Protocol of the Session on November 23, 2017

Zu einer Zusatzfrage erteile ich Herrn Abgeordneten Junge das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Wir führen natürlich auch Gespräche mit den Jobcentern. Das, was Sie uns dargestellt haben, ist natürlich eine Zukunftsvision, wohin es gehen soll. Aber es gibt natürlich auch schon Erfahrungen. Das führt mich zu der konkreten Frage: Wie viele der anerkannten Asylbewerber in Prozent sind nach jetziger Erfahrung und jetzigem Kenntnisstand tatsächlich im Arbeitsmarkt integriert, und wie sieht die Entwicklung aus? Auf welcher Ebene können sie in den Arbeitsmarkt integriert werden?

Danke schön.

Vielen Dank für Ihre Frage, Herr Junge. Ich kann Ihnen, was die ganz konkrete Prozentzahl angeht, keine Zahl jetzt direkt nennen. Wir können sie aber gern noch einmal nachliefern.

Ich möchte eines nochmal klarmachen, um keinen falschen Zungenschlag in die Debatte zu bringen. Es hat nie jemand gesagt, dass es einfach wäre, die geflüchteten Menschen, die zu uns kommen, in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

(Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD)

Es war allen Beteiligten immer klar, dass es ein schwieriger und langer Weg wird, auf den wir uns aber begeben müssen. Das Land Rheinland-Pfalz hat sich auf diesen Weg begeben, um den Menschen auch die Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wir haben eine Integrationskette für die geflüchteten Menschen aufgebaut, die bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung begonnen worden ist, in der wir Kompetenzen erfasst haben, um sie dann, wenn sie in die Kommunen gegangen sind, möglichst schnell in die Systeme zu überführen. Da hat man das zweite Glied der Integrationskette angesetzt, der sogenannte Beschäftigungspilot, den wir gemeinsam mit der Regionaldirektion für Arbeit auf den Weg gebracht haben, wo eine große Dankbarkeit vorhanden war, dass wir sozusagen einen Lotsen auf den Weg bringen, damit die Menschen auch unser System kennenlernen und im System ankommen.

Es ist nun mit den weiteren Förderansätzen unser Ziel, dass die Menschen nicht in einen Langzeitleistungsbezug

fallen, sondern wir sie möglichst frühzeitig in Arbeit integrieren. Es ist bei einigen schon gelungen, bei anderen sind noch entsprechende Hürden zu überwinden.

Ein großer Schlüssel ist sicherlich immer die Sprache. Der Spracherwerb ist ganz wichtig.

Auf der anderen Seite gilt es aber auch – dazu dienen auch unsere Projekte, die wir anbieten, die auch noch einmal im Arbeitsmarktprogramm aufgeführt sind –, parallel dazu schon Berufsfelder kennenzulernen. Ich nenne beispielsweise noch einmal das Projekt, das wir gemeinsam mit der Regionaldirektion für Arbeit Rheinland-Pfalz-Saarland durchführen, die Vorbereitung auf eine Ausbildung von Geflüchteten im Gesundheits- und Pflegewesen oder auch das Modellprojekt „Begleitung in Arbeit“ in Ludwigshafen.

Das heißt, die Zeit, in der noch der Spracherwerb stattfindet, soll genutzt werden, um schon auf dem Arbeitsmarkt ein Gefühl dafür zu bekommen, auch Fähigkeiten und Potenziale selbst für sich zu entdecken, um dann integriert zu werden. Wie gesagt, die ganz konkrete Zahl, was den Arbeitsmarkt angeht, liefern wir Ihnen gern nach.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Kollegin Anklam-Trapp.

Sehr geehrte Frau Ministerin, die Arbeitsmarktintegrationsmaßnahmen treffen bei der guten Beschäftigungssituation, die wir derzeit im Land Rheinland-Pfalz haben, gerade auf Familien, die mit einer verstetigten Langzeitarbeitslosigkeit leben. Meine Frage lautet: Gab es bezüglich der Familien, die an diesem Modellprojekt teilnehmen, im Vorfeld Erfahrungen, und ist diese aufsuchende Hilfe niederschwellig, sprich zu Hause bei den Familien? Werden sie dort erreicht, wo sie leben?

