Protocol of the Session on June 14, 2019

Dazu mag es im Einzelfall erforderlich sein, die berufliche Belastung für einen gewissen Zeitraum durch eine Reduzierung der Arbeitszeit abzumindern. Möglichkeiten, dies zu tun, bestehen bereits, etwa im Rahmen einer Brückenteilzeit. Allerdings wird nicht jeder wirtschaftlich in der Lage sein, seine Arbeitszeit tatsächlich zu reduzieren. Zudem wirkt sich ein mit einer Arbeitszeitreduzierung einhergehendes niedriges Entgelt wiederum negativ auf die erarbeiteten Rentenansprüche aus.

Deshalb möchten wir im Rahmen eines Modellprojekts Arbeitnehmer, die aus gesundheitlichen Gründen und zum langfristigen Erhalt ihrer Arbeitskraft ihre Arbeitszeit temporär reduzieren, finanziell fördern. Voraussetzungen dafür sind eine Dauer der Berufsausübung von 10 bzw. 15 Jahren ohne wesentliche Unterbrechungen, ein Mindestalter von 50 Jahren und eine Reduzierung der Arbeitszeit von mindestens 20 % und höchstens 50 %.

Die Förderung soll 50 % des Nettoentgeltverlusts betragen, zuzüglich eines Zuschusses zu den Beiträgen der gesetzlichen Rentenversicherung für einen Zeitraum von 12 bis 36 Monaten je nach Lebensalter. Dabei soll für das Modellprojekt eine Rahmenfrist von drei Jahren gelten. Zudem soll das Projekt wissenschaftlich evaluiert werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir von Arbeitnehmern verlangen, bis weit über das 65. Lebensjahr hinaus beruflich tätig zu sein, müssen wir denjenigen, für die das aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit schwierig ist, unter die Arme greifen, um ihnen die Chance zu geben, diese Voraussetzungen für einen ungekürzten Bezug der gesetzlichen Altersrente erfüllen zu können. Andernfalls ist die Erhöhung der Regelaltersgrenze für diese Arbeitnehmer faktisch nichts anderes als eine Rentenkürzung und damit der Weg in die Altersarmut.

Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Ich erteile das Wort Frau Dr. Machalet von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, „Entgeltsicherung für lebensältere Schwerstarbeiter bei zeitlich befristeter Teilzeit-Arbeit“. Das hört sich ziemlich kompliziert an. Das, was in dem Antrag selbst steht, ist in den Ausformulierungen sehr kompliziert und grundsätzlich ziemlich wirr, muss man sagen.

Vorab kann ich Ihnen schon mitteilen, dass wir Ihren Antrag ablehnen. Das wird Sie jetzt nicht wundern.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Überraschung! – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ich möchte trotz allem ein paar inhaltliche Ausführungen machen.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Was Neues! – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Zunächst einmal ist festzustellen – ich denke, das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung –, Ältere ab 55 Jahren nehmen inzwischen immer häufiger am Erwerbsleben teil. Die Erwerbstätigenquote bei den Älteren ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Das hat die Bundesagentur für Arbeit zuletzt im November 2018 festgestellt, und sie hat deutlich beschrieben, wie sich die Entwicklung gestaltet.

Die Erwerbstätigenquote der 55- bis unter 65-Jährigen ist in den letzten zehn Jahren stärker gestiegen als die der 15- bis unter 65-Jährigen. Im europäischen Vergleich ist sie überdurchschnittlich hoch. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen in Deutschland auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze erwerbstätig sind und die Arbeitslosenquote Älterer rückläufig ist.

Wie gesagt, ich denke, das ist eine sehr positive Entwicklung. Das zeigt, dass inzwischen die Arbeitsleistung von älteren Beschäftigten in den Unternehmen deutlich stärker wertgeschätzt wird. Ich kann mich an Zeiten erinnern, als wir eine ganz andere Entwicklung hatten. Ich glaube, das ist wirklich eine positive Sache. Daran werden wir weiter arbeiten.

