Herr Professor Wolf, das heißt, Ihr Gutachter stellt fest, dass der rheinland-pfälzische Landesverband von DITIB in seiner jetzigen Struktur und Organisation mit der türkischen Religionsbehörde verflochten ist und damit dem Präsidenten Erdogan untersteht. Herr Minister Wolf, da decken sich die Grundwerte und der Einfluss eines anderen Staates auf unsere Schulen letztendlich nicht. Das ist der kritische Punkt, über den wir weiter diskutieren müssen.
Trotz dieser Umstände – wir haben immer wieder darauf hingewiesen – haben Sie diese Zielvereinbarung geschlossen. Obwohl anlässlich der Unterzeichnung der Zielvereinbarung wohl auch die Entscheidung von Hessen vielleicht hinter den Kulissen schon absehbar war, haben Sie diese Zielvereinbarung weiter nach vorn getrieben. Gerade die Entscheidung unseres Nachbarbundeslands, die Zusammenarbeit mit DITIB zu beenden, obwohl es dort schon
eine lange Zusammenarbeit, schon enge Kontakte und diesen islamischen Religionsunterricht in Hessen gab, hätte Ihnen ein Zeichen sein müssen, um diese Entscheidung nicht in dieser Vehemenz voranzutreiben und vielleicht noch einmal zu überdenken.
Deshalb steht die Landesregierung nun in der Verantwortung, die Umsetzung der notwendigen strukturellen und organisatorischen Anforderungen an DITIB genau zu beobachten, Fehlentwicklungen anzusprechen und direkt entgegenzuwirken. DITIB muss nun an der Stelle liefern. Wir haben erhebliche Zweifel, wie der Unterschied zwischen DITIB Hessen und DITIB Rheinland-Pfalz von Ihnen begründet werden kann;
denn Partner können nur diejenigen sein, die glaubhaft darlegen können, dass man politisch unabhängig und insbesondere unabhängig von den Interessen eines dritten Staates wie der Türkei ist. Wir wollen nicht, dass der lange Arm Erdogans in unsere rheinland-pfälzischen Klassenzimmer reicht und unsere Demokratie und unser Zusammenleben mit bestimmt. Herr Minister Wolf, das ist unsere klare Haltung als CDU-Fraktion.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Rheinland-Pfalz leben derzeit mehr als 200.000 Menschen muslimischen Glaubens. Wenn wir das Grundgesetz ernst nehmen – das ist doch unser Anspruch –, dann gilt Artikel 4 zum Thema „Religionsfreiheit“ auch für diese Mitbürgerinnen und Mitbürger. Herr Kollege Brandl hat vorhin Artikel 4 Abs. 1 zitiert. Ich würde gern noch Absatz 2 hinzufügen: „Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“
sonst würden Sie in Ihrem Beitrag zur Aktuellen Debatte eine Frage formulieren. Aber was tun Sie? – Sie treffen eine Feststellung, die als Urteil formuliert gar keine Alternative mehr zulassen soll.
Angesichts der intensiven Bemühungen der Landesregierung um Klärung und Entwicklung ist dies aber voreilig, verfrüht und entspringt mehr dem Wunschergebnis und Wunschdenken der AfD.
Am 1. April 2020 hat Wissenschaftsminister Professor Wolf mit den vier islamischen Verbänden Zielvereinbarungen unterzeichnet. Sie enthalten konkrete Anforderungen an die vier beteiligten Verbände, die sie erfüllen müssen. Erst in 18 Monaten wird das Ergebnis beurteilt. So ist es ausdrücklich vereinbart.
Erst dann sehen wir, wie insbesondere die islamische Religionsgemeinschaft DITIB ihre Eigenständigkeit strukturell organisiert hat; denn das ist unsere Forderung an die vier Verbände, mit der wir den Einfluss Dritter aus fremden Staaten ebenso zurückdrängen wie wir die Akzeptanz unseres gesamten Grundgesetzes sicherstellen wollen.
Deshalb bekräftigen die vier Verbände mit der Unterzeichnung der Zielvereinbarung schon vorab, dass auch für sie in Deutschland die freiheitlich-demokratische Ordnung maßgeblich ist und sein muss. Mit der Zielvereinbarung schreibt die Landesregierung Bedingungen fest, die erfüllt sein müssen. Erst dann können die Gespräche mit den vier Verbänden, die im Sommer 2016 aufgrund der damaligen Lage in der Türkei ausgesetzt wurden, wieder aufgenommen werden.
Vor diesem Hintergrund verpflichten sich die vier Islamverbände, die Voraussetzungen zu schaffen, ihre Angelegenheiten selbstständig zu verwalten, ihre Willensbildung selbstbestimmt zu vollführen und damit frei vom politischen Einfluss Dritter zu wirken. Zu erwähnen ist auch, dass die inzwischen problematische mittelbare Verflechtung des DITIB-Bundesverbands mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet lange positiv gesehen wurde: nämlich als Garantie für einen nicht radikalen und nicht salafistischen Islam, vor dem wir uns schützen wollen.
Was wir wirklich im Sinne unseres Grundgesetzes verhindern wollen, ist ein über die institutionellen und organisatorischen Strukturen ausgeübter politischer Einfluss der Diyanet und letztlich des türkischen Präsidenten auf die islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz und ihre Mitgliedsgemeinden in unserem Land. Die Landesregierung setzt auf gegenseitigen Respekt und Anerkennung. Deshalb lässt sie in den Bemühungen nicht nach, auch den islamischen Verbänden in Rheinland-Pfalz die Ausübung der Religionsfreiheit nach Artikel 4 des Grundgesetzes zu ermöglichen.
Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, haben die im August 2018 von den Professoren Bochinger und Muckel vorgelegte Zusatzgutachten der Landesregierung empfoh
len, auf eine stärkere Unabhängigkeit der islamischen Religionsgemeinschaft DITIB hinzuwirken. Genau diese Empfehlung wurde mit der jetzt getroffenen Zielvereinbarung umgesetzt: nicht mehr und nicht weniger. Ein verfrühtes Urteil, also ein Vorurteil, ist nach dieser Zielvereinbarung nicht angemessen.
Die FDP-Fraktion erwartet, dass DITIB die 18 Monate intensiv für strukturelle Veränderungen und den Aufbau eigener Entscheidungswege nutzt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, 200.000 Muslime und Musliminnen warten in Rheinland-Pfalz auf gleiche Möglichkeiten, wie sie für Christen und Juden selbstverständlich sind.
Islamverbände bieten die einzige Struktur in Deutschland und damit die Brücke zu einer vertraglichen Regelung. Im Herbst nächsten Jahres werden wir diskutieren können, wie es weitergeht und ob sie sich daran gehalten haben.
Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe AfD-Fraktion, Ihre Aktuelle Debatte heute zeigt einmal mehr, dass es Ihnen vor allen Dingen um Skandalisierung geht; denn Sie nehmen sich heute etwas zum Anlass, was bereits seit fast zwei Jahren bekannt ist, nämlich den Prozess der Zielvereinbarung. Bereits seit August 2018 ist bekannt, dass das Land eben keine Verhandlungen mit DITIB führen will, sondern auf den Prozess der Zielvereinbarung besteht, weil man die Erkenntnisse aus den Gutachten sehr ernst nimmt und Konsequenzen daraus gezogen hat.
Das war ebenfalls eine Konsequenz, die man aus diesem Gutachten gezogen hat. Insofern können Sie uns an dieser Stelle gar keine Unvorsichtigkeit vorwerfen. Im Unterschied zu Hessen sind wir in Rheinland-Pfalz doch viel vorsichtiger vorgegangen, als es die Kolleginnen und Kollegen in Hessen waren. Das hat Kollegin Kazungu-Haß schon ausgeführt.
Auf eines muss man an dieser Stelle auch hinweisen: Sie, die AfD-Fraktion, haben in dieser Frage eigentlich überhaupt gar keine Glaubwürdigkeit. Für Sie sind Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der Türkei nämlich auch immer nur dann ein relevantes Thema, wenn es Ihnen politisch in den Kram passt.
(Beifall der Abg. Dr. Bernhard Braun und Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP)
Sie spekulieren immer darauf, dass man Ihre andauernden Provokationen und Grenzübertritte schnell wieder vergisst, indem Sie schnell die nächste Sau durchs Dorf treiben. Aber wir vergessen sie nicht. An dieser Stelle sei nebenbei vielleicht noch einmal daran erinnert, dass auch Sie, Herr Paul, immer noch Antworten schuldig sind, was es eigentlich mit „Blackshirt“ oder Ihrem Pseudonym „Karl Ludwig Sand“ auf sich hat.
