Protocol of the Session on February 23, 2018

(Weitere Zurufe im Hause)

Herr Frisch hat das Wort.

Frau Präsidentin, das ist nett von Ihnen, aber es muss dazu auch eine gewisse Aufmerksamkeit bestehen.

Ein Satz, Frau Ministerin, zu dem, was Sie gesagt haben. Sie haben hier festgestellt, wir geben 620 Millionen Euro für die Kindertagesbetreuung an die Kommunen. Für die Familien, die ihre Kinder selbst erziehen, gibt es null Euro. Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist Quatsch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Wortbeiträgen war zu entnehmen, dass Ausschussüberweisung gewünscht ist, und zwar an den Ausschuss für Familie, Jugend, Integration und Verbraucherschutz. Herrscht Einvernehmen? – Dann verfahren wir so.

Ich rufe Punkt 23 der Tagesordnung auf:

Die DITIB in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der AfD und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der AfD – Drucksachen 17/3585/4006/5408 –

Es wurde eine Grundredezeit von fünf Minuten vereinbart. Herr Paul von der AfD-Fraktion hat das Wort.

Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Ich zitiere: Gott soll unserer Armee den Sieg verleihen. Gott soll unseren Feinden keine Chance lassen. –

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So spricht die AfD!)

Diese Sätze stammen aus einem sogenannten Sieggebet,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Der AfD!)

das die türkische Religionsbehörde Diyanet der DITIB in Deutschland aufgetragen hatte. In mindestens einem Fall führte eine DITIB-Filliale die Anweisung aus. Im süßen Baden-Württemberg beteten Mädchen in Kopftüchern diese Zeilen auf Anweisung eines Imams nach, Wort für Wort. Es ist davon auszugehen, dass diese Gebete auch hier bei uns stattgefunden haben; denn Funktionäre der DITIB waren maßgeblich an der Pro-Erdogan-Demonstration in Köln im Sommer 2016 beteiligt, ein vielsagender Fingerzeig.

Rechtfertigung neo-osmanischer Machtpolitik durch Religion, Instrumentalisierung von Kindern für militärische Kriegspropaganda – DITIB erweist sich einmal mehr als verlängerter Arm des Erdogan-Regimes, als Staat im Staate.

(Beifall der AfD)

Unterdessen prüft die Landesregierung allen Ernstes noch immer ausdauernd, ob DITIB staatsfern ist und damit als Religionsgemeinschaft die Vorgaben nach Artikel 7 Grundgesetz erfüllt. Sie hat die notwendige politische Bewertung bequem ausgelagert. Auf zwei in Auftrag gegebene Gutachten – Kosten: bislang 36.000 Euro – folgten zwei weitere. Das Ende der Begutachtungen wird grob für ein weiteres Jahr veranschlagt – ohne Gewähr natürlich.

Die Große Anfrage unserer Fraktion hat sich mit den Gutachten und Verhandlungen über einen Staatsvertrag beschäftigt. DITIB sollte – ich zitiere wörtlich aus der Großen Anfrage – als gefragter und verlässlicher Vertragspartner islamischen Religionsunterricht für Schulkinder verantworten. – Der Islam, den der türkische Staat in der erdoganisierten Republik verbreitet, ist de facto eine Staatsreligion, die Christen zu Bürgern zweiter Klasse stempelt. Das halte ich hier fest. DITIB soll also Religionsunterricht hier bei uns mitverantworten. Angesichts der zu Beginn geschilderten Szenen kann man nur noch mit dem Kopf schütteln.

(Beifall der AfD)

Interessant ist nicht nur, was im Zuge der Verhandlungen thematisiert, sondern vielmehr, was – wahrscheinlich aus politischem Kalkül – ausgelassen und ausgeblendet wurde. Die Analyse macht deutlich, die Landesregierung wollte ihren Gegenübern stets unbequeme Fragen ersparen. Sie – und das vorweg – verhandelte naiv, ließ sich von einer aus der Zeit gefallenen Integrationsromantik leiten. Sie agierte unverantwortlich.

