Protocol of the Session on October 30, 2020

Genau darum geht es bei der Schleierfahndung. Bekennen Sie Farbe. Ist das Ihre Vorstellung von Verhältnismäßigkeit? Ist das Ihre Vorstellung davon, wie man mit unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern umgehen sollte? Glauben Sie, dass dies den Rückhalt und das Verständnis der Menschen für die tatsächlich notwendigen CoronaSchutzmaßnahmen erhöht?

(Beifall des Abg. Marco Weber, FDP)

Eigentlich darf niemand überrascht sein, dass bei Ihnen manchmal ein verqueres Bild von Grundrechten vorherrscht. War es doch Ihr CDU-Fraktionskollege Herber, der im Mai gefordert hat, Corona-Patienten sollten elektronische Fußfesseln angelegt bekommen.

(Beifall bei FDP und SPD – Abg. Christian Baldauf, CDU: Tosender Applaus! – Abg. Dirk Herber, CDU: Blödsinn! Habe ich nie gesagt!)

Abseits Ihres Schlingerkurses bei verfassungsmäßigen Grundrechten sehe ich aber noch weitere Dinge, bei denen Sie interessant unterwegs sind. Noch am Mittwochnachmittag haben Sie, Herr Baldauf, den Plänen der Bundeskanzlerin vehement widersprochen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Die Gastronomie dürfe nicht eingeschränkt werden, war von Ihnen zu lesen.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!)

Heute sagen Sie das Gegenteil. Sie führen hier einen Eiertanz auf, der kaum noch in Worte zu fassen ist.

(Beifall der FDP, bei SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie schaffen es schon unter normalen politischen Bedingungen nicht, eine ihrer Forderungen länger als eine Woche zu vertreten, aber jetzt in dieser besonderen Zeit werden Sie noch flatterhafter. Täglich grüßt der Baldauf, könnte man in Anlehnung an einen populären Film sagen. Das Gute ist, dieser Film ist in anderthalb Stunden vorbei, bei Ihnen ist es Serienformat.

(Heiterkeit bei der FDP)

Herr Baldauf, das ist bei Ihnen aber auch nicht lustig. Wir befinden uns nämlich in einer harten Realität. Kommen Sie damit klar?

(Zurufe von der AfD – Weitere Zurufe aus dem Hause – Glocke des Präsidenten)

Entschuldigung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Lärmpegel ist einfach zu hoch. Der Versuch, sich über mehrere Meter mit Masken zu unterhalten, ist ein untauglicher Versuch. Der löst nur Lärm aus. Konzentrieren Sie sich bitte auf die Rede.

Es geht immer darum, austeilen will man gerne, aber wieder etwas entgegen nehmen, will man nicht. So ist das halt.

(Beifall bei FDP, SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch der stellvertretende Landesvorsitzende der CDU, Günther Schartz, kritisiert die Schließung der Gastronomie. Dann kommt Ihre Landesvorsitzende aus der Kiste gesprungen und feiert die Kabinettsbeschlüsse ab.

(Heiterkeit bei der SPD)

Klar, Frau Klöckner ist Mitglied der Bundesregierung. Was sollte sie sonst machen? Wissen Sie Herr Baldauf, man darf in Parteien unterschiedlicher Meinung sein, aber mit Blick auf die Lage der CDU nicht nur in Rheinland-Pfalz stellt sich nicht mehr die Frage, ob es begründete Meinungsverschiedenheiten gibt. Inzwischen muss man sich fragen, wie tief der Riss in der CDU ist.

(Heiterkeit des Abg. Martin Brandl, CDU)

Herr Baldauf, es stimmt. Herr Wissing hat Zweifel geäußert. Ja, das hat er laut und öffentlich gemacht. Er macht sich Sorgen und sagt das auch öffentlich.

(Zurufe von der CDU: Oh! – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Er macht sich Sorgen um sich!)

Auch wenn er in Regierungsverantwortung steht, das ist mutig, Herr Baldauf. Sie dagegen waren erst dagegen, die Gastronomie zu schließen, haben dann einen Bückling vor Ihrer Landesvorsitzenden gemacht und sich um 180 Grad gedreht.

