Protocol of the Session on November 17, 2016

(Beifall der AfD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Anwesenden! Vorweg: Wir Grünen waren schon immer für eine Maut, allerdings die Lkw-Maut; denn dieses Instrument ist die einzig richtige und weitgehend von allen Seite akzeptierte Maßnahme, die finanziellen Belastungen für unsere Straßen wieder einzuspielen.

Die von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt in den letzten Bundestagswahlkampf bereits eingespielte Ausländer-Maut ist und bleibt „Murks“. Das habe ich an dieser Stelle schon mehrfach betont; denn es ist nicht das erste Mal, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen – scheibchenweise. Es hilft uns allen nicht, Stammtischpolitik zu machen, an deren Ende das Scheitern vorprogrammiert ist.

Nun soll die Pkw-Maut aber angeblich doch noch kommen, aber nicht mehr in dieser Wahlperiode. Vielleicht siegt letztendlich die Vernunft, und die neue Bundesregierung, von der ich ausgehe, dass die Grünen beteiligt sind, wird das Unsinnsprojekt noch stoppen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz so einfach, wie Dobrindt erhofft, wird seine Maut nicht kommen können; denn die EU-Kommission hat ihm auferlegt, ein Konzept zur Kfz-Steuererstattung auszuarbeiten, das alle zufriedenstellt. Wie das funktionieren soll, ist unklar. Vermutlich gar nicht.

Wenn man die aktuellen Diskussionen betrachtet, so steht

die CSU nach ihren vollmundigen Ankündigungen zu ihren Mautplänen ohnehin wieder einmal allein auf weiter Flur; denn neben Grünen und Linken stellt auch die SPD im Bund die Maut infrage, und die Begeisterung der CDU hat sich dadurch gekennzeichnet, dass Herr Kollege Baldauf erst einmal stundenlang zu einem anderen Thema gesprochen hat.

(Heiterkeit des Abg. Marc Ruland, SPD)

DIE WELT berichtete vor wenigen Tagen, dass mehrere SPD-Spitzenpolitiker die Dobrindt-Maut erneut prüfen und so nicht akzeptieren wollen. Selbst CDUBundesfinanzminister Schäuble ist irritiert über Dobrindt. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten die Zeitung DIE WELT vom 5. November 2016: „Wir haben ihn noch nicht so genau verstanden. Sie müssen uns und dem Verkehrsministerium noch ein paar Tage Zeit geben, um die Einzelheiten der Einigung umzusetzen.“ Schäuble führt weiter aus: Ob es letztlich 50 oder 100 Millionen Euro mehr Mittel gibt, sei fraglich. – Hochgerechnet auf die Kosten unserer Straßeninfrastruktur wäre das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Kein Mensch weiß heute, ob der bürokratische Mehraufwand für die Dobrindt-Maut nicht die Einnahmen auffrisst.

Ein letztes Wort zum angeblichen Nullsummenspiel für deutsche Autofahrerinnen und -fahrer. Dobrindt erklärt es gebetsmühlenartig, aber die EU-Kommission hat noch einmal betont, dass es keine Entlastung 1 : 1 geben werde.

Das labile Kartenhaus Ausländer-Maut ohne Belastung für deutsche Autofahrerinnen und -fahrer ist schon längst zusammengestürzt. Deshalb Finger weg von der AusländerMaut, es bringt nichts! Meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie das Ihrem CSU-Kollegen in Berlin vielleicht schon einmal nahebringen wollen?

Was die von allen Seiten angemessene Finanzausstattung für den Erhalt des Straßennetzes angeht, kann im Laufe der Beratungen zum Bundesverkehrswegeplan noch das eine oder andere unsinnige Straßenneubauprojekt, Autobahn und Bundesstraße, gestrichen werden. Für Rheinland-Pfalz fallen mir im Westen, in der Mitte, im Norden und im Süden unseres Bundeslandes noch einige Projekte ein.

Danke schön.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP – Abg. Christian Baldauf, CDU: Da bin ich aber einmal gespannt, was Sie bei den Haushaltsberatungen vorschlagen! – Abg. Alexander Licht, CDU: Herr Wissing fragt jetzt die Kollegin, welche Probleme sie meint!)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Dr. Wissing.

