Wie sehr besonders die SPD ein Problem mit der nötigen Abgrenzung hat, sieht man besonders dann, wenn deren Aktivisten – wie es zuletzt auf der von den Genossen mitgestalteten Facebookseite „Wir im Landkreis Birkenfeld GEGEN rechts“ geschehen ist – ein Zitat des Herausgebers der Jüdischen Rundschau, Herrn Dr. Rafael Korenzecher, als antimuslimisch kritisieren. Warum ist es antimuslimisch, wenn darauf hingewiesen wird, dass in Europa seit der Jahrtausendwende kein einziges religiös motiviertes Attentat von einem Christen oder Juden ausgeführt wurde?
Warum werden Tatsachen gebrandmarkt, statt von den muslimischen Dachverbänden zu erwarten, dass sie sich glaubhaft und deutlich von Extremisten, Terroristen und Hasspredigern distanzieren und denen den Geldhahn endlich einmal zudrehen? Aber auch diese berechtigte Forderung wird vermutlich wieder nur antimuslimische Hetze sein.
Dass die Landesregierung den Akteuren von DITIB die Möglichkeit gewährleistet, in deutschen Schulen türkische Staatslehre und Staatspropaganda im Sinne von Erdogan zu verbreiten, ist eine wahre Schande.
Wenn Sie unser Grundgesetz und unsere Landesverfassung wirklich ernst meinen, haben Sie nur eine Möglichkeit: Stoppen Sie die Zusammenarbeit und die Gespräche mit DITIB, solange es keine klaren und glaubwürdigen Abgrenzungen
zum türkischen Regime gibt, und zeigen Sie endlich in Ihren Vorfeldorganisationen klare Kante gegen Antisemitismus und politischen Extremismus; denn nicht nur der Rechtsextremismus ist eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch der religiöse Fanatismus, ebenso wie die abgehobene Dekadenz politisch Verantwortlicher, welche sich immer mehr vom Volk, dem höchsten Souverän, entfernen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte bietet die Möglichkeit, einige Punkte richtigzustellen, die immer wieder falsch dargestellt werden. Sie gibt auch die Möglichkeit zu erläutern, warum wir das Ziel von Verträgen mit den islamischen Verbänden verfolgen.
In Rheinland-Pfalz leben über 200.000 Musliminnen und Muslime, die ihren Glauben in über 95 Moscheen leben. Sie schauen seit Jahren auf den Prozess zwischen den islamischen Verbänden und der Landesregierung, der sie gemäß den Vorgaben des Grundgesetzes und unserer Landesverfassung in gleicher Form anerkennt wie er Christen und Juden anerkennt.
Unser Grundgesetz garantiert allen Bürgerinnen und Bürgern die gleichen Rechte. Das Grundgesetz fordert die Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften, wenn wir zum Beispiel über Professoren der Theologie, über Religionsunterricht oder auch über Seelsorge reden. Das Grundgesetz ist der Maßstab und die Richtschnur unseres Handelns beim Zielvereinbarungsprozess mit den islamischen Verbänden.
Um das Ziel eines gleichberechtigten Umgangs mit den Religionsgemeinschaften zu erreichen, hat die Landesregierung am 1. April 2020 mit vier islamischen Verbänden diese Zielvereinbarungen unterzeichnet, darunter mit DITIB. Die Unterzeichnung dieser Zielvereinbarungen ist ein Meilenstein in einem sehr langen Prozess. Die ersten Gutachten wurden im Jahr 2014 in Auftrag gegeben. Sie stellen fest, bei den vier Verbänden handelt es sich um Religionsgemeinschaften. Sie sind generell als Partner des Staates geeignet.
Auf diesen Ergebnissen aufbauend haben wir Gespräche begonnen, wie die künftige Zusammenarbeit auf einer vertraulichen Basis geregelt werden kann. Aufgrund des
Putschversuchs in der Türkei im Sommer 2016 wurden diese Gespräche dann einvernehmlich ausgesetzt und Zusatzgutachten in Auftrag gegeben, um die hinreichende Unabhängigkeit von Einflüssen Dritter auf die Landesverbände zu untersuchen.
Im August 2018 lagen dann die beauftragten Zusatzgutachten zu den islamischen Verbänden vor. Aufgrund der in diesen Zusatzgutachten benannten strukturellen Probleme des DITIB-Landesverbands Rheinland-Pfalz und der Schura Rheinland-Pfalz hat die Landesregierung die im August 2016 unterbrochenen Vertragsverhandlungen mit den vier islamischen Verbänden nicht fortgesetzt.
Daher führen wir derzeit keine Vertragsverhandlungen. Die Landesregierung folgt aber auch der Empfehlung der Gutachter, mit den Verbänden in einem strukturierten kontinuierlichen Austausch zu bleiben, diesen fortzusetzen und an dem langfristigen Ziel eines Vertrags festzuhalten.
Deshalb haben wir diesen Zielvereinbarungsprozess gestartet, in dem wir mit der Unterzeichnung der Zielvereinbarungen Anfang April einen wichtigen Schritt weitergekommen sind. Wir haben immer klar gesagt, dass wir erst dann mit den islamischen Verbänden zusammenarbeiten, wenn diese alle Anforderungen erfüllen, die eine Religionsgemeinschaft erfüllen muss, um Partner des Staates zu sein. Das gilt für DITIB genauso wie für jede andere Religionsgemeinschaft. Wir haben hier eine klare Haltung.