Vielen Dank, Frau Anklam-Trapp, für die Frage. – Es ist in der Tat so, dass wir eine sehr positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen haben. Wir haben den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren. Unter 100.000 Menschen in Rheinland-Pfalz sind arbeitslos. Aber von dieser positiven Entwicklung profitieren eben bestimmte Zielgruppen, die ich genannt hatte, nicht. Dazu gehören auch die Langzeitleistungsbezieher.

Wir haben festgestellt, dass unsere herkömmlichen Instrumente teilweise noch zu hochschwellig und nicht dafür geeignet sind, um alle mit ihren multiplen Vermittlungshemmnissen zu erreichen und dafür zu sorgen, dass eine Beschäftigungsfähigkeit erlangt wird, um dann auf dem Arbeitsmarkt integriert zu werden.

Das ist der Grund, warum wir aus den Erfahrungen der „Westpfalzinitiative“ heraus, die sehr positiv wahrgenommen wird und über die wir auch schon häufig im Plenum gesprochen haben, diesen neuen ESF-Förderansatz „Bedarfsgemeinschaftscoaching“ entwickelt haben, weil wir

diese hohe Hürde, diese „Komm-Struktur“ in das Jobcenter oder zu anderen Projekten abbauen. Es gibt eine aufsuchende Arbeit, bei der ein Team aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Familien aufsucht und nicht nur den Langzeitleistungsbezieher in den Fokus nimmt, sondern auch seine Partnerin, seinen Partner und entsprechend auch die Kinder.

Ja, der Erfolg gibt uns recht. Man arbeitet zum einen an den verschiedenen Problemlagen, wie Überschuldung, Wohnungsprobleme, gesundheitliche Probleme, und schafft es dadurch, dass sich derjenige wieder auf eine Arbeit und Beschäftigungsfähigkeit überhaupt konzentrieren kann.

Zum anderen gelingt es uns, dass beispielsweise auch Förderbedarfe bei den Kindern in den Familien auffällig werden und wir dann gezielt diese Kinder fördern können, dass es ihnen auch ermöglicht wird, eine schulische Perspektive zu haben, den Schulabschluss zu erreichen und damit wirklich Zukunftsperspektive zu erlangen.

Deswegen ist dieser Ansatz niedrigschwellig. Das Ziel ist, dass die Familien, die Bedarfsgemeinschaften, wenn sie dieses Coaching durchlaufen haben, dann in das nächste Glied der Integrationskette, in den Förderansatz „Perspektiven öffnen“, aufrücken und sich dann immer weiter hocharbeiten mit dem Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt am Ende. Es ist aber auch bei dieser Zielgruppe – ähnlich, wie ich das eben ausführte – oftmals ein langer Weg. Auf diesem Weg wollen wir aber die betroffenen Menschen begleiten und ihnen so vielfältige Möglichkeiten bieten, wie es eben nur geht.

Eine Zusatzfrage der Kollegin Dr. Machalet.

Frau Ministerin, Sie haben eben die Projekte angesprochen, die sich in den Pflegebereich bewegen, berufliche Neuorientierung in der Pflege und Vorbereitung auf eine Ausbildung von Geflüchteten im Gesundheits- und Pflegewesen. Können Sie erläutern, was genau da gemacht wird?

Vielen Dank, Frau Dr. Machalet, für die Frage. – Ich mache das sehr gern, weil wir hier wirklich die Möglichkeit bieten – wie ich das eingangs schon sagte –, dass sich die Geflüchteten orientieren können, und bieten da insbesondere auch Berufsfelder an, bei denen wir alle gemeinsam große Fachkräftebedarfe feststellen. Das ist insbesondere im Bereich der Pflege der Fall. Wir haben das Projekt „Berufliche Neuorientierung in der Pflege“, das wir in Landau konzipiert haben, mit dem wir das Ziel verfolgen, dass wir den Teilnehmenden einen Übergang in Beschäftigung, in Ausbildung oder auch in weitergehende Qualifizierung ermöglichen.

Es geht darum, zunächst einmal zu schauen, wo die Kom

petenzen sind, welche Qualifikationen vorhanden sind, was von den vorhandenen Qualifikationen verwertet werden kann und wo gegebenenfalls auch eine Neu- oder Umorientierung erfolgen kann.

