Protocol of the Session on October 26, 2017

Dazu passt, dass die EU in einer Untersuchung 2013 festgestellt hat, dass die Bestände vieler Schmetterlingsarten seit Jahren zurückgehen. Auch die Rote Liste der Großschmetterlinge in Rheinland-Pfalz zeigt diesen Trend auf.

Zu Frage 2: Das Insektensterben hat für die Menschen erhebliche Folgen; denn 80 % unserer Kulturpflanzen brauchen die Bestäubung. Ein Rückgang der Insekten heißt, dass wir auch Einbrüche bei der Nahrungsmittelproduktion zu befürchten hätten.

Insekten stellen eine wichtige Gruppe von Arten in vielen Ökosystemen dar. Es sind Schlüsselarten, die an entscheidender Stelle im Nahrungskreislauf stehen. Insekten sind übrigens auch zentral dafür mitverantwortlich, dass Humus entsteht, Pflanzen bestäubt werden und der Boden fruchtbar gehalten wird.

Nicht nur Nahrungsgrundlage und Lebensraum vieler Insekten und Agrarvögel sind verloren gegangen, auch wichtige Ökosystemdienstleistungen können dadurch weniger erbracht werden. Berechnungen in der Schweiz haben ergeben, dass allein die Bienenvölker durch ihre Bestäubungsleistung dort, also nur in der Schweiz, eine Agrarproduktion im Wert von mehr als 200 Millionen Euro sicherstellen.

Die Universität Dresden hat zusammen mit der Universität Freiburg und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in einer Studie ermittelt, dass die Gesamtbestäubungsleistung weltweit auf einen Wert von 265 Milliarden Euro geschätzt wird.

Sollten sich die Ergebnisse der Studie bestätigen, wären verschärft gemeinsame Gegenmaßnahmen einzuleiten, um negative Folgen auf unsere Natur und auf uns selbst zu verhindern.

Zu Frage 3: Mit der Aktion Grün greift mein Ministerium diese Probleme auf und fördert mit dem Programmteil „Rheinland-Pfalz blüht“ die Aufwertung bzw. die Anlage von artenreich bepflanzten und gestalteten öffentlichen Grünflächen.

Auch in den agrarisch geprägten Lebensräumen werden bestäuberfreundliche Blühstreifen an Ackerrändern gefördert. Das erfolgt über die ELER-Mittel, durch Maßnahmen aus dem EULLE-Programm und dem Vertragsnaturschutz.

Meine Damen und Herren, insgesamt werden in diesem Bereich seit der EU-Förderperiode 2014 hier in RheinlandPfalz rund 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, davon allein 5 Millionen Euro für den Vertragsnaturschutz. Sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Biodiversitätsstrategie des Landes wird dabei dem kooperativen Naturschutz eine zentrale Leitfunktion zugemessen. Hier ist das Land auch mit der Naturschutzberatung, der Gewässerschutzberatung, dem Partnerbetrieb Naturschutz und der Biotopbetreuung sehr gut aufgestellt.

Zukünftig wird es durch den neuen Fördergrundsatz zum investiven Naturschutz in der Gemeinschaftsaufgabe „Ver

besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ eine weitere Möglichkeit geben, Mittel zur Förderung der Anlage von Lebensraumstrukturen in der Kulturlandschaft zur Verfügung zu stellen.

Ich will auch noch ein anderes Beispiel nennen. Wir fördern mit Mitteln unseres Ministeriums das Programm „Leuchten fürs Klima“, in dem es darum geht, bisherige Beleuchtungen – vor allem Straßenbeleuchtungen – durch LEDLeuchten zu ersetzen. Das spart nicht nur viele Kosten und viel Energie – ungefähr drei Viertel der Energie wird dabei eingespart –, sondern es ist auch gut

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner, CDU)

Frau Klöckner – für Insekten;

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Was?)

denn die LED-Leuchten führen sehr viel weniger als normale Straßenbeleuchtung dazu,

(Abg. Julia Klöckner, CDU: Man kann sie auch aus lassen!)

dass Insekten angezogen werden und durch die Lampen verbrennen. Man schätzt, dass nur etwa 5 % bis 10 % der Insektenverluste, die wir ansonsten haben, bei LEDLeuchten auftreten werden.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Was ist denn eigentlich mit den Bienen auf dem Landtagsdach?)

Zu Frage 4: Die Beiträge des Ökolandbaus zur Förderung der Lebensqualität für Insekten sind systemimmanent. 10 % der landwirtschaftlichen Fläche, also 70.000 ha, werden in Rheinland-Pfalz bereits ökologisch bewirtschaftet. Das ist eine Verdopplung gegenüber 2010.

Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir das Ziel verfolgen, den Ökolandbau auf 20 % der Fläche auszubauen. Im Ökolandbau systemimmanent sind vielfältige Fruchtfolgen, die natürlich nicht nur die Bodenfruchtbarkeit erhöhen und das Bodenleben fördern. Vielmehr wird durch die Strukturvielfalt und die damit einhergehende Lebensraumvielfalt für Wildtiere auch für Insekten eine zusätzliche Nahrungsgrundlage geschaffen.

Dazu ist der Verzicht auf chemischen Pflanzenschutz systemimmanent, insbesondere der Einsatz von Herbiziden. Das wiederum schafft günstige Voraussetzungen für Ackerwildkräuter wie Klatschmohn und Kornblume, aber auch für seltenere Arten wie Kornrade, Frauenspiegel oder Rittersporn. Damit werden weitere wichtige Nahrungsgrundlagen für Wildinsekten geschaffen, genauso übrigens wie das durch den Anbau der Leguminosen zur Stickstoffsammlung, blühende Untersaaten und Gemengekulturen, die typisch für den ökologischen Landbau sind, geschieht.

Vielen Dank.

Zunächst eine Zusatzfrage des Abgeordneten Rahm.

Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Staatssekretär, ich habe zwei Fragen.

Jeweils immer nur eine Frage, bitte. Sie können sich dann noch einmal melden.

Gut, dann stelle ich nur eine Frage. Was hält die Landesregierung von der Forderung der Naturschutzverbände nach einem landesweiten Insekten- und Biodiversitätsmonitoring?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Rahm, vielen Dank für die Frage. Wir glauben, es ist richtig, dies im Gesamtzusammenhang zu untersuchen. Das tun wir auch. Ich habe eingangs berichtet, dass wir nicht nur bei den Insekten, sondern insgesamt bei den Tier- und Pflanzenarten einen besorgniserregenden Artenrückgang haben. Deswegen halten wir es nicht für sinnvoll, ein abgegrenztes Insektenmonitoring einzuführen, sondern sind für eine Gesamtbeobachtung. Das tun wir auch, unter anderem mit einem Monitoring in den FFH-, Vogelschutz- und Naturschutzgebieten. Über diesen Weg haben wir eine Gesamterkenntnis, die über den Insektenbereich hinausgeht.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Gies.

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, mich interessiert, inwiefern Sie sich unter Umständen damit beschäftigt haben, welchen Einfluss die invasiven Arten in diesem Zusammenhang haben, speziell auch auf das Sterben von Insekten. Gibt es diesbezüglich Erkenntnisse?

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Gies, dazu gibt es bisher keine Erkenntnisse. Wenn wir über die Ursachen reden, ist bisher nicht erkennbar, dass invasive Arten dafür mitverantwortlich sein könnten. Dafür liefert bislang auch die Studie keine Erkenntnisse, die Gegenstand der Frage ist. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Veränderung in der Landschaft – nicht nur in der Landschaft im ländlichen Raum, sondern auch im städtischen Gebiet –, offenbar eine erhebliche Mitursache dafür ist, dass wir es speziell bei den Insekten mit dieser Entwicklung zu tun haben.

Mir liegen jetzt noch zehn weitere Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Zunächst Frau Blatzheim-Roegler bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wie bewertet die Landesregierung die Rolle der Acker- und Beikräuter und vor diesem Hintergrund den Einsatz von Glyphosat im Hinblick auf das Insektensterben?

Die Diskussion über Glyphosat ist in vollem Gange. Ich darf daran erinnern, dass es dazu gerade in den letzten Tagen Entscheidungen der EU gab. Das Europäische Parlament hat eine Fortdauer der Zulassung abgelehnt, und in der EU-Kommission gab es keine Mehrheit für eine weitere Zulassung.

Die Auswirkungen von Glyphosat werden in erster Linie in Bezug auf die menschliche Gesundheit debattiert. Was die Auswirkung auf das Insektensterben angeht, wird es eher die Begleitauswirkung sein, dass ein Totalherbizid – Glyphosat ist ein Totalherbizid – dazu führt, dass Beikräuter und Unkräuter vollständig vernichtet werden und damit als Nahrungsgrundlage für Insekten nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese indirekte Wirkung ist ein Abwägungsgesichtspunkt, der bei der Glyphosatbetrachtung eine Rolle spielt.

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmitt.

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, wenn die Studie sich so bestätigt, werden Sie Gegenmaßnahmen einleiten. Mit welchen Gegenmaßnahmen muss die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz rechnen?

Die Studie ist nicht etwas, das völlig neu ist. Sie stellt einen dramatischeren Blick auf die Verhältnisse dar, aber dass wir es mit Artensterben zu tun haben, ist keine völlig neue Entwicklung. Deswegen fangen wir auch nicht erst heute mit Maßnahmen – ich würde sie nicht Gegenmaßnahmen nennen – an, die Entwicklung wieder in eine positive Richtung zu drehen.

