Protocol of the Session on August 24, 2017

(Beifall der AfD)

denn Integration ist immer auch eine Frage der Masse. Je mehr Zuwanderer kommen, desto schwieriger wird sie. Bei Millionen von Menschen, die seit ihrer Kindheit komplett

anders sozialisiert wurden und wesentliche Teile unserer Werteordnung nicht akzeptieren, wird es eine gewaltige Herausforderung, eine Hausordnung durchzusetzen. Um es direkt zu sagen: Es ist einfach naiv. Über Kurse und Präsentationen wird dies nicht gelingen.

(Beifall der AfD)

Die gesamte Einwanderungs- und Integrationspolitik muss neu ausgerichtet werden und sich in erster Linie an den Interessen derjenigen orientieren, die schon länger hier leben, nämlich den Interessen der deutschen Bevölkerung.

(Beifall der AfD)

Nun hat Frau Abgeordnete Willius-Senzer von der Fraktion der FDP das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ausdrücklich betonen, dass es aus unserer Sicht zu den vorrangigen Aufgaben des rheinlandpfälzischen Landtags gehört, dass wir uns immer wieder mit dem Thema „Integration“ beschäftigen. Die Integrationspolitik gehört spätestens seit 2015 zu den wichtigsten Bereichen der Landespolitik.

Wir haben in der Koalition dieses Thema immer wieder auf der Agenda. Sie können mir gerne glauben, dass es immer unterschiedliche Meinungen und Standpunkte gibt. So ist eben die Demokratie. Es ist schwierig, lohnt sich aber allemal.

Gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen, um die Position der FDP noch einmal zu verdeutlichen. Die Integration von Zuwanderern, Migranten und Flüchtlingen zu fördern und erfolgreich zu gestalten, ist, wie wir alle wissen, ein schwieriger und langwieriger Prozess, in dessen Verlauf es gilt, einen langen Atem zu haben.

Wir dürfen in diesem Prozess nicht Fehler wiederholen, die in der Vergangenheit gemacht worden sind, und zwar nicht nur bei uns. Ich verweise auf die Vorgänge in Frankreich und auf Ghetto-Bildungen, die wir unbedingt für die Zukunft zu verhindern haben.

(Beifall bei FDP und SPD)

Wir sollten aber auch nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die anfängliche teilweise euphorische Hilfsbereitschaft genauso kurz greift wie das Schüren von Ängsten und Verunsicherung. Dass diese Verunsicherung von bestimmten Gruppierungen nun ausgenutzt wird, um Flüchtlinge pauschal zu verurteilen und als Mob zu benennen, halte ich schlichtweg für verwerflich.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es werden Feindbilder aufgebaut, indem man mit gefährli

chen Vereinfachungen arbeitet, nämlich wir Deutsche, aber d i e Flüchtlinge, d i e Muslime usw.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen alle, wen und was ich meine. Misstrauen zu säen, Angst zu verbreiten, über Lug und Betrug zu wettern, falsche Parolen auszustreuen, ist – gestatten Sie mir diese persönliche Einschätzung – per se schon unappetitlich. Es macht aber die, die damit arbeiten, klein und noch unsympathischer, als sie ohnehin schon sind.

Eine zielgerechte Integrationspolitik bedeutet das Gegenteil. Sie basiert nämlich in erster Linie auf dem Dialog und dem Willen zur Kooperation, das heißt zum Beispiel, dass wir Zuwanderer nicht gleich und sofort mit der deutschen Leitkultur und Leitfäden konfrontieren sollten. Diesen Begriff finde ich nicht passend.

Ich kann Ihnen einmal ein Buch von 1788 empfehlen. Wissen Sie, wer das geschrieben hat? Das hat der Freiherr von Knigge geschrieben. Er hat über den Umgang mit Menschen geschrieben. Von diesem Buch denkt fast jeder, es stünden ausschließlich kleine Benimmregeln drin. Das stimmt gar nicht. Es gibt nämlich überhaupt nicht eine einzige Etiketteregel. Es ging um die wichtigen Grundsätzlichkeiten für das gute und angenehme menschliche Miteinander. Vieles, was er damals zu Papier brachte, können wir uns auch in unserem Jahrtausend ruhig hinter die Ohren schreiben, so up to date ist das.

(Beifall des Abg. Thomas Roth, FDP)

Toleranz und Wertschätzung gehören nämlich auch zu Integration. Wir können Zuwanderer nicht in ein Korsett pressen, das hinten und vorne nicht passt. Was wir brauchen, wurde schon genannt. Wir brauchen das Erlernen der deutschen Sprache. Das ist ein Schlüssel für die Integration. Wir brauchen ein breites Angebot. Die Hürden auf dem Arbeitsmarkt müssen gesenkt werden. Ich will gar nicht alles aufzählen. Das wurde alles schon gesagt. Ich will einmal auf diese Grundsätzlichkeiten der Integration eingehen; denn es ist doch ganz wichtig, dass die Menschen, die zu uns kommen, auch für die Zukunft bei uns etwas haben.

Liebe CDU, dafür brauchen wir ein vernünftiges Einwanderungsgesetz. Lassen Sie es einfach zu. Dann sind wir alle einen großen Schritt weiter.

(Beifall des Abg. Thomas Roth, FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Integration bedeutet für uns Liberale auch, dass wir in unserer Gesellschaftsordnung, die auf christlichabendländischen Prinzipien aufgebaut ist, den kulturellen Werten derjenigen, die zu uns kommen, Achtung und Anerkennung nicht versagen. Wir müssen aber auch im Umkehrschluss verlangen, dass Zuwanderer unseren kulturellen Werten mit Achtung und Anerkennung gegenübertreten. Das bedeutet, dass wir beispielsweise nicht darauf verzichten können, Zuwanderer vor allem aus muslimischen Ländern mit aller Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass in Deutschland die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz verankert ist.