In beiden Zusatzgutachten haben die Gutachter Professor Muckel und Professor Bochinger sehr klar die Verfasstheit der DITIB Rheinland-Pfalz unter dem Aspekt der Einflussnahme durch den Bundesverband und die türkische Religionsbehörde Diyanet untersucht. Die klare Aussage beider Gutachter ist, es gab bisher keinen faktischen Eingriff der Türkei in Moscheegemeinden in Rheinland-Pfalz. Es gibt kein Wirken der DITIB Rheinland-Pfalz gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Allerdings gibt es Strukturen, die die Möglichkeit eines Einflusses theoretisch bieten.
Als Landesregierung haben wir deshalb sehr klar mit DITIB Rheinland-Pfalz festgehalten, dass diese Einflussmöglichkeiten beseitigt werden müssen. Die konkreten Änderungen bei DITIB müssen innerhalb von 18 Monaten erfolgen und dienen dazu, den Landesverband strukturell und organisatorisch so weit vom Bundesverband zu entkoppeln, dass eine Eingriffsmöglichkeit des Bundesverbands oder der Diyanet nicht möglich ist.
An dieser Stelle ist ganz klar: Wir können Gespräche nur weiterführen, wenn diese Änderungen vollzogen werden. Es liegt in der Verantwortung des Landesverbands der DITIB Rheinland-Pfalz, sich so weit organisatorisch und strukturell vom Bundesverband zu entkoppeln, dass die Anforderungen der Gutachten klar erfüllt sind, um Partner der Landesregierung sein zu können.
Wir bleiben damit klar auf unserem Weg. Die Verbände haben nun Zeit, sich ihren eigenen Aufgaben zu stellen
und ihre innerverbandlichen Strukturen selbstbestimmt zu organisieren. Für DITIB Rheinland-Pfalz bedeutet das, dass die Strukturen in der Satzung wesentlich verändert werden müssen.
Wir werden uns diese Änderungen dann genau anschauen und erst dann eine Bewertung vornehmen. Wenn jetzt immer wieder Hessen genannt wird, dann ist auch klar: In Rheinland-Pfalz werden wir erst die Begutachtung der Verbände durchführen, auch bezüglich DITIB Rheinland-Pfalz, um zu schauen, was getan werden muss, um gemeinsame Aufgaben wahrnehmen zu können.
Wir müssen in Rheinland-Pfalz anders als in Hessen nichts rückwirkend einfordern, weil wir bisher noch nichts gewährt haben. Die Anforderungen an Religionsgemeinschaften als Partner des Staates im Sinne des Grundgesetzes sind absolut transparent und stringent. Selbstverständlich gehen wir weiterhin Schritt für Schritt vor. Das tun wir mit klarem Blick auf unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und auch mit Blick auf die Belange aller Menschen in Rheinland-Pfalz. Das Grundgesetz ist dabei weiterhin Richtschnur und Maßstab unseres Handelns.
Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Natürlich kann man mit islamischen Verbänden reden, natürlich kann man sogar überlegen, ob man nicht einen Religionsunterricht gestaltet, aber mit Verbänden, die geistig und politisch in Deutschland angekommen sind, Verbände säkularer Muslime, aber mit denen wollen Sie gerade nicht reden. Die blenden Sie aus den Verhandlungen aus. Sie haben sich für DITIB entschieden, eine Pro Erdogan-Organisation und für die Schura, in der salafistische Strömungen festzustellen sind. Die anderen blenden Sie aus.
Ich möchte Ihnen auch sagen, warum. Sie sind ein „saf Almanlar“, der naive deutsche Minister, der DITIB die Türen aufschließt. Aber da sitzen die Parteistrategen, die auf dieses Milieu als Wählerreservoir schielen.
Das ist der Punkt, den wir hier setzen müssen. Sie schielen auf dieses Wählerreservoir. Deswegen wollen Sie diese Verhandlungen quasi um jeden Preis zum Abschluss bringen.
Frau Kollegin Binz, wissen Sie, wo wir gerade bei behaupteten Parallelen oder angeblichen Parallelen zu Erdogan
sind – der Sound, den wir vorhin gehört haben, wir als Europa haben die Verpflichtung, viele Hunderttausende, Millionen Muslime aufzunehmen aus Gebieten, die benachbart sind mit islamischen Staaten, ist derselbe Sound, der aus Ankara zu hören ist.
Wir Europäer müssen alle aufnehmen, obwohl die benachbarten Länder muslimische Länder sind, teilweise reichere Länder als Deutschland. Da liegt nämlich auch eine Parallele.
Das ist begrüßenswert, aber ich komme noch einmal auf den Abbruch der Verhandlungen im Sommer 2016 zu sprechen, insbesondere nach der sogenannten Pro ErdoganDemonstration in Köln-Deutz, wo angesichts des Lieds der Deutschen die Menge gepfiffen und die Todesstrafe für Putschisten und Oppositionelle gefordert hat. In Köln-Deutz ein Meer türkischer Fahnen. Da haben wir das auf die Agenda gesetzt. Ich bin vor Ort gewesen und habe mir diese Bilder angeschaut.
Wir haben über Facebook in die Wohnzimmer übertragen. Die Menschen waren entsetzt: Ist das noch Deutschland? Was spielt sich hier ab?
Ich sage Ihnen noch etwas als Letztes. Der Anmelder dieser Demonstration in Köln-Deutz war nachweislich SPDMitglied. Das ist das Milieu, mit dem Sie politisch reüssieren wollen, die Stimmen, die Sie abgreifen wollen.