(Abg. Marco Weber, FDP: Genau!)

Herr Baldauf, wer ein Land regieren will, sollte einen eigenen Standpunkt haben. Den sollte man dann auch vertreten. Sie vertreten das, was man Ihnen in Berlin vorschreibt.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Wer Sie wählt, bekommt das, was Frau Klöckner Ihnen erlaubt.

(Beifall bei FDP, SPD und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer führt das Wort bei Ihnen? Sie? Frau Klöckner? Frau Merkel? Der angeblich so stabile Regierungsfels der BundesCDU bröckelt immer weiter. Wenn es nicht so dramatische Konsequenzen für unser Land hätte, wäre mir das Geplänkel Ihrer Partei egal.

Meine Damen und Herren, noch eine abschließende Bemerkung. Wir dürfen niemandem etwas vormachen. Der Lockdown ist nicht lange durchhaltefähig, weder gesellschaftlich noch rechtlich, noch gar finanziell. Wir müssen uns schon jetzt damit befassen, was passiert, wenn die Corona-Zahlen in vier Wochen nicht signifikant gesunken sind.

(Abg. Michael Frisch, AfD: Wie?)

Egal wie, auch Ende November wird das Virus noch da sein. Wir müssen jetzt über den November hinaus blicken und sagen, was die Richtung für die kommenden Monate sein wird. Wir brauchen einen effektiveren Schutz für Menschen, die zu den Risikogruppen zählen. Wir müssen die Einschränkungen so fassen, dass sie wirksam sind. Da ist auch die

Wissenschaft gefragt. Wir brauchen ein valides Bild von Infektionsketten.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Wie stecken sich die Menschen tatsächlich an?

(Abg. Iris Nieland, AfD: Unglaublich!)

Wie ist das zu verhindern?

Das sind die wichtigsten Fragen der kommenden Wochen, meine Damen und Herren.

Zusammenfassend möchte ich für die Freien Demokraten festhalten:

Erstens: Der Bund muss die versprochenen Umsatzentschädigungen schnellstmöglich auszahlen.

Zweitens: Der Bundestag muss schnellstmöglich eine neue gesetzliche Grundlage für den weiteren rechtssicheren politischen Umgang mit der Pandemie beschließen.

Drittens: Wir brauchen eine Strategie für die Zeit nach November, vor allem mit einem klaren Fokus auf den Schutz für Risikogruppen und zur Vermeidung weiterer Lockdowns.

Ich wünsche dem Land Rheinland-Pfalz nicht zu harte vier Wochen. Alles Gute.

(Beifall der FDP, bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht deren Vorsitzender Abgeordneter Dr. Braun.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als die Pandemie in Deutschland ausgebrochen ist – das war Ende Februar/Anfang März dieses Jahres –, wussten wir nicht, wie wir handeln sollten. Damals mussten wir, ohne zu wissen, in welche Richtung es weitergehen wird, radikale Maßnahmen umsetzen und durchsetzen. Wir wissen jetzt viel mehr über die Pandemie.

Ich weiß noch, ich hatte damals gesagt, wir handeln. Wir wissen nicht, ob wir das Richtige tun. Wer handelt, der macht auch Fehler. Natürlich war nicht alles richtig, was gemacht wurde. Auch jetzt wissen wir nicht, ob es genau das Richtige ist, was wir tun werden und was beschlossen wird. Das können wir nicht wissen, weil wir die Zukunft nicht voraussagen können.

Meine Damen und Herren, wir hätten aber vor zwei Monaten wissen können, dass es wieder schlechter wird. Eigentlich wussten wir, dass es wieder schlechter wird. Ich weiß, dass

ich vor etwa acht Wochen hier am Pult gesagt habe, es wird wieder zu Tausenden Fällen kommen in den Krankenhäusern, es wird wieder zu Tausenden Toten in diesem Winter kommen, Menschen die an und mit Corona sterben.