Protocol of the Session on December 18, 2014

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das hier ganz ehrlich, weil es mich sehr betroffen macht, dass ich mich auch dafür schäme. Ich appelliere ganz deutlich an die Menschen, darüber nachzudenken, wer diese Organisatoren sind, unter welchen Slogans sie eingeladen werden zu Demonstrationen, und unter welchen Vorzeichen sie mitdemonstrieren, auch wenn sie selbst persönlich vielleicht etwas ganz anderes bewegt.

In Deutschland ist das Demonstrationsrecht ein hohes Gut; Gott sei Dank. Aber zu unserem grundlegenden Verfassungsrecht Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ passt es eben nicht, dass es Demonstrationen mit Hetze und Verleumdung gegen Menschen aus anderen Ländern gibt. Deshalb hat jeder Bürger und jede Bürgerin auch die Pflicht, sich von islamfeindlichen und ausländerfeindlichen Parolen und Initiatoren zu distanzieren und klarzumachen, dass man mit denen nichts zu tun haben möchte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bündnis Pegida spielt mit der Angst vor einer angeblichen Überfremdung – das wurde schon gesagt – oder Islamisierung unserer Gesellschaft und nutzt gleichzeitig die Sorge vieler, sie könnten von ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben abgekoppelt werden. Das sehen wir auch, und gleichzeitig müssen wir an solchen Stellen immer wieder ganz deutlich sagen – das haben auch die Kollegen vor mir gesagt –, dass in Wahrheit die Zahlen eigentlich für etwas vollkommen anderes stehen.

2013 sind 1,2 Millionen Menschen zu uns eingewandert, gleichzeitig 798.000 ausgewandert, das heißt, ein Wanderungsgewinn von 437.000 Personen. Hauptherkunftsland war mit großem Abstand Polen. Darauf folgen Rumänien und Italien. Die Einwanderer sind überwiegend gut qualifiziert; sie bringen unsere Wirtschaft, unseren Arbeitsmarkt voran. Wenn Sie sich umhören, so ganz normal im Leben würde auch keiner sagen, dass sie nicht gut integriert sind.

Auch kann mitnichten von einer Gefahr der Islamisierung Europas die Rede sein. In Rheinland-Pfalz leben rund 160.000 muslimische Bürger und Bürgerinnen. Das ist eine minimale Anzahl. Noch nicht einmal ein halbes Prozent gibt Auskunft darüber, dass sie islamistische Bestrebungen unterstützen.

Indes verschließen wir natürlich auch nicht unsere Augen vor islamistischem Terrorismus und vor unserer Verpflichtung in diesem Zusammenhang. Das ist vollkommen klar. Diese Gefahren haben jedoch nichts, und zwar gar nichts, mit einer angeblichen Islamisierung Europas zu tun. Für die dahinterstehende Absicht, Angst und Stimmungsmache zu erzeugen, habe ich absolut kein Verständnis. Ich habe auch die Erwartung, dass wir wirklich Flagge zeigen und deutlich machen, dass wir damit nichts zu tun haben wollen und auch jeder eine Verantwortung trägt, dies nach außen deutlich zu machen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch drei Sätze dazu. Das Jahr geht zu Ende, und der November ist ein Monat, in dem wir viele Gedenken haben, schöne Dinge, aber auch Dinge, die uns aufgrund unserer Vergangenheit total beschämen. Bei all diesen Ereignissen halten wir große Reden. Was in diesem Dezember noch wichtig ist, ist, dass wir uns zusammenschließen in diesem Sinne, in unserer Verantwortung – auch mit Blick auf unsere eigene Geschichte – und deutlich machen als Demokraten und Demokratinnen, dass wir es nicht dulden, dass sich Menschen, die sich unter dieser Organisation vereinigen, hinstellen und sagen: Wir rufen auf zu Islam- oder zu Ausländerfeindlichkeit.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, es passt nicht zu unserem Land, zu Rheinland-Pfalz schon gar nicht. Ich denke, wir haben gerade mit Blick auf Weihnachten, das friedvolle Fest, die Verantwortung, deutlich zu sagen, wo wir stehen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will zum Abschluss noch einmal sagen, dass ich selbstverständlich dafür bin, dass wir mit den Menschen reden und ihnen deutlich machen müssen, dass wir – die Zahlen belegen es – in Deutschland gar nicht diese Gefahr haben, erst recht nicht in Rheinland-Pfalz, vor denen sie Ängste haben. Natürlich müssen wir ihre Ängste auch aufnehmen, zum Beispiel wenn sie davor Angst haben, in unserer Gesellschaft ein Stück unterzugehen. Das ist selbstverständlich. Genauso deutlich müssen wir Diskussionen führen, wenn es um die Frage geht, wo eigentlich die Grenze bei Organisatoren, bei Mitläufern ist, die tatsächlich mehr als die Grenze des Anstands überschreiten.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, ich will zum Abschluss noch sagen, dass Rheinland-Pfalz ein offenes, ein tolerantes und ein freies Land ist und ich als Ministerpräsidentin stolz bin, dass gerade in der heutigen Zeit, in der wir viele Flüchtlinge aufnehmen, in der wir es aber auch als unsere Verantwortung empfinden, diese Flüchtlinge aufzunehmen, viele Menschen im positiven Sinn mitma

