Protocol of the Session on August 24, 2017

Es braucht einen guten Mix aus beiden Dingen.

Natürlich haben wir auch zur Kenntnis genommen, dass zwar Alleinerziehende die Gruppe mit dem höchsten Armutsrisiko bei Kindern sind, aber dass danach schon die Mehrkindfamilien kommen. Es stimmt einfach nicht, und es ist einfach nicht wahr, dass das in unserem Antrag nicht aufgenommen worden ist.

(Abg. Sven Teuber, SPD: Vollkommen richtig! Genau!)

Sie sollten sich wenigsten die Mühe machen, das, worüber wir hier debattieren, vorher auch zu lesen. Es steht im Forderungsteil, dass wir die Landesregierung auffordern, sich auf Bundesebene für einen Ausgleich bestehender steuerlicher Nachteile und eine angemessene wirksame Förderung für Familien, Alleinerziehende und unverheiratet zusammenlebende Paare mit Kindern einzusetzen, die für eine armutsverhindernde Unterstützung vor allem für Alleinerziehende und kinderreiche Familien sorgt. Also haben wir das aufgenommen, und wir sagen, wir wollen eine Reform des Kinderzuschlags als ersten Schritt. Wir Grüne

wünschen uns eine Kindergrundsicherung,

(Glocke des Präsidenten)

weil es in der Bundesrepublik Deutschland endlich gelten muss, jedes Kind ist uns gleich viel wert. Packen wir es an!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat sich Herr Dr. Böhme gemeldet.

(Zuruf von der SPD: Vielleicht kommt jetzt einmal etwas zu Kindern? – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das war es doch alles, Herr Teuber! Sie haben es nur nicht verstanden!)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Köbler, Sie kennen die Hans-Böckler-Stiftung? Genau die hat erst kürzlich einen Bericht veröffentlicht und darauf hingewiesen, dass vor allen Dingen der Anstieg der Kinderarmut auf die Armutszuwanderung zurückzuführen ist. Und nichts anderes habe ich gesagt. Aber Sie versuchen natürlich, uns immer Dinge in den Mund zu legen, die Sie gern hören würden, aber nicht die, die wir sagen.

(Beifall der AfD)

Ja, natürlich ist der Mindestlohn auch ein wichtiges Thema. Aber was nützt es Ihnen denn, wenn Sie Mindestlohn bekommen in einem Minijob und nur ein paar Stunden in der Woche arbeiten? Werden Sie dadurch reich? Nein. Können Sie damit die Armut verhindern oder entfernen? Nein, können Sie auch nicht. Und wenn ich während meiner Rede hier permanente Rufe von links höre „Ideologie“, währenddem ich hier die Aussagen von anerkannten Professoren aus anerkannten Universitäten rezitiere,

(Abg. Martin Haller, SPD: Wer redet mit Ihnen?)

dann weiß ich doch genau, um was es hier geht. Sie wollen überhaupt nicht zuhören. Sie wollen die Fakten nicht wahrnehmen. Sie wollen sich mit den Grundlagen gar nicht beschäftigen.

(Beifall der AfD)

Ja, das ist Ihnen egal. Sie haben Ihre Teilhabeprogramme, wo Sie versuchen, die Armut, die Sie erst geschaffen haben, dann später zu bekämpfen. Ja? Das ist so Mausradprinzip. Da können Sie ewig laufen, die Armut wird immer da sein, und Sie werden sie immer bekämpfen, Steuergelder ausgeben. Denken Sie doch einmal grundsätzlich, und versuchen Sie einmal etwas zu erreichen, was die Armut verhindert und nicht nur pflegt.

Danke schön.

(Beifall der AfD)

Herr Abgeordneter Köbler hat die Gelegenheit zur Erwiderung. Bitte schön.

Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz. Wir können über vieles streiten, auch über Ideologien, und ich bin eigentlich ganz froh, dass ich eine komplett andere Ideologie und ein ganz anderes Menschenbild habe als Sie.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Wir auch! – Abg. Uwe Junge, AfD: Die Bürger nicht!)

