Protocol of the Session on October 30, 2020

(Beifall der FDP, bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber nun zum eigentlichen Punkt dieser Angelegenheit. Sie machen sich mit der Forderung nach Aufstockung lächerlich. Der Bund entschädigt die Unternehmen jetzt für den entstehenden finanziellen Schaden. Der Schaden ist der entgangene Gewinn. Jetzt kommt der Trick.

(Zuruf von der CDU)

Es wird sogar der Umsatzausfall in Höhe von 75 % ersetzt.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Bis zu!)

Können Sie Umsatz und Gewinn nicht voneinander unterscheiden, Herr Baldauf?

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Doch!)

Gibt es in Ihrer Fraktion niemanden, der Ihnen diese leichte Frage hätte beantworten können? Das Gleiche gilt übrigens für Herrn Schreiner. Der hätte als ehemaliges Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses – dachte ich zumindest – so etwas auf die Reihe bekommen müssen. Anders als Herr Baldauf hat er wenigstens regelmäßig an den Sitzungen des Finanzausschusses teilgenommen.

Hinzu kommen aber noch Europa- und beihilferechtliche Vorgaben, die Sie mit Ihrer billigen Forderung an das Land einfach unbeachtet lassen. Billiger Populismus gepaart mit Unwissen, das ist Baldauf-CDU.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Neben den Folgen der kommenden Einschränkungen sehe ich noch ganz andere Herausforderungen. Fragen, in denen ich harte politische Auseinandersetzungen nicht scheue. Meine Damen und Herren, Fakt ist, es wird Klagen gegen die Einschränkungen und Maßnahmen geben. Bei allem Ernst der pandemischen Lage möchte ich dennoch sagen, ich bin froh, dass wir in einem Staat leben, in dem das möglich ist.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Das sieht die Frau Lerch auch so? – Abg. Monika Becker, FDP: Das wird ja immer billiger!)

Es ist auch gut, dass politische Einzelentscheidungen vor Gericht gekippt werden können. Das zeichnet unsere funktionierende freiheitliche Demokratie aus. Aber ich erwarte

auch von allen Vertretern im Parlament, dass man andere politische Meinungen akzeptiert und die Menschen nicht gleich in eine andere Ecke stellt, die einmal eine andere Meinung haben.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Sie in der Opposition haben es nicht gezeigt, wir in der Koalition zeigen das mit einem Clearinggespräch bei uns. So zeigt sich eine Arbeit, wie man auch bei differenzierten Einzelüberlegungen zusammenarbeiten kann. Wir können das.

(Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU – Weitere Zurufe von der CDU – Glocke des Präsidenten)

Es gibt einen Grund, warum bundesweit die Klagen gegen die Corona-Maßnahmen zunehmend erfolgreich sind. Davon leite ich einen politischen Auftrag an den Bundestag ab. Alle Corona-Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie, vornehmlich Entscheidungen der Regierung, basieren auf dem Infektionsschutzgesetz des Bundes, ein Gesetz, auf das der rheinland-pfälzische Landtag keinen Einfluss hat.

Die maßgebliche Reform des Infektionsschutzgesetzes wurde zu Beginn der Pandemie im Bundestag beschlossen. Doch jetzt sind wir in der Debatte weiter. Wir haben ein besseres Verständnis vom Coronavirus. Auch die Rechtsprechung hat sich weiterentwickelt. Vorgestern hat das saarländische Oberverwaltungsgericht (OVG) die Sperrstunde von 23 Uhr gekippt. Erst gestern hat das OVG in Niedersachsen ähnlich geurteilt und die Sperrstunde und das Verkaufsverbot von Alkohol gekippt. Wir sehen, der rechtliche Boden des aktuellen Infektionsschutzgesetzes wird immer wackliger.

Der Präsident des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichts, Dr. Lars Brocker, hat es vor gut zwei Wochen klar und deutlich auf den Punkt gebracht: Die Landtage könnten diese verfassungsrechtliche Lücke nicht schließen, so Dr. Lars Brocker in einem Artikel der Rhein-Zeitung.

Meine Damen und Herren, die Ausweitung der Befugnisse der Bundesregierung war zu Beginn der Corona-Krise sicher notwendig und auch angemessen. Wir müssen uns aber der Realität stellen. Die Pandemie wird auch Ende November nicht vorbei sein. Die Koalition im Bund und die Bundeskanzlerin haben es auch nach über sieben Monaten der Pandemie nicht geschafft, eindeutige, verfassungskonforme und gesetzliche Regelungen auf den Weg zu bringen.

Es gebe erste Überlegungen, sagte der Vorsitzende der SPDFraktion, Rolf Mützenich, gestern im Bundestag. Bei allem Respekt, nach sieben Monaten Pandemie und nach dem Beschluss des kommenden leichten Lockdowns erst vage Ideen anzukündigen, lässt mich zweifelnd zurück.