chen und das Klima insgesamt in unserem Land sehr positiv ist.

Ich könnte viele Einzelbeispiele nennen, in denen junge und ältere Leute sagen: Wir sind bereit, Flüchtlingsfamilien aufzunehmen; wir sorgen für sie. Wir sind bereit, zu Flüchtlingseinrichtungen zu gehen und den Kindern Nachhilfeunterricht zu geben – oder was auch immer. Es gibt viel bürgerschaftliches Engagement, das das Land und die Kommunen unterstützt, gut mit unseren Flüchtlingen umzugehen. Darüber bin ich sehr froh. Ich glaube, es ist mit Blick auf Weihnachten noch einmal wichtig zu sagen: Es gibt auch Bilder im Fernsehen, die mich sehr glücklich machen. Das sind die Tausende und Abertausende von Menschen, die zu Demonstrationen gehen, um deutlich zu machen, dass sie für Frieden und Freiheit und Toleranz stehen. Ich glaube, dass wir das für unser Land auch sagen dürfen, dass die Menschen in ganz großer Mehrheit genauso denken.

Herzlichen Dank.

(Anhaltend Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. Für die CDUFraktion hat Frau Kohnle-Gros das Wort. – Die Fraktionen haben insgesamt noch zehn Minuten Redezeit.

Vielen Dank, Herr Präsident, für das Wort. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerpräsidentin, es war eine vorweihnachtliche Rede – will ich einmal sagen – von Ihnen, die Sie hier gehalten haben. Aber ich will, auch nach dem, was die Fraktionsvorsitzenden der anderen Fraktionen gesagt haben, doch noch einmal ein Stück weit auf die Problemstellung zurückkommen. Es wäre vielleicht nicht schlecht – ich bin nicht sicher, ob das noch kommt –, wenn der Innenminister dieses Landes ein paar Worte zu der Entschließung sagen würde, die die Innenministerkonferenz in der letzten Woche getroffen hat,

(Frau Klöckner, CDU: Ja!)

und auf die aktuellen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit Pegida angesprochen werden müssen, ein paar Antworten geben würde.

(Beifall der CDU)

Nur zu sagen, wir wollen das alles nicht, wir verabscheuen diese Demonstranten und die Demonstrationen an sich, das wird nicht reichen, um die Menschen tatsächlich zu bewegen, darüber nachzudenken, worum es hier überhaupt geht. Die Innenministerkonferenz hat in den ersten zwei Punkten ihrer Resolution die Situation beschrieben und hat natürlich auch beschrieben, dass uns in Deutschland dieser Zusammenlauf von verschiedenen Menschen nicht gefallen kann und wir es auch alle nicht wollen.

Es muss darum gehen, über Asylbewerber, über Leistungen, über andere rechtliche Umstände in diesem Zusammenhang mit den Menschen zu sprechen und ihnen zu erklären, was es denn heißt, wenn man hierher kommt, Asyl beantragt, es abgelehnt wird und man dann geduldet wird. Was sind das für rechtliche Voraussetzungen? Wie sind wir dazu gekommen, und wie stehen wir dazu? Wie verständigen wir uns denn insgesamt in diesen Fragen?

Ich will in Richtung GRÜNE noch sagen, dass ich es schon sehr abstrus fand – wenn ich das einmal so vorsichtig sagen kann –, was Sie zum ersten Asylkompromiss vor 17 Jahren hier gesagt haben, den CDU und FDP zusammen gefunden haben, um die Probleme, die sich damals gestellt haben, zu lösen und auch das Grundgesetz geändert haben.