Aber wissen Sie, Sie haben sich hier hingestellt und eben auch wieder keinen einzigen Vorschlag gemacht. Sie haben vorhin gesagt, Armut wird man am besten bekämpfen bei Kindern, wenn die Leute mehr Netto vom Brutto hätten.

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Genau!)

Wissen Sie denn, wie viel Einkommensteuer eine alleinerziehende Mutter mit einem 450-Euro-Job oder einem Halbtagsjob mit drei Kindern zahlt?

(Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Das ist relativ viel!)

Was hat die denn von einer Steuersenkung? Nämlich gar nichts.

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Mehrwertsteuer!)

Ihr Problem ist doch, dass die Vermögenden bei uns in Deutschland unterproportional Steuern bezahlen und die, die mit Familie arbeiten gehen, das Gros für das Aufkommen von Steuermitteln beibringen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Wir in Rheinland-Pfalz gehen ganz konsequent diesen Weg, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Steuermitteln das wieder zurückgeben an die Kinder und Familien. Deswegen ist es uns etwas wert, dass wir die gebührenfreie Bildung haben und bei uns die Kinder ohne soziales Ansehen, was die Eltern in der Tasche haben, kostenlos in die Kita gehen können. Wir sind da in RheinlandPfalz so weit und so gut, dass vor wenigen Stunden bekanntgegeben worden ist, dass selbst das CDU-geführte Hessen jetzt auch die gebührenfreie Kita einführt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP – Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Ja Bravo! – Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!)

Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Bätzing-Lichtenthäler.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales,

Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Aufwachsen in Armut ist eine schwere Hypothek, mit der Kinder ins Leben starten. Mit dieser materiellen Unterversorgung gehen vielfach auch schlechte Bildungschancen, gesundheitliche Beeinträchtigungen, aber auch ein geringeres Selbstbewusstsein einher. All dies beeinflusst doch maßgeblich die Entwicklung der jungen Menschen. Dies wird nicht nur belegt durch zahlreiche Studien oder auch durch den Armutsund Reichtumsbericht der Landesregierung, sondern das war auch ein Ergebnis der Anhörung im Ausschuss, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Diese Anhörung hat auch gezeigt – das ist auch noch einmal wichtig zu betonen –, dass bei diesem Thema viele Akteure Verantwortung gemeinsam tragen. Was mich auch gefreut hat, ist die Einigkeit hier im Hause, dass wir uns einig sind, dass eine erfolgreiche Armutsbekämpfung ein Maßnahmenbündel voraussetzt, ja, einen sogenannten Policy Mix, der aus Sachleistungen, aus Infrastruktur und aus monetären Transferleistungen besteht. Weil Sie die ganze Zeit danach gefragt haben, will ich Ihnen auch einmal eine nennen, beispielsweise den Kinderzuschlag.

Diese Ansätze des Policy Mixes gilt es, dann in ein Gesamtkonzept zusammenzuführen. Wir als Landesregierung sind davon überzeugt. Wir leben diesen Policy Mix, und wir beherzigen ihn. Das zeigt sich in dem ressortübergreifenden Handeln in unseren ressortübergreifenden Maßnahmen, die in die unterschiedlichsten Lebensbereiche der Kinder und Jugendlichen hineinwirken und die Kinder und Jugendlichen dort auch gezielt unterstützen.

Eine wesentliche Voraussetzung, um Kinderarmut zu vermeiden – ich sage bewusst „zu vermeiden“ –, ist die finanzielle Sicherung der Eltern. Dazu ist Arbeit der beste Weg. Daher setzt die Landesregierung auf ein breites Engagement im Bereich der Arbeitsmarktintegration. Dazu gehören existenzsichernde Löhne, familienfreundliche Arbeitsbedingungen und bedarfsgerechte Betreuungsangebote.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Rheinland-Pfalz nicht nur bei der Arbeitslosenquote, sondern auch bei der SGB-II-Quote bundesweit den drittbesten Platz belegt, spricht an dieser Stelle für sich, denke ich.