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr,

Landwirtschaft und Weinbau:

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Baldauf, wenn ich Sie richtig verstanden habe, vertrauen Sie darauf, dass die Ministerpräsidentin und Präsidentin des Bundesrats in der Lage ist, die Probleme zu lösen, die die Union für den rheinland-pfälzischen Tourismus und Einzelhandel schaffen möchte.

(Heiterkeit und Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Christian Baldauf, CDU: Zusammen mit Ihnen natürlich!)

Ich kann Ihnen sagen, die Landesregierung verfügt über eine außerordentlich hohe Problemlösungskompetenz, allerdings ist es besser, die Probleme erst gar nicht entstehen zu lassen.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist wohl wahr!)

Ich will Ihnen sagen, warum diese Maut für Rheinland-Pfalz keine Option ist. Schon nach Bekanntwerden der Pläne im Jahr 2014 hat die Landesregierung Widerstände geleistet. Es gab aus Rheinland-Pfalz Widerstände gegen diese Maut, weil man Sorge hat, dass es negative Auswirkungen auf Tourismus und Einzelhandel haben wird. Sie schaffen damit quasi eine Eintrittsgebühr in unser Bundesland. Das kann man sich als ein Grenzland wie Rheinland-Pfalz schlicht und einfach nicht erlauben.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf wurde dann wegen verschiedener Widerstände, auch aus Nordrhein-Westfalen, entschärft, indem man die MautPflicht für Ausländer nur auf Autobahnen beschränken wollte. Aber es gibt viele grenznahe Ziele in RheinlandPfalz für die Nachbarländer, die nur per Autobahn vernünftig erreichbar sind. Deswegen sind diese Einschränkungen keine Lösung des Problems.

Wir haben aus Rheinland-Pfalz daher beantragt, den Gesetzentwurf zu ändern und die Möglichkeit vorzusehen, grenznahe Autobahnabschnitte ganz aus der Maut herauszunehmen, wenn dort nachteilige wirtschaftliche Auswirkungen eintreten. Das floss dann mit Unterstützung anderer Länder in die Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzentwurf ein, fand aber keine Gnade beim Deutschen Bundestag.

So trat das Gesetz schließlich ohne Rücksicht auf die Grenzregionen in Kraft. Nur der Intervention der EUKommission bis hin zur Klage beim Europäischen Gerichtshof ist es zu verdanken, dass bislang keine Umsetzung dieses wirklich kühnen Vorschlags erfolgte.

Um eines klarzustellen: Die Landesregierung ist nicht gegen die Umstellung der Haushaltsfinanzierung auf eine Nutzerfinanzierung bei Bauunterhalt unserer Verkehrsinfrastruktur – das haben wir in der Vergangenheit bei Einführung und stufenweise Ausweitung der Lkw-Maut immer wieder deutlich gemacht; Frau Kollegin Blatzheim-Roegler hat auch darauf hingewiesen –, aber es ist ein Unterschied, ob wie beim Lkw ausländische Fahrzeuge 40 % der Fahr

leistungen im deutschen Netz erbringen oder nur 6 % bis 7 % wie beim Pkw.

Der Lkw tankt regelmäßig im Ausland, zahlt keine Energiesteuer und finanziert das Netz nicht mit. Bei ausländischen Pkw ist das anders. Die werden wegen kürzerer Tankreichweiten regelmäßig auch im Inland betankt, sodass eine Mitfinanzierung der Straßen hier schon erfolgt. Diese Differenzierung wird offensichtlich von Herrn Dobrindt nicht wahrgenommen.

Meine Damen und Herren, die Einführung der Pkw-Maut in der faktischen Form einer Ausländer-Maut war weder verkehrssystematisch noch wegen der niedrigen Nettoeinnahmen fiskalisch geboten. Wenn sich der Aufwand nicht rechnet, dann macht es nicht wirklich Sinn, 45 Millionen deutsche Pkw mautmäßig zu verwalten und ihre Halter in einem besonderen Verwaltungsverfahren steuerlich zu kompensieren.

