Protocol of the Session on June 13, 2019

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Jahr 2019. 70 Jahre nach Einführung des Grundgesetzes, 70 Jahre nach der Verabschiedung des Grundsatzes, Frauen und Männer sind gleichberechtigt, müssen wir feststellen: Sexismus, offen und versteckt, vor allem für Frauen über alle Altersgruppen, Berufsstände und kulturelle Grenzen hinweg, ist allgegenwärtig.

Zwei Aktuelle Vorgänge haben uns zu dieser Aktuellen Debatte veranlasst. Zum einen die Kampagne „LAUT+STARK“ des Frauenministeriums und zum anderen die Ergebnisse der Frauen- und Gleichstellungsministerinnenkonferenz (GFMK) in der letzten Woche. Auch darauf werde ich noch eingehen.

Sexismus, also diskriminierendes Verhalten gegenüber einer Person aufgrund ihres Geschlechts, gibt es in vielen Erscheinungsformen. Gegen Frauen richtet er sich beispielsweise in Form von Belästigungen, in herabwürdigenden Bemerkungen oder niedrigerer Bezahlung und auch in Gewalt.

Sexismus äußert sich auch in Bemerkungen wie: Heutzutage bestimmt doch nur das Geschlecht darüber, ob jemand einen Job bekommt, und nicht Leistungs- und Eignungsfähigkeit. – Da schwingt mit: Die Frauen könnten einen Posten bekommen, obwohl sie eigentlich „nicht dafür geeignet sind“. Die Debatte haben wir regelmäßig, auch

wenn es zum Beispiel um Quoten geht.

Schlimm genug, dass man das Instrument Quote immer noch heranziehen muss und es eben keinen gesellschaftlichen Konsens gibt, dass Positionen gleichmäßig unter Geschlechtern aufgeteilt werden und natürlich auch die Bezahlung gleichwertig sein muss. Immer schwingt da mit: Frauen müssen erst einmal beweisen, dass sie wirklich gut oder sogar besser sind, dass sie eine Führungsposition „verdient“ haben.

Sexismus ist aber auch, wenn Männern nicht zugetraut wird, gute Erzieher zu sein.

(Abg. Uwe Junge, AfD: Stimmt!)

Kindergärtnerinnen war lange ein reiner Frauenjob. Hausmänner, gerade die ersten Hausmänner, wurden von ihren eigenen Geschlechtsgenossen, aber zugegebenermaßen auch von Frauen mitleidig belächelt und nicht für „voll genommen“. Deshalb: Sexismus geht uns alle an. Wir müssen gemeinsam alle festgefahrenen Strukturen aufbrechen, die ein ungleiches Machtgefälle zwischen Frauen und Männern fördern.

Sexismus ist aber nicht nur Abwertung. Sexismus zeigt sich leider auch in Übergriffen. Viele Frauen berichten über verbale Belästigungen bis hin zu sexueller Gewalt. Allein im Jahr 2018 gab es in Rheinland-Pfalz knapp 2.000 Anzeigen dazu, 2.000 Anzeigen gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Die Dunkelziffer dürfte sogar noch um einiges höher liegen; denn viele Frauen verschweigen diese Vorfälle aus Angst oder Scham.

Die #MeToo-Debatte hat das Thema „Sexismus“ geschlechterübergreifend – versteckt und offen – mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Betroffen sind aber auch da vor allem Frauen. Prominente Botschafterinnen und Botschafter gegen Sexismus beziehen noch deutlicher Stellung und fordern dringend notwendige gesellschaftliche Veränderungen.

In der Politik wollen und müssen wir diesen Mut und dieses Engagement unterstützen. Wir müssen genau hinschauen und in besonderem Maße dazu beitragen, dem Sexismus jegliche Grundlage zu entziehen. Enorm wichtig und hilfreich sind da Vorstöße, wie der von Frauenministerin Anne Spiegel, die mit ihrer „LAUT+STARK“-Kampagne die Kultur des Schweigens bricht und Sexismus als das benennt, was es ist: ein nicht hinnehmbares gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem.

Es tut sich durchaus etwas. Ich erwähne die IstanbulKonvention, die wichtigste Konvention zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt. Sie ist seit 1. Februar 2018 geltendes Recht. Sie fordert die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau in unserer Gesellschaft. Hier wäre aber deutlich mehr Engagement und die Koordinierung von Maßnahmen seitens der Bundesregierung nötig.

Auch die Beschlüsse der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz machen den großen Handlungsbedarf beim Kampf gegen Sexismus deutlich. Dort wurden unter anderem die ungleichen Machtstrukturen zwischen

Männern und Frauen thematisiert, die Sexismus am Arbeitsplatz zu einem strukturellen Problem machen.

Wir brauchen Kampagnen wie die „LAUT+STARK“Kampagne. Wir brauchen den gesellschaftlichen Schulterschluss zwischen Frauen und Männern,

(Glocke der Präsidentin)

um Sexismus die Rote Karte zu zeigen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Ellen Demuth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Grünen-Fraktion und liebe Frau Blatzheim-Roegler, es freut uns sehr, dass Sie das Thema „Sexismus“ auf die heutige Tagesordnung gesetzt haben und wir heute Vormittag – gleich auch durch die Aktuelle Debatte zum Thema „Frauenhäuser“ – so intensiv über wichtige frauenpolitische Themen sprechen.

