Protocol of the Session on December 18, 2014

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Was passieren kann, wenn Politik ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, mussten wir alle leider schon einmal erleben. Im Jahr 1992 brannten in Deutschland Flüchtlingsheime.

Es wird manche Erinnerung an Rostock-Lichtenhagen wach, wenn man sieht, was sich in Dresden abgespielt hat. „DIE ZEIT“ hat 20 Jahre danach davon geschrieben, dass es sich um das schrecklichste politische Pogrom in Deutschland nach 1945 gehandelt hat. Das Jahr 1992 hat 18 Todesopfer gefordert.

Meine Damen und Herren, wir alle sind in der Verantwortung, an dieser Stelle gemeinsam dafür zu sorgen, dass so etwas wie Anfang der 90er-Jahre in Deutschland nie wieder vorkommt.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir sollten die richtigen Schlüsse ziehen. Es war gut, dass Anfang der 90er-Jahre in Deutschland Lichterketten gebrannt haben. Es war aber nicht gut, dass in diesem gesellschaftlichen Klima damals die Verhandlungen

über das Asylrecht geführt worden sind; denn es kann nicht sein, dass am Ende die Antwort auf brennende Flüchtlingsheime ist, das Asylrecht einzuschränken.

Es kann auch nicht sein, dass die Antwort auf eine krude Vorstellung von Abendland ist – – – Was bedeutet eigentlich die Bezeichnung Abendland? Wir sind Abendland, woanders ist nicht Abendland. Wo fängt das Abendland eigentlich an? Man muss sich einmal überlegen, woher Europa kommt. Es kommt aus dem hellenistischen Griechenland. Das war nicht nur in Athen, sondern auch Kleinasien und reichte teilweise bis nach Persien hinein. Wo ist das überhaupt? Das ist doch eine ganz krude Vorstellung von wir und die.

Ich finde, wir sind doch in den letzten zwei Jahrzenten alle gemeinsam viel weitergekommen. Wenn wir über Weltoffenheit und Toleranz reden, bedeutet das nicht Beliebigkeit. Das bedeutet, innerhalb der Menschenrechte, auf die wir pochen, klar zu sagen: Wer zu uns kommt und bei uns mitmachen will, der ist willkommen. Dann ist es mir egal, ob er Christ, Muslim, säkular oder Jude ist.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns dieses Signal gemeinsam aussenden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Als Gäste auf der Zuschauertribüne begrüße ich Mitglieder der CDU Schifferstadt, Polizeiausbilder der Sportfördergruppe des Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidiums aus Rheinland-Pfalz und Hessen sowie das Landtagsseminar für Schülerinnen und Schüler allgemeinbildender Schulen aus Frankenthal, Göllheim, Kirchheimbolanden, Koblenz, Ludwigshafen, Mainz und Oppenheim. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Für die Fraktion der CDU hat Frau Abgeordnete Klöckner das Wort.

Herr Präsident, Frau Ministerpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Rheinland-Pfalz ist ein weltoffenes und tolerantes Land. Es ist ein Land, das seine christlichen Wurzeln auch als Auftrag verstehen muss, Verfolgten und Entrechteten eine Zuflucht zu bieten. Ihnen reichen wir die Hand und heißen sie willkommen bei uns; denn diese Menschen sind froh, hier eine sichere Zuflucht zu haben und Freiheit genießen zu können, die ihnen unsere Grundwerte garantieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist zudem ein Integrationsland. Viel zu wenig und viel zu selten wird über die guten Beispiele und die gelungenen Integrationsvorbilder geredet. Die Mehrheit der Migrantinnen und Migranten ist Teil unseres Lebens in Arbeit, in Frei

zeit und in Vereinen. Sie tragen zu unserem Wohlstand bei, und zwar zu gutem Fußball, zu professioneller Versorgung in Krankenhäusern oder zur Erweiterung unseres Horizonts. Dafür sollten wir dankbar sein.

(Beifall der CDU)

An den Demonstrationen in Düsseldorf haben sich Anfang Dezember rund 400 Menschen beteiligt. Die Zahl der Gegendemonstranten war glücklicherweise fast dreimal so hoch. In Dresden waren es am Montag 15.000. Unter den Protestierern gibt es Radikale und einschlägige Extremisten. Klare Abgrenzungen zu deren Fremdenfeindlichkeit sind richtig und wichtig.

Es gibt aber auch viele, die einfach so mitlaufen, weil sie verunsichert sind. Wenn 15.000 Demonstrierende auf die Straße gehen, kann man diese nicht pauschal in eine Nazischublade werfen. Ihnen sollte man auch nicht in Gänze Fremdenfeindlichkeit und Rassismus unterstellen; denn der Protest auf dieser Straße richtet sich auch dagegen, sofort in die rechte Ecke gedrängt zu werden, sonst passiert genau das, was wir nicht wollen, dass sie dauerhaft in den Armen von Radikalen landen.