Herr Kollege Baldauf, ich bin schon erstaunt, dass die Union so unkritisch mit den Vorschlägen ihres Partners CSU hier umgeht, weil auch Sie sonst dabei sind, sich zu beteiligen, wenn es um Verwaltungseffizienz geht. Aber 45 Millionen Fahrzeuge zu verwalten und dann auch noch die Bürgerinnen und Bürger mit 4 Milliarden Euro abzukassieren, um Nettoeinnahmen von maximal 500 Millionen Euro zu generieren – wahrscheinlich werden es sogar nur 300 Millionen sein –, das ist wirklich ein Vorschlag für totale Ineffizienz und Bürokratie und macht überhaupt keinen Sinn, Herr Kollege Baldauf.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Nicht einmal ansatzweise!)

Wenn Sie sich hier hinstellen und einerseits behaupten, dass man mit diesen 300 Millionen Euro aus der Maut einen wahnsinnigen Beitrag für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur leistet, im gleichen Atemzug aber andererseits an diesem Mikrofon erklären, das, was RheinlandPfalz macht, nämlich 600 Millionen Euro in der Legislaturperiode alleine für den Landesstraßenbau bereitzustellen, sei nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, dann sollten Sie noch einmal nachrechnen, was Sie uns hier gerade erzählt haben.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Die Opposition hatte 500 gefordert!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das macht keinen Sinn, das ist Verwaltungsineffizienz. Offensichtlich will sich da jemand durchsetzen, der irgendwelche Animositäten gegen Autofahrer aus seinem Nachbarland hat.

(Heiterkeit der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir können uns das in Rheinland-Pfalz nicht erlauben, dass wir den Einzelhandel und den Tourismusstandort schwächen. Die Landesregierung bemüht sich nach Kräften, den Tourismus in Rheinland-Pfalz zu stärken und wei

ter auszuweiten. Wir freuen uns über all die Tagestouristen. Es macht keinen Sinn, Eintrittsgeld in unser Bundesland zu verlangen. Deswegen werden wir diese Maut auch weiterhin ablehnen.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist hier schon gesagt worden, dass das Projekt kaum realisierbar ist, wenn man es diskriminierungsfrei machen möchte. Wenn die Kompensation am Ende an irgendwelche Umweltkriterien geknüpft ist, mag das eine vernünftige Zielsetzung sein, das bedeutet dann aber auch – so ehrlich sollten sich Herr Dobrindt und die Bundesregierung machen –, dass, wenn man diese Umweltkriterien nicht erfüllt, dann doch als deutscher Autofahrer netto zur Kasse gebeten wird. Das gehört auch zur Wahrheit dazu.

Die Maut wird am Ende nur Verlierer kennen. Wir werden dafür kämpfen, dass Rheinland-Pfalz, der Einzelhandel und der Tourismus in Rheinland-Pfalz nicht zu den Opfern und zu den Verlierern dieses Modells der Union werden.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Oster.

Herr Kollege Baldauf, ich muss einen wunden Punkt bei Ihnen getroffen haben, dass Sie Ihren Wunschminister Dobrindt hier so verteidigen und sich quasi für die Maut stark gemacht haben. Das war schon bewundernswert. Dass Sie dann als rheinland-pfälzische CDU die Hoffnung in unsere Ministerpräsidentin setzen, das ist auch bemerkenswert und heute hier einmal festzuhalten.

(Abg. Martin Haller, SPD: Das ist richtig! – Abg. Dr. Denis Alt, SPD: Das ist dann aber konsequent!)

Die Pkw-Maut ist nichts anderes als ein reines Prestigeobjekt des Verkehrsministers Dobrindt. Man muss es noch einmal wiederholen: Es kann nicht sein, dass der eine belastet und der andere entlastet wird. Das ist einfach ungleichmäßig.

Lassen Sie mich noch einen Satz zur täglichen Praxis sagen, was dann konkret in den Grenzregionen passieren würde.

Verkehrspolitik muss als Ganzes gesehen werden. Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, würde das nachgeordnete Straßensystem von heute auf morgen extrem stark belastet werden. Bürgerinnen und Bürger müssten damit rechnen, dass der Verkehr durch die Städte und die Ortschaften wieder extrem zunehmen würde. Das kann doch nicht ernsthaft im Interesse von irgendeinem Bundes-, Landes- oder Kommunalpolitiker sein, meine Damen und Herren.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal bekräftigen, ich glaube, wir alle hier im Haus – na gut, fast alle – stehen