Protocol of the Session on July 2, 2015

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich keine zweite Runde machen, aber es war nötig nach dem, was Sie hier erzählt haben. Das war schon schwer erträglich.

(Michael Hüttner, SPD: Das geht uns genauso!)

Sagen Sie das bitte einmal Herrn Professor Dr. Hessenauer, dass er auf dem Holzweg ist. Er hat die Intention gegeben.

Wir haben diesen Studiengang bewusst nicht ausformuliert, weil es drei Optionen gibt, wie man es machen kann. Das hat man Ihnen so aufgeschrieben, dass es so geht.

Wo steht es denn, dass man, bis der Masterplan 2020 steht, nichts machen kann?

(Beifall bei der CDU – Marlies Kohnle-Gros, CDU: Dann kann man gar nichts mehr machen!)

Wir reden doch verdammt noch mal davon, dass wir das Studium attraktiver machen, die Studenten etwas lernen. Sie haben doch gar keine Ahnung von dem, was Sie erzählt haben. Das hat man Ihnen doch aufgeschrieben, Entschuldigung. Das muss ich einmal ganz deutlich sagen. Wie kann man so etwas erzählen von Dingen, von denen man nicht weiß, um was es geht.

(Alexander Schweitzer, SPD: Jetzt aber! – Carsten Pörksen, SPD: Seien Sie nur nicht so zurückhaltend! – Marlies Kohnle-Gros, CDU: Wenn der aus der Haut fährt, hat das etwas zu bedeuten!)

Ein Punkt noch. Herr Professor Deufel, wir hatten uns vor einigen Wochen über das Thema unterhalten. Ich entsinne mich noch, dass Sie es bemerkenswert fanden, was wir für einen Antrag formuliert haben. Ich bin erstaunt über diesen Sinneswandel in der Landesregierung.

Noch ein letzter Punkt. Rheinland-Pfalz bildet 350 Medizinstudenten aus.

(Alexander Schweitzer, SPD: Ich kann Ihren Frust ja verstehen!)

Entsprechend der Einwohnerzahl müssten wir 605 ausbilden. Ich fordere das nicht, weil Sie das Geld, das wir dafür brauchen, für andere Dinge ausgegeben haben.

(Beifall der CDU)

Zur Erwiderung hat Frau Kollegin Schleicher-Rothmund das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Kohnle-Gros, wenn Sie jetzt die Sachlichkeit in den Raum stellen, dann muss ich sagen, ich hätte mich gefreut, wenn Herr Dr. Enders eine sachliche Erwiderung gebracht hätte. – Ich kenne die Regularien in der CDU nicht, aber bei uns schreibt uns keiner die Rede auf. Das ist leider nun einmal nicht der Fall.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei der CDU)

Ja, das mag Sie jetzt amüsieren, aber das stört mich auch nicht.

Es ist vorhin gesagt worden, es ist selten, dass sich Herr

Dr. Enders so echauffiert. – Ich kann mir denken, weshalb Sie sich so echauffieren. Sie sind Mediziner und haben Ahnung von diesem Thema. Dann kommen Sie mit der Fragestellung eines Modellstudienganges und kommen angesichts eines so dicken Papiers des Wissenschaftsrates, in dem alles Mögliche steht zur Evaluation, mit so einem läppischen Papier daher und wollen tatsächlich einen Modellstudiengang auf den Weg bringen. Sie sagen nicht, welche von den drei Richtungen Sie gerne hätten. Sie positionieren sich dazu in keiner Weise.

(Dr. Peter Enders, CDU: Was soll man in fünf Minuten dazu sagen?)

Sie haben siebeneinhalb Minuten Redezeit gehabt. Das hätte Ihnen doch einer für diese siebeneinhalb Minuten aufschreiben können, Herr Dr. Enders.

(Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile nun Herrn Kollegen Heinisch von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch nach der Schärfe, die in diese Debatte gekommen ist, möchte ich doch zunächst einmal begrüßen, dass wir heute die Möglichkeit haben, über die Reform des Medizinstudiums zu sprechen. Wir hatten als grüne Landtagsfraktion das Thema auch schon einmal auf die Tagesordnung des Wissenschaftsausschusses gesetzt, kurz nachdem der Wissenschaftsrat im Juli 2014 seine Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums vorgelegt hatte.

