zur Finanzierung des Aufstiegs-BAföG und zur Novellierung des Aufstiegsbonus zu meistern. Die Haushaltsberatungen für das Jahr 2021 stehen im nächsten Jahr an. Ich würde mich freuen, wenn unser gemeinsamer Wunsch nach einer höheren finanziellen Unterstützung von Fortbildungsinteressierten in diesem Rahmen weiterverfolgt wird.

Lassen Sie mich abschließend sagen, bei der Diskussion um die Gleichstellung der akademischen und beruflichen Bildung sollten wir nicht nur über Geld sprechen. Wir sollten auch über Respekt vor selbstgewählten Lebenswegen und Entscheidungen junger Menschen sprechen. Es ist aus meiner Sicht nicht die Aufgabe des Staates oder der Politik, dies zu bewerten, sondern dies zu unterstützen und letztendlich jeden individuellen Weg zu ermöglichen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)