Ebensowenig wurden im Vorfeld und im Zuge der Verhandlungen die Eigentumsverhältnisse der DITIB-Grundstücke geklärt und thematisiert. Warum ist das so wichtig? Weil das Kernproblem nicht existenter Staatsferne bzw. der Steuerung durch den türkischen Staat damit zusammehängt; denn ist DITIB Köln Eigentümer eines Grundstücks, übt mittelbar die Zentrale, und damit Diyanet, Hausrecht und Kontrolle aus. Eine Filliale, zum Beispiel in Ludwigshafen, wäre dann vollständig in der Hand dieser Zentrale.

Reformer könnten bequem ausgegrenzt und entfernt werden. Das ist ein Faktum.

Aber auch danach wurde nicht gefragt. Die Teilnahme und Unterstützung der Pro-Erdogan-Demonstration wurde von rheinland-pfälzischen Funktionären in Köln nicht thematisiert, obwohl sie der Landesregierung ja gegenüber saßen. Über ihre Gegenüber wusste die Landesregierung ohnehin sehr wenig. Auch dass es lediglich einen Verhandlungstag gegeben hat, spricht für eine unangemessene Einschätzung der Situation.

Offenkundig ist es auch gar nicht möglich; denn unsere Große Anfrage ergab, dass auf Türkisch verfasste DITIBTexte nicht zur Einschätzung des potenziellen Verhandlungspartners herangezogen wurden.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Hört, hört!)

Ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung wurde lediglich – ich zitiere wörtlich aus einer Antwort – vorausgesetzt und erwartet. – Robust eingefordert wurde es nicht, ein Versäumnis, das bei den DITIBFunktionären offenkundig – betrachtet man die mangelnde Bereitschaft, sich kritisch und reflektiv mit den Ereignissen auseinanderzusetzen – entsprechenden Eindruck hinterlassen hat.

Die Landesregierung sagte uns – ich zitiere wörtlich –, sie habe keine Veranlassung gehabt, in den Verhandlungen die interne Struktur der DITIB zu thematisieren. – Dazu ist Folgendes anzumerken:

Erstens, DITIBs interne Stuktur ist keine Privatsache; denn diese Struktur bestimmt Ausrichtung und Politik der Organisation, also das Äußere. Das zu verkennen, ist aberwitzig.

Zweitens, die Verantwortung für den Religionsunterricht ist schwerwiegend genug, um genauer hinzuschauen und unbequeme Fragen zu stellen. Wer in unsere Schulen will, muss Belege für Staatsferne und Verfassungstreue liefern. Da reichen nicht Satzungen zweifelhafter Herkunft.

(Beifall der AfD)

Zudem hat unsere Große Anfrage ergeben, dass das Land bei Gülen-Anhängern oder tatsächlichen und vermeintlichen Erdogan-Gegnern Gefährdetenansprachen durchführen und sie warnen musste, hier bei uns im Land. Dass die Landesregierung von ihren Gegenübern erwartete – ich zitiere –, dass sie konsequent einschreiten, sollten ihr politische Einflussnahmen bekannt werden – das erwartet die Landesregierung von ihren Gegenübern, den DITIB-Funktionären –, führt eine Naivität vor Augen, die kennzeichnend für den gesamten Verhandlungsprozess ist.

(Glocke der Präsidentin – Beifall der AfD)

Ein letztes Wort: Die Frage, ob DITIB staatsfern ist, ist längst eine rhetorische geworden. Brechen Sie die Verhandlungen endgültig ab, und prüfen Sie ein Verbot dieser verfassungsfeindlichen Organisation. Es wird höchste Zeit!

(Beifall der AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Kazungu-Haß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt tatsächlich viele Fragen, die sich im Hinblick auf DITIB stellen, Fragen, die auch wir, die auch ich beantwortet haben möchte. Deswegen hat ja auch die Landesregierung nach dem Putschversuch in der Türkei zwei weitere Gutachten in Auftrag gegeben und die Verhandlungen unterbrochen.