Vor diesem Hintergrund kann ich auch das vorgetragene Zitat des Ärztekammerpräsidenten nur begrüßen: „Gute und engagierte Lehre und vor allem auch weniger Prüfungsdruck sind wichtig, um Studierenden die Freude an der Medizin nicht zu vergällen.“

Auch im Zuge der Einführung neuer Bachelor- und Masterstudiengänge wurde der zunehmende Prüfungsdruck zu Recht kritisiert, und ich denke, das, was für die neuen Studiengänge und deren Weiterentwicklung gilt, gilt auch für die Weiterentwicklung des Medizinstudiums. – Pauken bis der Arzt kommt, und das sogenannte Bulimie-Lernen sind nicht die richtigen Rezepte, auch nicht, wenn es um die Ausbildung der angehenden Ärztinnen und Ärzte geht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Insoweit kann ich den zitierten Appell für mehr Freude an der Medizin und für weniger Prüfungsdruck im Studium nur bekräftigen; aber auch ein reformiertes Medizinstudium wird ein anspruchsvolles Studium sein. Bei den Anforderungen, die wir an angehende Ärztinnen und Ärzte, an gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte stellen müssen, darf es auch nach einer Reform keinen Rabatt geben.

Insoweit ist die Grundlage gut, die der Wissenschaftsrat

vorgelegt hat. Er hat klar gesagt, bei der Reform des Medizinstudiums muss es weiterhin darum gehen, dass angehende Ärztinnen und Ärzte ein gutes Fundament an Grundlagenwissen haben. Es geht um das medizinische Grundlagenwissen, aber auch um naturwissenschaftliche Zusammenhänge, und darauf wird es weiterhin ankommen. Aber es geht eben auch darum, diese Grundlagen noch früher mit der Praxis zu verzahnen und früher zu zeigen, dass das, was man lernt, später auch mit der ärztlichen Tätigkeit zu tun haben wird.

Nichtsdestotrotz wird wissenschaftliches Denken auch weiterhin die Grundlage sein für zutreffende Diagnosen und für die Auswahl der richtigen Therapien; insoweit kann es um eine Entwissenschaftlichung des Medizinstudiums nicht gehen, sondern um eine bessere Verzahnung theoretischer und praktischer Anteile. Zu den Chancen, die eine bessere Verzahnung bieten kann, hat der Kollege Dr. Enders durchaus die richtigen Worte gefunden. Wegweisend ist auch die Forderung des Wissenschaftsrates, das Kerncurriculum so weit zurückzufahren, dass es mehr Freiräume gibt für individuelle Schwerpunktsetzungen. Ich denke, dies ist eine Aufgabe, die auch in dem bundesweiten Prozess, der gestartet wurde, angegangen werden muss, das Curriculum im Kern zurückzufahren und damit mehr Möglichkeiten für individuelle Schwerpunktsetzungen zu schaffen.

Meine Damen und Herren, unabhängig davon, wie wir es bewerten, aber die Universitätsmedizin Mainz hat von der Möglichkeit bisher nicht Gebrauch gemacht, einen Modellstudiengang zu entwickeln.

(Marlies Kohnle-Gros, CDU: Aha, hört, hört!)

Seit 15 Jahren wäre das möglich gewesen, aber sie hat es nicht getan. Das heißt aber nicht, dass sich dort nichts bewegt hat. Man hat dort zum Beispiel gesagt, wir wollen die Lehreignung stärken. Man hat gesagt, wir wollen bei der Berufung von Professorinnen und Professoren nicht nur darauf achten, dass sie gute Forscherinnen und Forscher sind, sondern wir wollen auch die Lehre zu einem harten Berufungskriterium machen, weil wir eben nicht nur gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen, sondern auch Menschen, die es in der Lehre entsprechend vermitteln können.

Nun sind wir an einem Punkt angelangt, dass ein bundesweiter Prozess gestartet wurde, das Medizinstudium zu reformieren. Deswegen stellt sich die Frage: Wollen wir ausgerechnet jetzt an die Universitätsmedizin Mainz die Forderung stellen, dass sie einen Modellstudiengang konzipiert? – Wenn es ein guter Studiengang sein soll, dann wird es Zeit brauchen, ihn zu konzipieren. Auch die Umsetzung würde Zeit brauchen und, wie wir aus anderen Bereichen wissen, möglicherweise auch zu Umstellungsschwierigkeiten führen. Schließlich wäre noch die Frage der zeitlichen Schiene zu stellen, ob nicht ein neuer Modellstudiengang gleich wieder über den Haufen geworfen wird, wenn die entsprechenden bundesweiten Prozesse zu einem Abschluss kommen und wenn dann die Umsetzung in Mainz ansteht. Das heißt also, dass aus unserer Sicht näher liegt, dass die Landesregierung sich in diesen bundesweiten Prozess einbringt, dass sie dabei die sinn

vollen Vorschläge des Wissenschaftsrates stärkt, dass sie sich dann auch entsprechend für eine Reform des Medizinstudiums einsetzt und danach die Umsetzung in Mainz stattfindet.