Ich bin froh, dass bei der SPD und bei den Grünen im Bundestag grundsätzliches Interesse besteht, die rechtliche

Situation zu verbessern.

(Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD)

Es ist die CDU, die sich gegen eine Reform des Infektionsschutzgesetzes sperrt und eine bessere Einbindung des Bundestags in Corona-Entscheidungen ausbremst. Die Aussagen des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Ralph Brinkhaus, waren an Vergesslichkeit vor der eigenen Rolle als Parlamentarier nicht zu überbieten.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU)

Die FDP-Bundestagsfraktion hat gestern einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der die weitere Corona-Politik auf einen klaren, verfassungsrechtlich sicheren und parlamentarisch legitimierten Boden stellt. Dieser Antrag wurde immerhin an den entsprechenden Fachausschuss überwiesen.

Statt konkret zu handeln, verharrt die Mehrheit des Bundestags in der Hoffnung, dass vage Ideen die Republik aus der Krise führen werden. Die Folgen werden jetzt ganz klar. Die Politik nach den Vorstellungen der Bundesregierung bleibt rechtlich angreifbar. Dieser Zustand ist nicht länger hinzunehmen.

Meine Damen und Herren, wenn man die Unionspolitikerinnen und -politiker hört, wird immer gern auf den bayerischen Ministerpräsidenten verwiesen. Der habe alles im Griff. Ein toller Typ sei das. Bei vielen CDUlern leuchten die Augen, wenn über Bayern gesprochen wird. Auch bei Ihnen, Herr Baldauf.

(Heiterkeit bei der AfD – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Sie sonnen sich gerne im Lichte des angeblich bayerischen Löwen, Ministerpräsident Söder. Stolz waren Sie, als Sie ihn im Sommer in der Münchner Staatskanzlei besuchen durften.

(Zurufe aus dem Hause – Glocke des Präsidenten)

Prunkvolle Kulisse. Ihre Miene war gar voller Ehrfurcht.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU)

Ich gönne Ihnen diese Glücksmomente sehr. Viele waren es bislang nicht.

(Zurufe von der CDU: Ah!)

Ebenso stolz waren Sie offensichtlich in der vergangenen Woche, als Sie ein Foto mit Friedrich Merz erhaschen konnten und es in den sozialen Medien teilten. Ob Sie dieses Bild diese Woche noch einmal machen würden, weiß ich nicht. Zutrauen würde ich es Ihnen.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie tragisch die Nummer mit Herrn Merz vor wenigen Tagen endete, haben wir miterlebt.

(Heiterkeit des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Das ist nicht weiter diskussionswürdig. Das ist Ihr Problem.

(Heiterkeit der Abg. Alexander Schweitzer und Martin Haller, SPD)

Wie sich der selbst erklärte bayerische Löwe Söder zum Plüschtiger entwickelt hat, ist umso relevanter. Erst gehen dem Unions-Musterschüler im Sommer positive CoronaTests verloren, dann entwickelt sich die Region Berchtesgaden zum führenden Hotspot der Republik,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Thema!)

dann kommt vor wenigen Tagen heraus, dass Bayern falsch getestet hat. Was für ein Chaos und was für eine Blamage. Ihr Held Markus Söder ist der Corona-Sünder Nummer eins in Deutschland.

(Beifall bei der FDP)

Gerade vorhin haben Sie ihn in Ihrer Rede noch gelobt und gesagt, Bayern geht voran, Vorbild Bayern. Na, herzlichen Glückwunsch.

Es gibt allerdings Dinge, da hört es bei mir mit jedem Verständnis auf. Werte CDU-Kollegen, Ihr Unions-Parteifreund und Bundesinnenminister Horst Seehofer will jetzt per Schleierfahndung Corona-Sünder aufspüren. Per Schleierfahndung! Diese Fahndung wird sonst eingesetzt, um Schwerverbrecher und Terroristen zu jagen. Herr Baldauf, ist Ihre Partei der Auffassung, die Menschen seien jetzt wie Bankräuber zu behandeln? Ist die CDU der Meinung, in den kommenden vier Wochen sei jede Bürgerin und jeder Bürger wie ein Dschihadist zu sehen, den man unabhängig von Anlass oder Verdacht kontrollieren muss?

(Zurufe aus dem Hause)

Genau darum geht es bei der Schleierfahndung. Bekennen Sie Farbe. Ist das Ihre Vorstellung von Verhältnismäßigkeit? Ist das Ihre Vorstellung davon, wie man mit unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern umgehen sollte? Glauben Sie, dass dies den Rückhalt und das Verständnis der Menschen für die tatsächlich notwendigen CoronaSchutzmaßnahmen erhöht?