Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Matthias Lammert, Elfriede Meurer und Simone HuthHaage (CDU), Schutz von Kindern bei Besuchen in Haftanstalten – Nummer 2 der Drucksache 17/4623 – betreffend auf. Wer trägt vor? – Frau Huth-Haage, bitte schön.
1. Wird im Einzelfall vor dem Besuch von Kindern in Haftanstalten überprüft, wer das Personensorgerecht hat?
2. Wird im Einzelfall vor dem Besuch von Kindern in Haftanstalten überprüft, ob für die Kinder eine Gefahr von dem Besuchten ausgeht?
3. Wird im Einzelfall vor dem Besuch von Kindern in Haftanstalten überprüft, ob für die Kinder eine Gefahr von den übrigen Häftlingen ausgeht, die gleichzeitig im selben Raum ihren eigenen Besuch empfangen?
4. Gibt es für Besuche, bei denen Kinder im Besuchsraum anwesend sind, größere Sicherheitsvorkehrungen?
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Bevor ich auf die einzelnen Fragen eingehe, werde ich kurz den rechtlichen Rahmen für Besuche in Justizvollzugsanstalten darlegen. Das Landesjustizvollzugsgesetz gewährt allen Gefangenen das Recht, regelmäßig Besuch zu empfangen. Die Kontakte von Gefangenen zu ihren Kindern unter 18 Jahren werden besonders gefördert. So steht es ausdrücklich in § 33 Abs. 2 des Landesjustizvollzugsgesetzes.
Im nächsten Absatz ist festgelegt, dass Besuche von Angehörigen besonders unterstützt werden. Diese bindenden Vorgaben sind eindeutig und zwingen den Justizvollzug, Familienbesuche zu ermöglichen und zu fördern. Der Gesetzgeber hat die Frage, ob Justizvollzugseinrichtungen eine angemessene Umgebung für Kinder sind, damit aus Gründen der Resozialisierung positiv beantwortet.
Natürlich gilt das Besuchsrecht nicht uneingeschränkt. Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter können Besuche im Einzelfall untersagen, insbesondere dann, wenn die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet würde. Da genügt allerdings nicht die bloße Behauptung, sondern dazu sind tragfähige Anhaltspunkte zwingend notwendig. Allein die Tatsache, dass der Gefangene, um dessen Besuchsrecht es geht, ein Gewaltverbrechen begangen hat, reicht nicht
Die deutliche Betonung, die das Gesetz auf das Besuchsrecht Gefangener legt, spiegelt sich auch in der praktischen Bedeutung wider. Jedes Jahr finden in den 11 Justizvollzugseinrichtungen insgesamt mehr als 40.000 Besuche statt. In der JVA Diez sind es mehr als 5.000 pro Jahr.
Zu Frage 1: Wer einen Gefangenen in einer Justizvollzugseinrichtung besuchen will, muss den Besuch anmelden und unter Angabe seiner Personalien einen Besuchstermin vereinbaren. Dieser Termin wird in der Fachanwendung der Justizvollzugs-EDV, genannt BASIS-Web, eingetragen und kann von allen für den Gefangenen zuständigen Bediensteten eingesehen werden.
Sie finden in der Fachanwendung in diesem Stadium in jedem Fall den Vor- und Nachnamen und das Geburtsdatum. Wenn also Bedenken gegen einen konkreten Besucher bestehen, können diese schon an dieser Stelle geltend gemacht werden. An der Pforte der Einrichtung findet zwingend eine Ausweiskontrolle statt. Ziel ist es, die Identität des Besuchers festzustellen. Grundsätzlich kann man eine Justizvollzugseinrichtung ohne Lichtbildausweis nicht betreten. Ich kann nicht sicher sagen, ob bei Kleinkindern nicht doch im Einzelfall einmal eine Ausnahme gemacht wurde. Ich halte das für denkbar, aber konkrete Erkenntnisse liegen mir dazu nicht vor.