Mit dieser Stoßrichtung haben wir als regierungstragende Fraktionen unseren Alternativantrag vorgelegt. Ich denke, wir sollten im Wissenschaftsausschuss und auch im zuständigen Sozialpolitischen Ausschuss darüber reden. Ich glaube, im Ziel sind wir nicht weit auseinander; ich denke aber, die Wege, die wir beschreiben, sind sehr unterschiedlich. Aber im Ziel einer Reform des Medizinstudiums sind wir nicht weit auseinander, und möglicherweise kommen wir dann doch noch zu einer Annäherung oder sogar zu einer gemeinsamen Beschlussgrundlage.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Landesregierung hat nun Herr Staatssekretär Professor Dr. Deufel das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank. – Herr Präsident, meine Herren und Damen Abgeordnete! Zwei Anträge zum Thema Reform und Weiterentwicklung des Medizinstudiums liegen vor, und wenn man für die Hochschulpolitik und die Hochschulmedizin in diesem Land mit Verantwortung übernehmen darf, ist man darüber zunächst einmal erfreut. Ich denke, es ist wichtig, dass wir dieses Thema behandeln.

Das Thema ist – das ist bereits gesagt worden – mit der völlig legitimen und sehr ernsthaften Äußerung des Präsidenten der Landesärztekammer in Rheinland-Pfalz auch in einen Kontext gestellt worden, nämlich dass wir in der Verantwortung stehen, auch durch eine gute Weiterentwicklung des Medizinstudiums dafür zu sorgen, dass das Grundproblem gelöst wird. Es geht um die Frage: Wie bekommen wir Ärzte für unser Land, die eine ausreichende Versorgung sicherstellen? – Dies ist unerlässlich.

Die Bedeutung von Modellstudiengängen, die einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums leisten können, ist mehrfach unterstrichen worden. Ich denke, in dieser Bewertung sind wir uns alle einig. Diese Bewertung ist allerdings auch nicht ganz neu. Nicht ganz einig sind wir uns hingegen hinsichtlich der Frage, welche Konsequenzen daraus folgen sollen.

Ich sagte bereits, die Bewertung ist nicht ganz neu. Der Wissenschaftsrat hat sich bereits 2014 mit einer Evaluation der seit 1999 laufenden Modellversuche beschäftigt. 15 Jahre, das war die Zeit, die es gebraucht hat, sie zu etablieren und sie jetzt bewertbar zu machen, nur um auch diesen Zeitfaktor einmal in die Debatte einzubringen.

In seiner Bestandsaufnahme und Bewertung unterstreicht der Wissenschaftsrat die Bedeutung der Modellversuche und – auch das sei an dieser Stelle erwähnt – der an ande

ren Universitäten durchgeführten Reformstudiengänge für die notwendige Weiterentwicklung des Medizinstudiums.

Was der Antrag der CDU leider nicht erwähnt, ist, dass der Wissenschaftsrat in derselben Stellungnahme ganz deutlich und kritisch auch die zunehmende Heterogenität in der Medizinausbildung in Deutschland feststellt und dabei hervorhebt, dass damit die Vergleichbarkeit der Studiengänge und damit auch die Mobilität der Studierenden im Lande sehr erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird. Dieser nicht erwünschten Uneinheitlichkeit in der Entwicklung hat er seine Empfehlung entgegengestellt, an einer Weiterentwicklung des Regelstudienganges in Medizin für alle zu arbeiten. Er hat dazu auch Grundsätze formuliert, wie eine solche Weiterentwicklung und eine Änderung der Approbationsordnung aussehen sollten.

In der Diskussion um die Ausbildung zukünftiger Medizinerinnen und Mediziner sind in meiner Wahrnehmung zwei Betrachtungen stets präsent. Einerseits ist das die Forderung nach einer Intensivierung des Aufbaus wissenschaftlicher Kompetenzen und damit einer notwendigen Stärkung der Wissenschaftlichkeit in der Medizinerausbildung. Diese Priorität hat zum Beispiel seiner Bestimmung entsprechend auch der Wissenschaftsrat klar formuliert.

Auf der anderen Seite gibt es aber die nicht minder legitime Forderung nach einem stärkeren Praxisbezug, nach allgemeinmedizinischen Inhalten, die die Absolventinnen und Absolventen insbesondere zu einer hausärztlichen, praktischen Tätigkeit in der Medizin motivieren. Dies wird vor allem von Akteuren der Gesundheitspolitik und der ärztlichen Selbstverwaltung, wie wir gehört haben, artikuliert.

Die Frage ist: Gibt es hier einen Widerspruch? – Meine Antwort dabei lautet: Nein. Diese Ziele zusammen zu denken, ist die Grundlage für die Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern von jeher. Wir sehen zwei Seiten einer Medaille.

Dabei ist Folgendes klar: Die Universitätsmedizin muss ihren Beitrag zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Veränderungen vor allem auch im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel leisten, und zwar gerade durch eine gute und erfolgreiche Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten.