Möglicherweise wird man in nicht allzu langer Zeit über eine grundsätzlich andere Art der Finanzierung des Sozialstaates nachdenken müssen. Der vorgelegte Entwurf jedoch gehört noch zum alten Prinzip, welches ich gern „die Bigotterie unserer Zeit“ nenne. Bundes- und Landespolitik sowie Sozialverbände und Kirchen entwickeln große, nicht immer nur soziale Ambitionen. Die Bürger und Kommunen sollen diese dann umsetzen. Finanziert werden sie zum Teil mit dem Budget künftiger Generationen.
Das vorliegende Umsetzungsgesetz wäre nun die Möglichkeit gewesen, bereits einen anderen Weg zu gehen. Und
die Kommunen haben das ja auch vehement eingefordert. Ich sehe im vorliegenden Gesetzentwurf aber keine Veränderungen im Hinblick auf die Debatte, welche wir an dieser Stelle bereits am 22. März dieses Jahres zur Finanzierung geführt haben.
Die Position der AfD-Fraktion ist daher unverändert. Wir fordern, dass das Land die Trägerschaft der Eingliederungshilfe übernimmt und die Kommunen lediglich das Personal zur Umsetzung vor Ort vorhalten und finanzieren.
Damit wäre aus unserer Sicht der Weg für gleichwertige Lebensverhältnisse der behinderten Menschen in Stadt und Land geebnet. Außerdem könnte das im § 6 geforderte Finanzcontrolling minimiert und bürokratischer Aufwand vermieden werden. Sollte es jedoch bei der von der Landesregierung angestrebten Regelung bleiben, dann fehlt uns in § 6 Satz 3 eine Unterrichtung des Landtages über die Ausgaben zur Eingliederungshilfe, welche wenigstens jährlich im Sozialausschuss erfolgen sollte. Das sollte aus unserer Sicht noch beigefügt werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Rahmenvertrag mit den kommunalen Trägern der Eingliederungshilfe. Vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit geführten und schier endlosen Debatte zum Rahmenvertrag mit den Trägern der Behindertenwerkstätten wünschen wir uns in § 7 Satz 3 eine deutlichere und klarere Sprache. Sollte eine Einigung mit den kommunalen Trägern nicht möglich sein, wofür einiges spricht, dann ist der Erlass einer Rechtsverordnung nicht nur zu prüfen, sondern umgehend anzustreben. Ich gehe natürlich davon aus, dass das Ministerium die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Verordnung bereits geprüft, genauso wie es bereits einen Vorschlag für den Rahmenvertrag erarbeitet hat. Ja, alles andere wäre ja fahrlässig und würde die Umsetzung des Gesetzes infrage stellen.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt eingehen, das „Budget für Arbeit“. Es hilft schwerbehinderten Menschen bei einem Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt. Die Landesregierung sollte hier anstreben, die maximale Förderung von bis zu 75 % der Bruttolohnkosten zu ermöglichen und die Durchlässigkeit der Fördersysteme am Arbeitsmarkt zu garantieren. Eventuell sind dazu auch Regelungen außerhalb dieses Gesetzentwurfes notwendig.
Eine besondere Stilblüte dieses Gesetzentwurfes ist die Genderparität in § 5, Arbeitsgemeinschaft. Man hat in diesem Paragrafen zwar nicht dafür gesorgt, dass diejenigen, welche das Geld geben, paritätisch vertreten sind zu denjenigen, die es fordern – hier ist das Verhältnis sieben zu acht –, aber man versucht auf hochkomplizierte Weise, eine Geschlechterparität herzustellen, die es nach Ihren eigenen Aussagen gar nicht geben kann, meine Damen und Herren und anderen Geschlechter von Links/Grün.
Ich wünsche viel Spaß bei diesem Gendersudoku. Offensichtlich haben die Sozialministerin und die Landesregierung nichts Besseres zu tun.
Zuletzt noch ein Wort zu § 4 Satz 1: „Das fachlich zuständige Ministerium hat auf flächendeckende, gemeindenahe, bedarfsdeckende, am Sozialraum orientierte und inklusiv ausgerichtete Angebote von Leistungsanbietern hinzuwirken“, usw. Die Frage stellt sich, ob das überhaupt leistbar ist. Ich würde diese Aufgabe eher beim Arbeitskreis angesiedelt sehen.
Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Debatte im Sozialausschuss und wünsche uns allen viel Erfolg mit dem Gesetz zum Wohle der behinderten Menschen in unserem Land.