(Beifall der CDU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist beschämend, dass Respekt und Wertschätzung im Umgang miteinander leider nicht selbstverständlich sind und Frauen im 21. Jahrhundert immer noch diskriminiert werden.

Sexismus hat viele Gesichter. Männer und Frauen werden vielfach unterschiedlich behandelt und angesehen. Erbringen Frauen und Männer die gleiche Leistung, sollten Sie dafür auch gleich gewürdigt und entlohnt werden. Oft ist dies im Arbeitsleben leider nicht der Fall.

(Beifall der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann nicht sein, dass eine Frau nur aufgrund ihres Geschlechts weniger verdient als ein Mann, wenn sie die gleiche Leistung erbringt. Sie haben uns als CDULandtagsfraktion diesbezüglich an Ihrer Seite.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Die CDU steht fest an der Seite der Grünen, das freut uns!)

Uns liegt viel an der Bekämpfung von Sexismus. Wir sind dringend für mehr Sensibilisierung, auch im Bereich der Straftaten durch K.-o.-Tropfen, durch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, beim Sport und im öffentlichen Raum, durch Gewalt gegen Frauen, Zwangsverheiratungen, wie sie auch in Rheinland-Pfalz immer noch stattfinden, sowie bei Bezahlung, Rentengerechtigkeit und mehr.

(Beifall der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin Spiegel, wir sind dankbar, dass Sie sich als

Frauenministerin und amtierende Vorsitzende der GMFK mit Ihrer Kampagne „LAUT+STARK – Gegen Sexismus“ für ein stärkeres Problembewusstsein im Hinblick auf Sexismus im Alltag einsetzen. Dazu haben wir vergangene Woche in der Presse gelesen, dass Sie in diesem Zusammenhang eine neue Beratungsstelle für Sexismusopfer einrichten wollen.

Verwundert sind wir ein wenig darüber, dass diese Anlaufstelle allein Mitarbeiterinnen der Ministerien und der Landesregierung vorbehalten ist.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Komisch! – Abg. Michael Frisch, AfD: Da scheint es viel Sexismus zu geben!)

Dazu haben wir einige Fragen, da es bisher von den Ministerien keine Zahlen zu Sexismusvorfällen gibt. Wir fragen uns schon: Gab es in jüngster Vergangenheit mehr Meldungen und Anzeichen in den Ministerien, sodass diese neue Beratungsstelle erforderlich ist?

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU und beim Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD – Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

Warum soll diese Beratungsstelle Bediensteten der Ministerien vorbehalten bleiben und nicht etwa Lehrerinnen und Polizistinnen zugänglich sein?

(Beifall der CDU – Abg. Hedi Thelen, CDU: Merkwürdig!)

Bislang sind in den Ministerien die Gleichstellungsbeauftragten zuständig und verantwortlich, wie auch in den nachgeordneten Behörden. Sie bieten eigentlich eine erste Anlaufstelle für die betroffenen Frauen mit vertrauensvoller Beratung und Weiterleitung an zuständige Anwaltskanzleien oder Behörden. In diesem Zusammenhang fragen wir uns schon: Warum ist jetzt eine weitere Beratungsstelle notwendig? Warum können nicht weiterhin die Gleichstellungsbeauftragten diese Funktion erfüllen, und was soll deren zukünftige Aufgabe sein?

(Beifall der CDU)

Noch einmal grundsätzlich: Wir begrüßen und unterstützen außerordentlich die Kampagne „LAUT+STARK“. Dennoch möchten wir uns die Frage erlauben: Sollte die Einrichtung einer externen Beratungsstelle begründet notwendig sein – das werden Sie uns sicherlich gleich erklären –, warum investieren wir dann nicht in die bereits bestehende Hilfestruktur? Etwa in das Hilfemodell RIGG, in die autonomen Frauennotrufe, die Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen oder die Interventionsstellen, die diese Aufgaben übernehmen, bekannt und in der Gesellschaft etabliert sind und die ohnehin immer wieder um mehr Unterstützung bitten.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Da haben wir ganz viel. Wir schaffen wieder Doppel- und Dreifachstrukturen!)

Zudem hat die Arbeitsgemeinschaft des Vier-SäulenHilfemodells eine Koordinationsstelle zur Umsetzung der Istanbuler Konvention vorgeschlagen, die wir als CDU aus

drücklich unterstützen und schon mehrfach im Ausschuss angesprochen haben. Wir sind der Meinung, vielleicht sollte man erst einmal die Interventionsstelle zur Umsetzung der Gewalt- und Sexismusprävention umsetzen – so wie es die Arbeitsgemeinschaft fordert – und aus dieser heraus weitere Überlegungen anstellen, wo noch unterstützende Hilfsmaßnahmen oder Unterstützungen im System notwendig sind.

(Beifall der CDU)

Wir denken, dass diese Forderung, die Koordinationsstelle zu unterstützen, ein erster Schritt sein könnte. Wir sind erfreut, dass das Thema „Sexismus“ heute als Schwerpunktthema gesetzt worden ist. Gelder, die uns nicht erklärlich sind, mit der Gießkanne zu verteilen, anstatt sie in sinnvolle Beratungsstrukturen zu investieren, nützt den Frauen wenig.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kostet es was oder kostet es nichts!)

Den betroffenen Frauen ist wesentlich mehr geholfen, wenn wir das Netz stärken, das bereits vorhanden und bekannt ist.

(Beifall der CDU)

In diesem Sinne freuen wir uns in diesem Zusammenhang auf eine gemeinsame Debatte über den Sexismus.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)