Ich will sagen, dass mit diesen Maßnahmen bereits begonnen worden ist – auch durch rheinland-pfälzische Initiativen –, beispielsweise dadurch, dass die EU-Förderung im Agrarbereich schon seit Beginn der Förderperiode 2014 umgestellt worden und das sogenannte Greening eingeführt worden ist. Dieses Greening hat dazu geführt und bedingt, dass zum Beispiel in der Landwirtschaft die Flächenprämien daran gekoppelt werden, dass die betreffenden Landwirte 5 % ihrer Fläche als ökologische Vorrangfläche zur Verfügung stellen müssen.

Wir erhoffen uns, dass diese Änderung, die seit 2014/2015 praktiziert wird, schon zu einer Verbesserung der Situation führt, weil die 5 % Vorrangflächen einen erheblichen positiven Effekt auf die Ökosysteme insgesamt haben.

In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch bedeutsam, dass durch die EU-Agrarreform, die, wie gesagt, seit Beginn der Förderperiode 2014 besteht, auch in vielfacher Weise der Anbau von Zwischenfrüchten wieder ausgebaut worden ist. Auch das ist aus unserer Sicht ein Beitrag zum Insektenschutz, weil die blühenden Zwischenfrüchte gerade jetzt in der Spätsommer- und Herbstzeit dazu beitragen, Insekten auch am Ende der Vegetationsperiode noch ausreichend Nahrung zu bieten.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Böhme.

Herr Staatssekretär, in den letzten Jahrzehnten wurden sehr viele Maßnahmen ergriffen, um die Natur zu schützen. Es gab sehr viele Initiativen: Der Einsatz von Insektiziden wurde eingeschränkt, hier gerade auch als Beispiel die Neonicotinoide, die jetzt nur noch als Beizmittel eingesetzt werden dürfen, Ausweitung des Ökolandbaus, FFHGebiete, Greening, Vertragsnaturschutz, Biodiversitätsprojekte. Trotzdem sinkt die Anzahl der Insekten, wenn man dieser Studie Glauben schenken kann. Wie erklären Sie sich, dass zum Beispiel die Ausweitung des Ökolandbaus negativ mit der Anzahl der beobachteten Insekten korreliert? – Zumindest statistisch kann man das so betrachten.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Böhme, was die statistische Auswertung angeht, muss ich Ihnen klar widersprechen. Die Studie, die hier der Gegenstand der Befragung ist, hat den Zeitraum der letzten 27 Jahre untersucht. Die Maßnahmen, über die wir jetzt sprechen, also die EUAgrarreform, die erst seit dem Jahr 2014 gilt, der Ausbau des Ökolandbaus – ich habe es ihnen dargelegt – seit 2010, die Aufwendungen für den Vertragsnaturschutz in Höhe von 5 Millionen Euro pro Jahr, all das ist jetzt erst in den letzten zwei, drei Jahren angelaufen.

Die biologischen Zusammenhänge sind nicht so, dass wir heute die Neonicotinoide verbieten – was ein richtiger und wichtiger Schritt war – und morgen schon eine Verbesserung eintritt, sondern wir müssen in Rechnung stellen, dass sich der Negativpfad, den es in den vergangenen Jahrzehnten – wie gesagt, die Studie geht 27 Jahre zurück – gegeben hat, erst Stück für Stück wieder verbessern wird. Das heißt, dass wir die Erfolge der Maßnahmen, die wir jetzt umsetzen, erst in den nächsten Jahren und vor allem Jahrzehnten sehen werden.

Eine Zusatzfrage der Kollegin Bublies-Leifert.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatssekretär Griese! Ich habe die folgende Frage: Wie schätzt die

Landesregierung die Ausbringung von Bti zwecks Schnakenbekämpfung und den Anbau von gentechnisch verändertem Bt-Mais am Insektensterben ein?

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, was den Einsatz der Mittel zur Schnakenbekämpfung angeht, muss man sehen, dass dies ein ganz anderer Sachverhalt ist, weil wir dort bewusst, und zwar sehr lokal begrenzt, Mittel einsetzen, um die Lebens- und Aufenthaltsqualität der Menschen in den Rheinauen zu gewährleisten. Dort ist es gerade das Ziel, dass die Insektenbestände dezimiert werden. Das ist eine zielgerichtete Aktion. Natürlich führt sie dazu, dass lokal und regional die Insekten – in diesem Fall die Schnaken – entsprechend dezimiert werden. Das ist aber ein gewollter Effekt und keine unbeabsichtigte Nebenfolge.

Was das Thema Bt-Mais angeht, darf ich Ihnen sagen, dass dies in der Tat auch ein Beitrag sein kann und wir uns in der Landwirtschaft insgesamt – übrigens auch im Gartenbau, und dort nicht nur im Erwerbsgartenbau, sondern auch im Haus- und Freizeitgartenbau – genau anschauen müssen, was zu überprüfen und zu ändern ist, damit wir keinen weiteren Beitrag zum Insektensterben leisten.