Unverzichtbarer Bestandteil in diesem Policy Mix ist aber auch die Prävention. Unsere Präventionspolitik verfolgt das Ziel, die Bildungs- und Teilhabechancen zu fördern.

Armutsbedingten Bildungsbenachteiligungen wirken wir in Rheinland-Pfalz mit vielen verschiedenen Maßnahmen entgegen. Es wurden schon einige genannt, beispielsweise der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab einem Jahr, die Beitragsfreiheit ab zwei Jahren, die Lernmittelfreiheit und die bedarfsgerechten Ganztagsschulangebote. Auch durch den systematischen Ausbau der Schulsozialarbeit, der Sprachförderung und der Jugendsozialarbeitsprojekte wird benachteiligten Kindern und Jugendlichen geholfen.

Darüber hinaus – auch das möchte ich noch einmal besonders erwähnen – gibt es die Programme gegen Schul

verweigerung, die zur Erlangung eines Schulabschlusses aufgelegt wurden, sowie die Förderansätze zur Berufsorientierung, um damit Ausbildungsabbrüche zu vermeiden.

Nicht nur für die Prävention, sondern von grundsätzlicher Bedeutung ist ein weiterer Punkt in diesem Policy Mix, nämlich die Vernetzung von Akteuren und Angeboten im Sozialraum. Darauf legt die Landesregierung ein ganz besonderes Augenmerk. Ein ganz wichtiger Baustein ist für mich dort die Gemeinwesenarbeit, die Gemeinwesenarbeit insbesondere in Stadtteilen, insbesondere in Quartieren mit besonderen sozialen Problemlagen, mit der Familien gezielt vor Ort in ihrem Sozialraum unterstützt werden. Deswegen fördern wir ganz gezielt im Sozialraum Gemeinwesenarbeit. Wenn Sie sich die sozialpädagogischen Fachkräfte anschauen, die dort als Lotsen arbeiten, sind das die direkten Ansprechpartner bei Fragen, bei Problemen für die betroffenen Familien. Sie leisten ganz konkrete Hilfe und Unterstützung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht alle Maßnahmen beeinflussen unmittelbar die Armutsmessung. Das liegt unter anderem auch daran, dass wir die Messkonzepte meist nur auf Einkommen und Transfergeldbezüge abstellen. Dennoch sind alle Maßnahmen, die ich gerade genannt habe, ganz konkrete und wirksame Hilfen für die Betroffenen. Mehr noch, es sind notwendige, wichtige und richtige Investitionen in die Zukunft unserer Kinder.

Wichtig ist aber auch – das ist das Entscheidende –, dass die Maßnahmen bei den Betroffenen ankommen, dass sie ihr Leben wahrnehmbar verändern. Hier gilt es, konkrete Ansätze weiter zu ergänzen und auszuweiten. Das ist der Grund, warum die Landesregierung einen landesweiten Beteiligungsprozess zur Armutsvermeidung und Armutsbekämpfung mit vielen Partnerinnen und Partnern ins Leben gerufen hat, in dem wir in sechs regionalen Beteiligungsforen und örtlichen Workshops nicht nur Menschen mit Armutserfahrung zu Wort kommen lassen wollen, sondern in denen wir vor allen Dingen mit den sozialen Akteuren und mit den Betroffenen spezifische, konkrete, auf die Region abgestellte Lösungen erarbeiten wollen.

Die Ergebnisse aus diesem landesweiten Beteiligungsprozess werden mittelfristig auch in den Aktionsplan der Landesregierung münden, in dem insbesondere die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen aus armen Familien eine wichtige Rolle spielen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit sind wir am Ende der Beratung dieses Tagesordnungspunkts angekommen. Wir kommen zu den Abstimmungen.