Noch ein letztes Wort: Gesetzesfolgeabschätzung. Herr Schreiner, Sie haben es ja selbst gesagt, Sie wissen ja, dass die Landesregierung diese Zahlen gar nicht liefern kann. Niemand kann im Moment sagen, was das wirklich kosten wird. Es ist also ein cleverer Schachzug. Aber Sie haben eines vergessen: Wenn Sie das schon fordern, dann müssten Sie auch mit aufnehmen, welcher bürokratische Aufwand für die Kommunen entsteht gerade in der Berichterstattung der Ausgaben in Richtung des Landes.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht erinnern Sie sich noch an die 15-jährige Schülerin mit Downsyndrom und die damit verbundenen Schlagzeilen Anfang des Jahres. Sie änderte ihren Schwerbehindertenausweis in „Schwer-in-OrdnungAusweis“. Sie fand diesen Namen passender. Das Bundesteilhabegesetz griff diese Vorstellung von Selbstständigkeit auf und hat eine moderne Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen zum Ziel.
Künftige Trägerschaft, anlasslose Prüfungen und das „Budget für Arbeit“ sind hierbei die wichtigen Punkte des Landesgesetzes zur Ausführung des Bundesteilhabegesetzes. Künftig werden die Kommunen für minderjährige Menschen mit Behinderungen zuständig sein. Mit der Volljährigkeit bzw. mit dem Ende des Schulverhältnisses wird das Land Träger der Eingliederungshilfe sein. Es herrscht daher eine klare Ausgestaltung der Trägerstruktur, die die
Behindertenwerkstätten leisten einen weiteren Beitrag zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Pädagogische und qualifizierte Fachkräfte begleiten Menschen mit Behinderungen und ermöglichen ihnen das Arbeiten und Leben. Daher begrüßen wir es als FDP-Landtagsfraktion, dass sich die Landesregierung mit den 36 Behindertenwerkstätten geeinigt hat.
Ein besonderes Anliegen der FDP-Fraktion ist das „Budget für Arbeit“. Menschen mit Behinderungen bekommen durch das Budget eine Chance auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Budgetnehmerinnen und Budgetnehmer ergreifen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, werden dafür entlohnt und sind sozialversichert. Wir Freien Demokraten sind der festen Überzeugung, dass das „Budget für Arbeit“ eine richtige und wichtige Maßnahme ist.
Inwieweit die bundesrechtlichen Neuregelungen Mehrkosten auslösen, kann noch nicht beantwortet werden. Da auch noch keine weiteren Zahlen, Erkenntnisse oder Daten vorliegen, hat sich die Landesregierung für eine umfassende Evaluation entschieden. Mögliche Mehrkosten sollen bis 2022 beobachtet und ausgewertet werden. Konnexitätsrelevante Auswirkungen werden sogar bereits vorher geprüft. Die kommunalen Spitzenverbände äußerten sich sehr positiv zur künftigen Evaluationsregelung und zu Konnexitätsprüfungen.
Meine Damen und Herren, man sieht, die Ampelkoalition hat umfassende und sinnvolle Regelungen erarbeitet, begleitet von einer engmaschigen Evaluation.
Die CDU-Fraktion möchte lieber eine Gesetzesfolgenabschätzung ohne relevante Daten. Die CDU-Fraktion ignoriert dabei diese Tatsache einfach, fordert aber stattdessen eine kostenintensive, zeitlich schwierige und erkenntnislose Maßnahme. Wir Freie Demokraten lehnen den Antrag der CDU-Fraktion ab.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Inklusion bedeutet die gleichen Chancen auf selbstbestimmte Teilhabe für alle Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, ob in der Stadt oder auf dem Land. Inklusion ist nicht einfach nur ein politischer Programmsatz, nein, Inklusion ist seit der Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention jetzt fast ein Jahrzehnt unmittelbar geltendes Menschenrecht. Deshalb war es höchste Zeit, dass wir in Deutschland mit
dem Bundesteilhabegesetz endlich den Paradigmenwechsel hinbekommen haben, weg vom alten Fürsorgeprinzip hin zu einer Fokussierung auf den einzelnen Menschen und seine Chancen auf selbstbestimmte Teilhabe.
Auch wenn auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft noch eine ganze Menge zu tun ist, sind wir in den letzten Jahren schon ein ganzes Stück weitergekommen. Auch mit der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in RheinlandPfalz wollen wir zu weiteren Schritten auf dem Weg zu mehr Inklusion und zu gleichen Lebensverhältnissen in unserem Land kommen.