Ich komme noch einmal auf das Thema der Schwerstarbeiter zurück. Sie listen Berufe auf, die Sie als Schwerstarbeiter definieren. Ich glaube, dass diese Auflistung ziemlich wahllos ist. Pauschal kann man, glaube ich, nicht sagen, was Schwerstarbeit ist; denn Belastungen gibt es in jedem Beruf. Belastungen am Arbeitsplatz werden von jedem individuell und unterschiedlich wahrgenommen. Ich glaube, Ziel muss es sein, grundsätzlich die Arbeitsbedingungen an jedem Arbeitsplatz so zu gestalten, dass Menschen möglichst lange im Erwerbsleben bleiben und gesund an ihrem Arbeitsplatz tätig sein können.

An der Stelle wundert mich schon, dass in Ihrem Antrag das Wort „betriebliches Gesundheitsmanagement“ überhaupt nicht vorkommt. Kennen Sie das überhaupt? Haben Sie schon einmal etwas davon gehört? Ich glaube, das ist der Punkt, um den es geht. Wenn wir dafür sorgen wollen, dass Menschen lange im Erwerbsleben bleiben, lange in ihrem Beruf tätig sein können, brauchen wir ein starkes betriebliches Gesundheitsmanagement. Das Land

fördert das betriebliche Gesundheitsmanagement mit einem breiten Netzwerk und sorgt dafür, dass kleine und mittlere Unternehmen, die es schwerer haben, weil sie keine großen Personalabteilungen haben, die das organisieren, tätig werden können. Das ist der bessere Weg.

Genauso gibt es das Thema der Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz. Auch das kommt in Ihrem Antrag nicht vor.

Uns ist besonders wichtig, gerade, wenn es um die Themen „Arbeitsbelastung“ und „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ geht, die Rolle der Betriebsräte stärker mit einzubeziehen.

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist Folgendes: Sie wollen zeitlich befristete Teilzeitarbeit zur Erholung für die Schwerstarbeiter. Die Frage, die sich dann stellt, ist: Was passiert danach, wenn die zurückkommen in Vollzeit? Die Belastung bleibt die gleiche. Daran ändert sich nichts.

Wir wollen im Gegensatz zu Ihnen gleitende Übergänge. Dafür gibt es bereits gesetzliche Instrumente wie zum Beispiel die Flexirente oder Möglichkeiten der Altersteilzeit.

Ich möchte hier auch noch festhalten, gerade wir als SPD haben im Koalitionsvertrag im Bund dafür gesorgt, dass wir deutliche Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente erreichen. Seit Anfang 2018 soll die Zurechnungszeit bei Rentenneuzugängen schrittweise um weitere drei Jahre verlängert werden. Die Betroffenen sollen so behandelt werden, als wenn sie bis zum aktuellen Renteneintrittsalter gearbeitet hätten. Ich denke, das ist ein großer Erfolg. Das wird von vielen als deutliche Verbesserung im Bereich der Erwerbsminderungsrenten wahrgenommen.

Sie reden viel über Rente. Sie geben sich hier als die Partei des kleinen Mannes und die Partei der kleinen Leute.

(Abg. Uwe Junge, SPD: Die gibt es ja nicht mehr!)

Sie haben sich um die Berufsunfähigkeitsversicherung bei Schwerstarbeitern gesorgt. Vorgestern war zu lesen, dass Sie Ihren Sonderparteitag zur Rentenpolitik wegen einem internen Streit auf das Jahr 2020 verschieben.

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Weil es bei Ihnen auch keine Streitigkeiten gibt!)

Spannend wäre es an dieser Stelle zu wissen, wo Sie, auf welcher Seite Sie beim Thema „Rente“ stehen.

(Zurufe von der AfD – Glocke des Präsidenten)

Wenn man liest, Herr Meuthen wirbt für ein kapitalgedecktes Modell und die Abschaffung der umlagefinanzierten Rente, Höcke will ein staats- und steuerfinanziertes Modell, vielleicht können Sie darlegen, wo Sie hier stehen.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Hat ein anderes Modell eingereicht! Lesen bildet!)

