Protocol of the Session on June 13, 2019

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Dr. RehakNitsche.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht kennen Sie das, die anwesenden Damen und die anwesenden Herren, aus unterschiedlichen Perspektiven: Eine lange Vorstandssitzung, wesentlich mehr Männer als Frauen, es ist Pause, alle reden miteinander und es gibt Kaffee. Dann sagt einer: Deinen Vorschlag von eben sollten wir aufgreifen. – Der andere sagt: Gute Präsentation. – Plötzlich sehen die Herren, dass da eine Dame steht. Und was sagen Sie? Sie haben heute aber ein schickes Kleid an.

Vielleicht war diese Reduzierung auf das Äußerliche keine Absicht, manchmal aber schon. Vielleicht war es wohlwollend gemeint, manchmal aber nicht. Immer ist es Sexismus. Frauen brauchen so etwas nicht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dem, der jetzt sagt, aber Männer werden auch diskriminiert, dem sage ich: Das stimmt. Gesagt sei an der Stelle auch: Menschen, die nicht in das duale Geschlechterdenken passen, werden erst recht diskriminiert. Weder Sexismus noch sexuelle Belästigung beschränken sich auf

Frauen. Alle können von geschlechterbezogener Belästigung und Diskriminierung betroffen sein. Das gilt auch für Männer. Statistiken allerdings zeigen, dass in der Praxis die Frauen wesentlich häufiger betroffen sind als Männer.

Das Tückische ist, oft läuft es unbewusst. Das Verhalten spiegelt vorhandene Vorurteile, tatsächliche oder angenommene Machtgefüge und gesellschaftlichen oder sozialen Status. Selbst diejenigen, die sich frei davon wähnen, sind es im Kopf häufig nicht. Machen wir ein kurzes Gedankenexperiment. Wie fühlen Sie sich bei dem Satz: Er ist ein mächtiger Mann, und sie eine hübsche Frau. – Ganz gut? Vertraut? Wie geht es Ihnen bei: Sie ist eine mächtige Frau, und er ein hübscher Mann?

Sexismus ist vielfältig. Er ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Einzelphänomenen unbewusster und bewusster Diskriminierung auf der Basis des Geschlechts. Sexuelle Belästigung ist nur eine Variante davon. Seit 2006 ist im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz erfreulicherweise und richtigerweise festgeschrieben, dass auch Worte sexuelle Belästigung sein können.

Wie tief Sexismus in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, zeigt sich nicht nur an der gerade laufenden Fußballweltmeisterschaft, die kaum Beachtung findet. Weil Frauen spielen?

(Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe bei der AfD)

Es zeigt sich in jedem Lebensabschnitt. Ich lese meinen kleinen Kindern häufig Bücher vor

(Abg. Michael Frisch, AfD: Lassen Sie sie doch zwangsweise fernsehen!)

und muss ständig spontan die Geschichten umdichten. Würde ich das nicht tun, würden meine Kinder von Anfang an immer nur hören, Jungs spielen draußen Abenteurer – am besten noch während die Mami drin schon einmal das Mittagessen kocht –, und die Mädchen spielen Prinzessinnen.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Heute ist es umgekehrt!)

Ich freue mich sehr, dass es mittlerweile auch andere Geschichten gibt. Die Mehrzahl tradiert aber genau diese alten und eben einschränkenden Muster und legt so die Grundlagen für geschlechterdiskriminierende Strukturen und damit für Sexismus.

Die Wirklichkeit sieht oft aber anders aus. Mädchen können gut Fußball spielen, genau wie Jungs.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Nicht genau wie Jungs! – Abg. Michael Frisch, AfD: Können sie doch, nur wenn es keiner sehen will, dann ist das eben so!)

Mädchen können gut tanzen, genauso wie Jungs. Mädchen können Mathe, genauso wie Jungs. Und Mädchen machen gute Schulabschlüsse, genau wie – nein, sorry, in

diesem Fall sogar besser – Jungs.

(Heiterkeit der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD – Abg. Michael Frisch, AfD: Da werden Jungs diskriminiert, so ist es!)

Frauen können Astronautin werden, Vorstandsvorsitzende, Erzieherin, Dachdeckerin, Ärztin oder Ministerpräsidentin.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Und Mutter! – Zuruf von der CDU: Und SPD-Vorsitzende!)