Wir wollen besonders solche Organisationen stärken und fördern, mit denen wir bereits im Gespräch sind. Ich nenne den Landesbeirat für Migration und Integration, in dem zahlreiche Verbände für Flüchtlinge zusammengeschlossen sind. Das heißt, wir müssen weiter den schon eingeschlagenen Weg beschreiten und ohne jede Besserwisserei Feindbilder abbauen, ihnen aber auch klare Grenzen setzen.

(Glocke des Präsidenten)

Wir als Koalition sehen die Integrationspolitik als ein sich ständig erneuerndes Politikfeld, in dem wir unsere Politik laufend evaluieren und fortentwickeln.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen zwei Meldungen für Kurzinterventionen vor. Zunächst hat Herr Abgeordneter Frisch das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Willius-Senzer, in Replik zu Ihren Ausführungen für eine Integrationspolitik möchte ich Ihnen nur ganz kurz ein Zitat Ihres Parteivorsitzenden und Ministers Dr. Volker Wissing aus einem Interview mit dem Südwestrundfunk vom Februar 2016 vorlesen. Ich zitiere wörtlich: „Für diejenigen, die als Flüchtlinge hierherkommen, haben wir einen Schutzauftrag, aber keinen Integrationsauftrag. Und diese Dinge zu vermischen, ist schon der erste Fehler. Das gipfelt bis hin zu der Äußerung von Frau Dreyer, die neulich sagte: ,Wir müssen die selbstverständlich wieder zurückschicken, die als Flüchtlinge kommen, aber vorher müssen wir sie integrieren‘. Da wird es dann ganz absurd. Also, ich sage Ihnen: denjenigen, die als Flüchtlinge hierherkommen, denen müssen wir Schutz gewähren, aus humanitären Gründen. Aber wir haben hier keinen Integrationsauftrag.“ Volker Wissing im Februar 2016 vor der Landtagswahl.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Die zweite Kurzintervention wurde von Herrn Abgeordneten Joa beantragt. Bitte schön.

Frau Willius-Senzer, ich möchte gerne auf ein Argument von Ihnen im Detail eingehen, und zwar die immer wieder gehörte Forderung, wir brauchen ein Einwanderungsgesetz. Das ist in der Form einfach inhaltlich falsch. Wir haben innerhalb der EU Arbeitnehmerfreizügigkeit. Wir haben in den südeuropäischen Staaten eine Riesenarbeitslosigkeit. Wir können die Leute von dort holen. Wir haben darüber hinaus die Möglichkeit, weltweit Fachkräfte

entsprechend anzuwerben. Diese Möglichkeiten bestehen jetzt schon.

Wir sprechen hier nicht von einer qualifizierten Einwanderung, sondern von einer unqualifizierten Einwanderung mit 60 % Analphabeten. Hören Sie doch auf, ein solches Zeug zu erzählen. Das stimmt einfach nicht.

(Zurufe aus dem Hause)

Schauen Sie sich einmal die Zahlen an. Gerade heute kamen die Zahlen. Wir haben bei den unter Sechsjährigen in Westdeutschland 42 % Migrationshintergrund. Ich frage mich: Wie weit will man das Spiel denn noch treiben? Das wird so einfach nicht funktionieren.

Sie sagen, wir müssen sie deutlich darauf hinweisen, dass es so nicht funktioniert. Wir haben Leute seit dreißig Jahren im Land. Wie oft wurden diese darauf hingewiesen? Wie oft hatten diese die Möglichkeit, sich zu informieren? Es funktioniert einfach nicht.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Ich erinnere mich zurück an die Veranstaltung mit Frau Rosh. Die Veranstaltung hat mich wirklich bewegt. Wir vergessen, dass gerade unter den muslimischen Einwanderern ein Riesenjudenhass und ein sehr großer Antisemitismus herrscht. Den werden wir auch nicht durch einen erhobenen Zeigefinger loskriegen. Wir sollten uns auch einmal anhand unserer Geschichte überlegen, welche Einwanderung wir in unserem Land wollen, was uns nützt und was nicht.

Frau Willius-Senzer, es besteht die Gelegenheit zur Erwiderung. – Sie wird nicht gewünscht.

Dann darf ich Frau Abgeordneter Binz das Wort erteilen. Sie spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht ein Wort zu der letzten Bemerkung des Kollegen Joa. Wenn wir über Antisemitismus sprechen, dann können wir gerne einmal über die AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg reden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der CDU – Zurufe von der AfD)

Sie können Ihre blaue Karte ziehen. Das machen Sie wahrscheinlich sowieso.

Seit 2011 wird das Thema „Integration“ in Rheinland-Pfalz in einem eigenen Ministerium gebündelt. Das hat sich bewährt und wird der Bedeutung des Themas bei uns im Land auch gerecht. Trotzdem ist Integration auch weiterhin ein Querschnittsthema der Landesregierung, und so legt die Landesregierung unter Federführung von Ministerin

Spiegel in dieser Woche ein neues Integrationskonzept der Landesregierung vor.

Hier bündeln sich alle Maßnahmen und Konzepte zur Integration in Bildung, Arbeitsmarkt und bei der gesellschaftlichen Teilhabe. Es wird auch im Integrationskonzept nicht nur die Integration von Geflüchteten behandelt, sondern auch die der Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger bei uns in Rheinland-Pfalz leben.