Das würde in Rheinland-Pfalz viele Menschen interessieren, glaube ich.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen von Frau Dr. Machalet hat sich Herr Dr. Böhme gemeldet.

Sehr geehrte Frau Dr. Machalet, Sie haben versucht, alles Mögliche hinein- oder herauszuinterpretieren. Über eines sind wir uns wirklich einig: Immer mehr Menschen arbeiten immer länger und werden dabei immer älter. Dazu gehört der Fakt, dass immer mehr Menschen berufsunfähig werden, und zwar gerade im Alter. Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, sehen Sie, 53 % aller berufsunfähigen Menschen sind in der Lebensaltersgruppe 50plus. Genau darauf fokussiert unser Antrag.

Wir möchten nicht, dass die Menschen berufsunfähig, arbeitslos werden und sich nicht in irgendeine Früh- oder Flexirente retten, damit sie dann irgendwo in der Altersarmut landen, sondern wir möchten den Menschen die Chance geben, länger zu arbeiten. Das können wir, indem sie die Möglichkeit bekommen, kurzzeitig ihre Arbeitsbelastung zu reduzieren und an ihrer Gesundheit zu arbeiten. Dazu gehört das betriebliche Gesundheitsmanagement. Das kann das nicht ersetzen. Wer Vollzeit arbeitet, hat schon ein Problem, einen Arzttermin zu bekommen.

Wir wollen den Menschen einfach die Möglichkeit geben, an ihrer Gesundheit zu arbeiten, Sport zu treiben, sich mehr um sich selbst zu kümmern, wieder Luft zu holen und dann weiterarbeiten zu können. Ich denke, das ist ein sehr sinnvoller Ansatz; denn Sie selbst haben hier gestanden – oder zumindest Ihre Sozialministerin – und haben gesagt, wir wollen Arbeit finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit. – Das ist ein Ansatz, Arbeit zu finanzieren und nicht die Menschen in Arbeitslosigkeit oder in eine zu frühe Armutsrente zu schicken.

(Beifall der AfD)

Die Belastung bleibt die gleiche. Ja, damit haben Sie natürlich recht. Auch darüber müssen wir reden. Wir haben immer größere Belastungen in der Arbeitswelt. Das kann aber nicht Gegenstand dieses Antrags sein, sondern das ist eine getrennte Debatte, ein ganz anderes Thema. Darüber sollten wir aber durchaus reden, da bin ich ganz bei Ihnen.

Ich denke, das ist ein sinnvoller Ansatz. Wir wollen Arbeit finanzieren. Wir wollen für die Menschen die Möglichkeit schaffen, sich selbst eine Rente zu erarbeiten und nicht in Armut zu enden.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Zur Erwiderung erteile ich Frau Dr. Machalet das Wort.

Herr Dr. Böhme, ich habe versucht, deutlich zu machen, dass das, was Sie formulieren, einfach viel zu kurz greift. Abgesehen davon, dass es schon rein aus bundesgesetzlicher Sicht und bundesrechtlichen Regelungen überhaupt nicht möglich ist,

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Es ist ein Modellprojekt! Es ist ein Modellprojekt!)

das hier als Modellprojekt durchzuführen – dazu wird die Ministerin sicherlich gleich weitere Ausführungen machen –, haben Sie meine Frage nicht beantwortet.

Wenn Sie sich dafür einsetzen und dafür werben, dass die Menschen immer länger arbeiten und arbeiten können, dann wäre durchaus die Frage zu stellen: Wünschen Sie sich das, weil Sie wie Herr Meuthen der Auffassung sind, dass man das umlagenfinanzierte Rentensystem abschaffen sollte

(Abg. Michael Frisch, AfD: Das sind doch Scheingefechte, die Sie hier führen!)

und schlussendlich eigentlich gar keine Rente mehr zur Verfügung steht?