Das ist unsere derzeitige Rechtsgrundlage, meine Damen und Herren. Da kann man nicht sagen, heute haben wir wieder die Situation, damals haben wir es schon falsch gemacht, weil die Menschen auf die Straße gegangen sind und wir darauf reagiert haben, und zwar gemeinsam und verantwortlich. Das war damals falsch, und ist heute auch noch falsch vor diesem Hintergrund. Das lehne ich für die CDU-Fraktion entschieden ab. Das sage ich Ihnen, und das erwarte ich eigentlich auch von Ihnen, dass Sie das machen, meine Damen und Herren von der SPD.

(Beifall der CDU)

Ich möchte noch einmal auf diese Erklärungen und das, was gesagt werden muss, zurückkommen: Natürlich ist das ein absolut diffuses Bild, das sich uns bietet und – wenn man es so wie die Ministerpräsidentin erklärt – überhaupt nicht nachzuvollziehen ist. Trotz allem schaffen es Menschen, andere, und das in großer Zahl, mit diesen diffusen Angaben auf die Straße zu bringen.

Es gibt inzwischen schon Parteien, die in den Parlamenten sitzen, die diese Dinge vertreten. Das kann uns in der Tat nicht in Ruhe lassen, wie wir uns damit auseinandersetzen.

Jetzt sage ich einmal in Richtung SPD, Sie müssen sich einmal überlegen, welche Rolle Sie in Sachsen spielen, wo Sie noch nicht einmal mehr 10 % erreichen.

(Beifall der Abg. Frau Klöckner, CDU)

Dann überlegen Sie einmal, wo Ihre Rolle als Volkspartei ist, da Sie dort verantwortlich mitarbeiten.

(Beifall der CDU)

Vielleicht wäre das anders in den neuen Ländern, wenn Sie es schaffen könnten, an der Stelle gegenzuarbeiten, und nicht hier in Rheinland-Pfalz, wo das Problem nicht virulent ist, Gott sei Dank, muss ich sagen. Hier stellen Sie sich in den Landtag und halten eine Vorweihnachtsrede. Das sage ich jetzt auch noch einmal.

(Pörksen, SPD: Sie sind unfähig, eine vernünftige Debatte zu führen!)

Jetzt will ich einmal Angela Merkel zitieren, meine Damen und Herren. Sie wird überall mit ihrem Statement zu dieser Frage verkürzt dargestellt. Wenn Sie sich das Ganze einmal auf YouTube anschauen, dann können Sie feststellen, das, was sie sagt, hat drei Aspekte.

(Frau Anklam-Trapp, SPD: Thema verfehlt! – Zuruf von der SPD: Karnevalsreden!)

Sie hat einmal von Demonstrationsrecht gesprochen. Vorhin haben wir das auch von Herrn Robbers gehört. Wir müssen immer das Ganze mit im Auge behalten.

Demonstrationsrecht ist zunächst einmal ein Recht, das wir hier Gott sei Dank haben. Wir alle sind froh, dass das erkämpft worden ist und umgesetzt werden kann.

Zweitens hat sie gesagt, Hass und Diskriminierung von einzelnen Gruppen und Menschen, das geht in Deutschland überhaupt nicht. Das ist eindeutig, das ist ihre Sprache, das hat sie gesagt.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, sie hat noch etwas Drittes gesagt, was regelmäßig in den Veröffentlichungen unterschlagen wird. Sie hat gesagt, wir arbeiten als Bundesregierung an Lösungen, um auch im Asylumfeld zu neuen Verständigungen zu kommen. Wir haben das oft genug diskutiert.

(Pörksen, SPD: Aber wie?)

Nein, lieber Herr Pörksen.

Sie hat auch gesagt, dazu brauchen wir die Mitarbeit der Länder.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, nur, wo ist da Ihre Mitarbeit? Die GRÜNEN bestimmen auf der Parteiebene, was alles nicht in Deutschland geht, und dann nachher, wenn Probleme entstehen, sind immer die anderen schuld. Das geht überhaupt nicht.

(Beifall der CDU – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Dann muss man konkret mitarbeiten und über die eigene Parteiideologie hinaus sagen, was möglich ist und wo wir die Menschen in Mehrheit – meine Damen und Herren, die CDU kann das in Mehrheit, sie ist nämlich noch eine Volkspartei – mitnehmen. Dann kann man keine Debatte vom Zaun brechen, die man öffentlich damit ankündigt – – –

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Erzählen Sie doch einmal konkret, was Sie wollen!)