Wir haben das nicht vergessen. Wir haben auch nicht vergessen, wie sich Ihre Partei und Ihre Repräsentantinnen im Fall Deniz Yücel verhalten haben. Sie sind nämlich beim Thema „Erdogan und seine Machenschaften“ überhaupt nicht glaubwürdig. Als Deniz Yücel nach einem Jahr ohne Prozess nach diplomatischen Bemühungen durch die Bundesregierung freigelassen wurde, waren Sie nicht erfreut. Nein, Ihre Fraktionsvorsitzende Alice Weidel hat veröffentlicht, Yücel sei weder Journalist noch Deutscher.
Wer hat genauso argumentiert? – Der türkische Staat. Nicht nur das: Herr Junge, Sie schrieben damals, dass Ihnen das Schicksal von Herrn Yücel aufgrund seiner kontroversen Äußerungen der Vergangenheit nicht ganz so wichtig sei. Das haben Sie am 16. Februar 2018 auf Twitter von sich gegeben. Das brauchen Sie nicht zu leugnen. Ihre Besorgnis um den Rechtsstaat, die Demokratie und die Freiheit in der Türkei ist also immer nur dann vorhanden, wenn es Ihnen politisch in den Kram passt.
Deshalb lassen wir uns von Ihnen ganz sicher nicht vorwerfen, an dieser Stelle unvorsichtig zu sein. Der jetzt begonnene Prozess der Zielvereinbarungen ist Ausdruck dieser Vorsicht. Dafür brauchen wir Ihre Hinweise überhaupt nicht. Für uns als grüne Fraktion ist ganz klar, der Prozess ist ergebnisoffen, und die Zielvereinbarungen müssen erfüllt werden, wenn die Verbände in Verhandlungen über einen Staatsvertrag eintreten wollen. Dazu haben sie jetzt 18 Monate Zeit. Wir werden uns das Ergebnis am Ende dieser 18 Monate sehr genau anschauen, aber wir stehen weiter zu diesem Prozess.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! In regelmäßigen Abständen erleben wir seitens der Landesregierung gebetsmühlenartig eine Distanzierung von Rechtsextremismus und Antisemitismus sowie gegen Hass und Hetze. So logisch diese Ablehnung von extremistischen Tendenzen sein muss, so erstaunlicher ist es allerdings, dass man diese Ansprüche bei der Zusammenarbeit mit DITIB scheinbar nicht an den Tag legt.
Vielmehr arbeiten sie beim Islamunterricht an unseren deutschen Schulen in Rheinland-Pfalz mit einem von der Türkei und von Erdogan gelenkten Dachverband zusammen. Sie kooperieren mit einer Organisation, in der Islamisten, Salafisten und türkische Extremisten, auch Graue Wölfe genannt, einen festen Platz haben und von denen sich DITIB bisher kein einziges Mal glaubhaft distanziert hat.
Vielmehr arbeiten sie mit Menschen zusammen, deren Frauenbild im Mittelalter stecken geblieben ist und deren deutliche Abneigung gegenüber Homosexuellen bewusst auch von ihnen verschwiegen wird. Sie arbeiten mit einer Organisation zusammen, die nachweislich antisemitisch ist. Dass Sie diesen Extremisten noch Steuergelder, die von den Menschen in Rheinland-Pfalz erwirtschaftet wurden, in den Rachen schieben, ist besonders verwerflich und inakzeptabel.
Wie sehr besonders die SPD ein Problem mit der nötigen Abgrenzung hat, sieht man besonders dann, wenn deren Aktivisten – wie es zuletzt auf der von den Genossen mitgestalteten Facebookseite „Wir im Landkreis Birkenfeld GEGEN rechts“ geschehen ist – ein Zitat des Herausgebers der Jüdischen Rundschau, Herrn Dr. Rafael Korenzecher, als antimuslimisch kritisieren. Warum ist es antimuslimisch, wenn darauf hingewiesen wird, dass in Europa seit der Jahrtausendwende kein einziges religiös motiviertes Attentat von einem Christen oder Juden ausgeführt wurde?