Wir haben hier ganz speziell auch noch einmal sozialpädagogische Begleitung, die uns sehr wichtig gewesen ist, weil es nicht nur darum geht, Berufsfelder kennenzulernen, sondern es geht auch um die weitere sozialpädagogische Begleitung. Wir haben im Jahr 2018 dieses Projekt mit 56.000 Euro finanziert.

Ich will gern noch kurz auf das andere Projekt in Neuwied eingehen. Da geht es ebenfalls um die Vorbereitung von Geflüchteten auf eine Ausbildung im Gesundheitsund Pflegebereich, wobei es auch um Orientierung geht und die Geflüchteten überhaupt erst einmal das deutsche Gesundheits- und Pflegewesen kennenlernen – das ist für sie kein bekanntes System – und wo man sich auch mit den unterschiedlichen kulturellen Orientierungen und auch mit kultursensibler Pflege auseinandersetzt.

Da ist eine Mischung von Theorie und Praxis. Die Maßnahmen bauen aufeinander auf. Das Ziel ist dann die Ausbildung im Pflege- und Gesundheitsbereich. Nicht nur vor dem Hintergrund des Fachkräftebedarfs ist uns das ein Anliegen, sondern auch vor dem Hintergrund der kultursensiblen Pflege. Wir werden sowohl im ambulanten Bereich als auch im stationären Bereich vor neue Herausforderungen gestellt und müssen auch mit kultursensibler Pflege reagieren können. Hier bietet das Projekt auch einen sehr guten Ansatz.

Mir liegen noch drei weitere Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Zunächst eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wink.

Vielen Dank. – Frau Ministerin, könnten Sie vielleicht kurz die Zusammenarbeit mit den Unternehmen skizzieren, wie die Beratung stattfindet, wie die Unternehmen dies annehmen, gerade mit Blick auf die Westpfalz oder die eher ländlichen Gegenden?

Vielen Dank, Herr Wink. – Das mache ich sehr gern. Die Unternehmen sind sehr dankbar dafür, dass es eine Zusammenarbeit und auch eine Unterstützung gibt. Das gilt sowohl für die Westpfalzinitiative beispielsweise, wo man auch versucht, einmal in Praktika oder Ähnliches hinein zu vermitteln. Das gilt aber insbesondere auch für die Projekte, die wir anbieten, bei denen es um Orientierung oder um die Arbeit für Langzeitarbeitslose oder auch für geflüchtete Menschen geht, weil die Unternehmen schon einen großen Bedarf daran haben, erst einmal eine Anlaufstelle zu haben, an die sie sich wenden können.

Was müssen sie beachten, wenn sie jemandem einen solchen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zur Verfügung stellen?

Die Unternehmen haben auch gern jemand an der Seite, wenn sie einem Arbeitnehmer die Chance gegeben haben, falls auf der Strecke – das ist völlig normal – Probleme auftreten können, dass es da jemanden gibt, der sozusagen vermittelt, der lenkt, der steuert. Das ist der Grund, warum wir gemeinsam mit der Regionaldirektion für Arbeit in unserem Arbeitsmarktprogramm auch hier einen Schwerpunkt gesetzt haben.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Kessel.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie sprachen von dem Projekt „Westpfalzinitiative“, das jetzt auch mit auf Worms ausgedehnt wird. Wie viele Familien werden insgesamt mit dem Projekt erreicht, wie viele Familien sind also in diesem Projekt? Sie sprachen auch von Erfolgen. Welche Erfolge hat es bisher gegeben?

Vielen Dank, Herr Kessel. – Wir haben über die „Westpfalzinitiative“ hier schon mehrfach gesprochen. Die Zahlen sind auch bekannt, wir können Sie im Konkreten aber auch noch einmal nachlegen. Vielleicht zur Erreichbarkeit der Familien: Die Teilnahme am Projekt ist freiwillig und auch nicht mit Sanktionen belegt. Am Anfang waren die Zweifel groß, dass es hieß, ob dann überhaupt jemand kommt und die vielleicht alle wieder aufhören.

Nein, 90 %, die infrage kamen, nämlich die Bedarfsgemeinschaften der Familien, haben an dem Projekt teilgenommen. Sie haben eben nicht aufgehört. Sie haben sich erstmals in diesem niedrigschwelligen Ansatz zu Hause in ihren eigenen vier Wänden wohlgefühlt, akzeptiert gefühlt und sich geöffnet und zugelassen, dass auch Vertrauen aufgebaut wird.

So war es für beide Seiten – sowohl für die Mitarbeiter aus dem Jobcenter und die Coaches, die Sozialpädagogen, als aber auch die Arbeitsuchenden – einfacher, in Beziehung zu treten und mit dem und für den Menschen zu arbeiten.

Der Erfolg – auch da, wie gesagt, können wir Ihnen die Zahlen gern nachliefern, das haben wir hier im Detail schon mehrfach besprochen – ist auch an der Stelle nicht in erster Linie darauf ausgelegt, dass jemand, der vier oder fünf Jahre in der Arbeitslosigkeit war, durch die „Westpfalzinitiative“ direkt einen Platz auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommt. Das Ziel und der Erfolg ist, dass es ihm möglich wird, sich überhaupt wieder auf Arbeit einzulassen, er wieder den Kopf insofern frei hat, dass jemand ihm hilft mitzuarbeiten, dass seine Schulden geringer werden, dass er dafür sorgt, dass die Wohnungsverhältnisse ordentlich sind, dass er sich um die gesundheitliche Versorgung mit kümmert und dass man dann auch angehen kann, in Projekte hineinzugehen, in denen man wieder Tagesstruktur erlernt, man wieder Beschäftigung erlernt und man einfach Beschäftigungsfähigkeit erlernt.

Es ist gelungen, einige aus der „Westpfalzinitiative“ tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Beim Großteil allerdings ist es gelungen, in Praktika, in Projekte, in Hospitationen zu gehen. Nur ein sehr geringer Teil – ich glaube, es sind unter 10 % gewesen – hat dieses Projekt beendet, indem man sagen musste, das hat jetzt nicht funktioniert. Aber bei 90 % bei dieser schweren Klientel hat es Erfolge gegeben, Das hat uns ermutigt zu sagen, wir gehen damit nach Worms, nach Zweibrücken, und wir dehnen es jetzt über ESF flächendeckend aus.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Wäschenbach.

Frau Ministerin, wie bewertet die Landesregierung den Rückgang der Arbeitsgelegenheiten in sogenannten EinEuro-Jobs, und zum Zweiten, Sie haben eben die – – –

Eine Frage jeweils.

(Abg. Michael Wäschenbach, CDU: Darf ich noch eine Nachfrage zu den 56.000 Euro stellen, die eben genannt wurden?)

Nein. Sie haben eine Zusatzfrage. Die haben Sie gestellt, und die wird beantwortet.

Danke, Herr Wäschenbach. – Das gibt mir Gelegenheit, auch noch einmal auf das Thema der Arbeitsgelegenheiten einzugehen. In der Tat ist das eben auch für bestimmte Personengruppen, von denen wir gesprochen haben, eine wichtige Möglichkeit, auch am Arbeitsgeschehen teilzuhaben, auch Tagesstruktur zu erlernen. Wir wissen sehr wohl, dass es aufgrund dieser engen Kriterien oftmals sehr schwierig war, noch Aufgabenfelder zu definieren, um den Betroffenen auch Arbeitsgelegenheiten anzubieten.

Wir haben uns als Ministerium von daher auch mit den Jobcentern zusammengesetzt und haben hier sozusagen eine Positivliste erarbeitet, wobei man sagt, dass sind auf jeden Fall Aufgaben oder Handlungsfelder, die sich dazu eignen. Da gibt es keine Konkurrenz. Da gibt es keine Schwierigkeiten, die daraus entstehen können. Das war eine Arbeitshilfe, die gewollt war. Wir haben uns zusammengesetzt. Wir haben es gemeinsam erarbeitet, und wir stellen dies nun den Jobcentern und auch den Kommunen zur Verfügung, damit möglichst auch hier Arbeitsgelegenheiten des Weiteren auch geschaffen werden können und sie nicht daran scheitern, dass die Abgrenzungskriterien so schwierig sind.

Vielen Dank. Damit ist die Mündliche Anfrage Nummer 1 beantwortet.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Matthias Lammert, Elfriede Meurer und Simone HuthHaage (CDU), Schutz von Kindern bei Besuchen in Haftanstalten – Nummer 2 der Drucksache 17/4623 – betreffend auf. Wer trägt vor? – Frau Huth-Haage, bitte schön.