Frauen können alles, wenn sie stark sind und manchmal eben auch laut. Genau deshalb ist die Kampagne „LAUT+STARK“ wichtig; denn was einfach klingt, ist in der Praxis oft sehr schwer. Es erfordert Mut, sich einzumischen gegen die Strukturen. Es erfordert Mut, zu widersprechen und jemandem ins Gesicht zu sagen, dass er eine Grenze überschreitet. Genau deshalb ist es wichtig, dass jeder einzelne Mensch immer wieder prüft, was sie oder er tun kann, um im privaten oder öffentlichen Leben klar Position gegen Sexismus zu beziehen,

(Beifall bei der SPD und Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das eigene Verhalten immer mal wieder zu hinterfragen und Menschen zu unterstützen, die Sexismus ausgesetzt sind.

Genau deshalb ist es wichtig, dass die Landesregierung für ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun ein Handlungskonzept gegen Sexismus am Arbeitsplatz beschlossen hat. Diejenigen, die das können, müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Das ist richtig und wichtig. Ich fände es wünschenswert, wenn alle Arbeitgeber – sei es öffentlich oder privat – klare Handlungskonzepte gegen Sexismus hätten. Im Kampf gegen Sexismus und gegen Gewalt an Frauen sind alle Akteure gefragt.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Ellen Demuth, CDU)

Für die AfD-Fraktion spricht die Abgeordnete Dr. Groß.

Frau Präsidentin, werte Kollegen! „LAUT+STARK: Sexismus die rote Karte zeigen“ – Ministerin Spiegel geht es in dieser Kampagne, so wird sie auf der Internetseite des Ministeriums zitiert, „um ein Wachrütteln und um die Veränderung der Strukturen, die Sexismus ermöglichen und in denen Frauen ausgenutzt, diskriminiert und missbraucht werden“.

Was mit dieser Aussage gemeint ist, verrät die Ministerin in einem Videointerview, das anlässlich des diesjährigen Weltfrauentags auf der Facebook-Seite der Grünen Jugend veröffentlicht wurde. Spiegel stellt wörtlich fest – ich zitiere –, es sei besonders wichtig, Weltfrauentag zu feiern,

weil die Neue Rechte ein veraltetes Frauenbild propagiert, wonach Mamas bei ihren Kindern bleiben

(Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

und nicht arbeiten sollten. –

(Abg. Andreas Rahm, SPD: Stimmt! – Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig!)

Das ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert, ja skandalös. Zum einen hält es unsere Familienministerin also für veraltet, wenn Mütter bei ihren Kindern sind

(Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

und diskriminiert damit alle Frauen, die sich bewusst dafür entscheiden.

(Beifall der AfD)

Zum anderen unterstellt sie, dass diese Frauen zu Hause nicht arbeiten würden, obwohl es wahrscheinlich kaum eine so fordernde, anstrengende, aber auch lohnenswerte Tätigkeit gibt wie die Erziehung der eigenen Kinder.

(Beifall der AfD)

Laut RHEINPFALZ vom 15. Januar 2019 verstieg sich die Ministerin bei der Ankündigung der „LAUT+STARK“Kampagne ihres Ministeriums sogar zu der Aussage, die von vielen Familien gern genutzten Minijobs und das gerade für selbst betreuende Eltern enorm wichtige Ehegattensplitting dienten der Verfestigung des Machtgefälles zwischen Männern und Frauen in unserer Gesellschaft und seien daher sexistisch.

(Heiterkeit bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das stimmt ja leider auch!)

Frau Ministerpräsidentin, ich finde das überhaupt nicht zum Lachen. Damit mischt sich Ihre Ministerin in Dinge ein, die in einer freiheitlichen Gesellschaft Privatsache sind, Frau Dreyer.

(Beifall der AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!)

Es geht den Staat schlichtweg nichts an, wie sich Familien organisieren und welches Rollenverständnis sie bevorzugen.

(Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Das ist Steuerrecht! – Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau, es geht den Staat nichts an, wie die Steuern erhoben werden!)

Dass immer noch fast zwei Drittel der Mütter ihre Kinder unter drei Jahren selbst erziehen und gerade Familien das Angebot steuerfreier Minijobs nutzen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, sind selbstbestimmte Entscheidungen und nicht Ausdruck einer sexistischen Unterdrückung.

(Beifall der AfD)

Frau Spiegel, trauen Sie unseren Frauen zu, ihr Leben eigenverantwortlich, selbstständig und autonom zu führen.