Leider findet sich in Ihrer Großen Anfrage nahezu nichts, das uns dabei helfen würde herauszufinden, wie wir gemeinsam mit DITIB ein Miteinander regeln könnten. Sie stellen die Anfrage, davon abgesehen, vor der Zeit; denn tatsächlich debattieren könnten wir erst fundiert, wenn das religionswissenschaftliche und das juristische Gutachten vorliegen.

Dennoch möchte ich einige Punkte nochmals für meine Fraktion klarstellen. Im Verhältnis zu DITIB und auch zu anderen Religionsgemeinschaften, die von uns anerkannt und entsprechend als Verband in Entscheidungen eingebunden werden wollen, muss es eine dualistische Herangehensweise aus Offenheit, aber auch absoluter Klarheit in der Sache geben.

(Zuruf das Abg. Matthias Joa, AfD)

Der Islam ist mit 5 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland eine Größe, die es als sinnvoll erscheinen lässt, über Verbände gebündelt ins Gespräch zu kommen, mit Landes- oder eben auch mit der Bundesregierung. Deutschland ist ein säkularer Staat. Unser Zusammenleben wird durch das Grundgesetz, unsere Verfassung, geregelt. Die demokratisch beschlossenen Gesetze, das Gewaltmonopol des Staates und die Unabhängigkeit unserer Gerichte sind von allen Menschen in unserem Land zu akzeptieren. Die Religionsfreiheit wird dabei nicht begrenzt, jedoch werden keine Handlungen von uns akzeptiert, die sich außerhalb unseres Konsenses befinden.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bin überzeugte Verfassungspatriotin. Staat und Religionsgemeinschaften, das war schon immer ein natürliches Spannungsverhältnis. Deswegen ist es richtig, dass die Regeln des Miteinanders, zum Beispiel in Kirchenverträgen und Konkordaten, geregelt werden. DITIB wurde bereits im Gutachten aus dem Jahr 2016 als anerkennungsfähig bezeichnet. Doch dann kam der Putschversuch in der Türkei, der bis heute nicht nur das Verhältnis der Türkei zu Deutschland grundsätzlich änderte. Der ehemals laizistische Staat scheint immer mehr von religiösen Motiven geleitet zu werden. Die Religionsbehörde Diyanet verbreitet entsprechende Predigten. Die Auseinandersetzung zum Beispiel mit der Gülen-Bewegung bekommt dort auch Raum. Ist DITIB unabhängig von Diyanet?

(Heiterkeit bei der AfD)

Ist der Landesverband Rheinland-Pfalz von DITIB, um den es hier geht, damit auch unabhängig von Erdogan? Das gilt es zu klären. Diese Aufgabe übernehmen nun auf der wissenschaftlichen Seite die Gutachter.

Es hat sich bewährt, dass das Land Rheinland-Pfalz – anders als zum Beispiel Hessen – sehr viel vorsichtiger vorgegangen ist.

(Abg. Joachim Paul, AfD: Vorsichtig!)

Als Religionslehrerin weiß ich, wie klar wir auf unsere Aufgabe an staatlichen Schulen vorbereitet werden: kein Bekenntnis erzwingen, keine Mission, immer auf dem Boden der Verfassung. Nichts anderes erwarten wir auch von Lehrerinnen und Lehrern, die islamischen Religionsunterricht erteilen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Eine Selbstverständlichkeit!)

Das gelingt im Rahmen unseres Modellversuchs des Bildungsministeriums seit 2004 sehr gut. In Deutschland ausgebildete, mit einer staatlichen Lehrbefähigung ausgestattete Kolleginnen und Kollegen übernehmen diese Aufgabe. So gelingt Integration. Das bedeutet dann auch gegenseitigen Respekt.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Wenn die Gutachten zeigen, dass wir mit diesen Grundsätzen, die ich eben benannt habe, auch mit DITIB gesichert arbeiten können, dann dürfen sie nicht nur, sondern sollten die Verhandlungen fortgeführt werden.