Das bedeutet für uns, dass wir eine Umsetzung brauchen, die ganz klar am Grundgedanken der Inklusion ausgerichtet ist. Das heißt, dass das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen und damit die individuelle Selbstbestimmung im Mittelpunkt stehen.
Wir wollen insbesondere auch eine einheitliche Leistungsgewährung, weg von dem Flickenteppich, eine einheitliche Leistungsgewährung nach einheitlichen Verfahren im ganzen Land, in ganz Rheinland-Pfalz, egal ob der Mensch mit Behinderung in der Eifel oder in Ludwigshafen lebt; denn nur so können wir wirklich gleichwertige Lebensverhältnisse für Menschen mit Behinderungen im ganzen Land schaffen.
Es ist wichtig, den Rahmen und die Umsetzung an Beteiligung und Partizipation auszurichten, eben nach dem Prinzip „Nicht über uns, sondern mit uns“. Bisher haben oft Kommunen und das Land mit Wohlfahrtsverbänden darüber gesprochen, was denn nun das Beste für die Menschen mit Behinderungen sei; dies durchaus nach bestem Wissen und Gewissen. Was wir jetzt vorhaben, ist, dass die Menschen mit Behinderungen selbst durch ihre Interessenvertretungen dort sagen können, was denn tatsächlich das Beste für den jeweiligen Menschen mit Behinderung ist. Auch das ist ein wesentlicher Schritt nach vorne.
Nicht zuletzt gilt es eben auch, die regionale Erreichbarkeit von Angeboten sicherzustellen. Was bringt einem das Recht auf Teilhabeleistungen, auf Eingliederungshilfe, wenn ich vor Ort kein Angebot dazu habe? Auch dafür haben wir noch eine ganze Menge zu tun. Auch da bietet das Gesetz eine gute Grundlage.
Meine Damen und Herren, es ist gut, dass ein landeseinheitlicher Träger, eine Eingliederungshilfe für alle erwachsenen Menschen mit Behinderungen im Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, weil das eben hilft, für diese Menschen eine einheitliche Leistungsgewährung sicherzustellen, damit Schritt für Schritt auch gleichwertige Lebensverhältnisse geschaffen und gleichzeitig bestehende Schnittstellenprobleme verringert werden.
Meine Damen und Herren, ganz wesentlich für die Inklusion ist die Teilhabe am Arbeitsleben. Ja, das „Budget für Arbeit“ ist ein rheinland-pfälzisches Erfolgsmodell, das jetzt auch bundesweit zur Anwendung kommt. Ich sage ganz offen: Wir sind sehr, sehr stolz darauf, dass es uns gelungen ist, in diesem Gesetzentwurf die Möglichkeiten
des „Budgets für Arbeit“ auf dem höheren Niveau, das wir in Rheinland-Pfalz bisher haben, künftig sicherzustellen. Ich glaube, das ist ein ganz, ganz wesentliches Signal an die Träger, an die Arbeitgeber, aber vor allem auch an die Menschen mit Behinderungen, die endlich auch gleiche Chancen am ersten Arbeitsmarkt überall haben wollen. Das ist ein wichtiger Schritt.
Natürlich sind auf dem Weg noch viele Schritte zu gehen, aber ich glaube, im Gesetz wird deutlich gemacht, dass es kontinuierlich evaluiert wird. Natürlich spielen da auch Kostenverteilungen eine ganz zentrale Rolle. Das weiß ich selbst als Kommunalpolitiker. Es geht aber eben auch um die Evaluation der Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Wir sollten auch da nicht vergessen, dass wir immer wieder hinschauen, ob es gelingt, die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Deswegen denke ich, dass wir auch über die Fragen nach dem Bericht aus den Konnexitätsgesprächen im Ausschuss intensiv diskutieren werden. Ich glaube, es wäre auch sinnvoll, dass es dazu eine Anhörung gibt. Dann können wir den Weg, über dessen Ziel hoffentlich große Einigkeit besteht, für mehr Inklusion in Rheinland-Pfalz weiter beschreiten.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir sind damit am Schluss der Debatte zu diesem Gesetzentwurf in erster Beratung angekommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Ersuchen an die Landesregierung nach § 53 Abs. 4 Satz 1 GOLT „Gesetzesfolgenabschätzung zum Landesgesetz zur Ausführung des Bundesteilhabegesetzes“.