(Beifall der CDU)

Man muss genauso unter den Demonstranten unterscheiden, wie man zwischen den knapp 4 Millionen friedlich hier lebenden Menschen muslimischen Glaubens und einigen wenigen Tausend radikalisierten Salafisten unterscheiden muss. Ähnlich sieht es übrigens auch der ehemalige Bundestagspräsident Thierse in einem Interview im „Deutschlandfunk“. Ich zitiere: „Jeden Tag hören die Menschen Nachrichten über islamistischen Terror, das erzeugt Ängste.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Demonstranten haben Sorgen vor den Herausforderungen unserer Zeit. Es gibt Ängste. Es gibt Ängste vor sozialem Abstieg, Ängste, zu kurz gekommen zu sein, Ängste, Einwanderern würde alles und den Einheimischen gar nichts gegeben werden, was natürlich unsinnig ist, soziale Verunsicherung und „Entheimatungsängste“. Ich will das nicht entschuldigen, indem ich das beschreibe. Beschimpfungen helfen aber nicht, um Menschen ihre Angst überwinden zu lassen. Die Angst vor einer Islamisierung in Deutschland ist nicht begründet.

(Beifall der CDU)

Begründet ist hingegen die Vorsicht vor radikalisierten Islamisten, die für den IS kämpfen und Anschläge planen oder verüben. Mit dieser Gefährdung gerade durch Einzeltäter muss sich die Politik immer wieder und intensiv auseinandersetzen. Hass darf nicht mit Gegenhass beantwortet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass sich gewalttätige Salafisten und Rechtsextreme in unserem Land gegenseitig hochschaukeln.

(Beifall der CDU)

Ich fand es einen bemerkenswerten Auftritt und eine Klarheit, das zu hören, was, glaube ich, in der Analyse

der Pegida-Bewegung gut tut. Frank Richter, Landeszentrale für politische Bildung: „Wir sollten auch bedenken, dass im Osten der Bundesrepublik sehr viele Menschen 25 Jahre einen tiefen Transformationsprozess mitgemacht haben, vielleicht sind sie heimatlos in der eigenen Heimat geworden und es fällt ihnen jetzt schwer, ja mit offenen Armen Fremde zu empfangen, wo sie selbst noch nicht richtig angekommen sind.

Wir müssen die Flüchtlingspolitik und die gesetzlichen Rahmenbedingungen mehr erklären. Es wird viel davon abhängen, wie wir Politiker mit dem Flüchtlingszustrom auf europäischer, nationaler und auch lokaler Ebene umgehen. Wie sollen wir mit Pegida umgehen, wie es die „FAZ“ als Frage stellte, dämonisieren oder debattieren? Ich meine, wir müssen kein Verständnis für Pegida haben, aber wir müssen verstehen, was die Sorgen der Menschen sind.“

(Beifall der CDU)

Deshalb halte ich es auch für wichtig, klare Grenzen zu ziehen. Wir sollten uns aber auch vor Unterstellungen hüten.

Herr Kollege Schweitzer, ich habe Ihre Pressemitteilung zur Ankündigung dieser Aktuellen Stunde gelesen.

(Glocke des Präsidenten)

Sie haben gesagt, Sie verlangen von der CDU, dass sie sich klar von Pegida abgrenzt.

Herr Schweitzer, Sei haben sich schon einmal mit Vergleichen vergaloppiert.

(Beifall der CDU – Glocke des Präsidenten)

Herr Schweitzer, ich will deutlich sagen, auch Pegida ist für direkte Demokratie. Es wäre absurd, von den GRÜNEN zu verlangen, sich klar abzugrenzen.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die Landesregierung hat Frau Ministerpräsidentin Dreyer das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Wenn ich die Bilder der Demonstration in Dresden und andernorts sehe, dann läuft mir persönlich ein kalter Schauer über den Rücken. Tausende schwenken Deutschlandfahnen und skandieren „Wir sind das Volk“, und das bei Demonstrationen, die von Organisatoren unter antiislamischen Parolen ausgerufen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das sehe, ist es mir für einen kleinen Moment erst einmal egal, ob es

die Verantwortlichen von Pegida sind, die ganz offensichtlich islamfeindlich sind,

die Rechtsextremen unter den Demonstranten sind, die rassistisch, intolerant und ausgrenzend sind, oder

Menschen sind, die sich von diffusen Ängsten dazu mitreißen lassen, auf sogenannten Montagsdemonstrationen mitzumachen.

Ich wundere mich, dass das wenig öffentlich diskutiert wird. Montagsdemonstrationen stehen für Demonstrationen als wichtiger Baustein der friedlichen Revolution. Dort hat man um Frieden und Freiheit gekämpft.

(Pörksen, SPD: Wohl wahr!)

Wie zynisch ist es eigentlich, wenn Organisatoren, die nichts als Islamfeindliches oder Ausländerfeindliches im Sinn haben, unter diesem Motto in demselben Format erneut aufrufen?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)