§ 24 des Landesjustizdatenschutzgesetzes erlaubt dem Justizvollzug aber, anstaltsfremde Personen nur dann in die Justizvollzugseinrichtung zu lassen, wenn sie Vorname, Nachname und Anschrift angeben und durch einen amtlichen Ausweis nachweisen. Ich lasse zur Zeit prüfen, ob das Ministerium der Justiz in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde die Justizvollzugseinrichtungen anweisen kann, zum Schutz von Kindern in jedem Fall auf der Vorlage eines Ausweises zu bestehen. Das würde also auch für Kleinstkinder gelten.
Ich kann Ihnen aber sicher sagen, dass im vorliegenden Fall eine vollständige Identitätsprüfung stattgefunden hat. Die Mutter hat sich mit einem gültigen Bundespersonalausweis ausgewiesen. Für den 7 Jahre alten Jungen wurde ein Reisepass vorgelegt und für das 5 Jahre alte Mädchen ein Kinderausweis. Die drei Personaldokumente sind in BASIS-Web mit Art des Dokuments und Dokumentennummer erfasst und können jederzeit nachgeprüft werden.
Hinzu kommt, die Mutter hat den Strafgefangenen regelmäßig bereits seit Mitte des Jahres 2014 besucht. Die beiden Kinder tragen ihren Geburtsnamen. Auch dieser Name ist in der Fachanwendung erfasst. Sie hat die Kinder zu einer Reihe von Besuchen mitgebracht. Für die JVA Diez bestand daher bei realitätsnaher Betrachtung kein Zweifel daran, sie ist die Mutter. In unserem Rechtsstaat besteht eine widerlegliche Vermutung dahin, dass die Eltern auch das Recht der elterlichen Sorge haben. Sofern eine Überprüfung der Personensorge erfolgen soll, kann der Nachweis grundsätzlich durch Vorlage der Geburtsurkunde nach § 59 des Personenstandsgesetzes geführt
werden. Allerdings enthalten diese Urkunden weder Lichtbilder noch Fingerabdrücke. Es gibt jedenfalls kein zentrales Personensorgeregister, das man abfragen könnte.
Wenn eine Frau mit denselben beiden Kindern über Jahre hinweg immer wieder zu Besuch in eine JVA kommt und im Besitz gültiger Personaldokumente für alle ist, dann halte ich den Schluss darauf, sie ist die personensorgeberechtigte Mutter und darf die Kinder mit in die JVA nehmen, für gut nachvollziehbar. Damit unterfallen die Kontakte zwischen dem Strafgefangenen, seiner Ehefrau und deren Kinder im vorliegenden Fall dem Schutzbereich des Artikels 6 unseres Grundgesetzes. Auch wenn die Ehe erst in der JVA Diez geschlossen wurde und auf keiner Vorbeziehung in Freiheit beruht, ist sie zweifellos rechtsgültig und zu beachten.
Zu Frage 2: Wie bereits ausgeführt, können Besuche nach § 34 Nr. 1 des Landesjustizvollzugsgesetzes untersagt werden, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet ist. Diese Prüfung obliegt der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter. Liegen einzelfallbezogene Anhaltspunkte dafür vor, dass von dem zu besuchenden Gefangenen eine Gefahr für Kinder ausgeht, wird der Besuch untersagt oder die Nutzung einer Trennscheibe angeordnet, wenn diese Maßnahme als milderndes Mittel ausreicht.
Im konkreten Fall lagen solche Erkenntnisse allerdings nicht vor. Bei keinem der vorherigen Besuche hat es Probleme gegeben. Auch die Tatsache, dass die Ehefrau immer wieder Besuchstermine vereinbart hat, spricht dafür, sie hat diese Besuche mit ihren Kindern als unproblematisch angesehen.
Zu Frage 3: Aus Kapazitätsgründen müssen in der Regel mehrere Besuche parallel stattfinden. Somit befinden sich gelegentlich Kinder in demselben Raum wie die Gefangenen, die von anderen besucht werden. Mir liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass es in der Vergangenheit zu Übergriffen auf Kinder gekommen ist.
Liegen einzelfallbezogene Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Gefangener eine Gefahr für Besucher anderer Gefangener sein könnte, kann und muss die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter den Besuch für diesen Gefangenen, der die Gefahr auslöst, untersagen. Im vorliegenden Fall ist jedoch festzuhalten, die Gefahr ist nicht von einem anderen Gefangenen ausgegangen, sondern von dem besuchten Strafgefangenen, also einem nahen Angehörigen.
Zu Frage 4: Die bei Besuchen zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen hängen von der im Einzelfall für den Gefangenen genehmigten Besuchsform ab, nicht von den Besuchern oder ihrem Alter. Es wird ausgehend von der Einstufung des Gefangenen dahin gehend unterschieden, ob Besucher in offener Tischordnung, Besuche an Tischen mit Ordnungsscheibe oder sogenannte Trennscheibenbesuche gestattet sind.
In der JVA Diez war bislang nach der Zugangsphase die offene Besuchsform die Regel. Bei dieser Tischordnung sitzen der Gefangene und die Besucher in der Regel an einem Dreier- oder Vierertisch ohne besondere Einschränkungen. Dabei wurden bei Familienbesuchen Berührungen zwischen Gefangenen und Kindern geduldet. Angesichts
der großen Bedeutung, die das Vollzugsgesetz den familiären Kontakten zuschreibt, wird man das nur schwer ändern können, falls nicht einzelfallbezogene Anhaltspunkte für Gefahren vorliegen. In diesem Fall wird es aber schon nicht mehr zu einem Besuch mit offener Tischordnung kommen.
Die in allen Justizvollzugsanstalten vorhandenen Besuchsräume mit Trennscheibe verhindern jeden Körperkontakt zwischen Gefangenen und Besuchern. Jegliche Gefährdung könnte auf diese Art und Weise, wenn Anhaltspunkte vorliegen, ausgeschlossen werden. Sie brauchen dazu aber konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr. Allein die Anwesenheit eines Kindes rechtfertigt keine pauschalen Einschränkungen des Umgangs. Das wäre mit den gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. In Zukunft wird man jedoch darauf achten müssen, die Einsehbarkeit und Übersichtlichkeit von Besuchsräumen deutlich zu verbessern.
In der JVA Diez hat sich dabei insbesondere die Abtrennung der Spielecke im Jahr 2012 als hinderlich erwiesen. Die dadurch entstandene erheblich schlechtere Einsehbarkeit in diesen Bereich wurde damals zugunsten der Förderung der sozialen Bindungen zwischen den Gefangenen und ihren Kindern in Kauf genommen. Ein Missbrauch dieses Entgegenkommens hat man sich wohl nicht vorstellen können. Ob diese Abtrennung in Zukunft bleiben kann oder nicht, darüber wird man nachdenken müssen.
Zu prüfen ist beispielsweise auch, ob nicht andere Materialien zum Einsatz kommen können, die eine räumliche Trennung ohne Sichtbehinderung ermöglichen, zum Beispiel bruchsichere Glaswände anstelle von Holz. Damit könnte man den großen Besuchsraum der JVA Diez unterteilen und deutlich übersichtlicher gestalten. Der Schutz vor anderen Gefangenen wäre zudem besser. Andererseits muss darauf geachtet werden, dass Bedienstete schnell helfen können, wenn es darauf ankommt. Wenn die Gefahr von dem Besuchten selbst ausgeht, muss ein Bediensteter auch schnell dorthin kommen können. Insofern sind die hiermit verbundenen bautechnischen Fragen derzeit gründlich zu prüfen. Ich kann deshalb gegenwärtig nicht abschließend sagen, wie die Konzeption zukünftig durchzuführen ist.
Das Gleiche gilt für die erlaubte Nutzung der Spielecke, über die man nachdenken muss. Man muss sehen, wie man sie umgestalten kann. Derzeit wird sie jedenfalls auf Anordnung hin nicht mehr benutzt.
Es bleibt aber dabei, eine gewisse Privatsphäre muss auch zukünftig, wenn der dem Besuch innewohnende Resozialisierungsgedanke weiter zum Tragen kommt, erhalten bleiben. Man muss nur sehen, ob man das durch bautechnische Veränderungen auch sicherheitsmäßig verbessern kann.
Derzeit werden sämtliche Justizvollzugseinrichtungen, soweit es um die Besuchsorganisation geht, überprüft. Auch hier wird man, wenn alle Erkenntnisse vorliegen, die Erkenntnisse bei den Festlegungen, die in Zukunft gelten sollen, abschließend bewerten und abschließende Entscheidungen treffen. Derzeit ist angeordnet, der Besuch in dieser Besucherecke kann so jedenfalls nicht mehr stattfinden.
Nach der sehr umfangreichen Beantwortung gibt es zunächst eine Zusatzfrage von Frau Kollegin Huth-Haage.
Herr Minister, Sie haben treffend § 33 des Landesjustizvollzugsgesetzes zitiert, in dem es heißt, die Gefangenen haben ein Anrecht darauf, ihre Kinder zu sehen und Familienbeziehungen aufrechtzuerhalten. Ich möchte nur noch einmal sagen, in diesem sehr speziellen Fall gab es keine familiäre Beziehung zu dem Gefangenen. Es gab weder eine Vorbeziehung, noch wird es danach jemals eine Beziehung geben. Deshalb die Frage: Planen Sie hier konkrete Änderungen, und können Sie nach heutigem Kenntnisstand sagen, die Sicherheit und das Wohl dieser Kinder waren zu jedem Zeitpunkt gewährleistet?
Es ist zutreffend, bevor der Gefangene in Haft kam, bestand diese familiäre Beziehung nicht. Ich hatte dargelegt, die Eheschließung hat sozusagen mit dem Gefangenen in der JVA stattgefunden. Das ändert aber nichts daran, es ist eine gültige Ehe.
Es ist eine gültige Ehe, und damit sind es seine Stiefkinder. Wenn die Personensorgeberechtigte diese Kinder mitbringt, wenn sie ihn besucht, ist es schwierig für die JVA an dieser Stelle, eine wie auch immer geartete Bewertung vorzunehmen. Das Einzige, was die JVA an dieser Stelle machen kann, ist gegebenenfalls, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass eine Gefahr besteht, einen solchen Besuch zu untersagen. Wenn aber keine Anhaltspunkte dieser Art vorliegen, dann geht das nicht.
Sie können nicht einfach nur darauf abstellen, dass der Gefangene lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung hatte oder hat. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1977 ausdrücklich entschieden, selbst in solchen Fällen hat man Resozialisierungsmaßnahmen mit zu betreiben, weil nicht völlig ausgeschlossen ist, dass dieser Gefangene irgendwann in Freiheit kommt. Wenn er also eine Ehe in der Gefangenschaft schließt, sind wir gehalten, auch dieser familienrechtlichen Beziehung insoweit unterstützend zur Seite zu stehen; es sei denn, es ergeben sich im Einzelfall Anhaltspunkte, die dagegen sprechen.
Ich kann aber an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an dieser Stelle nicht vorbeigehen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich entschieden, lebenslänglich darf nicht lebenslänglich sein, sondern es muss immer wieder geprüft werden, ob eine Entlassung infrage kommt. Ob das hier jemals infrage gekommen wä
re, ist spekulativ. Weil es aber so ist, müssen wir auch für einen solchen Gefangenen entsprechende Resozialisierungsmaßnahmen haben. Dazu gehört es, Besuche, auch von seiner Ehefrau, empfangen zu dürfen. Das können wir nicht einfach ausschließen.
Herr Minister, vielen Dank, auch für den langen Vermerk, den wir im Rechtsausschuss schon einmal genauso gehört haben. Jetzt habe ich ihn wirklich ganz verstanden.
Meine Frage geht in folgende Richtung. Natürlich haben Sie mit der Rechtsprechung recht. Das ist alles in Ordnung. Der Fall muss aufgearbeitet werden. Wie haben aber heute den 23. November 2017.
Herr Kollege, die Frage kommt, keine Angst. Sie sind doch selbst Jurist. Es dauert immer, bis sich die Fragen entwickeln.